Beide Fächer in der Oberstufe?

  • Hallo!

    Ich bin Gymnasiallehrerin und bin mit einem Fach gern und regelmäßig in der Oberstufe vertreten.

    Mit dem anderen Fach - Englisch - trau ich mich da nicht so richtig ran. Ich fühle mich sprachlich irgendwie nicht so fit, bin einfach nicht so der kommunikationsstarke Mensch.


    Nun gibt es einige Kollegen, die vertreten, dass ja alle mal mit Englisch Oberstufenkursen dran sein sollten.


    Ich kann die Sichtweise grundsätzlich nachvollziehen - kann da aber nicht über meinen Schatten springen. Ich habe ein paar Erfahrungen mit Englisch in Klasse 10 und 11, die schon einige Jahre her sind, und die nicht so positiv waren - was vielleicht auch an den Klassen lag, keine Ahnung. Ich fühle mich einfach nicht so wohl damit - andere können das einfach besser.


    Ich finde es legitim, wenn man Präferenzen hat, wie manche ja auch nicht so gerne wuselige 5.-Klässler unterrichten etc. Nur schaffen es manche Kollegen immer, mir ein schlechtes Gefühl zu geben, dass ich meinen Job ja nicht komplett ausfülle.


    Ich weiß nicht so recht, wie ich damit umgehen soll. Dickes Fell anlegen? Oder soll ich mich überwinden und mich nochmal an die Oberstufe rantasten?


    Wie ist es bei euch - darf man Präferenzen haben? Oder sollte ich über meinen Schatten springen?

  • Präferenzen sind natürlich okay, aber letztlich ist der Bedarf entscheidend. Die Stunden der Schüler müssen abgedeckt sein. Und wenn alle Kollegen die Oberstufe eher als Belastung empfinden, dann muss diese Belastung auch fair aufgeteilt werden.

    Wenn sich Präferenzen natürlich komplementär ergänzen, dann kann man diese natürlich für eine Weile ausleben. Heißt: Wenn es genug Kollegen gibt, die gerne in der Oberstufe Englisch unterrichten, lieber als ihr anderes Fach oder lieber als in den unteren Stufen, dann passt das. Wenn das halt nicht so ist, musst du letztlich über deinen Schatten springen. Du hast kein Anrecht darauf, deine Präferenzen umgesetzt zu bekommen.


    Die Frage ist also eher, woran genau liegt es, dass du Englisch dort nicht unterrichten willst? Nicht so "kommunikationsstark" zu sein, ist ja jetzt nichts, was spezifisch in der Oberstufe ein besonderes Problem ist, das muss man als Lehrer ja auch in der Unter- und Mittelstufe sein. Vielleicht sogar noch mehr.

    Oder liegt es daran, dass du das Gefühl hast, dein Englisch ist nicht gut genug? Dann musst du dir überlegen, wie du daran arbeiten kannst. Hier gibt es natürlich zwei Stellschrauben, je nachdem, woran es wirklich liegt:

    1. Ist es ein (unbegründetes) Gefühl der Unsicherheit? So eine Art Imposter Syndrome? Dann hilft es vielleicht, einfach nochmal in die höheren Klassen zu gehen, um zu sehen, dass die Ansprüche da gar nicht so hoch sind, wie du dir vielleicht einbildet, und dass dein Englisch vielleicht gar nicht so schlecht ist, wie du dir vielleicht einredest.

    2. Ist dein Englisch vielleicht wirklich nicht ausreichend für die Oberstufe? Dann müsstest du entsprechend versuchen, daran zu arbeiten, durch aktive Konversation (Tandem mit einem Native, der Deutsch reden will, VHS Konversationskurse; Sprachreisen in den Ferien etc.) oder entsprechende Arbeit an den Baustellen.


    Ich kann dir sagen, dass ich in meinen 20 Jahren als Englischlehrer nur sehr (!) vereinzelt mal Kollegen erlebt habe, die der Oberstufe wirklich sprachlich nicht zuzumuten waren.

  • Wie lange war dein Aufenthalt im englischsprachigen Ausland während des Studiums?

    Wie sehr trägt die Antwort dazu bei, dass du der Kollegin hier einen inhaltlich relevanten Tipp für den Umgang mit ihrer Situation geben kannst?

    Ich meine, ja, Auslandsaufenthalte sind für Fremdsprachenlehrer natürlich ein wichtiger Teil der Ausbildung.

    Aber, falls sie keinen gemacht hat, ist das halt jetzt so. Da bringt das dann auch nicht viel, ihr das jetzt vorzuhalten.

