Unterrichtsstörungen - Lehrerin im ersten Jahr

  • Hallo zusammen,


    mir geht es momentan sehr schlecht. Ich bin Lehrerin im ersten Jahr an einem ländlichen Gymnasium. Mein Referendariat lief sehr gut. Ich bin super durchgekommen, auch wenn es schon sehr stressig und anstrengend war. Ich habe immer sehr gute Rückmeldungen von Kollegen und von meinen Fachleiterinnnen bekommen. Mir wurde immer gesagt, dass ich eine ganz tolle Lehrerin sei und und dass es ein Geschenk wäre, mich im Unterricht zu haben. Ich habe mit sehr guten Noten bestanden. Als besondere Stärke wurde immer meine sehr gute Lehrer-Schüler-Beziehung hervorgehoben.

    Nun arbeite ich seit etwas mehr als einem halben Jahr als Vollzeitlehrkraft. Ich habe mich total darauf gefreut. Allerdings läuft es überhaupt nicht gut. Ich habe sehr mit Unterrichtsstörungen und Disziplinproblemen zu kämpfen. Diese treten durchweg in allen Jahrgangsstufen von 5 bis 11 auf. In manchen Klassen ist es jedoch viel schlimmer als in anderen Klassen. In manchen Klasse ist es nur das permanente Gequatsche mit den Sitznachbarn. In anderen Klassen kommt es zusätzlich zum Reinrufen, zum Abgeben von Kommentaren, zu motorischer Unruhe und einer extremen allgemeinen Unruhe, sodass ich manchmal Schwierigkeiten habe, die Klasse wieder einzufangen. Leises Arbeiten ist manchmal ebenfalls schwierig. Ich habe schon alles probiert an verschiedenen Methoden (Zusatzaufgaben, Belohnungssysteme, neue Sitzordnung…) Ich habe auch schon häufig die Situation in der Klasse thematisiert und gefragt, was ich anders machen kann, damit sie störungsfreier arbeiten. Es hat nichts gebracht, außer kurzfristige Verbesserungen. Ich weiß echt nicht mehr weiter. Das Ganze nimmt mich wirklich sehr stark mit. Ich fühle mich häufig ausgelaugt, erschöpft und traurig. Ich überlege ernsthaft einen anderen Beruf zu wählen, obwohl ich das eigentlich gar nicht will, weil mir der Beruf viel Freude bereitet. Ich glaube auch, dass ich wirklich guten Unterricht machen kann und ich bekomme auch so alles ganz gut organisiert und geplant. Meine Schulleitung war neulich zum ersten Mal in meinem Unterricht und sie war begeistert. Ich gebe mir auch wirklich sehr viele Mühe. Meine Schüler mögen mich auch und ich würde auch sagen, dass ich auch an meiner neuen Schule eine gute Beziehung zu meinen Schülern habe. Ich hatte im ersten Halbjahr eine sechste Klasse. Danach musste ich sie abgeben. Die Kinder haben mir eine Karte geschrieben und Schokolade mitgebracht, um sich bei mir zu bedanken. Sie haben in unserer letzten Stunde sogar das Klassenzimmer für mich dekoriert. Wenn ich meine Schüler um Feedback zu meinem Unterricht frage, fällt dieses sehr positiv aus. Es kommen sogar Aussagen, wie z. B., dass der Unterricht so gut ist, dass ihnen keine Verbesserungsvorschläge einfallen würden. Meine Kollegen berichten auch von einigen Störenfrieden in verschiedenen Klassen, aber nicht in diesem Maße. Ich habe das Gefühl, dass ich damit alleine bin. Ich weiß echt nicht mehr weiter. Ich bin ja noch länger und vielleicht auch für immer an der Schule und ich habe echt Angst, dass es dann noch schlimmer wird, weil die Schüler mich ja nun fast alle kennen. Ich habe das Gefühl, dass ich als Berufseinsteigerin alles falsch gemacht habe und jetzt alles verloren ist und ich keine angesehene Lehrerin mehr werden kann. Habt ihr Tipps oder ähnlich Erfahrungen gemacht? Ich würde mich über eure Hilfe freuen!

  • Nein, es wird normalerweise nicht schlimmer, was du schreibst, kenne ich auch (und weiß es von sehr vielen KollegINNen).


