Aufmerksamkeitsspanne der SuS

  • Also bitte, der Lehrplan wurde auch wegen der eingeführten Kompetenzorientierung sehr sehr ausgedünnt. Auch der Umstieg von G9 auf G8 hing damit zusammen. Wir müssen dringend wieder auf das Niveau der 80er kommen, um eine optimale Vorbereitung für das Studium bieten zu können.

    Es gibt nicht „den Lehrplan“. Da du meinen nicht kennst, ist diese Aussage völlig am Thema vorbei.

  • Kompetenzorientierung existiert in jedem Bundesland. Somit gilt das auch für dich und ist nicht am Thema vorbei.

    Mein Lehrplan wurde nicht ausgedünnt. Wie kommst du darauf? Er ist seit 2011 genauso geblieben. Und erst aktuell vom probe auf endgültig gesetzt worden. Du kennst ihn doch gar nicht.

  • Mein Lehrplan wurde nicht ausgedünnt. Wie kommst du darauf? Er ist seit 2011 genauso geblieben. Und erst aktuell vom probe auf endgültig gesetzt worden. Du kennst ihn doch gar nicht.

    Ich rede auch nicht von 2011, sondern vom Niveau der 80er.

  • Und das liegt nicht vielleicht am Prüfungsformat?

    Ich schule zB sehr stark auf Berufskompetenz, auf Handlungsfähigkeit im Beruf. Und abgefragt in der kammerprüfung wird ein Fachbegriff mittels Single Choice. Ja, manche Sachen sollte man wissen, aber so speziell wie da gefragt wird, ist das mumpitz. Viele benötigen diesen speziellen Begriff niemals.

    Das kann ich natürlich nicht beurteilen, ich denke ans allgemeinbildende Gymnasium.


    Frage für deinen Fall: ist die Schule nicht trotzdem für die Theorie zuständig und der Betrieb für die Praxis?

  • Du bist also der Meinung, dass Lehrpläne sich nicht ändern und sich nicht an veränderte Gesellschaft anpassen müssen? Das sehe ich anders und nicht nur, weil sich mein Sohn langweilt. Ist vermutlich sein Job als Teenie. Aber wir können doch nicht immer alles so lassen, wie es mal war. Schule muss sich doch ein Stück weit mitverändern.

    Du hast ja ganz konkrete Beispiele vor Augen…

    … aber was ist, wenn man den Unterricht anpasst und die Schüler:innen es dennoch „langweilig“ finden?

  • Und trotzdem wird noch zum größten Prozentsatz stures Wissen abgefragt.

    Das steht im Lehrplan überhaupt nicht drin, dass das so sein soll, in keinem Lehrplan. Ach doch ja, bei unseren Pädagoginnen im 4. Jahr steht tatsächlich drin, dass die 30 Vogelbeine auswendig erkennen sollen, das ist wirklich komplett stumpfsinnig. In den Lehrplänen für Chemie und Physik steht nirgendwo, dass ich überhaupt Stromrechnungen "analysieren" soll, das ist das Beispiel, das du genannt hast. Die Aufgabe ist für mein Empfinden immer Bullshit, egal ob die Stromrechnung aus dem 2003 oder dem 2023 ist. Was soll ich denn da eigentlich "analysieren", das war ja meine Rückfrage an dich. Ich lasse in dem Kontext im Praktikum den Wirkungsgrad verschiedener Elektrogeräte ausmessen und dann kommen wir drauf, dass ein Induktionskochfeld erheblich effizienter ist als eine "normale" Heizplatte und eine LED einen erheblich höheren Wirkungsgrad hat als eine Glühfadenlampe. Welche Konsequenz das für die Stromrechnung hat, kann sich jeder selber denken, das ist eigentlich offensichtlich und muss nicht "analysiert" werden. Im Lehrplan steht nicht drin, dass ich das tun soll, da steht, ich soll erzählen, was der Wirkungsgrad überhaupt sein soll. Was ich mit dem Begriff mache, denke ich mir selber aus, dafür habe ich studiert.


    Heute sind doch eher Problemlösungskompetenzen wichtig.

