Aggressive Schüler

  • Ich bin seit dem 1.10. an einer Grundschule angestellt.

    Ich unterrichte in der 3,5 und 6 Klasse.


    Die Kinder benehmen sich an dieser Schule einfach katastrophal... natürlich nicht alle aber in jeder Klasse ganz schön viele. Und ich hab den Vergleich. Ich habe schon an einer Brennpunkt Schule und Förderschule mit dem Schwerpunkt lernen und em. Soz. Gearbeitet.


    Nun zu den konkreten.

    Ich wurde in der ersten Woche von einem Schüler geschubst. Letzte Woche mit einem Stuhl beworfen, heute von einem Schüler geboxt (alles 5 Klässler).


    Klassenlehrerin meint dass es natürlich nicht geht aber....dass ich Verständnis zeigen soll da seine Eltern sich scheiden ließen und es schwierig für ihn ist.

    Verstehe...aber...er sprengt jeden Unterricht, hat letzte Woche auch eine andere Lehrerin geschlagen....


    Hier noch andere Eindrücke aus dem Alltag:

    M. sprengt jeden Unterricht. Er läuft stampfend durch den Raum. Öffnet und schließt wiederholen den Schrank, holt aus dem Schrank Wörterbücher aß denen er eine Bahn baut. Dann lässt er Autos diese Bahn runterfahren die wiederholt auf den Boden knallen.

    Auf Anweisung sich zu beruhigen lacht er und macht weiter. Er wirft mit Papierflieger, krabbelt durch den Raum, ruft rein, verlässt ohne zu fragen den Raum...auf die Bitte auf seinen Platz zurückzukehren sagt er "geh du doch selbst".


    K. schlägt Lehrer, spielt laut mit Autos im Unterricht, läuft durch den Raum und Verschiebung Tische....


    L. fühlt sich vom Mitschüler provoziert seht auf verpasst ihm eine Kopfnuss und fängt an ihn mit der Faust ins Gesicht zu schlagen.


    Y. Wurde in der Pause von einem Schüler aus der parallel Klasse geschlagen. Kommt in den Unterricht, nimmt einen Stuhl und verlässt den Raum um den mit diesem Stuhl zu schlagen.


    Schulleitung kennt die Problematik aber es wird gesagt "ich soll die Schüler ignorieren", sie werden an und zu von den Eltern abgeholt, Stempelkarten verteilt...


    Ich bin fassungslos...

    Ist das normal?

    Wie reagiert die Schulleitung an euren Schulen auf so ein Verhalten?

  • Noch mal ernsthaft, dass das nicht normal ist, weißt du ja selbst, schon allein aus deinen Erfahrungen heraus.


    Ich sag's ganz direkt: ich würde an dieser Schule nicht bleiben. Wenn weder die Klassenleitung, noch die Schulleitung irgend ein Interesse daran hat, durchzugreifen, bist du auf verlorenem Posten. Vor allem mit Einstundenfächern.


    Es gibt zwar solche Typen, die sich in jedem Setting durchsetzen können, aber selbst dann, ein Mindestmaß an Zusammenarbeit im Kollegium brauche ich zumindest, um morgens gerne zur Arbeit zu gehen.

  • Ich hab mich so gefreut nach der Förderschule, die mich psychisch fertig gemacht hat, eine Stelle an einer "normalen" Grundschule bekommen zu haben...

    Ich fühle mich so ätzend... :(

    Ich hab Angst mich wieder neu zu bewerben.

    Manchmal würde ich am liebsten ein Haus in den Masuren kaufen, Körbe aus Peddigrohr flechten und sie online zu verkaufen um so wenig wie möglich Kontakt zu Menschen zu haben.

  • Warum hast du Angst, dich zu bewerben? Ich vermute, zuerst werden die Brennpunktschulen besetzt. Da aber überall Mangel herrscht, würde ich auf Versetzung drängen und über die regionale Personalvertretung gehen. Du wirst ja krank.

  • Bei mir ist es komplizierter...

