Tödlicher Schwimmunfall ist fahrlässige Tötung- wie bewertet ihr das Urteil?

  • grundsätzlich ja, aber "Rettungsfähigkeit" ist auch der Name des Scheins, den man braucht, um mit Kindern ins Wasser zu gehen (es sei denn, man hat DLRG Bronze oder höher). und es ist selbst im Vergleich zu Bronze echt wenig:
    https://www.schulsport-nrw.de/rettungsfaehigkeit.html

    Ähnliches gibt es in Berlin theoretisch auch, da würde die sogenannte große Rettungsfähigkeit reichen, aber ich habe bisher keinen Ausbilder erlebt, der dies freiwillig ausstellt. Es entspricht übrigens in etwa der Kombiübung (die bei uns die Rettungsfähigkeit ausmacht).
    Fast alle stellen nur Rettungsschwimmer Silber aus, die dann aber auch nur alle 4 Jahre verlängert werden müssen.



    Oder man erteilt Schwimmunterricht nur für die Nichtschwimmer, und die Schwimmer haben stattdessen Sport. So sind es wenigstens kleine, überschaubare Gruppen.

    Und woran machst du die Grenze fest? Hat schon wieder was von Diskriminierung.
    Mal abgesehen von noch mehr Personal.


    Mit 28 7jährigen und 2 Begleitpersonen wäre das Ganze doch sogar im Nichtschwimmerbereich gefährlich, selbst wenn das Wasser nur 80 cm tief ist.

    Schwimmunterricht ist genau wie Sportunterricht und Chemieunterricht immer gefährlich.


    In BW immerhin 12 UE Rettungsfähigkeit und 12 UE Didaktik und Methodik.

    In Berlin aktuell glaube ich noch ein Halbjahr 3 UE je Woche, bei uns war es damals ein komplettes Jahr 3 UE je Woche (Ferien ausgenommen), also deutlich mehr und zusätzlich dann noch einen Tag Sprachbildung.



    Da unterscheiden sich NRW und BW.

    In wie weit?

  • Ich finde, dass Susannea viele richtige Dinge geschrieben hat. Bei uns und in den anderen Grundschulen sieht der Schwimmunterricht auch nicht viel anders aus. Auch beim DLRG haben wir hier keine Gruppengrößen von nur 6-8 Personen. Dazu haben die teilweise Wartelisten von weit über einem Jahr.


    Viele, die das Verhalten der Lehrkräfte hier kritisieren haben keine Ahnung wie Schwimmunterricht in der Praxis abläuft. 2 Lehrkräfte plus eine Klasse sind da vollkommen normal. Auch sind in der Regel alle Kinder im Wasser.

    Alleine aus dem, was bekannt ist, zu erkennen, dass die Lehrkräfte einen Fehler gemacht haben, mag ich mir nicht zutrauen. Das kann sein, kann aber auch nicht sein. Dazu müsste man mehr wissen.

    Was ich kritisch finde, ist die Begründung (des Urteils?), dass man die Klasse teilen müsste und Nichtschwimmer und Schwimmer trennen müssen. Wenn das per se so ist, muss es auch vom Land vorgegeben sein. Dann müssen die Stunden dafür sein und es muss klar geregelt sein. Grundsätzlich sollte sich eine Lehrkraft darauf verlassen können, dass die Vorgaben des Landes den Normalfall abdecken. Ich muss mir dann "nur" klar werden, was es in meiner Situation für Besonderheiten gibt. Ob die Lehrkräfte das ausreichend gemacht haben, mag ich nicht zu beurteilen.


    Es ist auch nicht nur eine Ausbildungssache. Mir ist hier in der Gegend nur ein kritischer Vorfall bekannt. Da waren als Aufsicht zwei Ausbilder vom DLRG (also nicht nur einfache Rettungsschwimmer) und eine erfahrene Sportlehrkraft vor Ort. Es ist auch alles gut verlaufen aber es kann immer etwas passieren. Ich weiß auch von den DRLG-Leuten, dass sie selbst sagen, dass es nie eine 100% Sicherheit gibt.


