Wie wird man autoritärer?

  • Hallo!
    Ich habe ein Problem und vielleicht kennen einige von euch das Problem. Mir haben vor ein paar Tagen Schüler gesagt, dass mein Unterricht prima wäre, aber ich doch bitte etwas autoritärer werden sollte. Hilfe! Ich bin eben überhaupt nicht der Strafarbeiten/Verweis-Typ, aber offenbar wollen das die Schüler? Ich bin völlig platt und brauche dringend Rat. Was sind geeignete Maßnahmen für Oberstufenklassen? Lieben Dank, eine völlig deprimierte Schrödra

    • Offizieller Beitrag

    Hallo schrödra -
    so ganz grundsätzlich als Beruhigung: man wird es eh irgendwann, mit der Zeit. Einfach, weil einem bei mehr Stunden in einer vollen Stelle die Geduld / die Nerven für ewiges Gezappel und Gemaule ausgehen. Mach also keinen unnatürlichen Sprung zu einer Persönlickeitsveränderung, die dir nicht liegt.


    Solange in einer Klasse der Unterricht funktioniert und du/die Schüler nicht genervt sind, besteht kein Anlass, den virtuellen Rohrstock auszupacken.


    Im konkreten Falle sollen dir die Schüler erstmal gefälligst erklären, wo und wie sie das genau wünschen. Vielleicht wollten sie ja nur dumm rumprivozieren - vielleicht ist es aber auch ein anderes Problem, das sie nicht recht bennenen können (Tempo des Unterrichts oder so).

    Ich würde mir unbedingt eine Stunde Zeit nehmen, ein Klassengespräch zu führen. Ihnen erklären, dass du eigentlich die Einstellung hast, dass du lieber über Vertrauen und Motivation lernen lassen willst, als über Drohungen und Strafe.
    Sie sollen dir dann sagen (und anonym aufschreiben!) welche Maßnahmen in welchen Fällen genau sie gerne gesehen hätten und vor allem WARUM. Welche Anteile sie bereit sind zu bringen (WICHTIG) und welche sie von dir erwarten.


    Aus den Ergebnissen kannst du dann mit der Klasse ein verbindliches Regelwerk in gegenseitiger Absprache erstellen - and das sich dann alle halten müssen: die Klasse in Form von Verhalten - du in Form von Konsequenzen bei Nichtbeachtung. Das trainiert beide Seiten.



    Viel Glück,


    Heike

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Jaja, das ist ein alter Schülertrick. Sie betteln um mehr Druck, sie fordern harte Sanktionen, wenn sie sich mal wieder daneben benommen haben. Sie tun das, weil sie keine Verantwortung für ihr eigenes Handeln übernehmen wollen. Es ist viel bequemer, die Lehrkräft dazu zu benutzen. Wenn's dann nicht funktioniert, ist schnell ausgemacht, wer Schuld hat. X( Ich vermute, dass es sich hier um SuS handelt, die im Grunde einsichtig sind, die solche Mechanismen auch verstehen können, wenn sie ihnen nur plausibel gemacht worden sind. Gespräche mit der Klasse sind also sehr sinnvoll.
    Ich kenn' das so gut. Sprüche wie: Der/die kann sich nicht durchsetzen, er/sie ist nicht streng genug - alles Manöver in die o. a. Richtung.
    Mein Standpunkt: Die SuS sind (ab einem gewissen Alter ;) für ihr Verhalten, ihr Lernen und ihr Fortkommen zu einem guten Teil selbst verantwortlich - ich lasse mich von ihnen nicht mehr instrumentalisieren. Ich moderiere ihren Prozess, begleite ihn in der Regel freundlich, stelle Lernmöglichkeiten zur Verfügung und meine Beratungskompetenz.
    Wenn Du autoritärer wirst, Schröda, dann unterstützt Du die Schüler in dem Bestreben, Verantwortung abzugeben. Erstens lernen sie damit was Falsches, zweitens ist es viel zu anstrengend.

  • Das muss man tatsächlich richtig "lernen", wenn einem der "Ausbilder Schmidt" (Unteroffizierstype von radio ffn) nicht im Blut steckt. :D


    Bei "guten" Schülern reicht ja meistens ein entschlossener Blick, bei echten Draufgängern muss man sich überwinden und eben auch mal (angemessene und gerechte!) Strafen verhängen. Auch wenn einem innerlich die Seele blutet...

  • Zitat

    Das muss man tatsächlich richtig "lernen", wenn einem der "Ausbilder Schmidt" (Unteroffizierstype von radio ffn) nicht im Blut steckt. :D ...


    Wie ernst ist das gemeint?


