Diskriminierungsfreie Sprache im Unterricht an inklusiven Schulen- Erfahrungen?

  • Ich arbeite gerade in meinem Studium Sonderpädagogik an einer Hausarbeit zum Thema: Inwiefern setzen Lehrkräfte diskriminierungsfreie Sprache gegenüber Menschen mit Behinderungen im Unterricht um und welche Auswirkungen hat das auf die Alltagssprache und Inklusion in der Klasse?

    Ich vergleiche Erfahrungsberichte mit einer Tabelle einer Leitlinie für diskriminierungsfreier Sprache, sie ist im Anhang.

    Ich würde mich freuen, wenn ihr mir in Form eines kurzen Erfahrungsberichtes erzählen könntet, welche sprachlichen Praktiken an eurer Schule existieren, ob ihr mit solch einer Leitlinie etwas anfangen könntet oder es sogar an eurer Schule solch eine Empfehlung gibt. Auch interessieren würde mich, welche Sprachmuster die Schüler*innen untereinander haben und ob und welche Auswirkungen dass auf die Inklusion in der Klasse hat.

    Vielen Dank im Vorraus!

  • Ich verstehe nicht, warum man nicht von Behinderten reden soll, sondern von Personen mit Behinderung, aber Personen mit Autismus sollen als Autisten bezeichnet werden. Ist das ein Fehler in der Tabelle?

  • Ich weiß vage, dass es in den entsprechenden Communitys entsprechende Diskussionen darüber gibt, inwiefern die Behinderung vorangestellt werden soll (behinderter Mensch) oder nachgestellt (Mensch mit Behinderung) oder als Substantiv (Behinderte*r) genutzt werden soll und ich weiß noch, dass das auch zwischen den Communitys unterschiedlich gesehen wird. Entsprechend kann es sein, dass die Mehrheit der Autist*innen sich diesen Begriff wünscht und die Mehrheit der Menschen mit Behinderung diese Formulierung.


    Kurz mal in der Wikipedia-Artikel geschaut: Unterschieden wird zwischen identity-first-language und person-first-language. Unter diesem Suchbegriff findet man auch Internetseiten zu dem Thema, der erste beschreibt die unterschiedlichen Präferenzen unterschiedlicher Communitys: https://www.nih.gov/about-nih/…t-identity-first-language



    An unserer Schule gibt es keine solche Leitlinien. Auch manche Kolleg*innen nutzen mitunter abwertende Begriffe (unreflektiert, vermutlich nicht absichtlich). Die Kinder nutzen abwertende Begriffe teils auch absichtlich und als Beleidigung. Manche wissen dann, was der Begriff bedeutet, und nutzen ihn trotzdem, für manche ist er nun ein Schimpfwort. Darüber spreche ich dann mit den Kindern und das sehen die Kinder dann auch eigentlich immer ein, wie bei so vielem heißt Einsicht aber noch nicht, das Verhalten auch zu ändern. Eine Situation vor einer Woche fällt mir zu dem Thema noch ein: Ein Kind bei einem Bild mit einem Menschen im Rollstuhl gesagt "Oh, die Arme." Da wusste ich so spontan nicht, wie ich reagieren soll, obwohl ich wusste, dass das ein wichtiger Gesprächsanlass gewesen wäre.

  • Ich verstehe nicht, warum man nicht von Behinderten reden soll, sondern von Personen mit Behinderung, aber Personen mit Autismus sollen als Autisten bezeichnet werden. Ist das ein Fehler in der Tabelle?

    Das sind tatsächlich die aktuellen Leitlinien, der Unterschied hängt mit der Art und Weise zusammen, wie Menschen ihre Identität wahrnehmen und auch mit den historischen Entwicklungen in der Behindertenrechtsbewegung. Man sagt ja Mensch mit Behinderung, weil die Behinderung nur ein Teil der Person ist, aber nicht ihre definierende Eigenschaft. Autismus sehen viele Menschen als etwas, was nicht getrennt von ihrer Person existiert, sondern als festen Bestandteil ihrer Identität, es ist quasi keine Störung in dem Sinne, sondern eine natürliche Variante menschlicher Neurodiversität. Viele Autist*innen empfinden die Bezeichnung „Mensch mit Autismus“ als distanzierend oder pathologisierend. So sind die zwei Bezeichnungen entstanden.

  • Mich irritiert, dass es um Sprachgebrauch „im Unterricht“ geht.


    Da kann ich in Texten oder Aufgaben über verschiedene Menschen sprechen, i. Umgang mit den Kindern sage ich doch aber deren Namen und nicht „das Kind im Rollstuhl“.


    Warum ist „taub“ abwertend und was sagt man bei „blind“?

  • Die Bezeichnung "Menschen mit Lernschwierigkeiten" für Menschen mit (zugeschriebener) geistiger Behinderung finde ich tatsächlich dahingehend problematisch, dass dies in der Praxis zu Missverständnissen führen kann: Lernschwierigkeiten können alle Menschen haben, auch gymnasiale SuS, Hochbegabte, ... Daneben wird es teilweise für Schüler mit "Lernbehinderung" bzw. im Förderschwerpunkt Lernen verwendet.


    Ich weiß noch, dass ich im Examen die Definitionen von Lernschwierigkeit, Lernbeeinträchtigung, Lernstörung und Lernbehinderung nach verschiedenen Autoren voneinander abgrenzen musste. Da ging es vor allem um Schwere, Umfang und Dauer der Lernproblematik.


    Noch unspezifischer ist nur die Bezeichnung "Wahrnehmung und Entwicklung", die in Bremen für den Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung verwendet wird.

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