Nachhilfe: "Problemschüler" sitzt Zeit ab

  • Hallo Forum,


    als studierter Sozialwissenschaftler gebe ich neben der Arbeit 4x pro Woche Mathe-Nachhilfe in einer Oberschule. Vor einigen Wochen erfuhr ich von einem Schüler (14 Jahre), der aufgrund seiner respektlosen und gewalttätigen Art von der Schule flog, zu einer Förderschule kam, dort als "nicht beschulbar" disqualifiziert und zur Regelschule zurückgeschickt wurde. Seitdem versucht die Oberschule ihn wieder irgendwie zu beschulen. Er darf allerdings in keinen Klassenverbund, darf während der Pausenzeiten nicht alleine durchs Schulhaus laufen, bekommt trotz seines Alters den Schulstoff aus der 5. oder 6. Klasse und erhält ausschließlich 1:1-Betreuung durch die Lehrer. Diese Betreuung findet zudem im oder direkt neben dem Sekretariat statt, weil es diverse Vorfälle gab und sich gerade die jüngeren Lehrkräfte unsicher fühlen. Die allgemein knappe Personalsituation führt natürlich auch dazu, dass er nur einen Bruchteil des regulären Unterrichts bekommt. Er ist für sein Alter recht respektlos, beleidigend und auch praktizierte und angedrohte Gewalt ist für ihn keine Seltenheit. Wichtig zu wissen ist auch, dass er einen super schwierigen Start ins Leben hatte und seine Art und Weise sehr wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist.


    Jedenfalls: Als ich von ihm hörte, habe ich die Schulleitung gefragt, ob so ein Schüler auch Nachhilfe bekommt oder durchs Raster fällt. Und bis dato steckte er tatsächlich in keiner Nachhilfe. Seitdem habe ich ihn. 1:1 versteht sich. Und wir kommen zwischenmenschlich gut miteinander aus. Er ist vergleichsweise fit im Kopf, ist mir gegenüber nicht beleidigend und lacht viel. Und trotzdem verbringen wir von 45 Minuten Unterricht maximal 5-10 Minuten mit Mathe. Er verweigert sich der fachlichen Mitarbeit, winkt ab, sieht darin keinen Sinn (wenngleich ich speziell auf ihn und seine Berufswünsche spezialisierte Aufgaben erstelle) und will eigentlich die gesamte Zeit nur über private Geschichten schwatzen und seine Zeit absitzen. Baue ich den Druck etwas auf, wirkt er zunehmend hibbelig und man spürt, dass er gerne einfach fliehen möchte. Immerzu sagt er, er will nur noch durch die 8. Klasse kommen und dann endlich die Schule verlassen.


    Ich bin kein Lehrer und habe keine Didaktikkurse besucht. Ich bin also kein Profi und möglicherweise bin ich für ihn der falsche Ansprechpartner. Andererseits gibt es nur wenige, die er überhaupt an sich heranlässt und ich gehöre offensichtlich dazu. Meine Frage: Wie schätzt ihr die Situation ein? Habt ihr vielleicht ähnliche Erfahrungen? Haltet ihr es in einem solchen Fall überhaupt für sinnvoll, dass so um ihn gekämpft wird? Schließlich stellt er sich extrem quer und lehnt ganz bewusst alles ab. Ich frage mich, wie lange ich diesen fruchtlosen Kampf führen soll und ob ich die Nachhilfe mit ihm gar irgendwann beende. Ihn "fallen zu lassen" würde mir schwerfallen, aber er lehnt Nachhilfe ab und für mich ist es organisatorisch zudem recht schwierig, ihn zu seinen Uhrzeiten überhaupt fördern zu können. Ich habe es initiiert, weil er mir Leid tut und ich ihm seine Chancen vergrößern wollte. Aber wenn jemand in seinem Alter jegliche Mitarbeit ablehnt, so muss man als Erwachsener das vielleicht auch einfach akzeptieren. Oder?


    LG und Danke für eure Zeit :)

  • Vor einigen Wochen erfuhr ich von einem Schüler (14 Jahre), der aufgrund seiner respektlosen und gewalttätigen Art von der Schule flog, zu einer Förderschule kam, dort als "nicht beschulbar" disqualifiziert und zur Regelschule zurückgeschickt wurde. Seitdem versucht die Oberschule ihn wieder irgendwie zu beschulen.

    Dazu habe ich Fragen. Wurde denn sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt? Wenn ja welcher ? EsE? Dass jemand als "nicht beschulbar" von der Förderschule wieder zurück geschickt wird ist sehr sonderbar. Wie ist denn die Einstellung der Eltern dazu? Hast du Kontakt mit ihnen? Ist das Jugendamt involviert?

    Du schreibst er hatte einen schwierigen Start ins Leben und vermutest da die Ursache. Bekommt der Junge Hilfe in Form von Therapie?

    Grundsätzlich denke ich, dass es gut ist, dass du eine Beziehung zu ihm aufbauen konntest. Das ist erstmal wichtig, um ihn mit schulischen Inhalten erreichen zu können. Meiner Meinung nach solltest du ihn weiterhin unterstützen, aber der Schüler scheint mehr als nur Nachhilfe zu benötigen. ( Therapie/Jugendhilfe)

  • Dass jemand als "nicht beschulbar" von der Förderschule wieder zurück geschickt wird ist sehr sonderbar.

    Das ist an meiner Schule schon öfter vorgekommen. Sowohl Förderschule als auch spezielle ESE-Einrichtungen haben Kinder als "untragbar" rausgeschmissen. Wir als Regelschule mussten sie trotzdem wieder aufnehmen (Bayern, Mittelschule).


    Deshalb kann ich oft nur müde lächeln, wenn in diversen Threads Tipps gegeben werden, wie man mit problematischen Schülern am besten umgeht und welche übergeordneten Stellen man zu Hilfe ziehen sollte. Der Erfolg aller Maßnahmen ist nämlich in der Realität ernüchternd, v. a. an Regelschulen.

  • Das ist an meiner Schule schon öfter vorgekommen. Sowohl Förderschule als auch spezielle ESE-Einrichtungen haben Kinder als "untragbar" rausgeschmissen. Wir als Regelschule mussten sie trotzdem wieder aufnehmen (Bayern, Mittelschule).


    Deshalb kann ich oft nur müde lächeln, wenn in diversen Threads Tipps gegeben werden, wie man mit problematischen Schülern am besten umgeht und welche übergeordneten Stellen man zu Hilfe ziehen sollte. Der Erfolg aller Maßnahmen ist nämlich in der Realität ernüchternd, v. a. an Regelschulen.

    Dann scheint es in Bayern deutlich anders zu laufen als in NRW. Das ist sehr traurig, für alle Beteiligten.

  • Wenn der Schüler wirklich so ein "hoffnungsloser" Fall ist, wäre hier nicht dringend eine Beratung durch einen Kinder- und Jugendpsychotherapeuten geboten? Es klingt als sei der Jugendliche in einer Phase, in der alles komplett zu kippen droht. Er merkt "OK, mein Umfeld gibt mich auf" und das ist oft die Vorstufe vor einer Gewalttat - sei es gegen sich selbst oder gegen Dritte. Bevor der Jugendliche in ein paar Jahren einsitzt, könnte der Besuch beim Therapeuten einen letzten Versuch darstellen, ihn noch irgendwie zu erreichen?

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