Nach Elterngespräch fühle ich mich schlecht 😞

  • Vielen Dank für die vielen Ratschläge und aufbauenden Worte. Das ist sehr hilfreich und tut gut.

    Ich habe das schonmal gehört, dass den jüngeren Kollegen öfters versucht wird an den Karren zu fahren. Deshalb hatte ich es auch auf dem Elternabend vermieden zu sagen, dass ich jetzt erst mit dem Ref fertig geworden bin. Trotzdem sieht man es mir an, dass ich jung bin.

    Wir haben damals im Ref eine Veranstaltung zu Elterngesprächen besucht, und da wurde uns als Tipp für genau solche Elterngespräche gegeben, dass wir ganz ruhig bleiben sollen, aber einen Block vor uns liegen haben und dann sagen "Können Sie das nochmal wiederholen? Ich will mir das kurz aufschreiben, damit ich daran arbeiten kann. Wie war das nochmal, was haben Sie gesagt?" und in den allermeisten Fällen würden die Eltern, die sich massiv im Ton vergriffen haben, dann sofort zurückrudern. Ich hab es nie probiert, ich weiß also nicht, ob es funktioniert. Den Tipp habe ich aber immer noch im Kopf.


    Mir hat im Referat (in Bayern hat man im 2. Jahr eine Klassleitung) ein Elternteil sehr unfreundlich an den Kopf geworfen, ihr wäre das ja überhaupt nicht recht, dass ich die Lehrerin der Klasse bin, im Krankenhaus will man ja auch von einem fertigen Arzt behandelt werden und nicht von irgendeinem Neuling, der es noch nicht kann. Mit dieser Mutter war ich bei jedem Gespräch danach recht angespannt.

    Und auch danach gab es noch ein, zwei unschöne Begegnungen, die mich mitgenommen haben, aber ich versuchte dann immer, mich selbst von meiner Rolle als Lehrerin zu trennen, es also nicht persönlich zu nehmen. Manche haben auch einfach schlechte Erfahrungen mit Schule an sich gemacht, machen sich große Sorgen um ihr Kind, was auch immer. Muss nicht immer mit einem selbst oder dem Unterricht zu tun haben.


    Hoffentlich fühlst du dich besser und kannst das Wochenende genießen!

  • Ich hatte im Referendariat eine 10. Klasse in Chemie. Da hat mir ein Mädchen gesagt ich sei die erste Lehrerin bei der sie etwas in Chemie versteht und es ihr sogar Spaß macht. Also passt es den einen scheinbar und den anderen nicht.

    Ich bin gleichzeitig der fiese Mathelehrer mit den gemeinen Klausuren und trotzdem erlebe ich häufig ein ehrliches Feedback genau dieser Art. Man kann sich gerne über das positive Feedback freuen, das tue ich auch immer noch. Aber das negative, das sollte man, alleine der Psychohygiene wegen, ausblenden.

  • Eigentlich wollte ich immer beliebt sein

    Vergiss es. Wer "Everybodys darling" sein will, ist schnell "Everybodys Depp".
    Zudem musst du dir eine gesunde Schizophrenie zulegen. Es leben zwei Seelen in dir: "Du als Lehrkraft in der Lehrerrolle" und "Du als individuelle Person".

    Angriffe gegen dich gehen an die "Lehrperson". Hier kannst du deinen Auftritt und deine Rolle überdenken. Aber lass deine Persönlichkeit nicht unter der Rolle leiden.
    Als Lehrkräfte haben wir einen Auftrag, der (oft genug leider) auch darin besteht, Schüler zu benoten und damit Zukunftschancen festzulegen.
    Falls jedoch ein Schüler/eine Schülerin keinen Wissenszuwachs und keine Fähigkeiten in Chemie erwerben will oder kann, sollte diese/r nicht den beruf des/der Chemielaborant/in anstreben. Da haben wir auch eine Schutzaufgabe für die Person und den Rest der Welt.

