Hallo,
ich würde gerne meine Gedanken und Sorgen mit euch teilen und wäre über ein paar Ideen und Anstöße sehr dankbar.
Nach dem Abitur/zu Beginn meines Gymnasiallehramt-Studiums war ich mir sehr sicher, Lehrerin werden zu wollen. Begründet hat sich dies in meinem Interesse an den Fächern Deutsch und Ethik sowie dem Spaß an dem Traineramt in meinem Sportverein. Zunehmend hat sich mir aber gezeigt, dass sich die Realität im Schulalltag gänzlich anders gestaltet. (Weshalb ich überhaupt der Illusion, ein Traineramt eines Hobby-Sportvereins wäre ein angemessener Maßstab, zum Opfer gefallen bin, kann ich mittlerweile nicht mehr nachvollziehen.)
In meinen ersten drei Praktika (mit je 2 eigenen Unterrichtsstunden) hatte ich noch ein gutes Gefühl und habe leicht aufkommende Zweifel mit dem Gedanken daran, dass ich nunmal sehr wenig Praxiserfahrung habe und auch für die SuS "nur" Praktikantin bin, zur Seite geschoben. In den sich daran anschließenden Praktika mit je 15 Unterrichtsstunden sind die Zweifel noch größer geworden. Doch auch an dieser Stelle habe ich mir häufig gedacht, dass zwei bis vier Unterrichtsstunden pro Klasse mir nicht sicher aufzeigen können, ob ich für diesen Beruf geeignet bin; schließlich wollte ich es so gern und das Studium neigte sich auch dem Ende zu. Ich bin davon ausgegangen, dass sich alles mit mehr Erfahrung und Routine regeln wird. Wahrscheinlich wollte ich mir anderes auch einfach nicht eingestehen, denn ich musste mich bereits häufig gegen "Dich kann ich mir gar nicht als Lehrerin vorstellen"-Aussagen rechtfertigen.
Nun bin ich im Referendariat und es kam der Praxis"schock" - oder einfach nur die Realisation? Mir drängt sich vermehrt das Gefühl auf, dass ich tatsächlich einfach nicht geeignet bin; so sehr ich es mir auch gewünscht hätte.
Leider bin ich trotz toller Mentoren total unglücklich. Dass der Lehrerberuf stressig ist, war mir bekannt. Aber SO? Mein vollster Respekt an alle Lehrkräfte. Es zeigt sich für mich, dass ein Teil des Lehrerberufs mir sehr gut gefällt, ein anderer (sehr zentraler) nicht. Ich mag die Planung, die Vorbereitung, die Stunden- und Materialerstellung, doch das Unterrichten macht mich fertig. Ich arbeite sehr gern kreativ, teste neue Methoden, erstelle neue Arbeitsblätter, ... . Doch die Durchführung zehrt an meinen Nerven. Ich finde das Unterrichten schlichtweg anstrengend und den Schulalltag mit allem drumherum endlos stressig. Das Referendariat hat mir endgültig die rosarote Brille abgenommen...das freiwillige Training eines Hobbys ist eben nicht im Ansatz mit dem Unterricht von Deutsch und Ethik zu vergleichen, (Überraschung).
An dieser Stelle muss ich auch erwähnen, dass sich meine Persönlichkeit im Laufe der Corona-Krise zunehmend geändert hat. Dies habe ich aber auch erst im Referendariat bewusst reflektieren können. Ich habe das allein Arbeiten für mich entdeckt und lieben gelernt. Ich dachte vor einigen Jahren noch, dass ich nie einen "langweiligen" Bürojob machen möchte und Abwechslung in meinem Arbeitsleben brauche. Heute denke ich genau gegenteilig. Lieber einen "langweiligen Job" mit festem Feierabend und sicherer Freizeit, den ich dann immer noch so abwechslungsreich gestalten kann, wie ich das möchte. Ich habe das Gefühl, meine aktuellen Berufsvorstellungen haben sich in das gänzliche Gegenteil entwickelt und sind somit nicht mehr mit dem Lehramt vereinbar.
Seit Wochen fühle ich mich nun komplett aufgeschmissen. Lehramt war für mich vor einigen Jahren mein absoluter Traumberuf. Mittlerweile frage ich mich, wie dieser Wandel passieren konnte und insbesondere: Was soll ich jetzt tun? Mit 24 Jahren ein neues Studium aufgreifen, ohne bisher wirklich Geld verdient zu haben? Mit meinen studierten Fächern habe ich es auf dem Arbeitsmarkt vermutlich nicht sonderlich einfach.
Ich kann mir grundsätzlich vorstellen, weiterhin im Bereich der Bildung aktiv zu bleiben, um ggf. auch mein Erstes Staatsexamen nicht gänzlich umsonst gemacht zu haben - Planung, Organisation und Vorbereitung sind mein Ding. Aber den Schulalltag möchte ich meiden und meine Zeit doch lieber (weitestgehend) in einem Büro verbringen.
Des Weiteren habe ich mich bereits mit einem Bekannte unterhalten, welcher für den Landkreis arbeitet und mir von seinen Aufgaben berichtet hat. Diese sagen mir weitaus mehr zu, doch setzen ein erneutes 3-jähriges Studium voraus.
Sollte ich doch erstmal das Referendariat beenden? Allerdings verzögere sich ein "Neustart" umso weiter.
Da ich letztendlich in jedem Fall Vor- und Nachteile finde, würde ich mich freuen, wenn ihr mir eventuell von gehörten oder selbst erlebten Erfahrungen berichten könnt.
Viele Grüße und einen schönen Abend
Linchen