Hallo an alle,
ich habe in den letzten Wochen regelmäßig über die Zeit nachgedacht, in der wir gerade leben. Ich bin eigentlich ein optimistischer Mensch, der Risiken sorgsam abwägt und der sich dann mit Problemen beschäftigt, wenn sie auftreten und nicht in vorauseilender Sorge Probleme wälzt.
Nachstehend möchte ich Euch meine Gedanken zu 2025 und zur Zukunft darstellen und mit Euch in die Diskussion eintreten, wie Ihr die aktuelle Weltlage seht. Ein Teil davon ist ja bereits in einzelnen thematisch spezifischeren Threads andiskutiert. Mir geht es hier um die Gesamtzusammenhänge, über die ich diskutieren möchte.
Es würde mich freuen, wenn wir hier zu einem sachlichen Austausch kämen und ohne persönliche Angriffe auskämen.
Wir schreiben das Jahr 2025 – ein Jahr, in dem vieles anders wurde und das als Beginn einer globalen Veränderung eines Tages in die Geschichtsbücher eingehen könnte.
Im Jahr 2025 steht eine rechtsextreme Partei in Deutschland in den Umfragen bei 20%. Das bürgerlich-konservative Lager hat damit eine parlamentarische Mehrheit, wohingegen das linksliberale Lager gerade noch bei 35% dümpelt, wenn man SPD, Grüne und Linke addiert.
Im Jahr 2025 werden aller Voraussicht nach die Weichen gestellt für ein Wiedererstarken der faschistoiden Ideologie mit Potenzial, 2033 ausgerechnet zum 100jährigen Gedenken an die Machtergreifung und den Zivilisationsbruch wieder an die Macht zu kommen.
Im Jahr 2025 erleben wir die Folgen der seit zehn Jahren weitgehend konzeptionslosen Migrationspolitik, die eigentlich ehrenwerterweise an das Gute im Menschen glaubt und nicht wegen einiger weniger krimineller Migranten alle, die wirklich Hilfe suchen, ausschließen möchte. Die Entwicklung wirft neben der jahrzehntealten Frage der Integration und des Zusammenlebens jedoch zunehmend die Frage auf, ob man zugunsten der vielen unschuldigen bzw. anständigen Migranten, die einfach nur die Hoffnung auf ein besseres Leben haben, das Risiko eingehen muss, dass unter ihnen Attentäter sind, gegen die man die deutsche Bevölkerung (und auch alle anderen in Deutschland lebenden Menschen) nicht ansatzweise ausreichend schützen kann und damit Opfer in Kauf nehmen muss. Ich erlebe, dass insbesondere die deutsche Bevölkerung in zunehmendem Maße diesen Preis nicht mehr bezahlen möchte. Ich erlebe die Unfähigkeit der PolitikerInnen, hierauf überzeugende, aber nicht populistische Antworten zu geben. Ich erlebe, dass sich die freiheitliche Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit nicht selbst gegen Ausnutzung und Unterlaufen schützen kann.
Im Jahr 2025 gibt es mit den USA, China und Russland drei globale „Player“, die die Welt nach ihren Vorstellungen gestalten wollen und dabei entsprechend rücksichtslos vorgehen. Drei Länder mit zusammen ungefähr einem Viertel der Weltbevölkerung wollen die Geschicke dieses Planeten bestimmen und wissen, dass sie nur wahlweise dreist, heimlich oder schnell genug sein müssen, um die liberalen Demokratien, die systemimmanent langsam in ihren Entscheidungsprozessen sind, schachmatt zu setzen. Indien als vierter Player nähert sich gemächlich und wird mit über einer Milliarde Menschen eines Tages auch mehr Mitsprache auf diesem Planeten haben wollen.
Im Jahr 2025 gleicht die EU einem Gemischtwarenladen, in der sich neben der Kleinstaaterei auch ein Riss zwischen westeuropäischen und osteuropäischen Ländern zieht.
