Legasthenie in Französisch- wie bewerten?

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Ihr,
    in meiner Anfängerklasse Französisch (6) sitzt ein Junge, der LRS hat (sich selbst allerdings als "Legastheniker" bezeichnet.)
    Dieser Junge lehnte sich beim Diktat gemütlich zurück und meinte: "Ich bin Legastheniker, ich muss keine Diktate mitschreiben." Da hat er Recht, soweit so gut. Auch wenn mir bei dieser Einstellung die Haare zu Berge standen.
    Jetzt gab es aber eine Klassenarbeit, in der ich in der freien Textproduktion, die Fehler angestrichen habe, die einen Bedeutungsunterschied bewirken oder mit dem französischen Wort gar nichts mehr gemeinsam haben. Resultat: Schmale 3 von 20 Punkten. Einspruch von der Mutter: Ich habe zuviele Rechtschreibfehler gewertet- die Bewertung sei nicht nachvollziehbar (So wie sie dastanden, hätte kein Franzose diese Sätze verstanden!)
    Wie würdet Ihr reagieren- die Arbeit nochmal hoch frisieren?
    Liebe Grüße,
    Hermine

  • Warum hat der Knabe Französich gewählt und nicht Latein?


    Ich halte es für ausgeschlossen, dass ein "echter Legastheniker" in Französisch als Fremdsprache auch nur ein Bein auf die Erde bekommt......


    Bei uns, 6.Kl. , bestehen Franz-Arbeiten auch aus dictée, Grammatikteil, Übersetzen und "freie Textproduktion" (Dialog schreiben). Sehr umfangreich für 45 min.


    Beim "dictée" wird jeder fehlende oder falsche Strich angestrichen... Das letzte bestand aus einer Drittel Seite unbekannten Textes (bekannter WS) - 15 Punkte gesamt, jeder fehlende Strich minus 1/2 Punkt, RS-Fehler Minus 1, --> d.h. bei 15 Fehlerpunkten gibt` s dann 0 Punkte (meiner, LRS-Kind, hatte 11 von 15 Punkten, Minimal-Fehler...


    Soweit ich weiß, haben alle mitgeschrieben und es gab auch Sechsen.


    LG cecilia

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Cécilia,

    Zitat

    Warum hat der Knabe Französich gewählt und nicht Latein?


    Das habe ich mich spontan auch gefragt- allerdings darf es ja nicht sein, dass einem Kind alle Möglichkeiten verwehrt bleiben, nur weil er Legastheniker ist bzw. LRS hat. Bei uns besteht die Arbeit aus genau den gleichen Teilen- ja, es ist umfangreich, aber da der Stoff wirklich x-mal in der Schule durchgekaut wurde (es gab sogar zwei Übungen im Buch, die von der Aufgabenstellung her absolut identisch (!) mit denen in der Arbeit waren)- war es gut machbar- es gab ja auch Einser und Zweier.
    Ich hatte auch schon in Französisch in einer 9ten Klassen einen Jungen mit Legasthenie, bei dem ging das aber sehr gut. Der war entschieden fleißiger in Französisch als die anderen (klar, er musste ja auch irgendwie ein Bein auf den Boden bekommen) und hat es geschafft, wirklich nur Rechtschreibfehler zu machen, die keine Bedeutungsunterschiede zur Folge hatten.
    Bei dem hier vorliegenden Fall habe ich allerdings den Eindruck, dass Eltern und Schüler ohne nachzudenken (Wie wird es dem Kind später mal gehen- allein für den Austausch muss man einen Brief schreiben....), einfach auf ihre Rechte beharren- das macht mich etwas sauer und deshalb habe ich nachgefragt, weil ich es trotzdem so neutral wie möglich bewerten will und wenn ich Fehler gemacht habe, muss ich die korrigieren. Das wird aber zumindest nichts an der Note ändern- er hat eine Fünf (mit bis jetzt 21 von 55 Punkten und zur 4 müsste er mindestens 32 Punkte haben)
    Liebe Grüße, Hermine

  • Ich denke, dass du diese Frage - neben der rechtliche Bewertung von Legasthenie in eurem BL!- dem Fachleiter/Fachberater bei der Schulaufsicht stellen solltest.
    Im schriftlichen wird es dann wohl immer eine "5" bleiben.... Ist denn im mündlichen Bereich ein Bemühen zu erkennen?