    Die Frage ist, was man jetzt aus dem Vorfall lernt. Mehr Personal? Mehr Ausbildungsvoraussetzungen? Wäre schön.

    Letztlich muss einem aber auch klar sein, dass wenn wir es wirklich sicher gestalten wollen, können wir in den meisten Fällen aufgrund der personellen und baulichen Gegebenheiten keinen Schwimmunterricht durchführen. Wir haben hier Schulen, die noch nicht mal eine einzige eigene Lehrkraft mit Rettungsfähigkeit haben. Dann werden die Kollegen schon abgeordnet. Es wäre schön, wenn jede Klasse von 3-4 Kollegen mit Rettungsfähigkeit begleitet würden und jeder max. 6 Kinder betreut. Das wird aber in den nächsten Jahren nicht umsetzbar sein.

  • Es wäre schön, wenn jede Klasse von 3-4 Kollegen mit Rettungsfähigkeit begleitet würden und jeder max. 6 Kinder betreut. Das wird aber in den nächsten Jahren nicht umsetzbar sein.

    Wir haben ja gerade die aktuelle Luxus-Situation, dass wir Gruppen mit maximal 16 Kindern haben und da zwei Lehrer sind, aber nein, das heißt dann leider nicht, dass man damit dann zwei gleichgroße Gruppen hat usw.
    Wir haben gerade Montag festgestellt, dass in einigen Gruppen nun bis auf 2-3 Kinder alle Schwimmer sind z.B. was am Beginn des Jahres meist andersrum war, aber man kann nicht verlangen, dass die Gruppen so klein sind, aber gleichzeitig, dass Schwimmer und Nichtschwimmer getrennt werden, das widerspricht sich in der Regel.

    Würde also noch mehr Personal schlucken, was einfach nicht geht.

  • Ich finde, dass Susannea viele richtige Dinge geschrieben hat. Bei uns und in den anderen Grundschulen sieht der Schwimmunterricht auch nicht viel anders aus. ...


    Auch sind in der Regel alle Kinder im Wasser.

    Dann sollte dieses Urteil hoffentlich der notwendige Anstoß sein, das in Zukunft zu ändern.

  • Was ich kritisch finde, ist die Begründung (des Urteils?), dass man die Klasse teilen müsste und Nichtschwimmer und Schwimmer trennen müssen. Wenn das per se so ist, muss es auch vom Land vorgegeben sein. Dann müssen die Stunden dafür sein und es muss klar geregelt sein.

    Trennung von Nichtschwimmer und Schwimmer findet sich an diesen Stellen: S. 53 (Dokument 1), S. 21 (Dokument 2)

    Für BW wichtigstes Dokument 3 besagt:

    Zitat

    Für Schwimmer und Nichtschwimmer sollen nach Möglichkeit getrennte Schwimmgruppen gebildet werden.


    Verringerung des Gruppenteilers: klick hier

    Zitat

    Die Größe der Schwimmgruppe richtet sich nach den geltenden Regelungen zur Klassen- und Gruppenbildung. Diese sind der aktuell gültigen Verwaltungsvorschrift zur Unterrichtsorganisation und Eigenständigkeit der Schulen zu entnehmen. Die Bildung unterhalb der eigentlichen Klassenstärke zählender Sportgruppen ist beim Schwimmunterricht ausnahmsweise möglich.

  • Trennung von Nichtschwimmer und Schwimmer findet sich an diesen Stellen: S. 53 (Dokument 1), S. 21 (Dokument 2)

    Für BW wichtigstes Dokument 3 besagt:


    Verringerung des Gruppenteilers: klick hier

    "Nach Möglichkeit" ist halt keine Verpflichtung. Außerdem wurde bereits geschrieben, dass man auch bei als Schwimmer bezeichneten Zweitklässlern zunächst davon ausgehen muss, dass es Nichtschwimmer sind. Und man müsste gewährleisten, dass absolute Nichtschwimmer dann eben eine Gruppe von 3-5 Kindern rechtfertigen und der Rest zum Beispiel im Klassenzimmer beschult wird, wenn nicht genug geschulte Lehrkräfte zur Verfügung stehen.


