Schwierige 7er - totaler Frust

  • Hallo ihr Lieben,
    nachdem ich heute wieder einmal eine katostrophale Stunde in meiner Siebten (HS) hinter mich gebracht habe, muss ich einfach mal jammern...
    Ich habe die Klasse in zwei verschiednen Fächern jeweils eine Stunde in der Woche und es ist fast immer der reine Frust.
    Die Kids lassen sich zum großen Teil auf nichts ein, sind ständig damit beschäftigt sich gegenseitig fertig zu machen und das mit einer Wortwahl, dass es mich gruselt (und ich bin alles andere als zart besaitet...). Der Unterricht interessiert sie zum größten Teil gegen Null, vollständiges Arbeitsmaterial
    ist für die meisten ein Fremdwort usw.
    Die Klassenlehrerin ist oft ähnlich verzweifelt wie ich - und ich denke mir jede Woche von neuem - wie soll das noch werden... Im Moment ist es jedenfalls für keinen Beteiligten befriedigendes Lernen/Lehren...
    Nebenbei noch die Rahmenbedingungen: In dieser Klasse ist Erpressung an der Tagesordnung, allein in diesem Schuljahr waren zwei Schülerinnen wegen Drogenmissbrauchs im Krankenhaus, Schlägereien in den Pausen,...
    Und als frustrierend empfinde ich auch mein Fachlehrerdasein, da ich einfach keinen "Draht" zu den SuS kriege und das Gefühl habe, dass diese beiden Stunden die reinste Zeitverschwendung für mich UND die Schüler sind.
    Damit jetzt nicht der Eindruck entsteht ich sei in diesem Beruf total unglücklich, nein ganz im Gegenteil. Egal ob meine Grundschulklassen (3+4), in der sechsten Klasse oder der anderen Siebten- ich unterrichte gerne und es macht viel Freude. Aber diese zwei Stunden kosten mich ungefähr so viel Energie wie die restlichen 26 ...
    So das musste jetzt einfach mal raus

  • Oh man, das tut mir leid für dich! Hört sich wirklich nicht schön an! Ich habe ein ähnliches Gefühl (eigentlich bringt der Unterricht weder mir noch meinen Schülern etwas) in einer achten Klasse, die ebenfalls an der Schule als besonders schwierig bekannt ist. Wenn ich mir allerdings deine Bemerkungen zu Erpressung, Dealen... durchlese, merke ich: Hey es geht noch schlimmer. Meine Achter sind einfach nur desinteressiert, undiszipliniert, pubertär und nehmen mich kein bisschen ernst (es sei denn ich schreie rum, aber dann auch nur für 5 Minuten und außerdem ist das ja auch nicht der WEisheit letzter Schluss. )... Tolle Methoden, wie vorbereitete Elternbriefe bei jeder Störung, Stillarbeit für Störer... habe ich zwar versucht, bringen aber nicht viel, da es schwer ist Einzelschüler auszumachen: Es ist fast die ganze Klasse beteiligt und wenn nicht die anderen Lehrer ebenfalls klagen würden und es nicht in den anderen KLassen wirklich gut laufen würde, würde ich verzweifeln. So aber ist es eine lästige Stunde. Was eventuell noch helfen könnte (probiere es heute aus): In unserer Schule sind gegenseitige Hospitationen von Lehrern durchaus üblich: Ich habe eine Lehrerin, die halbwegs gut mit den Schülern auskommt gebeten, sich doch einfach mal eine Stunde anzuschauen. Vielleicht fällt ihr ja irgendwas auf. Eventuell werde ich mir auch eine Stunde bei ihr mal anschauen... Wünsche dir viel Durchhaltevermögen!
    Mitleidende Grüße!
    Delphine

  • Zitat

    Sternchen schrieb am 20.01.2005 22:26:
    .....
    Nebenbei noch die Rahmenbedingungen: In dieser Klasse ist Erpressung an der Tagesordnung, allein in diesem Schuljahr waren zwei Schülerinnen wegen Drogenmissbrauchs im Krankenhaus, Schlägereien in den Pausen,...
    .....


    Das hört sich alles recht schlimm an. Es hört sich sogar nach einem ziemlich rechtsfreien Raum an.
    Die Dinge, die du schilderst, sind zum großen Teil Straftatbestände, die nicht dadurch aufhören, dass man den Kopf darüber schüttelt oder den Zeigefinger erhebt.


    An unserer Schule haben vor Jahren ein paar Schüler begonnen, ein kleines Terror-Regime aufzubauen. Durch Drohung, Schläge und Einschüchterung hatten sie von ihren Mitschülern das Vespergeld "abgezockt".


    Nachdem wir es erfahren hatten, dass "da etwas läuft" haben wir das Problem mit den Schülern in vielen Klassen thematisiert und hatten dann eine Reihe Zeugen. Die Rädelsführer wurden der Staatsanwaltschaft gemeldet und es kam sogar zu einer Gerichtsverhandlung - wegen nachgewiesener Erpressung von 5€.