    LG cecilia

    • Offizieller Beitrag

    Danke, Cécilia,
    das werde ich wohl auch machen. Es ist halt blöd, dass ich die Arbeit schon rausgegeben habe- aber wenn es an der Note nichts ändert- wird es schon nicht so tragisch sein.
    Mündliches Bemühen- nein, nicht wirklich. Er weiß zwar einiges, wenn ich ihn gezielt frage, ist aber sonst, wie ich schon im Anfangspost geschrieben habe- eher gemütlich. (ich vermute dahinter:"Ich krieg doch eh ne Sonderbehandlung.")
    Allerdings nickt er schon ganz verständnisvoll, wenn ich ihm sage, dass er sich mehr bemühen muss und z.B. Zeichensetzung (ist aber im Französischen im Anfangsunterricht eh nicht so relevant wie im Deutschen) sehr wohl bei ihm bewertet wird. Aber seitdem ich ihm gesagt habe, dass er sich wirklich auch im Schriftlichen mehr anstrengen soll (er hatte sehr, sehr viele Lücken gelassen)- hat seine Beteiligung eher abgenommen.
    Das ist die nächste Frage, die ich mir stelle:
    -Wie motiviert man so ein Kind?
    Ermahne ich es, weil es seine Arbeitshaltung dringend ändern muss, ist es frustriert.
    - Lobe ich es, weil es dann doch mal gut mitmacht, wird sofort die Arbeit niedergelegt, weil "Sie haben doch gesagt, ich bin gut."
    Schwierig, schwierig.. :rolleyes:
    Lg, Hermine

  • Was Diktate angeht, so würde ich ihn einen bewältigbaren Lückentext schreiben lassen.
    Ich würde im mündlichen weiterhin eine gute Beteilígung einfordern - Gespräch mit den Eltern und dem Kind GEMEINSAM -> erreichbare Ziele festlegen-> die Umsetzung derselben ebenso. Mit Rechten und Pflichten auf beiden Seiten.
    Du forderst nix, was er nicht mit einem gewissen Fleiß erreichen könnte -> er (und die Eltern) zeigt, dass er bereit ist , sich anzustrengen.


    Vielleicht haben die Eltern Frz. gewählt, weil man das evtl. auf einer RS weiterführen kann?


    LG cecilia

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Cécilia,
    danke für die Tipps! Ich werde umsetzen, was möglich ist, leider geht im Gymnasium die individuelle Förderung nicht mehr so gut, weil er mit den anderen Kindern Schritt halten muss- ich kann ihm nur Übungen für außerhalb des Unterrichts geben.

    Zitat

    Vielleicht haben die Eltern Frz. gewählt, weil man das evtl. auf einer RS weiterführen kann?


    Ich denke nicht, denn dann wäre sie um Zusammenarbeit bemüht- die Mutter hat dem Sohn aber in etwa diesen Text auf die Arbeit (!) geschrieben:
    Hallo Frau X,
    warum Y auf die Aufgabe ... nur 3 Punkte bekam, ist für uns nicht nachvollziehbar. Danke! Mfg...
    Abgesehen davon, dass auf den Arbeiten außer der Unterschrift der Eltern nichts stehen darf, hört sich dieser Text für mich (aber vielleicht bin ich in dem Fall zu dünnhäutig?) nicht nach dem Willen zur Zusammenarbeit an, eher nach "Du bist ungerecht zu unserem Sohn- ändere das!" Und ich denke, würden sie sich den Weg zur RS überlegen, wäre der Umgangston ganz anders...
    Im Bayrischen Erlass steht übrigens: Bei LRS können Rechtschreibfehler nach Ermessen der Lehrkraft zurückhaltend gewertet werden- bei Legasthenie wird Rechtschreibung gar nicht bewertet- ich werd mir also wohl mal beim Schulpsychologen das Attest anschauen müssen....
    Lg, Hermine