    Ich komme aus Polen und habe dort das "polnische Lehramt" in Master studiert was in Deutschland nicht anerkannt wird weil ich die Lehrbefähigung für die Klassenstufe 1-3 habe wie es in Polen üblich ist. Dann hab ich noch Germanistik im Master dazustudiert aber meine Ausbildung ist immer noch nicht anerkannt und ich arbeite jetzt als Quereinsteiger und mache berufsbegleitend die PGQ...

    Lange Rede kurzer Sinn... Die Schulen wollen mich gar nicht so gerne einstellen weil ich kein "richtiger Lehrer" bin. Ich muss nehmen was kommt.


    Wieso ich Angst habe mich zu bewerben?weil ich letztes Schuljahr zwei Vertretungsstellen hatte die richtig schlimm waren....die Förderschule sowieso und die FOS im Süden Brandenburgs wo die Schüler mich wegen meiner polnischen Herkunft richtig nieder gemacht haben... Da kamen Sprüche die ich gar nicht laut aussprechen möchte.

  • Das wird glaube ich mein Tagebuch hier...wäre aber dankbar wenn ihr vielleicht ähnliche Geschichten teilen würdet damit ich mich nicht wie ein Außerirdischer fühle.


    Heute, nach 5 Stunden Unterricht in denen ich respektlos behandelt worden bin, angeschrien wurde, selber geschrien habe...hatte ich Aufsicht auf dem Sportplatz auf dem die 5 und 6 Klassen Pause verbringen.


    Kurz bevor ich rausgegangen bin sagte mir die Schulleitung ich solle die Bälle einsammeln weil es geregnet hat. Als ich das gemacht habe sind die Schüller ausgerastet. Mit Schüller meine ich dir Jungs aus 8 Klassen. Sie haben angefangen sich zu prügeln. Manche haben ein Kreis gebildet und die prügelenden angefeuert.

    Als ich versucht habe Sie auseinander zu nehmen haben Sie mich angeschrien und beleidigt.

    Ich wusste aber auch nicht wo ich anfangen soll weil sich so viele prügelende Grüppchen gebildet haben...


    Und auf einmal liefen mir einfach die Tränen runter...ich hab mich total überfordert gefühlt...

  • Wir haben täglich in der Schule Situationen, die man sich nicht ausmalen könnte, wenn man nicht irgdendwann mal im Brennpunkt gearbeitet hat. Dort hat man einfach Schüler*innen, die aus Verhältnissen kommen, die man sich vermutlich selbst vorher nicht ausmalen konnte. Hinter jedem Verhalten liegen Gründe und Probleme. Einen Brennpunkt zeichnet dann eben auch besonders aus, dass dort viele dieser Kinder zusammenkommen und das Verhalten sich entsprechend gegenseitig verstärkt bzw. ungünstig aufeinanderprallt. Für die Kinder erfüllt dieses Verhalten immer auch einen Zweck, der meist in Grundbedürfnissen zu finden ist, die nicht erfüllt werden oder wurden. Du wirst diese Symptome und erst Recht nicht die dahinterliegenden Probleme nicht lösen können. Für viele Kinder am Brennpunkt ist das Verhalten normal (und erfüllt für sie wie gesagt einen Zweck). Du solltest dieses Verhalten entsprechend auch nicht auf dich als Person beziehen, denn so meinen Kinder es nicht. Du kannst den Kindern in der Schule im Rahmen der Möglichkeiten andere Wege und eine andere Normalität aufzeigen und anbieten.