    Zitat

    Bei "guten" Schülern reicht ja meistens ein entschlossener Blick, bei echten Draufgängern muss man sich überwinden und eben auch mal (angemessene und gerechte!) Strafen verhängen. Auch wenn einem innerlich die Seele blutet


    Was sind "angemessene" und "gerechte" Strafen? Aus welchem pädagogischen Vokabular stammt das? Warum muss ich meine Seele bluten lassen?

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Was sind "angemessene" und "gerechte" Strafen? Aus welchem pädagogischen Vokabular stammt das? Warum muss ich meine Seele bluten lassen?


    Hallo Hannes,
    also - als angemessenen Strafen empfinde ich Strafen, die mit dem was "ausgefressen" wurde inhaltlich etwas zu tun haben und auf einen Lerneffekt hoffen lassen bzw das "Opfer" in irgendeiner Weise "entschädigen":
    Beispiel: Ismail aus meiner 7ten Klasse nervt die Mädchen, indem er ihnen Ekligkeiten (angefressene Kaugummis etc) ins Mäppchen klebt.
    Strafe: Er muss den Mädchen die Mäppchen säubern, sich entschuldigen und den unrettbar versauten Stift ersetzen. Außerdem muss er mir haarklein erklären, warum er die Mädchen nicht in Ruhe lassen kann.


    Oberstufe: Ein Schüler entzieht sich nicht nur dem Unterricht, sondern demonstriert sein Desinteresse durch auf-den-Arm-gelegten Kopf und dem Eindruck tief zu pennen. Damit demotiviert er auch die anderen.
    "Strafe": Ich thematisiere sein Verhalten im Unterricht und befrage die anderen, wie sie diesen Anblick jetzt empfinden und was der ihnen so vermittelt. Hochnotpeinlich für den Schüler. Anschließend befrage ich ihn, was er denn den anderen damit vermitteln will und welchen Effekt er sich erhofft.


    Mit "Seele bluten" ist wohl gemeint, dass man ja nicht unbedingt sadistische Freude empfindet, wenn man jemanden zurechtweist oder ihm unangenehme Minuten verschafft. Mir jedenfalls tut es immer auch leid, dass es so weit gekommen ist.


    Wann auch immer ich Strafen verhänge ist mir vor allem eines wichtig - dass die Schüler meine Motivation dabei verstehen und sich nicht NUR gemaßregelt fühlen. Dabei lasse ich auch mal durchblicken, wie es mir dabei geht, mich jetzt in dieser Weise verhalten zu müssen.
    Normalerweise sind die Schüler da durchaus zugänglich, jedenfalls habe ich bisher kaum einen getroffen, dem auch das scheißegal war.


    Lieber Gruß
    Heike

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  • D'accord, Heike, damit kann ich was anfangen. Dann hat mich wohl nur der Begriff "Strafen" irritiert.
    MacBelwinds
    GEW-Forum Ich nix verstehen...

  • Hallo, danke für die Beiträge, die mir doch jetzt insofern weitergeholfen haben, als dass ich wenigstens nicht mehr an meiner Kompetenz zweifle. Es ging dabei um eine Stunde, in der ich den Schülern ihr, für ihre Altersstufe nicht angemessenes, Verhalten vorgeworfen habe, es ging dabei um das Verhalten der Schüler untereinander, das mich ziemlich genervt hat. Ich bin einfach der Meinung, dass Schüler, die alle schon wählen gehen dürfen, auch soviel Sozialkompetenz besitzen müssen, dass sie andere Schülermeinungen akzeptieren müssen ohne blöde Kommentare abzugeben. Aber ich sehe mich eigentlich bei erwachsenen Schülern nicht als "Erzieherin". In der darauffolgenden Stunde waren sie dann lammfromm und haben sich für ihr Verhalten entschuldigt, was ich sehr nett fand, aber gleichzeitig kam eben die Bemerkung, dass ich schon strenger sein "dürfe".
    Ich denke, dass man bei Thema "angemessene Strafen" zuerst einmal zwischen den Jahrgängen unterscheiden muss. In einer achten Klasse muss man meiner Meinung nach schon sehr viel strenger sein und da halte ich es auch nicht für ein Problem zu "strafen". Sonst hat man ganz schnell Schüler, die einem zumindest versuchen auf der Nase herumzutanzen. Aber Oberstufenklassen versuche ich anders, freier zu behandeln, sie sollen ja auch in einem Jahr an die Uni und sollten nicht nur auf Druck hin lernen. Aber langsam habe ich den Eindruck, dass auch ältere Schüler dieses "Nachsitz/Strafarbeitenschreib" Muster brauchen/wünschen. Nachdenkliche Grüße, Schrödra

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