Binnendifferenzierung konkret

  • Guten Morgen,
    ich schlage mich seit Beginn des Schuljahres mit einem Vorhaben herum und komme nicht recht weiter: möchte wieder mehr Binnendifferenzierung in den Unterricht einbauen. Mein Problem sind eigentlich weniger die schwachen SchülerInnen, mit ihnen kann ich gut umgehen und viele fassen druch Förderangebote auch wieder Tritt. Aber ich lasse doch zu schnell die stärkeren aus dem Blick, weil sie ja keine "Probleme" machen. Nun habe ich mir das Ziel gesetzt, sie wieder mehr in den Blick zu nehmen und auch zu fordern - und nicht nur mit dem x-ten Rätsel oder irgendeiner anderen Beschäftigungstherapie abzuspeisen, damit sie irgendwas zu tun haben, während sie schwächeren Schüler noch die regulären Aufgaben erledigen. Nur wie???


    Zum Teil geht es mit Gruppen, die nach Lernstärke eingeteilt werden, schon ganz gut. Bei entsprechender Erklärung nahme die SuS das auch positiv auf, und ich habe noch nie meine Latein-5er Kandidaten so eifrig an der Gruppenarbeit gesehen wie bei diesem Male, wo ich sie gezielt zusammengesetzt habe und sie nicht die Dummchen in ihrer Arbeitsgruppe waren, die nur zuhören, abschreiben und ansonsten nix kapieren.


    Hat noch jemand Ideen, wie Binnendifferenzierung umsetzbar ist und mit sinnvollen Arbeitszielen verbunden werden kann - ohne dass Disparitäten noch verstärkt werden? Lernzirkel usw. sind mir als Konzepte natürlich klar, aber nicht der Weisheit letzter Schluss dabei. Bisher versuche ich es meist mit Gruppen, wobei den Schwächeren die Arbeitsschritte sehr genau vorgegeben werden, mit Beispielen usw. Stärkere Gruppen erhalten pauschalere Aufträge, die Besten müssen zum Teil selbst Unterricht vorbereiten und halten, oder Ergebnisse präsentieren, deren Beurteilungsgrundlage die für alle gestellten Aufgaben sind. Arbeitet ihr auch mit im wesentlichen mit Gruppenarbeit, oder seht ihr noch andere Möglichkeiten? Wie fordere ich gute Schüler angemessen, ohne dass ich sie letztenendes sinnlose Aufgaben machen lasse - abgesehen von einem gewissen Spassfaktor - oder ihnen einen zusätzlichen Vorsprung verschaffe, der einen Nachteil für den Rest nach sich zieht?


    Grüße,
    JJ


    P.S.: Ich möchte darum bitten, dass sich vor allem meine KollegInnen aus der Praxis hier äußern, gut gemeinte "Schönwettertipps" von in der Theorie belesenen, aber nicht praxiserfahrenen Leuten bringen mich nicht weiter, auch nicht eine erneute Debatte über das mangelhafte Fördersystem oder die möglichen Ursachen für Lernschwächen einzelner SchülerInnnen.

    • Offizieller Beitrag

    Schau mal hier:
    http://www.lehrerforen.de/oldforum.php?topic=100678329480
    Dort habe ich ein paar gute Tipps bekommen.
    Allerdings hatte ich anfangs meine Lerngruppe falsch eingeschätzt, dort sind sehr wohl viele Schüler, die vom Gymnasium kommen und sehr gut sind, die sich zum Beispiel bei unseren Buchtexten (nicht inhaltlich, sondern vom Sprachniveau her) nur langweilen, während viele meiner schwächsten Schüler gar nichts mehr verstehen.


    Ich habe eine zusätzliche Förderstunde (man könnte dafür aber ebenso eine normale Unterrichtsstunde pro Woche nehmen), in der ich die schwächeren Schüler auf das aktuelle Thema vorbereite oder das Thema mit ihnen vertiefe, während die anderen sich in Stillarbeit an schwierigeren Texten versuchen.
    Hast du vielleicht noch einen zweiten Raum zur Verfügung, dann ginge das ja eventuell - bei mir ist ja im Regelfall in der Förderstunde nur eine der beiden Gruppen da, während die anderen frei haben. Ich hatte aber auch schon mehrmals beide Gruppen gleichzeitig da und das hat auch funktioniert.


    Na gut, die Situation ist ein bisschen anders bei mir (10. Klasse Englisch), aber ich habe damit momentan sehr gute Erfahrungen gemacht: Beide Gruppen sind motiviert. Die einen, die das Fach oftmals schon total abgeschrieben hatten, weil sie jahrelang nichts verstanden haben, geben sich Mühe und hören im normalen Unterricht plötzlich zu, beteiligen sich so weit sie es können und sind motivierter. Die anderen haben wieder eine Herausforderung, sind auch motivierter und fühlen sich nicht mehr unterfordert. Außerdem habe ich ein besseres Verhältnis zur Klasse, da ich durch die Arbeit mit den kleineren Gruppen die einzelnen Schüler besser kennen lerne.


    Ansonsten versuche ich auch Gruppenarbeit und selbständiges Arbeiten. Die Schüler halten z.B. momentan Referate zu ihren Lieblingsmusikgruppen. Dazu benutzen die schwächeren Schüler von mir zusammengetragene Redewendungen und die stärkeren Schüler formulieren frei, ohne solche Redewendungen zu benötigen.


    Was bei mir auch gut funktioniert ist, dass die stärkeren Schüler den schwächeren helfen. Wenn die einen schon fertig sind und die anderen noch verzweifelt über ihren Aufgaben sitzen, gehen sie rund und helfen den anderen. Das funktioniert trotz schwieriger Klasse inzwischen sehr gut.

  • Da mit meinen Kindern ständig solche Versuche laufen, halte ich mich inzwischen durchaus für praxiserfahren.


    Versucht haben es schon viele Lehrer. Meistens ging es irgendwie nach hinten los. Wichtig ist vor allem, die Kinder nicht zu überlasten oder irgendwie vorzuführen.


    Ich schildere also mal das, was man so mit meiner Jüngsten versucht hat.


    In Deutsch wurde vor allem versucht, sie auf's Schreiben zu heben. Sie hat da ein beachtliches Talent. Die Lehrerin hat das über Wettbewerbe versucht, für die das Mädchen Beiträge schrieb. Sie fuhr durchaus darauf ab, jemanden zu haben, der ihre Texte aufmerksam liest und ihr Tipps für die Überarbeitung gab. Es war sicher eine gute Sache, allerdings war die Belastung grenzwertig. Die normalen Aufgaben mussten halt auch erledigt werden und die Fördermaßnahmen kamen oben drauf. Obwohl sie sehr zügig tippt, saß sie Stunde um Stunde an diesen Texten und ging irgendwann auf dem Zahnfleisch. Es müsste also an anderer Stelle entlastet werden.


    In Mathe versuchte die Lehrerin, ihr einzelne Kapitel sozusagen als Hilfslehrerin zu übertragen. Sie hat sich dann in didaktische Fragestellungen vertieft, versucht, den Stoff möglichst anschaulich darzustellen (also das Mädchen). Das hat ihr großen Spaß gemacht. Sie war Feuer und Flamme. Etliche von den anderen Kindern machten das auch mit wachsender Begeisterung. Die Lehrerin fand es toll.


    Leider gab es dann in beiden Fächern einen Lehrerwechseln und die neuen Lehrer versuchten gegenzuarbeiten. Das war sehr, sehr hart. Inzwischen betreibt sie ähnliche Dinge in ihrer Freizeit. Insofern war es sicher nicht vergebens.


    Grüße Enja

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