    Das ist fordernd und für alle Lehrkräfte dann und wann auch überfordernd, wir sind ja auch nur Menschen*. Da bist du nicht alleine. Wichtig ist, dass man pädagogisch handlungsfähig bleibt. Wir können nur jeden Tag daran arbeiten, dass die Probleme an der Schule etwas aufgefangen werden und die Kinder etwas besser mit herausfordernden Situationen umgehen können. Wir können uns jeden Tag auf die Schulter klopfen, welch anspruchsvolle Profession wir haben, denn sie ist sehr umfangreich. Strukturen, Beziehungsarbeit, Konfliktmanagement und Gruppendynamik sind nur einige komplexe Bereiche, die mir gerade spontan einfallen, die wir jeden Tag bewältigen müssen neben unserer Aufgabe des Lehrens. Das bedeutet aber auch, dass wir ganz viele pädagogische Handlungsmöglichkeiten haben, die wir nutzen können. Du brauchst und solltest also nicht aufgeben, sondern Wege suchen, jeden Tag aufs Neue mit den Kindern daran zu arbeiten. Strukturen etablieren, Beziehungen aufbauen, den Kindern Handlungsweisen zum Umgang mit Konflikten und Gefühlen wir Wut an die Hand geben, das Geschehen in der Schule steuern durch Anpassungen des Systems an die Bedürfnisse der Kinder. Schritt für Schritt und immer im Hinterkopf haben, dass das alles ein langer Weg ist, der nicht am Ende der Grundschulzeit endet. Habe die Grenzen des eigenen Wirkens im Hinterkopf. Das ist auf jeden Fall zu komplex für einen Forenbeitrag und ja auch individuell auf die verschiedenen Fälle bezogen.


    Ich empfehle also auch, dir konkrete Unterstützung vor Ort zu suchen. Der Austausch im Kollegium ist ein erster Schritt und allein für das Teilen des Leids super wertvoll. Ich profitiere immer davon, mir auch die Perspektiven anderer Professionen anzuschauen und mir hat zum Beispiel der Podcast "Systemsprenger" von Menno Baumann sowie seine Bücher "Verstehende Diagnostik in der Pädagogik" und "Systemsprenger in der Schule" geholfen. Ich hatte zuletzt das erste Mal eine Fallberatung durch den schulpsychologischen Dienst und fand dies ebenfalls sehr gewinnbringend. Überleg dir möglichst mit Unterstützung, was du als erstes angehen möchtest, was du realistisch angehen kannst. Die Probleme sind zahlreich, entsprechend sind es auch die Lösungsmöglichkeiten.


    *Das merke ich besonders, wenn meine Grundbedürfnisse mal nicht so wie gewohnt erfüllt sind und ich dann ähnlich emotionsgeladen agiere wie manche Kinder - und dabei sind wir als Lehrkräfte sehr viel privilegierter und ressourcenreicher als die Kinder. Mit der Perspektive fällt mir erst Recht auf, welche Leistungen die Kinder trotz ihrer Päckchen, die sie mit oft wenig Unterstützun tragen müssen, vollbringen. Da erwarten wir generell schon sehr viel von Kindern, habe ich für micht gelernt.

  • Hallo candela,

    es tut mir sehr leid, von deinen Erfahrungen zu hören. Ich bin neu im Forum und unterrichte ebenfalls an einer Grundschule, wenn auch unter anderen Bedingungen. Was du schilderst, ist extrem herausfordernd, und ich kann gut verstehen, wie belastend das sein muss.

    Ich habe ähnliche Situationen erlebt, zwar nicht in diesem Ausmaß, aber genug, um zu merken, wie wichtig es ist, klare Strukturen zu schaffen und gleichzeitig die eigene Belastungsgrenze im Blick zu behalten. Gerade der Tipp, sich externe Unterstützung zu suchen, zum Beispiel durch den schulpsychologischen Dienst oder in Form von Fallberatungen, hat mir persönlich geholfen, neue Perspektiven zu gewinnen und handlungsfähiger zu bleiben.

    Ein weiterer Punkt, der mir hilft, ist der kollegiale Austausch. Es ist wertvoll, gemeinsam mit erfahrenen Kolleg*innen nach Lösungen zu suchen und kleine Schritte zu planen, statt sich von der Größe der Herausforderung überwältigen zu lassen. Solche Gespräche haben mir oft nicht nur fachlich, sondern auch emotional Halt gegeben.

    Bleib stark, und denk daran, dass du nicht allein bist – auch wenn es sich manchmal so anfühlt. Du machst einen wertvollen und wichtigen Job, auch wenn die Erfolge vielleicht nicht immer sofort sichtbar sind.

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