Umgang mit extrem heterogener Klasse

  • Hallo an alle!


    Ich habe eigentlich Latein und Geschichte für das Lehramt an Gymnasien studiert und zum Ende des letzten Schuljahres mein Referendariat in diesen Fächern an einem sehr bildungsbürgerlichen Gymnasium abgeschlossen.


    Dieses Schuljahr habe ich meine erste "richtige" Stelle - allerdings im Hauptschulzweig einer Gesamtschule, wo ich fachfremd Deutsch und Englisch unterrichte.


    Kopfzerbrechen bereitet mir meine Abschlussklasse, die äußerst heterogen ist. Da die betreffenden Schülerinnen und Schüler im Mai ihre Hauptschul-Abschlussprüfungen ablegen werden, arbeite ich mit ihnen vor allem an der Abschlussvorbereitung.


    Die Klasse sieht aber wie folgt aus:


    Ein Schüler und eine Schülerin (keine Geschwister) sind als Kinder deutscher Eltern im Ausland aufgewachsen und wurden dort von ihren Akademikereltern zu Hause unterrichtet. Wegen des Homeschoolings haben sie beide keinen Abschluss, aber das Niveau von Oberstufenschülern. Die Schülerin ist zudem im englischsprachigen Ausland aufgewachsen und spricht Englisch auf muttersprachlichem Niveau. Zwei andere Schülerinnen sind Ex-Gymnasiastinnen, die die Schule aber in der zehnten Klasse abgebrochen haben - die eine wegen einer Schwangerschaft, die andere, weil sie das Mobbing in der Schule nicht mehr ertrug. Das ehemalige Mobbing-Opfer hatte sich zwischenzeitlich in amerikanische Serien geflüchtet, die sie auf Englisch geguckt hat. Ihr Englisch ist also auch auf etwa C1-Niveau.


    Am anderen Ende des Spektrums sind sieben Schüler, die so gut wie kein Deutsch können. Einer spricht passabel Englisch, ein anderer Französisch als Muttersprache. Mit denen kann ich mich also auf Englisch bzw. Französisch verständigen. Mit den anderen fünf ist eine Verständigung so gut wie unmöglich. Das geht allenfalls über eine Übersetzungsapp. Wie gut Übersetzungsapps z.B. für Tigrinya sind, weiß ich allerdings auch nicht.


    Außerdem habe ich weitere sechs Leute in der Klasse, die nur gebrochen Deutsch sprechen. Für den Alltag reicht es, aber für die Schule ist es schon etwas mau.


    Der Rest ist vom Niveau irgendwo dazwischen.


    Auch in Englisch ist von keinerlei Kenntnissen bis hin zu muttersprachlichem Niveau alles dabei.



    Diese extreme Heterogenität macht mir total zu schaffen. Ich versuche mich schon das ganze Schuljahr an Binnendifferenzierung, aber heute sagten mir die drei sehr guten Schülerinnen, dass sie sich sehr unterfordert fühlen würden und dass ich auch die, die kein Deutsch könnten, nicht aus dem Blick verlieren solle. Sie wünschen sich noch mehr Binnendifferenzierung mit DaF/DaZ-Materialien für die, die kein Deutsch können, und Aufgaben auf wesentlich höherem Niveau für sich selbst.


    Ich soll aber alle auf dieselbe Prüfung vorbereiten!


    Was kann ich da machen? Muss ich da überhaupt etwas machen? Muss ich mich z.B. für die Förderung im DaZ-Bereich überhaupt zuständig fühlen? Die betreffenden Schüler werden den Abschluss nächstes Jahr ohnehin nicht schaffen. Ohne jegliche Deutschkenntnisse verstehen sie ja auch die Matheprüfung nur sehr lückenhaft.


    Für jeden Rat bin ich dankbar.

  • Lass dich von deinen Fachkollegen beraten. Lass von der Schule entsprechendes Differenzierungsmaterial anschaffen. Guck ob ihr Sprachfördergruppen habt, die die DaZ-Schüler unterstützen können.


    Muss ich da überhaupt etwas machen? Muss ich mich z.B. für die Förderung im DaZ-Bereich überhaupt zuständig fühlen?

    Klar. Dafür wirst du doch bezahlt.


    Die betreffenden Schüler werden den Abschluss nächstes Jahr ohnehin nicht schaffen. Ohne jegliche Deutschkenntnisse verstehen sie ja auch die Matheprüfung nur sehr lückenhaft.

    Erstens entwickeln die Schüler sich bis dahin noch und zweitens gibt es in den Prüfungen ja auch viele Teile, die nicht die höchste sprachliche Anforderung (Fachsprache) erfordern. Am besten lässt du dir mal alte Abschlussprüfungen deines Bundeslands von den Fachkollegen geben.


    Ansonsten, willkommen in der nichtgymnasialen Realität. es ist oft schwierig. ;)

  • Gerade in der von Dir beschriebenen Situation ist die Kollaboration mit dem Kollegium unabdingbar. Als Einzelkämpfer stehst Du meist auf verlorenem Posten.

