Aggressive Schüler

  • Ich bin seit dem 1.10. an einer Grundschule angestellt.

    Ich unterrichte in der 3,5 und 6 Klasse.


    Die Kinder benehmen sich an dieser Schule einfach katastrophal... natürlich nicht alle aber in jeder Klasse ganz schön viele. Und ich hab den Vergleich. Ich habe schon an einer Brennpunkt Schule und Förderschule mit dem Schwerpunkt lernen und em. Soz. Gearbeitet.


    Nun zu den konkreten.

    Ich wurde in der ersten Woche von einem Schüler geschubst. Letzte Woche mit einem Stuhl beworfen, heute von einem Schüler geboxt (alles 5 Klässler).


    Klassenlehrerin meint dass es natürlich nicht geht aber....dass ich Verständnis zeigen soll da seine Eltern sich scheiden ließen und es schwierig für ihn ist.

    Verstehe...aber...er sprengt jeden Unterricht, hat letzte Woche auch eine andere Lehrerin geschlagen....


    Hier noch andere Eindrücke aus dem Alltag:

    M. sprengt jeden Unterricht. Er läuft stampfend durch den Raum. Öffnet und schließt wiederholen den Schrank, holt aus dem Schrank Wörterbücher aß denen er eine Bahn baut. Dann lässt er Autos diese Bahn runterfahren die wiederholt auf den Boden knallen.

    Auf Anweisung sich zu beruhigen lacht er und macht weiter. Er wirft mit Papierflieger, krabbelt durch den Raum, ruft rein, verlässt ohne zu fragen den Raum...auf die Bitte auf seinen Platz zurückzukehren sagt er "geh du doch selbst".


    K. schlägt Lehrer, spielt laut mit Autos im Unterricht, läuft durch den Raum und Verschiebung Tische....


    L. fühlt sich vom Mitschüler provoziert seht auf verpasst ihm eine Kopfnuss und fängt an ihn mit der Faust ins Gesicht zu schlagen.


    Y. Wurde in der Pause von einem Schüler aus der parallel Klasse geschlagen. Kommt in den Unterricht, nimmt einen Stuhl und verlässt den Raum um den mit diesem Stuhl zu schlagen.


    Schulleitung kennt die Problematik aber es wird gesagt "ich soll die Schüler ignorieren", sie werden an und zu von den Eltern abgeholt, Stempelkarten verteilt...


    Ich bin fassungslos...

    Ist das normal?

    Wie reagiert die Schulleitung an euren Schulen auf so ein Verhalten?

  • Noch mal ernsthaft, dass das nicht normal ist, weißt du ja selbst, schon allein aus deinen Erfahrungen heraus.


    Ich sag's ganz direkt: ich würde an dieser Schule nicht bleiben. Wenn weder die Klassenleitung, noch die Schulleitung irgend ein Interesse daran hat, durchzugreifen, bist du auf verlorenem Posten. Vor allem mit Einstundenfächern.


    Es gibt zwar solche Typen, die sich in jedem Setting durchsetzen können, aber selbst dann, ein Mindestmaß an Zusammenarbeit im Kollegium brauche ich zumindest, um morgens gerne zur Arbeit zu gehen.

  • Ich hab mich so gefreut nach der Förderschule, die mich psychisch fertig gemacht hat, eine Stelle an einer "normalen" Grundschule bekommen zu haben...

    Ich fühle mich so ätzend... :(

    Ich hab Angst mich wieder neu zu bewerben.

    Manchmal würde ich am liebsten ein Haus in den Masuren kaufen, Körbe aus Peddigrohr flechten und sie online zu verkaufen um so wenig wie möglich Kontakt zu Menschen zu haben.

  • Warum hast du Angst, dich zu bewerben? Ich vermute, zuerst werden die Brennpunktschulen besetzt. Da aber überall Mangel herrscht, würde ich auf Versetzung drängen und über die regionale Personalvertretung gehen. Du wirst ja krank.

  • Bei mir ist es komplizierter...

    Ich komme aus Polen und habe dort das "polnische Lehramt" in Master studiert was in Deutschland nicht anerkannt wird weil ich die Lehrbefähigung für die Klassenstufe 1-3 habe wie es in Polen üblich ist. Dann hab ich noch Germanistik im Master dazustudiert aber meine Ausbildung ist immer noch nicht anerkannt und ich arbeite jetzt als Quereinsteiger und mache berufsbegleitend die PGQ...

    Lange Rede kurzer Sinn... Die Schulen wollen mich gar nicht so gerne einstellen weil ich kein "richtiger Lehrer" bin. Ich muss nehmen was kommt.


    Wieso ich Angst habe mich zu bewerben?weil ich letztes Schuljahr zwei Vertretungsstellen hatte die richtig schlimm waren....die Förderschule sowieso und die FOS im Süden Brandenburgs wo die Schüler mich wegen meiner polnischen Herkunft richtig nieder gemacht haben... Da kamen Sprüche die ich gar nicht laut aussprechen möchte.