    Falls sie einen gemacht hat, sagt das nicht notwendigerweise viel darüber aus, wie sicher sie in der Sprachverwendung ist. Je nachdem, wie man diesen Aufenthalt gestaltet hat, wie man Kontakte zu Einheimischen oder wenigstens anderen Internationals knüpfen konnte etc., kommt das auch vor, dass Kollegen trotzdem noch unsicher sind, oder sich fühlen.

    Übrigens kommen jetzt gerade auch die Kollegen an der Schule an, die während der Coronazeit studiert haben. Da waren Auslandsaufenthalte nicht immer möglich oder fanden dann in der Form statt, dass die Studenten im Lockdown in ihrer Wohnung saßen und an Online Veranstaltungen teilgenommen haben.

  • Danke für eure Antworten.

    Mein Studium ist schon etwas länger her, und ja, ich war 1/2 Jahr im Ausland damals.

    Ich bin dann nach dem Ref ein paar Jahre an einem Sek1 Gymnasium gewesen - keine Oberstufe.


    Dann an meine jetzige Schule gewechselt.


    Dachte erst, dass ich mich da an Oberstufe rantaste, aber irgendwie traute ich mich nicht recht, und es waren scheinbar immer genügend Kollegen da, die die Oberstufe übernommen haben. Hatte eine blöde Erfahrung mit einer Klasse 10/11 und danach eher jüngere Klassen.


    In dem anderen Fach hat das besser geklappt - die Zusammenarbeit unter den Kollegen da empfinde ich auch als besser/enger.


    Dann war Corona und eine persönliche Gesundheitsthematik unabhängig von Corona, die mich in Beschlag genommen hat samt langsamer Wiedereingliederung.


    Hatte die letzten Jahre immer Englisch Klassen 5-8.


    Hatte zwischenzeitlich irgendwann für mich beschlossen, dass ich Englisch Oberstufe ja eigentlich nicht machen muss, wenn ich nicht direkt aufgefordert werde von der Schulleitung.


    Ich weiß nicht, wie ausreichend meine Sprachkenntnisse sind.


    Ich gucke gern englischer Serien (mit englischen Untertiteln) und lese manchmal englische Romane.


    Tja. Ich weiß auch nicht. Ich bin ein eher unsicherer Mensch. Mein anderes Fach ist Kunst, da kann man sich eher zurückzunehmen oder auch rumgehen und individuelle Gespräche führen. Das liegt mir von der Persönlichkeit eher. Englisch ist vom Unterricht völlig anders.


    Ich weiß auch nicht, was es braucht, damit ich da einen neuen Anlauf mache.

  • Na ja, das Herantasten ist vielleicht kein schlechter Anfang. Du musst ja nicht gleich eine Abiklasse übernehmen, aber über die Mittestufe in immer höhere Jahrgangsstufen zu gehen, bis du schließlich in der Oberstufe ankommst, ist vielleicht nicht schlecht.

    Und es gibt Sprachreisen konkret für Erwachsene, zum Teil speziell für Englischlehrkräfte. Vielleicht schaust dir das mal an. Vom rezeptiven Sprachgebrauch (lesen; Serien schauen) entwickelst du halt deine Sprechkompetenz und deine Sicherheit in der Sprachverwendung nicht.

  • Ich empfinde Oberstufe (gerade Englisch, weil da viele Abi machen) durchaus als anstrengender/aufwändiger als eine Unter- oder Mittelstufenklasse. Auch wenn man im Halbjahr nur eine Klausur schreibt und nicht zwei Schulaufgaben, finde ich Erstellung und Korrektur mit deutlich mehr Arbeit verbunden, ebenso die Unterrichtsvorbereitung. Von daher finde ich schon, dass jeder Kollege / jede Kollegin auch mal ran sollte.

    Ich glaube, jeder von uns hat mal schlechte Erfahrungen mit einer Klasse, mit der es nicht geklappt hat - deshalb sollte man aber bestimmte Altersstufen nicht ausschließen, das wird auf Dauer auch gar nicht gehen. Mit Studium / Auslandsstudium / Lesen von engl. Romanen und Schauen engl. Filme würde es mich jetzt wirklich wundern, wenn Deine Sprachkenntnisse nicht ausreichend sind ... und falls dem tatsächlich so sein sollte, solltest Du das in Angriff nehmen (falls Du nicht nur noch ein oder zwei Jahre zur Pensionierung hast) - Oberstufe wird Dich wohl irgendwann "erwischen" und auch Mittelstufenklassen profitieren davon, wenn die Lehrkraft fitter in der Sprache ist (allerdings, wie gesagt, glaub ich nicht, dass Du ein Defizit hast, dass Dich für Oberstufe ungeeignet macht).

