Neuorientierung während Referendariat?

  • Quittengelee

    Vielen Dank!


    Ich werde es versuchen. Ich hatte gehofft, recht schnell DIE Methode zu finden, die für mich am besten funktioniert. Aber vermutlich sollte ich den Fokus vorerst wirklich wechseln.


    Wenn ich tatsächlich aus dem Lehramt gehen sollte, würde für mich ein duales Studium der öffentlichen Verwaltung in Frage kommen. Ich hoffe, dort ist auch egal, ob ich mit 21 oder 30 zu ihnen stoße.

  • Wie ich schon eingangs schrieb, du hast noch mindestens 45 Jahre vor dir! Genug Zeit sich einmal oder 2 mal neu zu orientieren.


    Vielleicht wäre auch die Arbeit in einem Verlag was für dich?

  • Mein Freund und Schwager hat 15 Jahre an einem Berufskolleg gearbeitet und floh dann vorzeitig in die Rente. Und es waren keine "lauten kleinen Kinder", sondern renitente große "Kinder", die ihm den Unterrichtsalltag letztlich völlig vermiest haben, teilweise volljährig.

    Ja, das gibts auch. Insbesondere, wenn die SL keinen Mumm hat durchzugreifen.

  • linchen732 Ich verstehe Deine Bedenken. Anfangs kann einen alles schon wirklich überfordern. Ich möchte Dir Mut machen: Deine geschilderten Probleme sind typisch für den Anfang.

    Ich finde, Du klingst sehr selbstreflektiert: das ist mMn eine sehr gute Voraussetzung für Lehrpersonen. Deswegen wäre mein Rat, es wenigstens zu versuchen und vor allen Dingen nicht auf den Kram anderer hören. Selbst Erfahrungen machen und eigenes Urteil bilden!

  • Mein Rat wäre kurz und knapp: Zieh's durch!


    Warum? Nach dem Ref hast du eine vollständig abgeschlossene akademische Berufsaufbildung, mit der dir fast alle Türen offenstehen. Ob du dann doch in einen Verlag oder eine Behörde wechselst, kannst du dann ja noch immer entscheiden. Vielleicht hast du dich dann aber auch an den täglichen Schulwahnsinn gewöhnt und bleibst doch...

  • Zum Thema Sicherheit über Berufswahl:

    Die musst du letztendlich in dir selbst herstellen. In schwachen Momenten ärgere ich mich hin und wieder, dass ich einen ähnlich extremen Weg bei einer anderen Behörde nicht gegangen bin. Letztendlich kann ich das aber auch schnell wieder richtig einordnen und meine FOMO wieder wegpacken. "Hinterher ist man immer schlauer" (besonders die typischen Neunmalklugen). Habe übrigens eine sehr ähnliche Charakterentwicklung hinter mir, kann dich glaub gut verstehen.


    Zum Thema Angriffe auf den Unterricht:

    Mei, ist halt so ein typisches Refi-/Junglehrerthema. Man sollte halt die etablierten Regeln kennen (falls nicht vorhanden: aufstellen und etablieren), darauf hinweisen und gerade am Anfang pars pro toto bei der ersten Gelegenheit durchsetzen mit den üblichen Maßnahmen (wie war das noch gleich mit den 6 schulrechtlichen "Eskalationsstufen"?). Mit etwas Glück hast du sogar Rückhalt bei den Eltern und SL... das würde ich prüfen, vielleicht stellen die sich als wertvolle soziale Ressourcen heraus. Oder als Gegenspieler, aber dann weißt du wenigstens wo der Wind her weht und kannst dich ausrichten.


    Zum Thema Alternativen:

    Ich lese raus, dass du das 1. StEx hast. Damit kommt man gut in anderen Behörden unter, mir wurde z.B. mal eine Stelle als Karriereberater in der Agentur für Arbeit angeboten. Dort habe ich übrigens auch eine exzellente Beraterin.