  • Das wird glaube ich mein Tagebuch hier...wäre aber dankbar wenn ihr vielleicht ähnliche Geschichten teilen würdet damit ich mich nicht wie ein Außerirdischer fühle.


    Heute, nach 5 Stunden Unterricht in denen ich respektlos behandelt worden bin, angeschrien wurde, selber geschrien habe...hatte ich Aufsicht auf dem Sportplatz auf dem die 5 und 6 Klassen Pause verbringen.


    Kurz bevor ich rausgegangen bin sagte mir die Schulleitung ich solle die Bälle einsammeln weil es geregnet hat. Als ich das gemacht habe sind die Schüller ausgerastet. Mit Schüller meine ich dir Jungs aus 8 Klassen. Sie haben angefangen sich zu prügeln. Manche haben ein Kreis gebildet und die prügelenden angefeuert.

    Als ich versucht habe Sie auseinander zu nehmen haben Sie mich angeschrien und beleidigt.

    Ich wusste aber auch nicht wo ich anfangen soll weil sich so viele prügelende Grüppchen gebildet haben...


    Und auf einmal liefen mir einfach die Tränen runter...ich hab mich total überfordert gefühlt...

  • Wir haben täglich in der Schule Situationen, die man sich nicht ausmalen könnte, wenn man nicht irgdendwann mal im Brennpunkt gearbeitet hat. Dort hat man einfach Schüler*innen, die aus Verhältnissen kommen, die man sich vermutlich selbst vorher nicht ausmalen konnte. Hinter jedem Verhalten liegen Gründe und Probleme. Einen Brennpunkt zeichnet dann eben auch besonders aus, dass dort viele dieser Kinder zusammenkommen und das Verhalten sich entsprechend gegenseitig verstärkt bzw. ungünstig aufeinanderprallt. Für die Kinder erfüllt dieses Verhalten immer auch einen Zweck, der meist in Grundbedürfnissen zu finden ist, die nicht erfüllt werden oder wurden. Du wirst diese Symptome und erst Recht nicht die dahinterliegenden Probleme nicht lösen können. Für viele Kinder am Brennpunkt ist das Verhalten normal (und erfüllt für sie wie gesagt einen Zweck). Du solltest dieses Verhalten entsprechend auch nicht auf dich als Person beziehen, denn so meinen Kinder es nicht. Du kannst den Kindern in der Schule im Rahmen der Möglichkeiten andere Wege und eine andere Normalität aufzeigen und anbieten.


    Das ist fordernd und für alle Lehrkräfte dann und wann auch überfordernd, wir sind ja auch nur Menschen*. Da bist du nicht alleine. Wichtig ist, dass man pädagogisch handlungsfähig bleibt. Wir können nur jeden Tag daran arbeiten, dass die Probleme an der Schule etwas aufgefangen werden und die Kinder etwas besser mit herausfordernden Situationen umgehen können. Wir können uns jeden Tag auf die Schulter klopfen, welch anspruchsvolle Profession wir haben, denn sie ist sehr umfangreich. Strukturen, Beziehungsarbeit, Konfliktmanagement und Gruppendynamik sind nur einige komplexe Bereiche, die mir gerade spontan einfallen, die wir jeden Tag bewältigen müssen neben unserer Aufgabe des Lehrens. Das bedeutet aber auch, dass wir ganz viele pädagogische Handlungsmöglichkeiten haben, die wir nutzen können. Du brauchst und solltest also nicht aufgeben, sondern Wege suchen, jeden Tag aufs Neue mit den Kindern daran zu arbeiten. Strukturen etablieren, Beziehungen aufbauen, den Kindern Handlungsweisen zum Umgang mit Konflikten und Gefühlen wir Wut an die Hand geben, das Geschehen in der Schule steuern durch Anpassungen des Systems an die Bedürfnisse der Kinder. Schritt für Schritt und immer im Hinterkopf haben, dass das alles ein langer Weg ist, der nicht am Ende der Grundschulzeit endet. Habe die Grenzen des eigenen Wirkens im Hinterkopf. Das ist auf jeden Fall zu komplex für einen Forenbeitrag und ja auch individuell auf die verschiedenen Fälle bezogen.


    Ich empfehle also auch, dir konkrete Unterstützung vor Ort zu suchen. Der Austausch im Kollegium ist ein erster Schritt und allein für das Teilen des Leids super wertvoll. Ich profitiere immer davon, mir auch die Perspektiven anderer Professionen anzuschauen und mir hat zum Beispiel der Podcast "Systemsprenger" von Menno Baumann sowie seine Bücher "Verstehende Diagnostik in der Pädagogik" und "Systemsprenger in der Schule" geholfen. Ich hatte zuletzt das erste Mal eine Fallberatung durch den schulpsychologischen Dienst und fand dies ebenfalls sehr gewinnbringend. Überleg dir möglichst mit Unterstützung, was du als erstes angehen möchtest, was du realistisch angehen kannst. Die Probleme sind zahlreich, entsprechend sind es auch die Lösungsmöglichkeiten.