    Der "Welpenschutz" (Referendariat) ist weg, die Erfahrung fehlt noch. Im ersten Jahr probieren Schüler auch viel aus. Ich bin seit über 30 Jahren Lehrerin, habe an 3 Schulen nach dem Referendariat unterrichtet und überall war das 1. Jahr am schlimmsten (allerdings bei jedem Schulwechsel etwas weniger dank mehr Erfahrung). Ab dem 2. Jahr wurde es deutlich besser und ich bekam und bekomme sehr viel positive Rückmeldung (du ja auch). Halte durch. Wir haben einen sehr schönen Beruf.

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

  • Nur ein paar Gedanken:

    Könnte es sein, dass du sehr hart mit dir selbst ins Gericht gehst? Du bekommst allerbestes Feedback von Schülern und Kollegen, der Schulleitung, vielleicht auch von Eltern zu einem der wichtigsten Punkten, zu deiner Unterrichtsqualität. Du hast Bestnoten im 2. Staatsexamen. Es wirkt auf mich, als wenn du dich selbst sehr in Frage stellst, auf ganzer Linie, wenn es an einer Stellschraube nicht stimmt. Du wirkst total verunsichert und das "riechen" Schüler.

    Ich würde vor allem auf Konsequenz und Klarheit der Regeln bauen, eine gute Sitzordnung spielt eine große Rolle. Fackel nicht lange, dir Eltern ins Boot zu holen oder aber auch Kollegen, wenn es zB. gar nicht geht, könntest du Schüler mit einer Aufgabe in die Nachbarklasse schicken - nach Absprache natürlich. Ich bin auch sehr selbstkritisch und perfektionistischen und verliere mich dann in Dingen, die man optimieren kann, anstatt das zu sehen, was gut klappt. Sei dir deiner selbst sicher und du strahlst es auch aus. Und hol dir aktiv Hilfe. Ich bin schon so genervt von Störenfrieden gewesen, dass ich nach langen Selbstzweifeln, als mich die Wut mal packte, zum Schulleiter gegangen bin und gefragt habe, ob ich diesen Schüler zu ihm schicken kann, wenn er wieder stört. Er war sehr unterstützend und sagte, dass er Eltern auch störende Schüler abholen lassen würde. Ich habe mit eben dieser Wut im Bauch dann auch die Eltern informiert. Seitdem wird zwar immer noch nicht mitgearbeitet , aber auch nicht mehr gestört. (bis jetzt;))

    Und man hat immer mal wieder schwierige Klassen und Kurse, manchmal eben auch das Pech, mehrere davon zu haben.

    Fühl dich gedrückt, du machst das bestimmt gut und das wird schon!

  • Mir half und hilft bei unbekannten Lerngruppen immer, die ersten Wochen/Monate sehr streng zu sein. Wenn alles rund läuft, werde ich dann lustig und nett (aber auch immer noch streng).

    Meine Rückmeldungen sind dann eher nicht, wie nett ich bin, wie sehr man mich mag und wie gut mein Unterricht ist, sondern dass ich fair und berechenbar bin und man was lernt.

    Das ist meine bewusste Entscheidung für mein Verhalten im Unterricht.

  • Im Referendariat ein gutes Verhältnis zu Schülern zu haben ist etwas anderes als als Lehrkraft. Im Referendariat solidarisieren die Schüler sich, man ist ja noch fast in ihrer Situation. Als Lehrkraft ist man endgültig auf der anderen Seite.


    Mit ihrem Verhalten befragen die Schüler dich: Willst du beliebt sein oder respektiert? Entscheidest du dich für den Respekt, bist du alsbald mindestens auch geschätzt, stellst du den Respekt zurück, bist du früher oder später auch unbeliebt. Was das im Detail bedeutet für dich als die Persönlichkeit, die du bist und als die du dich jetzt selbst kennen lernst, kannst du in den ersten Wochen noch nicht so genau wissen. Es kann sein, dass du zu zart und nachgiebig warst und jetzt halt zu tun hast, das zu korrigieren. Das ist schwierig, aber zumindest einen einigermaßen respektvollen Umgang solltest du noch hinkriegen. Danach bekommst du immer wieder neue Klassen, in denen du anders einsteigen kannst. Das wird sich dann ebenfalls herumsprechen, keine Sorge.


    Leider bekommt man als Neuling aber auch gerne mal alle Klassen, die niemand sonst möchte. Auch damit muss man lernen klarzukommen, aber wenn andere weniger Probleme zu haben scheinen als du, muss das nicht alleine an dir liegen (zumal die Offenheit in dem Punkt bei vielen auch begrenzt ist). Mach den Rücken gerade und nimm deinen Raum ein.

  • Ich denke auch, du bist vielleicht etwas zu perfektionistisch?