    Ich selber hab ja auch "Laberfächer" studiert und bin im Moment für eine entspannte, ruhige Bürotätigkeit im Rennen, bei der ich 95% von einem angestellten ausgebildeten Lehrer verdienen würde.

    24 ist ja auch noch vergleichsweise blutjung, ich überleg ob ich mit 37 noch ein Zweitstudium draufpack. Wir müssen eh locker bis 70 antanzen :D

    Bedenke auch, dass Arbeit in 99% der Fälle einfach stressig ist. Sonst müsste man uns ja auch nicht mit Geld dazu überreden, die zu verrichten. Und mit A12/13/14 kann man sich viele Erleichterungen gönnen... es könnte den Stress wert sein.


    Zum Thema Praxisschock:

    Klingt auch für mich nach viel Gedankenkarussel wegen Horrorgeschichten von Anderen. Vielleicht lohnt es sich, davon erstmal Abstand zu nehmen.


    Zum Thema Wochenendbeziehung:

    Gerade in so einer schwierigen Zeit sind stabile soziale Kontakte das A und O. Vielleicht kannst du das ja zugunsten von Schulkram (gerade Papierkram oder ehrgeizige Unterrichtsvorbereitung) priorisieren, wenn die Beziehung ansonsten tragfähig ist?


    Allgemein kannst du dich ja auch von diversen Stellen im Schulapparat (innerhalb oder außerhalb der Schule) beraten lassen.

  • Mache erst deine Ausbildung zu Ende und versuche, einen anderen Blick auf den Schulalltag zu bekommen. Anschließend kannst du immer noch wechseln.


    Mir hat im Schulalltag sehr geholfen, dass ich in meinem Vorlehrerdasein schon richtig Betrieb gearbeitet habe und damit die Vorzüge des Lehrerlebens genießen kann.

    Mit dem Abschluss deiner Ausbildung kannst Du dann später jederzeit zurück.


    Mit dem Wissen, wechseln zu wollen, kannst Du den Schulalltag wesentlich entspannter sehen und vielleicht sogar genießen. Ich habe mit meinen Schülern sehr viel Spaß.

  • Also ich habe mein Ref erst mit 32 beendet, du hast wahrlich noch Zeit.

    Ich mit 34, und blieben immer noch 33 Jahre vor mir.


    Wir haben gerade einen Quereinsteiger mit Mitte 50, der sich ausbilden lässt.

  • Ich sehe zwei ganz grundsätzliche Unterschiede zwischen der Arbeit als Lehrkraft und der Arbeit in einem Bürojob:


    1. Im Bürosetting kommt es auch mal zu zwischenmenschlichen Differenzen - was sich nicht vermeiden lässt, wenn man beruflich in irgendeiner Art und Weise mit Menschen (seien es Kollegen, Kunden oder Vorgesetzte) zu tun hat - aber du bist in der Regel umgeben von Erwachsenen, die wissen, wie man sich gegenüber und in Anwesenheit von Menschen zu verhalten hat. Kinder und Jugendliche sind, je nach Entwicklungsstand und bisheriger Sozialisierung, oft noch nicht so weit und müssen dies erst noch lernen. Um eine angenehme Lern- und Arbeitsatmosphäre zu ermöglichen, kommt man als Lehrkraft um ein auf die Bedürfnisse der Lerngruppe angepasstes Classroom Management nicht herum. Womöglich erwischst du auch mal eine Chaostruppe, bei der du die Aufgabe hättest, sie am Ende soweit zu kriegen, dass du sie auf die Menschheit loslassen kannst. Um durchgängig Herr der Lage zu bleiben, musst du sehr aufmerksam sein und bei jedem Fehlverhalten zeitnah, angemessen und nachhaltig eingreifen, um zu vermeiden, dass binnen Sekunden ein nicht mehr kontrollierbares Lauffeuer entsteht. Das muss man können und aber auch wollen.