  • ich bin erstaunt wie man bei euch verfährt. bei uns (rlp) wird darauf keine rücksicht genommen. und ich muss sagen ich hätte auch ein problem damit, wenn ich in französisch bei einem schüler rechtschreibfehler nicht werten dürfte, das verzerrt doch so einiges in der notengebung. ich habe auch schüler mit offenkundiger rechtschreibschwäche (ein attest oder ähnliches liegt nicht vor) und das schlägt sich regelmäßig in den schriftlichen noten nieder.

  • Hallo,


    ich möchte euch allen sehr dringend die Broschüre "Legasthenieprobleme im Fremdsprachenunterricht" des Bundesverbandes Legasthenie empfehlen.
    Sie ist kostenlos zu beziehen unter:
    www.legasthenie.net
    oder
    Bundesverband Legasthenie
    Königstraße 32
    30175 Hannover
    Tel.: 0511/318738
    Fax: 0511/318739


    Ich befasse mit seit längerem mit Legasthenie/LRS und arbeite mit betroffenen Menschen. Mir standen bei einigen Äußerungen die Haare zu Berge. Aber ich denke mal, dass diese Fehlurteile oftmals durch Unwissenheit entstehen. - Also: Broschüre lesen!


    Gruß, Sille

  • Hallo,


    auch mir stehen die Haare bei einigen Äußerungen zu Berge.


    Legasthenie/LRS wirkt sich bekanntlich auch in Fremdsprachen aus. Organische Ursachen können zu Grunde liegen. s. http://ankewz.bei.t-online.de oder auch http://www.losdirekt.de/Seiten/WS12000/warnke.htm

    Gruß Erika

    "Die Lehrer bezeichnen Lesen, Schreiben und Rechnen als Grundlagenfächer. In Wirklichkeit handelt es sich aber bei diesen Lehrstoffen bereits um sehr komplexe Prozesse, die sich nur bei einer einwandfreien geistigen Verarbeitung der durch die Sinnesorgane aufgenommenen Wahrnehmung erlernen lassen." A. Jean Ayres

  • Hallo Erika,
    deine unten zitierte Äußerung empfinde ich als eine Unverschämtheit (sprachlich wie inhaltlich). Es hat niemand bezweifelt, dass sich LRS in den FS niederschlägt. Es ging hier um konkrete und auch vielschichtige Probleme, die auch durch Erlasse u.ä. nicht abschließend zu regeln sind. Das Zitieren zweier Websiten in diesem Zusammenhang belegt nur, wie wenig fundiert du in diesem konkreten thread mitreden kannst.


    ML


    Zitat


    auch mir stehen die Haare bei einigen Äußerungen zu Berge.
    Legasthenie/LRS wirkt sich bekanntlich auch in Fremdsprachen aus.

    Was man zu verstehen gelernt hat, fürchtet man nicht mehr. Marie Curie

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Ihr Lieben,
    nachdem das Problem inzwischen behoben ist, der Junge sich im Unterricht inzwischen eifrig beteiligt und ich mir erst die nächste Schulaufgabe (kein Diktat, sondern Hörverstehensübung) anschauen muss, ist der Kern der Sache sowieso vom Tisch bzw. meine Frage beantwortet.
    Und weil ich nicht noch einen "Wir gehen uns gegenseitig mehr oder weniger sachlich an die Gurgel"-Thread haben will (man mag mich gern für zu empfindlich halten),
    schließe ich diesen Thread jetzt.
    Liebe Grüße,
    Hermine

Werbung