Wenn ich den Lehrplan in Bayern für Latein als zweite Fremdsprache richtig lese, ist die Grammatik nach drei Lernjahren, Ende der 8. Klasse, durch. Der LehrplanPLUS sagt zur Formen- und Satzlehre in der 9. Klasse (L9 2.2):
Die Schülerinnen und Schüler ...
- geben in Ergänzung zu ihrem Grundwissen in Formen- und Satzlehre, das sie durch systematische Wiederholung sichern und vertiefen, zu weiteren lektürerelevanten Sprachphänomenen die Fachbegriffe an (u. a. historisches Präsens, oratio obliqua).
- erkennen lektürerelevante Besonderheiten in Laut-, Formen- und Satzlehre:
- Tempora: historisches Präsens;
- Modi: u. a. Konjunktiv in der oratio obliqua;
- satzwertige Konstruktion: AcI in der oratio obliqua.
- ordnen lektürerelevante Sprachphänomene auch unter zielgerichteter Nutzung einer Grammatik in das grammatikalische Gesamtsystem ein.
- erkennen, benennen und untersuchen zunehmend sicher auch komplexe syntaktische Zusammenhänge und Strukturen in Originaltexten.
- erkennen und beschreiben weitere Unterschiede zwischen lateinischem und deutschem Sprachgebrauch.
- übersetzen literarische Texte im Bewusstsein der Besonderheiten des Sprachgebrauchs (u. a. im Satzbau) in angemessenes Deutsch.
Nichts Neues mehr. Latein war meine erste Fremdsprache. Mit Sicherheit waren wir mit der Grammatik nach drei Lernjahren noch nicht durch. Auch fiel meiner Erinnerung nach weniger Unterricht aus als heute – das mag aber am Lehrer liegen, oder an veränderten Familienmodellen. Ich befürworte es, Latein als zweite Fremdsprache zu lernen, vor allem weil es systematisch denken lehrt, und dann Französisch oder Spanisch als dritte Fremdsprache zu wählen.
Warum aber wird in Bayern die ganze Grammatik in nur drei Jahren durchgepaukt, bei pubertierenden Schülerinnen? Um in der 9. Klasse – zumindest auf dem Papier – auf einem Niveau mit den Schülerinnen anderer Gymnasien zu sein, die es dort als erste Fremdsprache gewählt haben? Und um dann drei lange Jahre lang nur noch Lektüren zu übersetzen? Genügen da nicht auch zwei Jahre, bzw. für die, die wollen, vier Jahre, bis zum Abi? Oder anders herum: Warum wird die Formen- und Satzlehre bei Latein als zweiter Fremdsprache nicht auf vier Lernjahre verteilt? Stammt das noch aus dem G8? Wie schaut es in anderen Bundesländern aus?
Und warum, bitte, steht im Lehrplan „oratio obliqua“ (und nicht „indirekte Rede“), aber „historisches Präsens“ (und nicht „praesens historicum“)?