    2. Im Bürosetting kann man auch einfach mal berieseln lassen. Man kommt unvorbereitet hin und schaut, was der Tag so an Aufgaben mit sich bringt und man geht dann mit dem Fluss. Wenn du nicht gerade ein Improvisationstalent bist, wird es nur wenige Augenblicke im Lehreralltag geben, bei denen du wirklich total unvorbereitet in die Klasse kommst und wartest, dass die Impulse von außen schon kommen. Du bist konsequent in der aktiven Position: Du musst jede Unterrichtsstunde vorbereiten und bist dann auch in der Stunde selbst derjenige, der alles lenkt. Ich habe es an anderer Stelle mal damit verglichen, dass man als Lehrer Entertainer ist und praktisch jeden Tag ein Bühnenprogramm für seine Show entwerfen muss. Auch das muss man können und wollen.


    Alles Andere kann man lernen, aber bei den zwei Punkten solltest du dich selbst fragen, ob du der Typ Mensch bist, dem beides nichts ausmacht oder sogar entgegen kommt, weil es zu deiner Persönlichkeit passt.

  • Gymshark

    Du hast wohl zu viel Stromberg gesehen. Man kann doch nicht „den Bürojob“ als allgemeingültig beschreiben. Je nach Position (und diese kann man als Akademiker sehr leicht erreichen) kann man weder unvorbereitet morgens zur Arbeit kommen, noch sich berieseln lassen.


    Auch den Lehreralltag hast du etwas zu blumig beschrieben. Ich bereite nicht jede Stunde vor. Ich habe einmal sehr langfristig die Unterrichtsreihe geplant und die mache ich jährlich wiederkehrend. Nur bei neuen Themen setze ich mich hin und entwickle etwas Neues, das dann natürlich erstmal wiederholt wird.

    Ich gehe in fast alle meine Klassen und schaue nur noch im Klassenbuch nach, wo ich letzte Woche stehen geblieben bin. Da mache ich dann weiter. Durch die vielen gut vorbereiteten Lerneinheiten improvisiere ich auch ganz oft mitten in der Stunde.


    Ich will damit sagen: ja, deine beiden Beschreibungen treffen zu: aber nur auf einen kleinen Teil dieser Berufsgruppen. Allgemeingültig ist das nicht!

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    • Offizieller Beitrag

    2. Im Bürosetting kann man auch einfach mal berieseln lassen. Man kommt unvorbereitet hin und schaut, was der Tag so an Aufgaben mit sich bringt und man geht dann mit dem Fluss.

    Ich komme als Lehrkraft nicht "vorbereitet" zur "Arbeit", sondern habe den Teil "Vorbereitung" zu einem früheren Zeitpunkt erledigt bevor ich zum Teil "Durchführung" kam.
    Ob die Vorbereitung eine Stunde früher oder 6 Monate vorher war, ist egal, es war trotzdem meine (ungebundene) Arbeitszeit.

    Wenn ich ins Büro komme, dann bin ich nicht "unvorbereitet", sondern bereite mich im Rahmen meiner (oft: gebundenen, für Akademiker*innen, oft: mit fließenden Übergängen) Arbeitszeit vor. Weder mein Mann noch ich in meiner Bürozeit haben uns je berieseln lassen und nein, ich ging nicht unvorbereitet zu Meetings oder Präsentationen. Und sowohl bei ihm als auch bei mir: Wenn ich freitags nachmittags im Büro nicht fertig bin und am Montag was Wichtiges ansteht, dann macht man es noch schnell ausnahmsweise am Wochenende. Es ist aber - WIE IM LEHRERJOB - Arbeitszeit (und sollte eine Ausnahme bleiben).
    Und vergleichbar mit Sissys Ausführungen: in jedem Job lernt man mit der Zeit und die Vorbereitung ist nach mehreren Abläufen geringer. Mein Mann bereitet sich auf Vorstellungsgespräche in etwa drei Minuten. Sein Azubi nimmt sich eine Stunde vor.

  • Also diese und letzte Woche habe ich keine einzige Stunde geplant und der Grund ist ganz einfach: Ich habe so viele Nachklausuren zu erstellen, die aktuell geschrieben werden, dass ich überhaupt keine Zeit hätte auch noch den Unterricht zu planen, zumal die Klassen eh leergefegt sind, weil eben fast alle irgendwas ständig nachschreiben diese Woche.

