9.Klasse Barock

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    Hallo Ihr Lieben,
    ich hab es in Deutsch mit einer ganz netten, aber sehr pubertierenden 9. Klasse zu tun. Nun hab ich mit der Epoche des Barock angefangen, für den sie sich nur mäßig erwärmen konnten (Zitat: "17. Jahrhundert? Das war doch im Mittelalter!)
    Jetzt bin ich gerade am Überlegen, nachdem ich heute noch eine Einführung gemacht habe und morgen noch mal genau auf Epochenbegriff, Literaturmerkmale und Lebensgefühl eingehen will, ob es nicht auch aktuelle Songtexte gibt, die das barocke Lebensgefühl ein wenig aufgreifen.
    Habt Ihr vielleicht Ideen?
    Lg, Hermine

  • Ich glaube nicht, dass du alle Aspekte in einem Lied finden kannst, sondern vielleicht eher verschiedene Lieder brauchst. Ich kenne leider nie Liedtitel und Interpreten, außerdem habe ich häufig nur den Refrain im Kopf. Das heißt, meine Aussagen können auch Quatsch sein.
    Zu Vergänglichkeit, Tod fällt mir gerade auch nichts ein, im Bereich überschwängliche Lebensfreude fällt mir gerade "Das ist die perfekte Welle ein", aber wie ist der Text der STrophen???
    Im Kontext mit Vergänglichkeit könnte man natürlich auch irgendeines der vielen Liebe ist vorbei-Lieder nehmen -> drückt ja ein Maß von Vergänglichkeit aus, das für Neuntklässler vielleicht eher nachzuvollziehen ist als Tod?
    Na ja, weiß nicht, ob's hilfreich war.
    Gruß Delphine

  • Sind Vergänglichkeit und Todessehnsucht nicht Merkmale der Romantik? Zumindest musikalische meine ich mich daran zu erinnern...


    LG,das_kaddl

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Kaddl,
    naja, die Geschichte wiederholt sich doch immer :D
    Im Barock ist schon die Vergänglichkeit Merkmal, auch das (aber eher nüchterne) Bewusstsein des Todes, wohingegen die Sehnsucht und das Schwärmen in der Romantik einen großen Platz einnimmt.
    Delphine: Ja, mehrere Lieder zum Vergleichen wären sogar noch viel besser- den Text kann ich mir auch selbst raussuchen.
    Lg, Hermine

  • Habe ganz gute Erfahrung mit eher ferkeligen Barock-Gedichten gemacht (das Klett-Themenheft Barock ist eine sehr gute Sammlung), und die ganzen halb Jungfrau-halb Totenkopf - Darstellungen sind schon recht fetzig. Sinnvoll auch: Lebensumstände im 30jährigen Krieg recherchieren lassen. An Liedern fällt mir ein:


    So ziemlich alles von "Dead can Dance" - geht nix über Grufti-Mucke
    Wenn's auch mal ein Liedermacher sein darf: "Ich will Gesang, will Spiel und Tanz, will, dass man sich wie toll vergnügt" usw. von Klaus Hoffmann


    Christian Hofmann von Hofmannswaldau: Allegorisches Sonett
    Amanda, liebstes Kind, du Brustlatz kalter Herzen,
    Der Liebe Feuerzeug, Goldschachtel edler Zier,
    Der Seufzer Blasebalg, des Trauerns Löschpapier,
    Sandbüchse meiner Pein und Baumöl meiner Schmerzen,
    Du Speise meiner Lust, du Flamme meiner Kerzen,
    Nachtstühlchen meiner Ruh, der Poesie Klistier,
    Des Mundes Alekant, der Augen Lustbrevier,
    Der Komplimenten Sitz, du Meisterin der Scherzen.
    Der Tugend Quodlibet, Kalender meiner Zeit,
    Du Andachtsfackelchen, du Quell der Fröhlichkeit,
    Du tiefer Abgrund du voll tausend guter Morgen,
    Der Zungen Honigseim, des Herzens Marzipan,
    Und wie man sonsten dich mein Kind beschreiben kann.
    Lichtputze meiner Not und Flederwisch der Sorgen.




    Paul Fleming: Wie er wollte geküsset sein


    Nirgends hin als auf den Mund:
    Da sinkt’s in des Herzens Grund;
    Nicht zu frei, nicht zu gezwungen,
    Nicht mit gar zu fauler Zungen.


    Nicht zu wenig, nicht zu viel:
    Beides wird sonst Kinderspiel;
    Nicht zu laut und nicht zu leise:
    Bei dem Maß ist rechte Weise.


    Nicht zu nahe, nicht zu weit:
    Dies macht Kummer, jenes Leid;
    Nicht zu trocken, nicht zu feuchte,
    Wie Adonis Venus reichte.

    Nicht zu harte, nicht zu weich,
    Bald zugleich, bald nicht zugleich,
    Nicht zu langsam, nicht zu schnelle,
    Nicht ohn Unterschied der Stelle.


    Halb gebissen, halb gehaucht,
    Halb die Lippen eingetaucht,
    Nicht ohn unterschied der Zeiten,
    Mehr alleine denn bei Leuten.


    Küsse nun ein jedermann,
    Wie er weiß, will, soll und kann!
    Ich nur und die Liebste wissen,
    Wie wir uns recht sollen küssen.


    Paul Fleming (1609-1640), Conrady S. 84



    Zur Form des Sonetts auch immer wieder der Renner:


    Robert Gernhard
    Materialien zu einer Kritik
    der bekanntesten Gedichtform italienischen Ursprungs


    Sonette find ich sowas von beschissen,
    so eng, rigide, irgendwie nicht gut;
    es macht mich ehrlich richtig krank zu wissen,
    daß wer Sonette schreibt. Daß wer den Mut


    hat, heute noch so’n dumpfen Scheiß zu bauen;
    allein der Fakt, daß so ein Typ das tut,
    kann mir in echt den ganzen Tag versauen.
    Ich hab da eine Sperre. Und die Wut


    darüber, daß so’n abgefuckter Kacker
    mich mittels seiner Wichserein blockiert,
    schafft in mir Aggressionen auf den Macker.


    Ich tick nicht, was das Arschloch motiviert.
    Ich tick es echt nicht. Und wills echt nicht wissen:
    Ich find Sonette unheimlich beschissen.


    Schau dir wirklich mal das Klett-Heft ("Zwischen Sinnenfreude und Jenseitssucht") an - Kochrezepte, höchst Interessantes zum Widerstand der Moralisten gegen die Einführung der Drogen Kaffee und Schokolade, Spruch- und Bilderrätsel...sollte klappen.


    Viel Spaß,
    w.

    Frölich zärtlich lieplich und klärlich lustlich stille leysejn senffter süsser keuscher sainer weysewach du minnikliches schönes weib

    • Offizieller Beitrag

    Danke Wolkenstein!
    Diese Ideen sind super- und ich komm damit schon mal eine ganze Runde weiter- aber wo bekomme ich diese Halb-Totenkopf-Halb-Jungfrau--Bilder her?
    Hast du da auch einen Tipp?
    Lg, Hermine


    Edit: Hab auf meiner Suche was ziemlich Nettes gefunden. Schaut mal hier: http://www.fk1-tu-berlin.de/litwiss/dephil/Bilder/neuere/Barock%202.jpg

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