Arbeitszeiterfassung für Lehrkräfte – Erfahrungen und rechtliche Schritte?

  • Auch eine zentrale Regelung zur Arbeitszeiterfassung führt noch nicht automatisch zur Anerkennung von Mehrarbeit. Diese müsste gezielt als solche angeordnet werden. Oder glaubst du ernsthaft, die Angabe einer Lehrkraft, sie habe diese Woche 2 Stunden länger für die Unterrichtsvorbereitung benötigt, löst auszahlungspflichtige Mehrarbeit aus?


    Es wird eher so sein, dass der Dienstherr die Dienstanweisung ausgeben wird, keine Mehrarbeit zu leisten und die vorgesehenen Aufgaben im zur Verfügung stehenden Zeitrahmen zu erledigen (inklusive unterrichtsfreier Zeit abgesehen vom Jahresurlaub) und Überstunden gerade nicht dulden wird (abgesehen vlt. von wenigen Ausnahmefällen).


    Auch eine zentrale Regelung zur Arbeitszeiterfassung führt noch nicht automatisch zur Anerkennung von Mehrarbeit. Diese müsste gezielt als solche angeordnet werden. Oder glaubst du ernsthaft, die Angabe einer Lehrkraft, sie habe diese Woche 2 Stunden länger für die Unterrichtsvorbereitung benötigt, löst auszahlungspflichtige Mehrarbeit aus?


    Es wird eher so sein, dass der Dienstherr die Dienstanweisung ausgeben wird, keine Mehrarbeit zu leisten und die vorgesehenen Aufgaben im zur Verfügung stehenden Zeitrahmen zu erledigen (inklusive unterrichtsfreier Zeit abgesehen vom Jahresurlaub) und Überstunden gerade nicht dulden wird (abgesehen vlt. von wenigen Ausnahmefällen).

    Für angestellte Lehrkräfte gilt das Arbeitszeitgesetz (ArbZG), das eine Erfassung der Arbeitszeit und die Einhaltung von Ruhezeiten vorschreibt. Eine einfache Dienstanweisung, keine Mehrarbeit zu leisten, ändert nichts an der Realität: Wenn die anfallende Arbeit in der regulären Arbeitszeit nicht zu schaffen ist, entsteht faktisch Mehrarbeit – und die muss entweder vergütet oder ausgeglichen werden.


    Wenn ein Lehrer seine Arbeitszeit detailliert erfasst und nachweist, hat der Arbeitgeber kaum eine Chance, das Gegenteil zu beweisen. Nach der aktuellen Rechtsprechung (EuGH 2019, BAG 2022) ist der Arbeitgeber verpflichtet, eine verlässliche Arbeitszeiterfassung zu ermöglichen. Falls er das nicht tut, kann die eigene Dokumentation des Arbeitnehmers als Beweis dienen. In mehreren Fällen haben Lehrkräfte bereits erfolgreich Mehrarbeit eingeklagt. Ohne eine offizielle Zeiterfassung wird es für den Arbeitgeber schwer, das abzustreiten.

  • Wenn die anfallende Arbeit in der regulären Arbeitszeit nicht zu schaffen ist, entsteht faktisch Mehrarbeit – und die muss entweder vergütet oder ausgeglichen werden.

    Dabei darfst du nur nicht vergessen, dass bei drohender Arbeitszeitüberschreitung auch Rücksprache mit dem Arbeitgeber zu halten ist und dieser zum Abstellen der Missstände aufzufordern ist (Stichwort: Überlastungsanzeige). Nur weil der AN sich einfach Überstunden aufschreibt (z.B. weil er im Urlaub Muscheln am Strand für Kunst gesammelt hat ;) ), entsteht noch nicht zwingend anzuerkennende Mehrarbeit.

  • PS: Und auch jetzt ermöglicht mir meine eigene Arbeitszeiterfassung bereits den Ausgleich entstandender Mehrarbeit (z.B. in Prüfungsphasen) durch bewusstes Liegenlassen niedrig priorisierter Aufgaben im zeitnahen Umfeld. Das nutze ich tatsächlich auch als ganz aktives Gestaltungsmittel.