    Seither haben wir an unserer Schule keine derartigen Vorkommnisse mehr gehabt. Konsequenz spricht sich rum. Laissez-faire ist eine Einladung an alle, sich ihr Taschengeld aufzubessern.


    Und sonst zu Klasse 7:
    Ich mach jedes Mal bevor ich eine Klasse 7 übernehme das Kreuz - und danach, weil ich sie wieder los bin.
    In dieser Altersstufe spielen die Hormone - und die Schüler - verrückt.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    Einmal editiert, zuletzt von alias ()

  • An dem, was Alias schreibt, ist viel dran - wenn es wirklich um Straftaten geht, kann erst wieder Ruhe in die Klasse einkehren, wenn klargestellt ist, dass die Schule kein rechtsfreier Raum ist. Hier würde ich mich aber auch an die Sachverständigen vom örtlichen Jugendamt/ der Polizei wenden - in einigen Städten gibt es sehr gute Vorbeugungskonzepte, die Leute gehen auch in die Schulen und helfen, Projekte durchzuführen.


    Ansonsten kann ich nur aus meiner Hospitation bei der Hauptschule berichten, bei der ich die gleiche 7 bei zwei verschiedenen Lehrern gesehen habe. Beim einen waren sie die von dir beschriebenen Monster, beim andern wie umgewandelt. Was mir beim Unterricht des zweiten auffiel:
    - Es gab ein klares, greifbares Projekt (anhand einer Anleitung Modellautos aus Sperrholz und Zubehör bauen) mit eingebauter Fehlerkontrolle (wenn die Batterie nicht passte, weil die Seitenteile falsch eingeleimt waren, dann passte sie eben nicht) und einem wünschenswerten Ergebnis (die Lütten waren heidenstolz, ihr Auto am Ende über den Boden schnurren zu lassen).
    - Mischung aus Einzelarbeit und Teamwork; jeder hatte sein eigenes Auto zu bauen, konnte sich aber beim anderen Hilfestellung holen. Der Lehrer hat das unterstützt, indem er alle Fragen und Probleme an den Fragenden zurückspiegelte, der dann meist von allein auf die Idee kam, nochmal in den Plan zu sehen bzw. einen Mitschüler zu fragen. Am Ende waren sich alle sicher, ihr Auto wirklich allein hinbekommen zu haben.
    - Der Lehrer verbreitete vor allem eine unglaubliche Gelassenheit - Hilfestellungen wurden nur mit minimalen, oft stummen Impulsen gegeben, wenn zuviele Leute "Herr X, Herr X" riefen, sagte er nur "Ich höre meinen Namen zu oft" und zog sich erst mal wieder etwas zurück. Eigentlich hab ich noch nie einen Lehrer in einer Stunde so wenig reden sehen, und mir schien, die Schüler waren dadurch automatisch auch ruhiger. Arbeitsimpulse kamen aus Material und Aufgabe. In den "Monsterstunden" hatten die Lehrer oft versucht, den SuS ihr Fehlverhalten wortreich zu erklären, davon ging allerdings mehr als die Hälfte völlig über die Köpfe der Schüler hinweg, inzwischen langweilten sich die anderen und störten ebenfalls, das Ganze drehte sich immer schneller. Dazu kam es hier gar nicht, weil jeder intensiv zu tun hatte (ich sehe gerade Robischon in sich hineingrinsen, weil die beschriebene Arbeitssituation seinen Grundprinzipien gar nicht unähnlich ist - hast ja recht!).


    Was ich daraus an Schlüssen ziehe:
    - Projektarbeit mit greifbaren Ergebnissen (Wandzeitung, Infoblatt, Modell der Marie Celeste - jedes Thema lässt sich irgendwie produktionsorientiert umdrehen, und je weniger Kopfarbeiter die SuS, umso dringender ist das lebensnotwendig).
    - Jeder SuS ist mit seiner Aufgabe erst mal allein, kann sich aber Hilfe holen - dadurch werden gegenseitige Störungen vermindert, und keiner stört aus Langeweile.
    - Lehrerinput runter, runter, runter schrauben - alle Einzelstreitereien auf nach dem Unterricht verlagern, stummer Impuls statt Vortrag, Konsequenzen statt Drohungen. Mir gefällt ja immer noch das Modell, durch Stören versäumte Unterrichtszeit zu messen und in einer Sonderstunde nachzuholen - aber es muss auch wirklich passieren, sonst bringt das alles nix.


    Irgendwas dabei, was bei dir Ideen auslöst?


    Mit besten Grüßen,
    w.

    Frölich zärtlich lieplich und klärlich lustlich stille leysejn senffter süsser keuscher sainer weysewach du minnikliches schönes weib

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,


    ich hab gestern abend eine Reportage auf 3 Sat gesehen, da ging es um Gewalt an Schulen. Insbesondere Haupt- und Gesamtschulen standen dabei im Mittelpunkt.