    «Wissen – das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt.» (Marie von Ebner-Eschenbach)
    Meine Beiträge können Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten

  • Das Wichtigste ist schon geschrieben, denke ich. Aber ich glaube, es hilft schon, von ein paar "alten Hasen" zu lesen, dass sowas halt vorkommt. Daher auch von mir: Ich habe alles von "adoptier mich!!!" bis "Sie sind gemein zu mir, ich geh zur Schulleitung!!!" Man muss lernen, sich von diesen ganz emotionalen Ausbrüchen zu distanzieren. Als Fachlehrperson wirst du dafür bezahlt, Fachinhalte zu vermitteln und den Lehrplan zu erfüllen. Da stehen auch übergeordneten Kompetenzen drin. Du musst immer wieder für dich selbst überprüfen, ob das gelingt und allenfalls korrigieren. Das gehört dazu. Ich habe aber z. B. länger schon aufgehört, überhaupt noch schriftliches Feedback aus meinen Klassen einzuholen (ist bei uns auch nicht verpflichtend). Ehrlich, es interessiert mich nicht, ob die Mara mich ganz dufte und der Lino mich total blöd findet, ich sehe ja selbst, was Mara und Lino in der Lage sind, aufs Prüfungsblatt zu schreiben. Und ich bin lange genug dabei, dass ich ausreichend viel ungefragtes Feedback von Ehemaligen habe, das 1000 x mehr wert ist, als der momentane Frust von spätpubertären 17jährigen.


    Zu dem hier:


    Ich hatte das im Referendariat leider nicht gelernt. Ich denke dazu gibt es doch sicher Fortbildungen?

    Ja, die gibt es schon. Wir führen seit einiger Zeit z. B. schulhausintern verpflichtende Workshops für alle neuen Klassenlehrpersonen durch, da gehört Gesprächsführung dazu. Rollenspiele mit unangenehmen, fiktiven Eltern z. B., das ist tatsächlich recht nützlich. Frag ansonsten erfahrene Lehrpersonen an deiner Schule, wie sie mit solchen Situationen umgehen. Es kommt halt alles mit der Zeit und Erfahrung, so ist es eben. Es gibt auch nach 15, 20, ... Jahren immer wieder Momente, die man so noch nie erlebt hat.

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    Ich habe das schonmal gehört, dass den jüngeren Kollegen öfters versucht wird an den Karren zu fahren. Deshalb hatte ich es auch auf dem Elternabend vermieden zu sagen, dass ich jetzt erst mit dem Ref fertig geworden bin. Trotzdem sieht man es mir an, dass ich jung bin.

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    Mal so grundsätzlich: ich bin Mutter und es gibt durchaus Lehrkräfte meiner Kinder, über deren Verhalten ich mich geärgert habe. Das kommt selten vor, aber es kommt vor und das hat nichts mit dem Alter der Lehrer*innen zu tun, sondern mit dem was sie sagen, tun oder auch nicht tun. Übrigens ging es da nie um Noten.


    Ich finde die Haltung "die wollen mir alle prinzipiell was Böses, weil ich (jung/weiblich/Chemielehrer/rothaarig...) bin" daher wirklich schwierig, weil du damit echte Kommunikation verhinderst. Unabänderliche Eigenschaften als Erklärung für irgendwas zu nehmen macht dich unsicher und gibt dem Gesprächspartner eine Macht, die ihm nicht zusteht und die er wahrscheinlich auch nie haben wollte. Was diese eine Mutter denkt, findest du nur raus, wenn du sie fragst. Das kann einem natürlich auch egal sein, aber sich was auszumalen, was sie denken könnte halte ich für ziemlich kontraproduktiv.

  • Aber das negative, das sollte man, alleine der Psychohygiene wegen, ausblenden.

    So pauschal kannst du das nicht sagen. Wenn jemandem was nicht passt, kann eine Veränderung bei mir vielleicht allen helfen. Unspezifisches negatives Feedback kann man aber gerne ausblenden, das hilft mir nicht.

  • Zum Fach Chemie: Das wird gerne von den Schülern und Schülerinnen unterschätzt. Das erlebe ich jedes Jahr, wenn ich eine Anfängerklasse habe. Tatsächlich ist es ähnlich wie bei einer Sprache, weil in Chemie sehr viel aufeinander aufbaut. Die Schüler und Schülerinnen realisieren das häufig aber nicht oder zu spät, weil es - zumindest im nicht-naturwissenschaftlichen Zweig - häufig kein Kernfach ist und sie häufig denken, es ist ählich wie in Biologie, wo man tatsächlich ganz gut mitkommt, wenn man den Stoff der letzten zwei Stunden parat hat. In Chemie gelingt das aber nicht, das Vorwissen, z.B. Atombau, ist für spätere Inhalte essenziell. Gleichzeitig wird vieles auf der abstrakten Teilchenebene erklärt und da tun sich viele schwer. Daher ist Chemie für viele ein anstrengendes und eher unbeliebtes Fach. Ich habe gelernt, damit zu leben und habe diese Woche erst eine Arbeit mit einem Notenschnitt von 4,0 herausgegeben.

