Autistischer Schüler mit ADS

  • Ich muss mich hier jetzt auch mal ausheulen. Es geht um einen Schüler meiner Schule. Gymnasium. NRW, Mittelstufe.

    Dieser Schüler hat noch keine offizielle Autismus-Diagnose. Die Eltern konnten sich erst kürzlich endlich dazu durchringen, das Kind testen zu lassen. Die Ergebnisse stehen bald aus.

    Das Kind sprengt jede Unterrichtsstunde. Mal schlägt es mit dem Kopf gegen die Wand oder sich die Flasche an die Stirn. Jeder Satz der Lehrkraft wird kommentiert, alles wird in Frage gestellt. Hefte / Mitschriften exisitieren nicht. Andere Kinder der Klasse werden in der Pause angepupst oder während des Unterrichts ins Ohr gepustet. Kurz: Das Kind hält sich an keine Schulregel. Ich kann hier leider nicht konkreter werden.

    Seit 2,5 Jahren wird alles "gesammelt" aber nie reicht es zu einer Ordnungsmaßnahme. Wir unterrichtenden Lehrer sind der Meinung, dass ja nicht alles am Verhalten des Kindes auf die sehr wahrscheinliche ASS zurückzuführen ist.

    Schulbegleitungen hatte das Kind auch. Die halten es nie lange mit dem Kind aus. Eine ist nach 2 Schulstunden gegangen, da sie sowas in der Art noch nicht erlebt hat. Seine jetzige Begleitung lässt sich von dem Kind komplett unterbuttern. Sitzt nicht neben, sondern hinter ihm. Reagiert nicht, wenn man als Lehrer mal wieder als "blöde Kuh" bezeichnet wird. Schulinterne Maßnahmen, dass die Mitschüler so wenig wie möglich (ha ha, der war gut) unter dem Verhalten des Kindes leiden, werden ad absurdum geführt. Bei drei Verwarnungen sollte das Kind theoretisch den Klassenraum verlassen. Das passiert aber nicht. Die Schulbegleitung hilft auch nicht. Die Eltern führen das komplette Verhalten auf den Autismus zurück. Daher finden bei uns in der Schule auch keine Ordnungsmaßnahmen statt da das Kind ja nun bald eine offizielle Diagnose erhält. Die Eltern haben in einige von uns Lehrern kein Vertrauen. Das lassen sie immer wieder am Telefon durchblicken und beschweren sich eigentlich in einer Tour über uns Lehrer, die angeblich so wenig Verständnis zeigen. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass so eine Mittelstufenklasse mehr als nur dieses eine Kind hat, richtig ^^? Da sind ja noch an die 27 andere Kids, die auch mal unterrichtet werden wollen.

    Alle Beteiligten der Schule und das Jugendamt sind involviert. Alle unterrichtenden Lehrer sind quasi am Ende der Kräfte und als Dank darf man sich von den Eltern eine Unverschämtheit nach der anderen anhören. Habt ihr noch Tipps oder Input für mich? Liebe Grüße

    PS: bitte nicht aus dem Beitrag zitieren. Ich möchte diesen Ausgangsbeitrag bald löschen, um nicht erkannt zu werden ...

  • Ihr müsst da etwas robuster dran gehen:

    • Kind schlägt Kopf gegen die Wand/Flasche an die Stirn --> Selbstgefährdung --> abholen lassen/Ausschluss vom Unterricht des Tages
    • Kind beleidigt mehrfach --> Erziehungsmaßnahme --> macht es weiter --> Ordnungsmaßnahme
    • Kind widersetzt sich Anweisungen (Verlassen des Raumes) --> Verantwortungsübernahme nicht mehr gewährleistet --> abholen lassen/Ausschluss vom Unterricht des Tages
    • Eltern dauerhaft unzufrieden mit der Schule --> Schulwechsel empfehlen

    Was soll das Warten auf irgendeine Diagnose?

    Egal was das Kind hat, muss die Einhaltung der grundlegenden Regeln und damit ein geregelter und sicherer Schulbetrieb möglich sein. Diagnosen dienen nur dazu, zusätzliche Ressourcen für das Kind zu beschaffen und zielgerichtetere Hilfsangebote zu machen. Die sind kein Freibrief für deviantes Verhalten.


    Schade, dass euch eure SL da offensichtlich so hängen lässt und so zögerlich reagiert wird.


    Wenn alle pädagogischen Maßnahmen ins Leere laufen, dokumentiert extrem konsequent. Alle Regelverstöße, alle pädagogischen Maßnahmen, alle Elternkontakte, alle kritischen Situationen,... damit dann hinterher auch entsprechend etwas vorliegt, falls eure SL doch noch reagiert.

  • Danke für deinen Input, Kodi.

    Ich gebe dir recht, dass mir / uns persönlich eine Diagnose nichts bringt. Sie würde nichts an der Situation ändern.