    Welche Probleme soll dein Sohn denn lösen können ohne dass er sich zuvor die nötigen Fachinhalte angeeignet hat? Ein Kollege lässt im Grundlagenfachpraktikum Physik seine Klassen mal eine PV-Anlage für zu Hause planen. Denkst du, das können die, ohne dass sie zuvor vollkommen stumpfsinnig gelernt haben, was Strom und Spannung überhaupt sein sollen? Ich schicke meine Schwerpunktfachklassen im 3. Jahr raus auf die Strasse Stickoxide sammeln und an verschiedenen Standorten die Schadstoffbelastung in der Luft vergleichen. Das kann ich nicht mit 15jährigen, die nicht mal ein NOx-Molekül aufs Papier zeichnen können geschweige denn die leiseste Ahnung haben, was eine chemische Reaktion überhaupt sein soll. Was meine Schüler*innen ganz sicher nicht lernen müssen ist, wie die räumliche Struktur von Xenontetrafluorid ausschaut. So eine Kacke wird z. B. an einer Chemieolympiade abgefragt, die ich aus genau diesem Grund auch überhaupt nicht "intellektuell" finde. Tatsächlich sind aber genau das die Aufgaben, die 15jährige unwahrscheinlich gerne lösen, weil sie so herrlich stumpfsinnig sind, man sie so herrlich auswendig lernen kann und in der Prüfung so herrlich einfach Punkte dafür bekommt. Da wäre ich also mal ganz vorsichtig damit, mich zu beklagen, was dein Sohn nicht alles langweilig findet.

  • Mir ist das zu pessimistisch. Ich glaube dir selbstredend, dass du solche Beobachtungen im Unterricht machst, aber ich bezweifle, dass es nur solche und solche Kinder gibt und die Diskrepanz zu "früher" so immens ist.


    Eine Freundin arbeitet an der Uni, sie hat mir vor 10 Jahren oder so mal erzählt, dass die Erstsemester so unselbständig seien, keine Gruppenarbeiten organisieren könnten etc. Ich schätze, es ist dieselbe Klage, die ihre eigenen Profs vor 20 Jahren über ihren Jahrgang gesagt haben. Kann ich aber auch nicht beweisen.

  • Tatsächlich sind aber genau das die Aufgaben, die 15jährige unwahrscheinlich gerne lösen, weil sie so herrlich stumpfsinnig sind, man sie so herrlich auswendig lernen kann und in der Prüfung so herrlich einfach Punkte dafür bekommt.

    Da deckt es sich dann wieder mit der Einschätzung der Schüler:innen. Anspruchsvolle Aufgaben sind bei denen, die alles andere locker bewältigen, gar nicht sonderlich beliebt, wenn es erfordert, dass sie mehr als nur rechnen und ankreuzen sollen.

    Gerade deshalb finde ich Begabtenförderung schwierig, wenn es nicht in Beschäftigung enden soll.

  • Gerade deshalb finde ich Begabtenförderung schwierig, wenn es nicht in Beschäftigung enden soll.

    Daran zeigt sich schlussendlich, wer überhaupt wirklich "begabt" ist und wer sich erst mal nur dafür hält. Ich habe durchaus viele Schüler*innen mit guten bis sehr guten Leistungen, wenn man aufs Zeugnis schaut, aber das erwarte ich am Gymnasium mit einer Übertrittsquote von nur 25 % auch. Mit wirklichem Engagement bei der Sache sind davon die Wenigsten. Was völlig in Ordnung ist, solange man mich nicht zugleich vollquengelt, irgendwas sei "langweilig".

  • Du hast ja ganz konkrete Beispiele vor Augen…

    … aber was ist, wenn man den Unterricht anpasst und die Schüler:innen es dennoch „langweilig“ finden?

    Das wird auch wahrscheinlich bei einigen trotzdem weiterhin so sein, wobei ich eben finde, dass man seinen Unterricht auch anders gestalten kann als nur Buchseiten zusammenfassen über das ganze Schuljahr.

  • Eine Freundin arbeitet an der Uni, sie hat mir vor 10 Jahren oder so mal erzählt, dass die Erstsemester so unselbständig seien, keine Gruppenarbeiten organisieren könnten etc.

    Aus Sicht der Studierenden beobachte ich Folgendes: Die gleichen Quengelgeister, die mir an der Schule auf den Keks gehen, probieren's an der Uni auch bei den Dozierenden. Die sind aber mindestens in Basel erheblich gutmütiger, als das zu "meiner Zeit" in Heidelberg noch der Fall war. Und rennen in das gleiche Dilemma rein wie wir als Lehrpersonen an der Schule: Je gutmütiger man wird, desto unverschämter werden die Ansprüche. Wenn man einfach mal "nein" sagt, ist aber ganz schnell auch Ruhe. Wir müssen in den nächsten Jahren einfach einen Mittelweg finden. Es ist völlig richtig, dass die alte Rohrstock-Hierarchie ausgestorben ist und jetzt müssen wir eben aufpassen, dass es nicht ins andere Extrem geht. Wir hatten letzte Woche die letzten Vorlesungen, da werden dann immer auch die Evaluationen kurz angeschaut und diskutiert. Meint einer von den Bubis neben mir, es hätte doch einen Discord-Server geben können, auf dem man dann zu jeder Tages- und Nachtzeit den Dozenten und die Tutoren mit Fragen zuschmeissen kann. Antwort vom Dozenten: "Ja stimmt, das hätten Sie natürlich einrichten können, steht Ihnen ja frei." Mein Held. <3 Viele andere Dozentinnen und Dozenten bieten den Service eben von sich aus aus, dann meinen alle, das sei selbstverständlich so und werden unverschämt, wenn's mal nen halben Tag mit der Antwort geht. So ist das eben.

