Liebe Kollegen und Kolleginnen,
ich habe mit meiner 12. Klasse Fachoberschule in Deutsch jetzt eine Klausurersatzleistung in Form einer Stationsarbeit zu "Woyzeck" gemacht. Die Schüler hatten gut 4 Wochen Zeit. Gearbeitet wurde nur im Unterricht, bzw. in der Schulbibliothek - das war mit den Kollegen so abgesprochen. Ich bin auch in jeder Sitzung mehrmals kurz in die Schulbibliothek, um Präsenz zu zeigen und habe der dort anwesenden Aufsicht jedes Mal erneut gesagt, dass sie die Schüler bitte gut im Auge behalten sollen. Die Schüler saßen quasi direkt vor der Aufsicht. Das Handy mussten sie vorher abgeben. Die Ordner wurden immer nach der Stunde von mir eingesammelt. Von daher ist es mir auch etwas rätselhaft, wie die Schüler das geschafft haben, aber es wurde ganz offensichtlich sehr umfangreicher Gebrauch von ChatGPT gemacht. Die Schüler sind alle sehr schwach, besonders sprachlich. Da fällt es schnell auf, wenn plötzlich jedes Komma sitzt und die kreativen Arbeitsaufträge (innerer Monolog) hoch poetisch in altertümlichem Deutsch verfasst wurden und die analysierenden/interpretierenden Aufgaben aus Schachtelsätzen mit einer Fülle an wissenschaftlichen Ausdrücken bestehen. Es ist also wirklich offensichtlich, wo die Schüler ChatGPT benutzt haben. Trotzdem gibt es ja die Möglichkeit, die Schülerlösung bei ChatGPT einzuspeisen und die Anwendung zu fragen, ob das von ihr verfasst wurde. Dies wurde bisher in jedem Fall bejaht. Einen der Schüler habe ich mir gerade schon kurz zur Seite genommen und ihn damit konfrontiert, er hat auch direkt gestanden. Nur meinte er, dass nicht er ChatGPT benutzt habe, sondern ein anderer Schüler und er es von diesem abgeschrieben habe. Den Namen wollte er nicht nennen.
Wie gehe ich jetzt mit sowas um?
Ich habe der Klasse schon etwas dazu gesagt und einer der wenigen etwas pfiffigeren meinte direkt, dass es Untersuchungen gebe, die zeigen, dass dieses Feature von ChatGPT auch Fehler mache. Darf ich da jetzt 0 Punkte auf die betreffenden Aufgaben geben oder nicht?
Muss ich die "Klassenarbeit" dann wiederholen? In Hessen müssen Klassenarbeit wiederholt werden, wenn mehr als 50% der Schüler unterpunktet sind. Der Hintergrund des Ganzen dürfte aber wohl sein, dass die Arbeit in dem Fall vielleicht zu schwer etc. Wenn die Schüler es sich leicht machen und betrügen, ist das ja ne etwas andere Nummer und ich frage mich, ob ich diese schwarzen Schafe in dem Fall nicht aus der Statistik rausnehmen kann. Ich wüsste ohnehin nicht, wie ich das jetzt wiederholen soll...
Wie sieht es aus, wenn Schüler voneinander abgeschrieben haben? Also, ich rede von wirklich identischen Lösungen. Brauche ich da irgendwie ein Geständnis der Schüler, um herauszufinden, wer von wem abgeschrieben hat oder kann ich da einfach pauschal allen 0 Punkte auf die Lösung geben, wenn sie identisch ist?
Danke und viele Grüße