    Auch wenn ich selber auf einer Gesamtschule war (als Schülerin) und es damals schon nicht zimperlich zuging dort, hat es mich doch beim Zusehen gegruselt.


    Hut ab vor allen Lehrerinen und Lehrern, die es da nicht nur jahrelang aushalten, sondern sogar noch engagierte Arbeitl leisten und den Optimismus dabei nicht ganz verlieren!


    Ich hab immer gesagt: Klar gehe ich auch an die Hauptschule, wenn ich an der Grundschule keine Stelle finde. Jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher.


    Wie schafft man es da noch, eine gewisse Befriedigung aus seinem Job zu ziehen?
    Wie lange hält man das überhaupt aus, ohne das Handtuch zu schmeißen?


    Kann man unter solchen Bedingungen überhaupt noch daran denken, Bildung zu vermitteln oder Lernen zu begleiten, oder geht es nur noch um Konfliktlösung der verschärften Art?


    Hab heute eine regelmäßige Stunde in meiner SU-Klasse eingerichtet, in der Raum sein soll, um die zur Zeit "heftigen" (auf Grundschulniveau) Konflikte besprechen und lösen zu können.
    Das hatte ich schon vorher geplant, aber durch den Bericht im Fernsehen wurde mir noch mal so richtig klar, wie notwendig es ist, solche Dinge ernst zu nehmen und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen, die nicht darin enden, dass der eine dem anderen die Nase zu Brei haut o.ä.



    LG, Melosine

    Für mich gibt es wichtigeres im Leben als die Schule.


    (Mark Twain)


    Auf dem Weg zur Weltherrschaft! :teufel:

  • Hallo, vielen lieben Dank für die Antworten, tat erstmal gut :)
    Was die Erpressungsgeschichte angeht, die Polizei wurde eingeschaltet und die Sache auch der Staatsanwaltschaft übergeben, Folgen wird es wohl nur für eine der Beteiligten geben, die anderen sind unter 14. Wirklich ärgerlich finde ich, dass von Schulseite aus nichts passiert denn: brauchbare Aussagen wurden ja nur gegenüber der Polizei gemacht, die wiederum dürfen ihr Wissen nicht an uns weitergeben. Mit den Angaben, die uns zur Verfügung stehen, kann man nichts machen (O-Ton Schulleitung). Vor allem ärgert es mich auch für die Handvoll Schüler die noch lernen wollen und sich weiter drangsalieren lassen müssen...
    Delphine: ja das mit dem Hospitieren hab ich jetzt auch angeleiert, ein Kollege von mir hat sich bereit erklärt, sich meinen Unterricht in der Klasse mal anzuschauen.
    Allgemein muss ich schon zugeben, dass ich wohl oft eher nach dem Modell "Schreihals/Nörgler" vorgehe und im gleichen Augenblick wieder merke, wie sinnlos das doch ist


    Wolkenstein, den Unterricht den du beschreibst hört sich wirklich gut an *neid*. Ich muss zu meiner eigenen Schande wohl zugeben, dass mir bei meinen beiden Fächern oft auch die Ideen (besonders in WL fachfremd) für solch praktisches Tun fehlen bzw. ich es auch noch nicht geschafft habe, mich bei meinem vollen Lehrauftrag mehr Zeit in diese Stunden zu stecken. Langsam bemerke ich bei mir so eine Haltung "die Zeit stecke ich lieber in andere Klassen".
    Übrigens, das Nachholen versäumter Zeit habe ich bereits durchgezogen und es war ihnen auch egal... genauso wie der Versuch gutes Verhalten positiv zu verstärken.


    Und zum Schluss noch @ Melosine:
    Trotz diesem Frust überwiegen für mich die positiven Seiten, wie gesagt, in meinen anderen Hausptschulklassen komm ich gut klar und die Schüler sind meist engagiert und mit Interesse dabei ;)

  • Hallo Sternchen,


    auch ich unterrichte in einer 7. Klasse, allerdings als Klassenlerherin und spüre ganz deutlich, welches Verhalten sie bei mir an den Tag legen und welches bei Fachlerern. Bei mir genügt ein kurzes lautwerden, und die Stunde läuft. Bei Fachlehrern wird jedoch der ganze UNterricht durch 7 Jungs zunichte ggemacht.
    Ein Kollege und ich haben nun einen Regelkatalog entwickelt, den die Schüler unterschreiben mussten (Vertrag). Jedes Mal wird daran erinnert und die Strafen werden nach Absprache mit dem REktor bis zum U-Ausschluss gehen, falls es sich bnei Kollegen nicht ändert.


    Ich versuche seit Anfang des Schuljahres "Zuckerbrot und Peitsche"´. Es ist so schade, sie sind ja so lieb, nur ihr Verhalten bei anderen ...


    Wie gesagt, versuche mit allen Kollegen in der Klasse an einem Strang zu ziehen und mache den Schülern deutlich, dass ihr euch austauscht. Das wirkt auch in meiner 8. Wunder.


    Lg und KOpf hoch
    dani

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