    Leider lässt das Kind sich nicht abholen, leider verlässt es nicht den Raum. Es hört ja auf keine Ansage.

    Selbst die manchmal hinzugezogene Schulleitung braucht Minuten, um das Kind da rauszubekommen.

    Unterrichten ist kaum möglich weil sich alles nur um dieses eine Kind dreht.

    Die Eltern halten an unserer Schule fest. Uns Kollegen wäre es sehr lieb, wenn das Kind die Schule verlassen würde…Aber da die ASS alleine kein Grund ist, ihn der Schule zu verweisen, bleibt es halt da.

    Gestern gab es einen Vorfall der so krass war, dass er mich nachts nicht hat schlafen lassen. Ich fühle mich nicht sicher und frage mich, ob man sich weigern kann, das Kind zu unterrichten? Wahrscheinlich nicht, oder?

  • Bei uns existiert ein Schulsozialarbeiterteam mit einzelnen Räumen. Ggf. mit diesem Kontakt aufnehmen und das Kind schon vor dem Unterricht dahin schicken?

  • Wenn die Eltern euch erzählen, wir schlecht ihr seid, dann legt ihnen nahe, die Schule zu wechseln, sie finden sicher eine bessere.


    Ich wundere mich wirklich, was ihr euch bieten lasst. Der Schulleiter muss das Kind regelmäßig aus dem Unterricht holen und hat keine Idee, wie es weitergehen soll? Die Eltern haben keine Lust, das Kind abzuholen aber die Lehrer schauen zu, wie es die Mitschüler terrorisiert? Das Kind ist nicht in der Lage, am Unterricht einer Regelschule teilzunehmen aber seine Lehrkräfte tun nichts, als mit den Eltern zusammen auf eine Diagnose zu warten? Ich würde sagen, dann müsst ihr einfach damit leben, ihr verdient euch gegenseitig.

  • Ich kenne die genauen Gegebenheiten in NRW nicht, aber grundsätzlich holt euch Beratung vom zuständigen Förderzentrum. Dein Beitrag klingt leider so, als ob das Kind schon absolut in den Brunnen gefallen ist, aber es könnte hilfreich sein alle Beteiligten an einen Runden Tisch zu holen und noch einmal ganz klare Absprachen und Regeln zu definieren. Die Grundfrage sollte sein, ob es Momente und Situationen gibt, an denen der Schüler dieses Verhalten nicht zeigt. Ganz nach dem Motto: Wenn es etwas gut funktioniert, dann mach mehr davon. Wenn etwas schlecht läuft, dann mach etwas ganz anderes.

    Die Eltern stehen natürlich auch sehr unter Druck und scheinen nur das Beste für ihr Kind zu wollen und setzen sich sehr für ihn ein. Natürlich nicht in eurem Sinne, aber eigentlich ist das doch positiv?

    Schaut gemeinsam, wie ihr die Unterrichtswoche und den Unterricht anders gestalten könnt und kommt von den Gedanken der Ordnungsmaßnahmen weg. Nicht zur Strafe arbeitest du draußen, sondern z.B. montags dritte Stunde ist das fest in deinem Plan verankert. Ich empfinde auch ein Ampelsystem als hilfreich, dass ganz klar ist nach drei Verwarnungen passiert das. Bei Autismus sind Klarheit und feste strukturierte Abläufe das A&O.

    Mir ist klar, dass das Problem nicht lösen wird, aber das erste Ziel sollte sein, dass die Situation für euch ein kleines bisschen besser wird.

  • Puh - solche Berichte zu lesen ist immer schlimm.


    Ich habe mir bei der Lektüre immer wieder gedacht: Und wann kommt denn nun die Schulleitung ins Spiel? Gibt es da eine? Oder hält die sich fein raus? Ich würde spätestens bei "blöder Kuh" und nicht erfolgtem angeordneten Verlassen des Unterrichtsraumes direkt die Schulleitung aufsuchen und sie bitten, unmittelbar Abhilfe zu schaffen. Das kann man auch im Rahmen der dienstlichen Fürsorgepflicht einfordern, finde ich. Sonst ist man eben mal ein paar Tage krank.


    Wie sehen denn die anderen Eltern in der Klasse die Situation? Die dürften doch auch unzufrieden mit der Situation sein. Wenn es von deren Seite zudem massive Beschwerden gäbe, kann das eine Schulleitung auch nicht ewig ignorieren. Die sollten daher auch ins Boot geholt werden.


    Und solange keine offizielle Diagnose vorliegt, gibt es keinen Grund den besagten Schüler bevorzugt zu behandeln. Sprich: keine Samthandschuhe.


    Was die Eltern des Schülers betrifft: den Typ kenne ich. Saßen bei mir und haben unentwegt über die Kollegen und Schulleitung geklagt. Ich habe dann geantwortet: "Ja, diese Schule ist scheiße. Meine Schulleitung kann nix und das Kollegium noch weniger. Daher würde ich mein Kind spätestens mit dieser Erkenntnis von unserer Schule abmelden. Ich hab Ihnen daher schon mal den ausgefüllten Abmeldeantrag mitgebracht..." Spätestens dann war Ruhe.