    Mach was Du kannst. Achte aber auf Deine Gesundheit.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Gibt es Gesamtschulen mit Hauptschulzweig? Sowas habe ich noch nicht gehört. Zumindest hier ist es in den Gesamtschulen so, dass Kinder in Kursen eingeteilt werden. Da wären die fitten Kinder in Englisch nicht zusammen mit denen, die gar nichts können. Klingt nach einer seltsamen Mischung.

  • Besorge dir unbedingt Material, zum Beispiel von Westermann, um deine SuS auf die ZP10 vorzubereiten. Auch findest du online die Originalprüfungen der letzten Jahre mit dem Erwartungshorizont.

    Bedenke, dass die Aufgabenformate sich von denen in 'normalen' Kursarbeiten unterscheiden. Auch die Benotung (wann es Punkte gibt). Da solltest du dich einarbeiten und dies deinen SuS unbedingt vorher erklären. [Zum Beispiel gibt es beim Leseverstehen Aufgaben, in denen aus dem Text zitiert werden muss UND entschieden werden muss, ob eine Aussage richtig oder falsch ist. Dafür gibt es 0 oder 2 Punkte, NICHT 1 Punkt wenn z.B. nur das Kreuzchen richtig gesetzt wurde aber das Zitat falsch ist.]


    Den stärkeren SuS kannst du Material für den EKurs geben, wenn sie die Aufgaben für den GKurs beendet haben.

    Achte da aber darauf, dass sich die Bepunktung zwischen GKurs und Ekurs unterscheidet und auch die Schreibaufgabe(n).


    Wie bereits geraten wurde, solltest du auch unbedingt deine KuK ansprechen und schildern, dass du SuS noch nie auf eine ZP10 vorbereitet hast.


    Ich beziehe mich bei meinen Ausführungen auf NRW und das Fach Englisch.

  • DaZ so nebenher mit abzudecken ist immer so eine Sache. Ich finde das schwierig, unabhängig von der Arbeitseinstellung der SuS. Habt ihr dedizierte DaZ-Lehrkräfte?


    Aber das Problem ist verbreitet. In meinem G-Kurs 8 Englisch sitzt seit letzter Woche eine neue Ukrainerin, die anscheinend weder Deutsch noch Englisch spricht. Ich beschränke mich darauf, ihr Englisch beizubringen, aber da der Kurs als solcher ziemlich schwach ist, habe ich keine so große Binnendifferenz was Leistung angeht.

  • ...

    Was kann ich da machen? Muss ich da überhaupt etwas machen? Muss ich mich z.B. für die Förderung im DaZ-Bereich überhaupt zuständig fühlen? Die betreffenden Schüler werden den Abschluss nächstes Jahr ohnehin nicht schaffen. Ohne jegliche Deutschkenntnisse verstehen sie ja auch die Matheprüfung nur sehr lückenhaft.


    Für jeden Rat bin ich dankbar.

    Du solltest dich außerdem an den ÖPR deiner Schule wenden. Es ist eine Sauerei, dass man dir als Frischling so einen Kurs zugewiesen hat.

  • Du solltest dich außerdem an den ÖPR deiner Schule wenden. Es ist eine Sauerei, dass man dir als Frischling so einen Kurs zugewiesen hat.

    Ich habe jetzt nicht gelesen aus welchem Bundesland die Kollegin kommt. Aber in NRW ist es so, dass für die Seiteneinsteiger DAZ Klassen gebildet wurden, für die extra Lehrkräfte (befristet) eingestellt wurden. Genau diese Klassen sind daher deren Aufgabe. Ich weiß nicht wie es in anderen BL ist?

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Ich habe jetzt nicht gelesen aus welchem Bundesland die Kollegin kommt. Aber in NRW ist es so, dass für die Seiteneinsteiger DAZ Klassen gebildet wurden, für die extra Lehrkräfte (befristet) eingestellt wurden. Genau diese Klassen sind daher deren Aufgabe. Ich weiß nicht wie es in anderen BL ist?

    Mit Verlaub, das ist vollkommen unsinnig.

  • Wie meinst Du das?

    Jungen unerfahrenen Kolleg*innen solche Klassen, wie die Kollegin sie beschrieben hat, zuzuweisen.

    Die Kollegin schrieb ja Folgendes:

    "Ich habe eigentlich Latein und Geschichte für das Lehramt an Gymnasien studiert und zum Ende des letzten Schuljahres mein Referendariat in diesen Fächern an einem sehr bildungsbürgerlichen Gymnasium abgeschlossen."


    Entschuldige, ich habe mich eigentlich auf das bezogen, was die Kollegin geschrieben hat.

    Aber ich finde es generell nicht sinnvoll, dass junge Kolleg*innen allein vor solche Herausforderungen gestellt werden.


    P.S.: Warum mir hier jemand einen "verwirrten" Smiley für meinen Hinweis auf den ÖPR gegeben hat, verstehe ich gar nicht.

    Ich bin eine erfahrene Lehrkraft und finde, dass wir gerade auf die jüngeren Kolleg*innen etwas achtgeben sollten, damit die nicht von Anfang an verheizt werden.

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