    Die einfachste Vorgabe wäre m.E. die Verpflichtung zu Schwimmhilfen.

  • Vielleicht. weil hier seit 13 Seiten versucht wird die Schuld irgendwem anders als den Unterrichtenden in die Schuhe zu schieben?

    Und was hat das mit Überbezahlung zu tun?


    Du hast übrigens noch immer nicht meine Frage beantwortet. Gibt es in deinem Unterricht theoretisch die Möglichkeit, dass ein Unfall passieren kann?

    Wenn ja: möchtest du dann persönlich haftbar gemacht werden, obwohl du dich an alle vorgeschriebenen Sicherheitsstandards (edit: und an alle nachvollziehbaren persönlichen Entscheidungen zur Aufsicht) gehalten hast?

  • Und was hat das mit Überbezahlung zu tun?


    Du hast übrigens noch immer nicht meine Frage beantwortet. Gibt es in Deinem Unterricht theoretisch die Möglichkeit, dass ein Unfall passieren kann?

    Wenn ja: möchtest du dann persönlich haftbar gemacht werden, obwohl du dich an alle vorgeschriebenen Sicherheitsstandards gehalten hast?

    „Vorgeschriebene Sicherheitsstandards“ entbinden uns doch niemals von der Verpflichtung auch weiterhin selbst mitzudenken und zu prüfen, ob dieser Basisrahmen auch tatsächlich ausreichend ist für die ganz konkrete Klasse, Unterrichtssituation, etc. Wer sich nur darauf zurückzieht, was das Land vorgibt, hat meines Erachtens nicht wirklich darüber nachgedacht was die Garantenpflicht uns ganz selbstverständlich in unserer Aufgabe als Lehrpersonen an zusätzlichem Einsatz rechtlich abverlangt und damit auch im konkreten Einzelfall an über Landesvorgaben hinausgehenden Sicherheitsüberlegungen mit sich bringt. „Dienst nach Vorschrift“ reicht an der Stelle einfach nicht, um tatsächlich rechtssicher zu agieren.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Und was hat das mit Überbezahlung zu tun?

    Weil die Kernargumentation für die hohe Bezahlung von Lehrkräften immer ist "wir tragen so viel Verantwortung", in diesem Thread aber sehr deutlich wird, dass die allermeisten überhaupt keine Verantwortung tragen wollen und das in der Praxis auch immer dann vermeiden, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt.


    Ein Großteil der Teilnehmer hier zeigt eine Berufsauffassung, die schon sehr bald vollständig durch KI übernommen werden kann, weil sie sich im Prinzip beschränkt auf "Ich mache genau das, was im Gesetz steht und will selber weder nachdenken noch entscheiden". Das wird schon sehr bald in der Tat ein Computer sehr viel besser können. Was übrig bleibt ist Beziehungsarbeit und einfache Wissensvermittlung, dazu muss ich zumindest im Grundschulbereich nicht 10 Semester studieren, also auch niemanden bezahlen, der 10 Semester studiert hat.


    Die reale Tätigkeit einer Lehrkraft ist aber sehr viel komplexer und verantwortungsvoller und darum werden wir nicht so bald von KIs ersetzt, dafür aber von Gerichten verurteilt, wenn wir eine falsche Entscheidung treffen in deren Folge ein Kind stirbt.


    Mir ist klar, dass man die Fraktion "wenn ich gegen kein Gesetz verstoße, kann ich nichts falsch machen" hier nicht mehr überzeugen wird, aber selbst wenn man die Problematik nicht einsieht, sollte man zur Kenntnis nehmen, das Gerichte anders entscheiden und daraus seine Schlüsse ziehen, unabhängig davon, ob man es versteht, oder nicht.

  • Nebenbei: Die passende KI für das Schwimmbad gibt es schon, seit ca. 2 Jahren sind KI-Kamerasysteme auf dem Markt, die die Becken überwachen und automatisch Alarm schlagen, wenn irgendwo eine Person ein Bewegungsverhalten zeigt, was auf eine Ertrinkungsgefahr hindeuten könnte. Und der Computer kann dabei auch alle Personen in einem Becken gleichzeitig im Blick behalten.