    Ansonsten: viel Kraft!

  • Da wir sich ein Kind mit ASS (noch nicht Schulkind) haben, tut mir schon sehr weh, wenn ich das lese. Das Problem ist doch, dass für diese Kinder eigentlich nirgendwo ein richtiger Platz ist. Und dass die Diagnosen viel zu spät gestellt werden und damit den Kindern frühe Hilfe verwehrt ist.

    Inklusion als Sparmaßnahme auf den Rücken aller Kinder, Lehrer und Eltern. Eine passende Umgebung und Förderung kostet halt Geld.


    Gibt es denn bei euch Schulen, die eine echte Alternative sind? Fachberater für Autismus gibt es auch in einigen Regionen, die bei der Schulwahl helfen. Ich glaube ohne dass man mit den Eltern auf den gemeinsamen Nenner kommt, dass das Kindeswohl an erster Stelle stehen muss, wird man nicht arbeiten können. Autismus schließt Erziehung ja nicht aus. Aber Autismus erfordert leider ein großes Durchhaltevermögen in Sachen Erziehung. Wenn das Kind Autismustherapie erhält (geht erst mit Diagnose), dann können auch Therapeuten in die Schule kommen und beraten. Die Wartelisten sind aber genau so lang wie die Wartelisten für Spz und Kjp. Von dem Verdacht bis zur Therapie vergehen gut 2 ungenutzte Jahre…

  • Es wundert mich, dass das Kind ohne offizielle Diagnose überhaupt eine Schulbegleitung bekommt. Beim Träger anrufen und beantragen, dass man jemand mit Erfahrung im Autismusbereich braucht. Das wird bei uns auch viel zu oft geduldet, dass die Schulbegleitungen untätig herumsitzen und zuschauen.

  • Da wir sich ein Kind mit ASS (noch nicht Schulkind) haben, tut mir schon sehr weh, wenn ich das lese. Das Problem ist doch, dass für diese Kinder eigentlich nirgendwo ein richtiger Platz ist. Und dass die Diagnosen viel zu spät gestellt werden und damit den Kindern frühe Hilfe verwehrt ist.

    Inklusion als Sparmaßnahme auf den Rücken aller Kinder, Lehrer und Eltern. Eine passende Umgebung und Förderung kostet halt Geld.

    Viele Eltern sträuben sich aber auch lange, Diagnosen stellen zu lassen. In der GS müssen wir sie öfter quasi dazu zwingen und Ende Klasse 4, kurz vorm Übertritt, liegt manchmal dann endlich etwas vor. Aber die Zeit vorher war viel zu lange sehr schwierig für alle Beteiligten und die betroffenen Kinder erhalten auch keine professionelle Unterstützung. Das Kind oben ist bereits in der Mittelstufe und die Problematik ist bestimmt nicht neu. Schade, dass das Kind so lange keine Diagnose und damit verbundene Hilfe hatte.

  • Viele Eltern sträuben sich aber auch lange, Diagnosen stellen zu lassen. In der GS müssen wir sie öfter quasi dazu zwingen und Ende Klasse 4, kurz vorm Übertritt, liegt manchmal dann endlich etwas vor.

    Und dann wechseln die Kinder an die weiterführende Schule und Diagnosen verschwinden dank Datenschutz, der die Weitergabe verhindert, in der Versenkung. Wir starten dann leider oftmals wieder von vorn.

  • Kinder und Jugendliche mit Autismusspektrum neigen meiner Erfahrung nach zu für uns extremem Verhalten, z.B. wenn sie Reizüberflutet sind.

    Daher wäre eine Frage, wie kann man dies im Rahmen des Unterrichts verhindern. Würde es dem Kind helfen z.B. teilweise mit Kopfhörern oder in einem anderen Raum zu arbeiten etc.

    Also auch ähnlich wie joshija geschrieben hat, schauen, was und wann es gut ist und was vielleicht auslösende Situationen sind.

    Bei akuter Selbst- und/oder Fremdgefährdung sollten meiner Meinung nach zusammen mit Schulleitung und ggf. Eltern, Jugendamt etc. vorab klare Maßnahmen besprochen werden und diese dann auch durchgezogen werden.


    Vielleicht kann er z.B. auch nur Mitschreiben, wenn er daran erinnert wird, dass er mitschreiben sollte. Einen solchen Schüler hatte ich leider auch schon. Er hatte bei uns keine Schulbegleitung mehr, wir haben auch erst nach Wochen erfahren, was eigentlich los ist. Da war er leider schon der Außenseiter der Klasse und all unsere Bemühungen waren leider vergebens, sodass er die Schule dann verlassen hat.

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