  • Natürlich müsste man bei Einführung der Arbeitszeiterfassung sehr genau definieren, wann ich in den Ferien tatsächlich Urlaub eintrage. Die restlichen Tage sind Arbeitstage und wenn ich da nicht gerade vorbereite oder korrigiere baue ich Mehrarbeit aus der Unterrichtszeit ab natürlich. Dann wäre aber auch endgültig klar, dass z.B. Kollegen die in REHA sind eben in dieser Zeit keine Mehrarbeit abbauen sondern auf Krankenstatus laufen. Das Gleich gilt für Schwerbehinderte mir ihrem Anspruch auf Zusatzurlaub. Dieser ist nämlich bisher, wie es so schön heißt in den Ferien zu nehmen. In Ordnung, aber auch an den Tagen wird natürlich keine Mehrarbeit abgebaut. Darüber hinaus kenne ich viele Kollegen, die mit Urlaubsantritt erst mal eine Woche im Bett liegen, weil in der Entlastungsphase alle Keime der Welt über sie her fallen. Auch hier würden dann Kollegen sich endlich auch in den Ferien krank melden. Denn auch an diesen Tagen entfällt die Arbeitsopflicht.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Wir ist das eigentlich bei euch mit Urlaub? In Sachsen müssen wir, Beamte und Angestellte gleichermaßen, 30 Tage Urlaub einreichen, mit dem Rest der Ferien könnte dann so einiges verrechnet werden.

    Genau so ist es ja auch gedacht. Ein normaler Arbeitnehmer hat etwa 250 Arbeitstage im Jahr, Unterrichtstage sind es aber knapp weniger als 200. Dass wir natürlich nicht 50 Tage mehr Urlaub haben als andere Arbeitnehmer, wissen wir alle. Dass diese 50 Tage aber (bis auf einige Ausnahmen) nicht mit 8 Stunden/Tag durchgearbeitet werden, wissen wir ebenfalls. Genau hier wird Mehrarbeit aus den anderen Phasen abgebaut....oder andersherum: genau deswegen müssen wir in der Unterrichtszeit i.d.R. auch mehr als 41 Stunden/Woche arbeiten.

  • Aus dem Grunde ist für mich auch der wirklich interessante Marker die Jahresarbeitszeit. Die sollte 1800 h nicht überschreiten.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Wir ist das eigentlich bei euch mit Urlaub? In Sachsen müssen wir, Beamte und Angestellte gleichermaßen, 30 Tage Urlaub einreichen, mit dem Rest der Ferien könnte dann so einiges verrechnet werden.

    Urlaubsanträge einreichen müssen meines Wissens die Lehrkräfte in den meisten Bundesländern nicht.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Dabei darfst du nur nicht vergessen, dass bei drohender Arbeitszeitüberschreitung auch Rücksprache mit dem Arbeitgeber zu halten ist und dieser zum Abstellen der Missstände aufzufordern ist (Stichwort: Überlastungsanzeige). Nur weil der AN sich einfach Überstunden aufschreibt (z.B. weil er im Urlaub Muscheln am Strand für Kunst gesammelt hat ;) ), entsteht noch nicht zwingend anzuerkennende Mehrarbeit.

    ... wobei da am Ende gerichtliche Klärungen spannend werden. In einem anderen Thread hatte ich ja einen Artikel verlinkt, bei dem es darum ging, dass ein Grundschulrektor Mehrarbeit ausgezahlt bekommen wollte und diese dokumentierte Mehrarbeit zu ca. 2/3 anerkannt wurde. Das werden spannende Fragen, wenn ich bspw. meiner Schulleitung dokumentiere, dass ich erhebliche Mehrarbeit leiste und diese dann entscheiden muss, woran gespart werden soll. Wenn eine Klassenleitung dann nachweisbar verwaltungsmäßig extrem viel Arbeit macht (oder andere Aufgaben ähnlich), wird eine gerichtliche Klärung interessant, ob per ordre de mufti einfach so angewiesen werden kann, dass man das schneller zu erledigen habe.