    Die Systeme sind aber noch nicht überall verbaut.

  • Und was hat das mit Überbezahlung zu tun?

    Unsere Bezahlung wird auch mit unsere hohen Verantwortung gerechtfertigt. Wenn man ihr gerecht werden muss 13 Seiten Debatte.

    Du hast übrigens noch immer nicht meine Frage beantwortet. Gibt es in deinem Unterricht theoretisch die Möglichkeit, dass ein Unfall passieren kann?

    Ein Unfall kann natürlich passieren und wenn er passiert hoffe ich, dass man urteilt, dass ich nicht falsch gehandelt habe. Hier wurde aber laut Urteil falsch gehandelt. Ich mache nicht die Umstände verantwortlich sondern das Handeln der Kollegin.

    Du und einige andere tun so als gebe es einen Befehlsnotstand (dieser ist nicht mal für das 3. Reich belegt).

    Diesen gibt es nicht aber die Verantwortung seinen Unterricht so zu gestalten, dass nach Möglichkeiten nichts passiert.

    Dieser Verantwortung sind diese Kolleginnen nicht gerecht geworden. Sie hätte wie das Gericht urteilt die Gruppe teilen können. Was wäre ihr denn dann passiert. Böses Gespräch im SL-Zimmer?


    Fr. Schmidt, ich habe gehört sie teilen ihre Gruppe im Schwimmbad?


    Ja, dass ist richtig! Sonst kann ich nicht für die Sicherheit garantieren!


    Zu 99% Prozent ist hier das Gespräch zu Ende.


    Hier das 1% das über bleibt


    Fr. Schmidt, bitte lassen sie alle gleichzeitig schwimmen! So geht, dass nicht!


    Ich bin für die Sicherheit verantwortlich. Ich bräuchte das dann schriftlich


    Fr. Schmidt wartet bis heute auf die schriftliche Anweisung.


    Welche anderen Möglichkeiten es gegeben hat, um es sicherer zu gestalten habe ich bereits aufgezählt, die wurden hier abgetan.


    Insofern ist es ganz gut, dass das Gericht hier eine persönliche Haftung sieht und das einige vielleicht wieder vorsichtiger werden lässt.

  • Die einfachste Vorgabe wäre m.E. die Verpflichtung zu Schwimmhilfen.

    Das hat was von "steck den Hamster zum Trocknen nicht in die Mikrowelle". Manche Beiträge hier sind wirklich bitter.


    Ich möchte überhaupt nicht, dass mir der Kanton für jeden Fingerzeit eine explizite Vorschrift macht. Mein Kollege und ich haben mehrere Passagen aus unserem schulinternen Sicherheitskonzept dahingehend abgeändert, dass aus einem "es muss xy" ein "die Lehrperson entscheidet nach Abwägung xy" wird, schlichtweg, weil das "muss" sich aus den gesetzlichen Vorgaben gar nicht ableiten liess. Ich möchte nicht, dass da z. B. steht "die Schüler*innen sind zum Tragen einer Schutzbrille bei der Laborarbeit verpflichtet", ich möchte, dass die lernen zu erkennen, wann es nötig ist und wann nicht. Die Lehrperson, die mit ihrer Klasse zum Schwimmen geht, wird ja wohl ebenso entscheiden können, ob Schwimmhilfen nötig sind oder nicht. Wie Flupp zudem schrieb kann es aus didaktischen Gründen nötig sein, diese genau *nicht* zu verwenden. Wenn eine Lehrperson das nicht entscheiden kann, ist mit ihr so ganz grundsätzlich was falsch, da hilft dann auch kein Gesetz mehr. Und dann teile ich auch absolut Moebius latentes Fremdschämen darüber, wie gut der Job am Ende dann auch noch bezahlt ist.


    in diesem Jodel

    Lustige Autokorrektur übrigens. Lass stehen, passt irgendwie.

  • Ich hätte jetzt eine ganz zynische Bemerkung parat.


Werbung