Im Jahr 2025 müssen wir das erste Mal wieder Angst und Sorge haben, dass ein Aggressor auf dem europäischen Kontinent nicht nur meint, sich nehmen zu dürfen, was ihm angeblich zustünde, sondern dass er dies auch ohne konsequente Gegenwehr mit Unterstützung der USA bekommt. Es stellt sich die Frage, wann und wo Russland anhalten wird und wer sich ihm entgegenstellen soll. Die EU ist wirtschaftlich und demographisch erdrückend überlegen, sie verfügt sogar mit Frankreich über ein bescheidenes atomares Potenzial, aber die selbstlähmende EU-Verfassung ermöglicht es nicht, eine gemeinsame, konsequente und gegenüber Russland sowie anderen aggressiven Mächten rigorose Außen- und Wirtschaftspolitik zu betreiben. National(istisch)e Partikularinteressen aus oft innenpolitischen Motiven stehen dem zusätzlich entgegen. Das Dogma Adenauers, dass man mit (Sowjet)[R]ussland nur verhandeln könne, wenn man gleich stark ist (bzw. heute wohl eher sein will), hat sich erneut bewahrheitet.
Im Jahr 2025 müssen wir erkennen, dass wir uns 80 Jahre lang mehr oder weniger blind auf den Schutz der USA verlassen haben und auch nach 1989/91 davon ausgegangen sind, dass das alles einfach so weitergehen wird. Wir haben dem Anti-Amerikanismus gefrönt, den imperialistischen Militarismus der USA kritisiert, gleichwohl aber es für selbstverständlich erachtet, dass uns dieser von uns verachtete Militarismus mit globalen Interventionen zur Wahrung US-amerikanischer Interessen im Zweifelsfall schützt. Nun wettern wir alle gegen Trump und erwarten dennoch, dass seine Regierung uns weiterhin schützt.
Im Jahr 2025 ernten wir die Folgen der Hybris wie der Selbsttäuschung, dass Pazifismus und Handelsbeziehungen unseren Wohlstand dauerhaft sichern könnten. Dazu wurden unter anderem einen Teil der ehemaligen Ostblockstaaten in die EU aufgenommen und Teil des transatlantischen Bündnisses. Wir waren erleichtert ob des Endes des Kalten Krieges, übersahen in unserer selbstherrlichen Arroganz aber, dass man einem besiegten Gegner besser die Hand gereicht hätte, anstatt ihn mittelbar zu demütigen, indem man seine einstigen Verbündeten die Seite wechseln ließ. Dass dies auf erhebliche Befindlichkeiten in der russischen Bevölkerung stoßen musste und dies auch dem in Teilen irrationalen Sicherheitsinteresse Russlands erheblich zuwiderlief, hätte man mit etwas historisch-politischem Sachverstand erkennen müssen. Die wissenschaftlichen Betrachtungen dazu gab es bereits in den 1990er Jahren.
Im Jahr 2025 erlebe ich eine Kulmination aus alten Fehlern und einer hinsichtlich der langfristigen Perspektiven blinden „weiter so“-Politik in Deutschland und in Europa, die sich aktuell noch nicht tiefgreifend auf den Frieden und den Wohlstand in unserem Lande wie in Europa auswirkt – mir scheint, dass es nur eine Frage der Zeit sein wird, bis wir die Konsequenzen nachhaltig spüren werden.
Im Jahr 2025 mache ich mir mittlerweile Sorgen, ob meine drei Kinder eines Tages ihre Leben für die Fehler lassen müssen, die in der Vergangenheit wie in der Gegenwart gemacht wurden und werden. Ich selbst werde dann Mitte 50 oder gar über 60 Jahre alt sein und kann auf ein weitgehend erfolgreiches und glückliches Leben zurückblicken. Diese Probleme erst dann anzugehen, wenn sie uns wie oben geschrieben direkt treffen, dürfte für meine Kinder zu spät sein.