    Und die Überlastungsanzeige lässt sich ja dann mit mehr Nutzen stellen, wenn ich weiß, dass sie einklagbare Konsequenzen haben kann und nicht wie jetzt im Verwaltungsnirvana verschwindet. Nicht jede Reaktion auf die Anzeige wird dann gerichtlich durchkommen: Ei dann bereite deinen Unterricht weniger vor, verwalte deine Klasse schneller etc. pp.

    Tim Finnegan liv’d in Walkin Street
    A gentle Irishman mighty odd.

  • Eine Ergänzung scheint mir noch sinnvoll: Als VZler komme ich mit der Jahresarbeitszeit vernünftig hin, aber bei TZ-LK bereiten die unteilbaren Aufgaben große Probleme, weil häufig Konferenzen, Klassenleitungen, Dokumentationspflichten nicht geteilt geschweige denn ausgeglichen werden (können).

    Tim Finnegan liv’d in Walkin Street
    A gentle Irishman mighty odd.

  • Finnegans Wake

    Mit der Teilzeit hast Du vollkommen Recht. Wenn ich das jetzt mal mit der freien Welt draußen vergleiche. Was passiert da?

    Angenommen Du nimmst bei der Bank eine halbe Stelle. Zwei Tage in Präsenz und ein Tag Home Office.

    Jetzt findet eine zweitägige verpflichtende Schulung wegen einem neuen EDV System

    statt. An der muss Du teilnehmen. Damit sind die zwei Tage die Du ins Büro kommen musst verbraten. In dieser Woche wirst Du in der Bank keine Kundenkontakte haben. Das führt in der Summe dazu, dass jemand mit einer halben Stelle weniger Kundenkontakte hat als die Hälfte.

    Übertragen auf Schule: Jemand der eine halbe Stelle bei einem Vollzeitdeputat von 28 Unterrichtsstunden hat, der müsste nicht 14 Unterrichtsstunden unterrichten, sondern nur 12 oder 10, je nachdem wie hoch die "unteilbare Belastung" ist. Das hören unsere 'Chefs nicht gerne, es ist aber eine berechtigte Forderung.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Betriebswirtschaftlich bedeutet dies natürlich, dass zwei Halbtagsstellen dem Unternehmen teurer kommen als eine Vollzeitstelle. Weil das so ist gibt es das Teilzeit- und Befristungsgesetz, dass den Rechtsanspruch auf Teilzeit (voraussetzungslos) festgeschrieben hat.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Genau so ist es ja auch gedacht. Ein normaler Arbeitnehmer hat etwa 250 Arbeitstage im Jahr, Unterrichtstage sind es aber knapp weniger als 200. Dass wir natürlich nicht 50 Tage mehr Urlaub haben als andere Arbeitnehmer, wissen wir alle. Dass diese 50 Tage aber (bis auf einige Ausnahmen) nicht mit 8 Stunden/Tag durchgearbeitet werden, wissen wir ebenfalls. Genau hier wird Mehrarbeit aus den anderen Phasen abgebaut....oder andersherum: genau deswegen müssen wir in der Unterrichtszeit i.d.R. auch mehr als 41 Stunden/Woche arbeiten.

    Wir haben nicht 50 Tage mehr frei als andere Arbeitende, sondern 20. Du hast vergessen, von den 250 Tagen die Urlaubstage abzuziehen.

    Es könnte alles so einfach sein - ist es aber nicht.

  • Wir ist das eigentlich bei euch mit Urlaub? In Sachsen müssen wir, Beamte und Angestellte gleichermaßen, 30 Tage Urlaub einreichen, mit dem Rest der Ferien könnte dann so einiges verrechnet werden.