  • Danke für deine Antwort!

    Nein, es sind noch einige Jahre bis zur Pensionierung 🤣. Bin schon Mitte 40 und zähle damit aber auch nicht mehr zu den jungen Lehrern. Mittendrin quasi.


    Tja, genau das, was du schreibst, ist es auch dann noch zusätzlich. Die Kollegen möchten gern eine gleiche Verteilung - verständlich - , weil Englisch in der Oberstufe ja so furchtbar viel Arbeit ist... Puh, das klingt schrecklich 🤣.


    Höre quasi nie, dass es auch irgendwie nett oder interessant ist. Immer nur "viel Lesen", "viele Korrekturen", "immer skurrilere und fast nur unbekannte Vorgaben der zu lesenden Texte". Führt bei mir logischerweise zu: "Äh... Ich bleibe bei meinem anderen Fach, wenn's irgendwie geht." 🙈🤣


    ... Letztere könnte ich mir ja mit ein paar Monaten Vorlauf dann gut angucken. Hmmm.

  • Höre quasi nie, dass es auch irgendwie nett oder interessant ist. Immer nur "viel Lesen", "viele Korrekturen", "immer skurrilere und fast nur unbekannte Vorgaben der zu lesenden Texte". Führt bei mir logischerweise zu: "Äh... Ich bleibe bei meinem anderen Fach, wenn's irgendwie geht." 🙈🤣

    Mach dir bewusst, dass das der einseitige Blick auf das Negative ist. Es ist unbestreitbar, dass Korrekturen in der Sek 2 etwas aufwändiger sind und die Unterrichtsvorbereitung zumindest beim ersten Durchlauf ebenfalls. Gleichzeitig hast du i.d.R. erheblich ruhigere und angenehmere Lerngruppen, was den eigentlichen Unterricht deutlich entspannter verlaufen lassen kann. Auch sind die "Großen" oft schon deutlich selbständiger und können einfach mal 30min am Stück weitgehend selbständig an einem Problem arbeiten ohne dass man nebenbei Raubtierdompteur sein muss oder ständig irgendwo hin rennt. Damit kann man sich im stressigen Schulalltag tatsächlich auch Phasen relativer Ruhe schaffen, die einen selbst wieder Kraft tanken lassen.


    Ich persönlich bin daher unglaublich gerne in der Sek 2 eingesetzt und genieße den Unterricht dort....fernab vom ständigen "Können sie mal kurz", "Ich weiß nicht weiter", "mein Nachbar ärgert mich", "Sie haben das an der Tafel grün geschrieben, ich habe aber kein grün dabei" u.v.m.

  • Was macht dir denn die größten Sorgen? Manchmal hilft es ja, sich konkret vorzustellen, was einem eigentlich Angst macht und was im schlimmsten Fall passieren kann und wie man sich dann möglicherweise fühlen würde.


    Ansonsten scheint mir der schönste Weg, die Achtklässler zu behalten und mit ihnen hochzuwachsen. Dann hast du schon eine Beziehung zu den SuS und merkst laufend, was sie können und ob dir wirklich irgendwas fehlen sollte an Sprachkenntnissen.

  • Ja, das was du, Seph schreibst, erlebe ich in meinem zweiten Fach. Das ist zwar intensivere Vorbereitung, aber man kann auch einfach mal Sachen reingeben und erwarten, dass die selbständig damit umgehen. Sie haben ja aufgrund des Abiturs ein Interesse daran.


    Was meine größten Sorgen sind... Hm, eigentlich im Unterrichtsgespräch ständig über Wörter, die mir nicht einfallen, zu stolpern etc. und als inkompetent wahrgenommen zu werden. Das war damals in der höheren Klassen so - wenn man viel kommunizieren muss, bietet an auch eher eine Angriffsfläche (als in Kunst, wo viel praktisch gearbeitet wird). Und diese Klasse war sozial nicht nett (auch nicht untereinander), die Klassenlehrerin hat dann auch noch in die Kerbe geschlagen und höchst merkwürdig reagiert... So dass ich mich seitdem da nicht mehr rantraue.


    Ich glaube, ich spreche einfach mal mit meiner Fachleiterin darüber. Ich würde sie zum Beispiel bitten, wenn Grundkurs, dann parallel mit jemandem, der viel Erfahrung hat, so dass ich mich da austauschen kann.