    Denn das:

    In manchen Klasse ist es nur das permanente Gequatsche mit den Sitznachbarn. In anderen Klassen kommt es zusätzlich zum Reinrufen, zum Abgeben von Kommentaren, zu motorischer Unruhe und einer extremen allgemeinen Unruhe, sodass ich manchmal Schwierigkeiten habe, die Klasse wieder einzufangen. Leises Arbeiten ist manchmal ebenfalls schwierig.

    klingt für mich nach relativ normalem Unterrichtsalltag.


    Deshalb vllt. auch an folgender Stellschraube drehen:

    Das Ganze nimmt mich wirklich sehr stark mit. Ich fühle mich häufig ausgelaugt, erschöpft und traurig.

    Etwas professionelle Abgrenzung kann gut tun. Dass die SuS dieses Verhalten zeigen, hat nichts mit dir zu tun, sondern Bewegung und Kommunikation sind natürlich Grundbedürfnisse von Menschen, insbesondere Kindern und Jugendlichen. Man muss als Lehrkraft für sich schauen, inwieweit man persönlich das tolerieren kann, aber durchgängig leise und ruhige Klassen in allen Stunden sind utopisch.


    Einige zusätzlich Ideen, sofern nicht bereits probiert:

    - Unterrichtsmethoden einbauen, die Bewegung und Gespräche zwischen SuS erlauben bzw. sogar erfordern

    - Hospitation bei Kollegen in den Klassen: Du sagst, bei diesen wäre das Problem weniger gravierend - vllt. ist aber auch nur die Wahrnehmung unterschiedlich.

    - Lektüre, Fortbildung oder Supervision zum Thema Classroom Management

  • Ein gewisses Maß an Störungen ist völlig normal, deswegen brauchst du den Beruf nicht hinschmeißen. Es ist aber gesund, ein paar Dinge aus dem Ref wieder zu verlernen und sich eine zeiteffiziente Arbeitsweise anzugewöhnen.

    Ändere nicht jede Woche deine Herangehensweise und führe auch nicht immer neue Sanktionsmaßnahmen ein, das bringt nur Unsicherheit in die Gruppe. Außerdem würde ich Kinder niemals fragen, was ich als Lehrer besser machen kann. Das weißt du selber, denn du hast die Ausbildung absolviert. Nachzufragen erweckt bei den Kindern den Eindruck, du müsstest dich als Lehrer mehr anstrengen, dann würden die Kinder schon aufhören und brav sein. Du musst genauso wenig wie die Kinder immer alles perfekt machen. Aber die Kinder sollen dir zeigen können, dass sie dein Fach "drauf haben" und an der Schulform richtig aufgehoben sind. Das musst du allen ermöglichen. Was sie daraus machen, steht dann auf einem anderen Blatt.


    Was kannst du also an Maßnahmen ergreifen?


    Geh die Klassenlisten durch und identifiziere die Störenfriede, die wirklich jede Stunde Blödsinn machen und andere anstiften. Mach dir kurze Notizen zu ihrem Verhalten und informiere die Klassenleitung und/oder die Eltern zeitnah. Für manche Kinder ist das die erste Begegnung mit dem Ursache-Wirkung-Prinzip und wird sie zur Räson bringen. Außerdem sollen Eltern nicht erst mit dem Zeugnis die böse Überraschung erleben, dass Rocco-Denise dem Unterricht wochenlang nicht gefolgt ist, und sich das in einer defizitären Leistungsmessung niedergeschlagen hat. Das muss sich lange ankündigen.


    Lade die Eltern der Rädelsführer zum Gespräch ein, um festzustellen, ob die Eltern eine nutzbare Ressource für deine Erziehungsarbeit sind. Erfrage schon vorher bei der KL, wie die Eltern drauf sind, damit du dich auf so ein Gespräch einstellen kannst. Von Günther Hoegg gibt es gute Ratgeber, wie man Gespräche mit verschiedenen Elterntypen führen kann.


    Je nachdem, wie Eltern reagieren und welche Art von Störungen anfallen, solltest du bei der KL weitergehende Maßnahmen vorschlagen, in NRW z. B. Ordnungsmaßnahmen. Gerade bei Gewalt/Mobbing passiert dann recht schnell was und auch unfähige Eltern müssen reagieren.