    Ich habe bisher nichts eingereicht. Das Abfeiern von „Überstunden“ ist legitim, aber sobald Überstunden entstehen, müssen Zuschläge gezahlt werden – das gerät immer in Vergessenheit! (TV-L § 8)

    Natürlich müsste man bei Einführung der Arbeitszeiterfassung sehr genau definieren, wann ich in den Ferien tatsächlich Urlaub eintrage. Die restlichen Tage sind Arbeitstage und wenn ich da nicht gerade vorbereite oder korrigiere baue ich Mehrarbeit aus der Unterrichtszeit ab natürlich. Dann wäre aber auch endgültig klar, dass z.B. Kollegen die in REHA sind eben in dieser Zeit keine Mehrarbeit abbauen sondern auf Krankenstatus laufen. Das Gleich gilt für Schwerbehinderte mir ihrem Anspruch auf Zusatzurlaub. Dieser ist nämlich bisher, wie es so schön heißt in den Ferien zu nehmen. In Ordnung, aber auch an den Tagen wird natürlich keine Mehrarbeit abgebaut. Darüber hinaus kenne ich viele Kollegen, die mit Urlaubsantritt erst mal eine Woche im Bett liegen, weil in der Entlastungsphase alle Keime der Welt über sie her fallen. Auch hier würden dann Kollegen sich endlich auch in den Ferien krank melden. Denn auch an diesen Tagen entfällt die Arbeitsopflicht.

    Allzu viele Kollegen melden sich in den Ferien nicht krank, obwohl sie es sind. Dadurch kann es passieren, dass sie ihre Urlaubstage in dem Jahr nicht nehmen können. Was passiert dann mit den Urlaubstagen aus dem Vorjahr?!

    Genau so ist es ja auch gedacht. Ein normaler Arbeitnehmer hat etwa 250 Arbeitstage im Jahr, Unterrichtstage sind es aber knapp weniger als 200. Dass wir natürlich nicht 50 Tage mehr Urlaub haben als andere Arbeitnehmer, wissen wir alle. Dass diese 50 Tage aber (bis auf einige Ausnahmen) nicht mit 8 Stunden/Tag durchgearbeitet werden, wissen wir ebenfalls. Genau hier wird Mehrarbeit aus den anderen Phasen abgebaut....oder andersherum: genau deswegen müssen wir in der Unterrichtszeit i.d.R. auch mehr als 41 Stunden/Woche arbeiten.

    Ändert nichts daran, dass Überstundenzuschläge anfallen – selbst beim Abbau dieser Stunden.

    Urlaubsanträge einreichen müssen meines Wissens die Lehrkräfte in den meisten Bundesländern nicht.

    Weil es schwachsinnig ist, ohne die Arbeitszeit zu erfassen.

    Es sollte bedacht werden, dass auch Lehrer zu Hause „arbeiten“, selbst wenn sie keine konkreten Aufgaben zu erledigen haben. Arbeitszeit wird nicht immer an der Produktivität gemessen, sondern an der Zeit, die dem Arbeitgeber zur Verfügung steht. Wenn Lehrer keine Unterrichtsstunden haben, könnte diese unterrichtsfreie Zeit trotzdem als Arbeitszeit gelten, da sie weiterhin ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen – und dies auch ortsunabhängig, insbesondere in unserem digitalen Zeitalter.


    Ich bin enttäuscht darüber, dass bei so vielen ignorierten Gesetzen kein angestellter Kollege des Bundeswehrs seine Stimme dagegen erhoben hat – ebenso wenig wie die Gewerkschaften, die sich immer damit rühmen, für die Rechte der Kollegen einzutreten.

  • Ich habe bisher nichts eingereicht. Das Abfeiern von „Überstunden“ ist legitim, aber sobald Überstunden entstehen, müssen Zuschläge gezahlt werden – das gerät immer in Vergessenheit! (TV-L § 8)

    § 8 TV-L gilt für Lehrkräfte nicht, siehe § 44 TV-L

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