    Bekomme tatsächlich so langsam Lust, mich mal wieder stärker ins Englische zu werfen (statt in alte Klamotten und Malkittel 🤣), je länger ich drüber nachdenke. Und mehr als schieflaufen kann es ja nicht - mir wird ja nicht der Job genommen werden... Im schlimmsten Fall wird mir der Kurs weggenommen, weil ich als nicht ausreichend kompetente wahrgenommen werde. Diese Albtraum-Vorstellung habe ich schon, muss ich sagen, weil eben meine einzigen Erfahrungen mit älteren Klassen nicht toll waren. 🤔🙄


    Ich überleg, ob ich tatsächlich einfach mal einen Grundkurs ausprobieren - und nicht den Weg über 9-11 gehe. Angeblich ist da Mangel - sonst würde ich das gar nicht überlegen. 🙈


    Dankeschön an euch!!!

  • Vielleicht noch eine Ergänzung zum Korrekturaufwand: Der mag für die einzelne Schülerarbeit höher sein, gleichzeitig sind Oberstufenkurse nicht selten auch spürbar kleiner als Klassen in der Mittelstufe. In NDS liegt der Klassenteiler in der Sek 1 bei 30, der Teiler in der Q-Phase liegt dagegen bei 18-20.

  • Ich überleg, ob ich tatsächlich einfach mal einen Grundkurs ausprobieren - und nicht den Weg über 9-11 gehe. Angeblich ist da Mangel - sonst würde ich das gar nicht überlegen. 🙈

    Das klingt doch gut. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass du den "Anforderungen" dort auch gut gewachsen bist. Wenn dir dann wirklich mal im Einzelfall etwas nicht einfällt - eine Situation, die vermutlich alle von uns kennen - ist es auch überhaupt nicht schlimm, mal sagen zu müssen, dass man etwas nachschauen muss.

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    Vielleicht noch eine Ergänzung zum Korrekturaufwand: Der mag für die einzelne Schülerarbeit höher sein, gleichzeitig sind Oberstufenkurse nicht selten auch spürbar kleiner als Klassen in der Mittelstufe. In NDS liegt der Klassenteiler in der Sek 1 bei 30, der Teiler in der Q-Phase liegt dagegen bei 18-20.

    Für jeden einzelnen Kurs oder als Durchschnitt?


    Ich hatte in NRW schon deutlich mehr als 20 SuS in Oberstufenkursen und ja, wir haben schon mehrfach Englisch-GKs mit 30 gehabt (frag mich nicht, ich würde weinen… taten auch die Kolleginnen)

  • Ich habe jetzt die Fachleitung, die alle Kollegen nach eventuellen Kurs-Wünschen gefragt hat, mal angeschrieben und ihr meine Situation und ein paar Bedenken geschildert. Wenn sie mich trotzdem (🙈🤣) einplanen, dann soll es so sein. Keine Ahnung, wie groß der Mangel ist.


    Ich habe im Falle des Falles um einen erfahrenen parallelen Kollegen zum Austausch gebeten.


    ... Dann kann ich mir ja gleich den Roman mal bestellen. 🤔🤭 Bin ziemlich sicher, dass sie nach jedem Strohhalm greifen.


    ... Und eigentlich würde ich es irgendwie ja auch gerne mal ausprobieren. Grundsätzlich scheue ich nicht die Arbeit, sondern habe einfach wirklich Sorge, dass ich sprachlich nicht gut genug bin. In Englisch muss man sprachlich schon sehr fit sein. Wenn's völlig daneben geht, dann hab ich einen Grund zu sagen, dass ich lieber nur in Kunst eingesetzt werden möchte. 🙈

  • Grundsätzlich scheue ich nicht die Arbeit, sondern habe einfach wirklich Sorge, dass ich sprachlich nicht gut genug bin. In Englisch muss man sprachlich schon sehr fit sein. Wenn's völlig daneben geht, dann hab ich einen Grund zu sagen, dass ich lieber nur in Kunst eingesetzt werden möchte. 🙈

    Gibt es bei euch eine VHS oder irgendwelche Sprachangebote (Tandems, Reading Circle....)?

    Vielleicht kannst du das halbe Jahr bis zum neuen Schuljahr nutzen um die Sprache wieder öfter ungezwungen zu sprechen und damit wieder sicherer zu werden.

  • Vielleicht noch eine Ergänzung zum Korrekturaufwand: Der mag für die einzelne Schülerarbeit höher sein, gleichzeitig sind Oberstufenkurse nicht selten auch spürbar kleiner als Klassen in der Mittelstufe. In NDS liegt der Klassenteiler in der Sek 1 bei 30, der Teiler in der Q-Phase liegt dagegen bei 18-20.

    Puh, über 20 sind es glaube ich schon oft... Aber ich weiß es nicht genau.

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