    Insofern ist die Note 3 in Chemie ganz und gar nicht ungewöhnlich. Befriedigend, okay. Das bedeutet "3" und ich sehe hier vor allem enttäuschte Schüler und Eltern, die nun ihre Enttäuschung bei dir ablassen. Hilfreich ist bei solchen Gesprächen aktives Zuhören: "Verstehe ich richtig, dass Sie...?", "Meinen Sie also, dass...?", wo man Eltern in ihrer Empörung auch gerne Wind aus den Segeln nehmen kann. Ähnliche Tipps kamen hier schon von den Schreibern vor mir.

    Ich hatte vor vielen Jahren auch mal ein Gespräch mit einem Schüler, der mir vorwarf, er wäre im Vorjahr besser gewesen und nur bei mir so schlecht. Ich schaute im Schülerakt nach und stelle fest, dass der Schüler im Vorjahr nur minimal besser gewesen ist. Der Schüler war tatsächlich beleidigt, dass ich nachgeschaut hatte, aber ich basiere meine Gespräche lieber auf Fakten statt auf Vermutungen und danach war mit diesen Vorwürfen Ruhe. So wie es ähnlich bei dir war mit der Aussage, die Schülerin wäre "naturwissenschaftlich begabt". Und auch in diesem Fall muss man lernen. Genauso wie jemand, der sprachlich begabt ist, dennoch die Vokabeln lernen muss.

    Ich bin mir bewusst, dass ich ein bei Schülern eher unbeliebtes Fach unterrichte, zeige aber gerne meine Begeisterung für mein Fach (für beide Fächer) im Unterricht und bekomme dann auch entsprechende Rückmeldungen. Eine gute Lehrkraft zu sein, heißt nicht automatisch, bei den Kindern beliebt zu sein. Vieles bei unserer pädagogischen Arbeit ist anstrengend, für beide Seiten. Da gehört auch dazu, sich bei den Schülern unter Umständen unbeliebt zu machen. Ich freue mich, wenn die Schüler und ich ein gutes Verhältnis miteinander haben und wir auch unsere Späße im Unterricht machen können, aber bisweilen muss ich auch unbequem sein und damit gehr einher, dass manche mich dann nicht lieben. Und unabhängig davon - ich mag auch nicht alle Menschen gleich gerne und bei meinen 200 Schülern pro Jahr sind immer welche dabei, die mich und meine Art nicht mögen werden. Mir geht es ja umgekehrt nicht anders, aber von mir als Lehrkraft kann man erwarten, dass ich damit professionell umgehe. Von den Schülern kann man das im Gegenstück nicht erwarten.


    Sarek

  • Ja, das ist bei Französisch auch so, was bei uns ab Klasse 6 beginnt. Es heißt immer: "Das ist ja so eine schöne Sprache." und "Ich freu mich so auf das neue Fach." und es ist (ähnlich wie Latein) eben auch ein Fleißfach, wo reines Interesse oder "nochmal durchlesen" nicht reichen, sondern man Vokabeln und unregelmäßige Verb-/Zeitformen und Grammatik einfach pauken muss bis man das sicher anwenden kann. Sobald das durchsickert, bin ich auch immer schnell die "strenge" Lehrerin, weil ich das einfordere (da ich einfach weiß, wohin es führt, wenn man da nicht am Ball bleibt). Wenn sich später aber herausstellt, dass das der richtige Weg war, heißt es nämlich plötzlich: "Ja, bei der Frau Lehrerin2007, DA lernt man was!" - Aha.


    Wie schon gesagt wurde, es geht bei Elterngesprächen immer um dich als Lehrperson, nicht um dich persönlich (auch wenn ich manchmal Persönliches durchblicken lasse aus meiner Elternperspektive, was das Gespräch tatsächlich manchmal bereichern kann).

    Auch gibt es Fortbildungen zum Thema Elterngespräche, wo allein der Austausch schon hilfreich sein kann. Ich habe mal eine Fortbildung gemacht mit dem Thema Schlagfertigkeit im Lehreralltag. Die war sehr, sehr unterhaltsam (von einem langjährigen Lehrer gehalten) und aufschlussreich; die Quintessenz war eigentlich: Wenn ein Elternteil einem etwas vorwirft, was übertrieben ist, nicht stimmt etc. - dass man dann genau diesen Vorwurf nochmal unverziert und unverblümt formuliert und z.B. sagt: "Ach, Sie meinen, ich würde Ihr Kind extra schlechter bewerten, weil ich es nicht mag, habe ich Sie da richtig verstanden?" - und dann rudert der Elternteil oft schnell zurück und die Vorwürfe relativieren sich ("So meinte ich das ja gar nicht...").

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