  • Daran zeigt sich schlussendlich, wer überhaupt wirklich "begabt" ist und wer sich erst mal nur dafür hält.

    Das würde ich anders einschätzen,

    allerdings sitzen bei mir alle und bei dir nur noch die, die sich im Schulsystem über Jahre so angepasst verhalten haben, dass sie zu guten Noten gekommen sind.

    Bei mir sitzen auch Kinder, die könnten, aber aus unterschiedlichen Gründen dann doch nicht zu guten Noten kommen, ergabt sind sie dennoch.

    Es gibt nicht nur Hochleister, die mit Freude die Mathe-Wettbewerbe absolvieren, sondern eben auch solche, die das doof finden … so ähnlich, wie du die Chemie-Olympiade anders einschätzt oder dir da etwas anderes vorstellen kannst.


    Aber das bleibt ein Teil des Problems, individuelle Förderung wird da schwierig, wo es nicht ausreicht, einfach mal eine Aufgabe mehr hinzulegen. Da würde ich mir im System andere Strukturen wünschen, um Schüler:innen von Beginn an anders heranführen zu können.

  • dass ich überhaupt Stromrechnungen "analysieren" soll, das ist das Beispiel, das du genannt hast. Die Aufgabe ist für mein Empfinden immer Bullshit, egal ob die Stromrechnung aus dem 2003 oder dem 2023 ist. Was soll ich denn da eigentlich "analysieren", das war ja meine Rückfrage an dich. Ich lasse in dem Kontext im Praktikum den Wirkungsgrad verschiedener Elektrogeräte ausmessen und dann kommen wir drauf, dass ein Induktionskochfeld erheblich effizienter ist als eine "normale" Heizplatte und eine LED einen erheblich höheren Wirkungsgrad hat als eine Glühfadenlampe. Welche Konsequenz das für die Stromrechnung hat, kann sich jeder selber denken, das ist eigentlich offensichtlich und muss nicht "analysiert" werden.

    Das fänd ich auch sinnvoll, aber hier wurde das nur genommen, um den Strompreis anhand von kWh zu berechnen. Mir hat sich auch nicht erschlossen, warum das so gemacht wurde.

    Du hast wahrscheinlich Recht, dass es nicht am Lehrplan liegt, sondern an der Ausgestaltung. Wenn ich darüber nachdenke, ist es wahrscheinlich genau das: Nicht was, sondern wie es gemacht wird, ist nicht mehr zeitgemäß.

    Da wäre ich also mal ganz vorsichtig damit, mich zu beklagen, was dein Sohn nicht alles langweilig findet.

    Jaja, ich habs eingesehen :lach: Ist ja gut.


    Ich bleibe aber dabei, dass der LP meines Berufes weiterhin völlig an der Berufsrealität vorbeigeht und die Prüfung erst Recht.

  • Nicht was, sondern wie es gemacht wird, ist nicht mehr zeitgemäß.

    Aha ... Jetzt kommen wir zusammen. Hätte mich auch gewundert, wenn nicht :*

  • wenn's mal nen halben Tag mit der Antwort geht.

    Lernen am Vorbild, Eltern beschweren sich, wenn sie nach 2 Stunden noch keine Antwort erhalten haben.

    Ich bin dazu übergegangen, in solchen Fällen zu äußern, dass ich entweder die Kinder unterrichte oder Elternkommunikation führe, beides gleichzeitig ist mir nicht möglich.


    Wie es wohl wäre, wenn man nachts die Studierenden anschriebe und innerhalb von 2 Stunden Antwort erwarten würde?

  • Das kann ich natürlich nicht beurteilen, ich denke ans allgemeinbildende Gymnasium.


    Frage für deinen Fall: ist die Schule nicht trotzdem für die Theorie zuständig und der Betrieb für die Praxis?

    Das kann man ganz schlecht trennen. In meinem Beruf sogar gar nicht --> praktischer Anteil (CAD-Programm) findet auch in Schule statt. In anderen geht es eigentlich nicht losgelöst davon. Man hat immer den Berufs- und damit Praxisbezug.

    Warum fragst Du? Sehe den Zusammenhang grad nicht.

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