  • Du musst jede Unterrichtsstunde vorbereiten und bist dann auch in der Stunde selbst derjenige, der alles lenkt.

    Nö, ich bereite nicht jede Stunde vor und ich lenke auch nicht jede Stunde. Viele führen wo anders hin oder die Klasse will lieber was anderes machen. Dann machen wir das auch.


    und außerdem das hier:


    Ich gehe in fast alle meine Klassen und schaue nur noch im Klassenbuch nach, wo ich letzte Woche stehen geblieben bin. Da mache ich dann weiter. Durch die vielen gut vorbereiteten Lerneinheiten improvisiere ich auch ganz oft mitten in der Stunde.

  • Das hängt von der Erfahrung als Lehrkraft und der jeweiligen Schulform ab. Zumindest in den ersten Jahren musst du ja schon dir grob überlegen, welche Arbeitsphasen die 4. Stunde am kommende Mittwoch haben soll und welches Material dafür benötigt wird.

  • Also ich war auch im Referendariat schon dazu in der Lage Stunden spontan nach Buch zu halten.


    Gerade in "deinen Fächern" sollte das möglich sein.

  • Hallo,

    ich melde mich auch mal wieder. Leider musste ich eine eher sehr unschöne Erfahrung erstmal sacken lassen.


    Aber erstmal möchte ich mich für eure Ausführungen bedanken. Falls ihr das rückblickend noch einschätzen könnt, ab wann war euch das Halten einer Stunde nach Buch möglich? Ich sehe mich da noch etwas steif bzw. würde ich vermutlich schnell ins Wanken geraten.


    Zu meiner unschönen Erfahrung: Endlose Kritik nach einem Unterrichtsbesuch, in genau meinen Sorgenpunkten. Dass UB gerne sehr viel und bis in das kleinste Detail kritisiert werden, habe ich nun schon oft gehört. Allerdings traf es bei mir einen Nerv. Einer der größten Kritikpunkt war, dass ich nicht durchgreifen konnte. Ich sei zu nett und "vorsichtig" mit den SuS umgegangen und habe viel zu hohe Lautstärkepegel zugelassen. Auch, dass die SuS zum Teil nicht auf meine Ermahnung hörten, wurde stark angekreidet. Das sind alles nachvollziehbare Aspekte und reale Mängel meines Unterrichts, aber eben genau die, vor denen ich mich am meisten "fürchte". Der Satz, dass ich so definitiv keine Lehrerin werden kann und dringend etwas ändern muss, hallt mir noch immer in den Ohren. Mein Referendariat würde ich so nie bestehen.

    Dies wurde mir von allen hospitierenden Personen so bestätigt. Ich kann es verstehen und finde es nicht an den Haaren herbeigezogen. Allerdings ist es dennoch ein kleiner Schlag in die Magengrube, denn scheinbar mache ich mich nicht mehr verrückt als nötig. Scheinbar liege ich mit meiner Sorge genau richtig. :angst:


    Leider habe ich auch das Gefühl, das Schlusslicht in meinem Seminar zu sein; mindestens, was den Unterricht angeht. Nur ein sehr geringer Teil hat zuvor noch nicht an einer Schule (bspw. als Vertretungslehrkraft) gearbeitet. Zu diesem gehöre ich. Da andere also schon weitaus mehr Erfahrungen sammeln und Routinen erarbeiten konnten, fällt der Abstand zu mir auf.


    Nachdem ich mich nach euren lieben Nachrichten erstmal fangen und sammeln konnte, fühle ich mich jetzt wieder in das tiefste Loch gedrückt. Was, wenn ich das Referendariat nicht mal bestehe? :daumenrunter:

    Hoffentlich wird es besser ... oder die Zeit geht wenigstens schneller rum und ich komme irgendwie durch.


    Viele Grüße

    Linchen

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