  • Hallo zusammen,


    mir geht es momentan sehr schlecht. Ich bin Lehrerin im ersten Jahr an einem ländlichen Gymnasium. Mein Referendariat lief sehr gut. Ich bin super durchgekommen, auch wenn es schon sehr stressig und anstrengend war. Ich habe immer sehr gute Rückmeldungen von Kollegen und von meinen Fachleiterinnnen bekommen. Mir wurde immer gesagt, dass ich eine ganz tolle Lehrerin sei und und dass es ein Geschenk wäre, mich im Unterricht zu haben. Ich habe mit sehr guten Noten bestanden. Als besondere Stärke wurde immer meine sehr gute Lehrer-Schüler-Beziehung hervorgehoben.

    Nun arbeite ich seit etwas mehr als einem halben Jahr als Vollzeitlehrkraft. Ich habe mich total darauf gefreut. Allerdings läuft es überhaupt nicht gut. Ich habe sehr mit Unterrichtsstörungen und Disziplinproblemen zu kämpfen. Diese treten durchweg in allen Jahrgangsstufen von 5 bis 11 auf. In manchen Klassen ist es jedoch viel schlimmer als in anderen Klassen. In manchen Klasse ist es nur das permanente Gequatsche mit den Sitznachbarn. In anderen Klassen kommt es zusätzlich zum Reinrufen, zum Abgeben von Kommentaren, zu motorischer Unruhe und einer extremen allgemeinen Unruhe, sodass ich manchmal Schwierigkeiten habe, die Klasse wieder einzufangen. Leises Arbeiten ist manchmal ebenfalls schwierig. Ich habe schon alles probiert an verschiedenen Methoden (Zusatzaufgaben, Belohnungssysteme, neue Sitzordnung…) Ich habe auch schon häufig die Situation in der Klasse thematisiert und gefragt, was ich anders machen kann, damit sie störungsfreier arbeiten. Es hat nichts gebracht, außer kurzfristige Verbesserungen. Ich weiß echt nicht mehr weiter. Das Ganze nimmt mich wirklich sehr stark mit. Ich fühle mich häufig ausgelaugt, erschöpft und traurig. Ich überlege ernsthaft einen anderen Beruf zu wählen, obwohl ich das eigentlich gar nicht will, weil mir der Beruf viel Freude bereitet. Ich glaube auch, dass ich wirklich guten Unterricht machen kann und ich bekomme auch so alles ganz gut organisiert und geplant. Meine Schulleitung war neulich zum ersten Mal in meinem Unterricht und sie war begeistert. Ich gebe mir auch wirklich sehr viele Mühe. Meine Schüler mögen mich auch und ich würde auch sagen, dass ich auch an meiner neuen Schule eine gute Beziehung zu meinen Schülern habe. Ich hatte im ersten Halbjahr eine sechste Klasse. Danach musste ich sie abgeben. Die Kinder haben mir eine Karte geschrieben und Schokolade mitgebracht, um sich bei mir zu bedanken. Sie haben in unserer letzten Stunde sogar das Klassenzimmer für mich dekoriert. Wenn ich meine Schüler um Feedback zu meinem Unterricht frage, fällt dieses sehr positiv aus. Es kommen sogar Aussagen, wie z. B., dass der Unterricht so gut ist, dass ihnen keine Verbesserungsvorschläge einfallen würden. Meine Kollegen berichten auch von einigen Störenfrieden in verschiedenen Klassen, aber nicht in diesem Maße. Ich habe das Gefühl, dass ich damit alleine bin. Ich weiß echt nicht mehr weiter. Ich bin ja noch länger und vielleicht auch für immer an der Schule und ich habe echt Angst, dass es dann noch schlimmer wird, weil die Schüler mich ja nun fast alle kennen. Ich habe das Gefühl, dass ich als Berufseinsteigerin alles falsch gemacht habe und jetzt alles verloren ist und ich keine angesehene Lehrerin mehr werden kann. Habt ihr Tipps oder ähnlich Erfahrungen gemacht? Ich würde mich über eure Hilfe freuen!

    Das was du schreibst bin genau ich in jung. Was soll ich sagen/raten? Bei mir wurde es mit der Erfahrung und dem Alter immer besser. Ich bin noch nie so gerne in die Schule gegangen wie in den letzten Jahren. Ich arbeite mit Belohnungssystemen gepaart mit Strenge und ich fange nie an, bevor alle aufpassen, aber ich weiß, dass es sehr schwer ist. Bei anderen sieht es immer so leicht aus.

  • Zauberwald, so geht es mir auch (allerdings ohne Belohnungssysteme (liegt vermutlich am anderen Schulsystem) und statt Strenge würde ich Konsequenz sagen).

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

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