    *Das merke ich besonders, wenn meine Grundbedürfnisse mal nicht so wie gewohnt erfüllt sind und ich dann ähnlich emotionsgeladen agiere wie manche Kinder - und dabei sind wir als Lehrkräfte sehr viel privilegierter und ressourcenreicher als die Kinder. Mit der Perspektive fällt mir erst Recht auf, welche Leistungen die Kinder trotz ihrer Päckchen, die sie mit oft wenig Unterstützun tragen müssen, vollbringen. Da erwarten wir generell schon sehr viel von Kindern, habe ich für micht gelernt.

  • Hallo candela,

    es tut mir sehr leid, von deinen Erfahrungen zu hören. Ich bin neu im Forum und unterrichte ebenfalls an einer Grundschule, wenn auch unter anderen Bedingungen. Was du schilderst, ist extrem herausfordernd, und ich kann gut verstehen, wie belastend das sein muss.

    Ich habe ähnliche Situationen erlebt, zwar nicht in diesem Ausmaß, aber genug, um zu merken, wie wichtig es ist, klare Strukturen zu schaffen und gleichzeitig die eigene Belastungsgrenze im Blick zu behalten. Gerade der Tipp, sich externe Unterstützung zu suchen, zum Beispiel durch den schulpsychologischen Dienst oder in Form von Fallberatungen, hat mir persönlich geholfen, neue Perspektiven zu gewinnen und handlungsfähiger zu bleiben.

    Ein weiterer Punkt, der mir hilft, ist der kollegiale Austausch. Es ist wertvoll, gemeinsam mit erfahrenen Kolleg*innen nach Lösungen zu suchen und kleine Schritte zu planen, statt sich von der Größe der Herausforderung überwältigen zu lassen. Solche Gespräche haben mir oft nicht nur fachlich, sondern auch emotional Halt gegeben.

    Bleib stark, und denk daran, dass du nicht allein bist – auch wenn es sich manchmal so anfühlt. Du machst einen wertvollen und wichtigen Job, auch wenn die Erfolge vielleicht nicht immer sofort sichtbar sind.

  • Vielen lieben Dank für eure unterstützenden Worte.


    Ich hab schon versucht unabhängig von einander mir Hilfe bei zwei Schulsozialarbeiterinen zu holen. Die eine hat dann mit dem betroffen Kind und seiner Klasse gesprochen und meinte, dass die Kinder ihr eine andere als meine Geschichte erzählt haben und deswegen davon ausgehen ist, dass meine Wahrnehmung falsch ist.


    Die andere versucht jedes Kind zu entschuldigen und bittet mich um Verständnis weil es "arme Würstchen" sin.


    Die Schulleitung sagt die ganze Zeit "ja..wie müssen etwas dagegen unternehmen! Unbedingt! Aber es ist nicht einfach..." Und es passiert gar nichts.


    Die Stellvertretende Leitung sagt immer "ja...aber er hat ADHS oder seine Eltern sind geschiedene, oder sein Papa ist gestorben". Ich verstehe alles aber ADHS ist keine Entschuldigung für respektloses Verhalten und Sprüche zu mir wie "mach doch, geh kacken.", "kannst mir nichts"....


    Und auch Kinder mit anderen Problemen brauchen Grenzen und müssen sich an Regeln halten meiner Meinung nach.


    Und hier wird alles entschuldigt, nichts unternommen und die Kinder machen fröhlich weiter.


    Ich lese mir immer freitags die Berichte im Klassen Buch durch...JEDEN Tag schreiben da verschiedene Lehrer solche Geschichten wie die meine.

  • Warst du die einzige Aufsicht für Kinder aus 8 Klassen? Das darf nicht sein. Du kannst deine Aufsichtspflicht nicht angemessen erfüllen. Du musst dir wirklich Hilfe suchen, die über zaghafte versuche, über Problemfälle zu reden, hinausgehen. Habt ihr eine vernünftige Personalvertretung? Du müsstest m.E. rechtlich relevante Schritte unternehmen, um dich zu schützen und nicht zusätzliche Probleme zu bekommen. Was, wenn einem Schüler ernsthaft was passiert? Hast du irgendwas davon irgendwo schriftlich festgehalten?


    Sind hier Kolleg*innen aus Brandenburg?

  • Was wünschst du dir denn, was passiert? Ich lese aus deinem Beitrag heraus, dass du dir Konsequenzen wünschst. Korrigier mich, wenn ich falsch liege. Das kann ich auch verstehen, es muss Konsequenzen geben. Ich persönlich finde nur, dass Ordnungsmaßnahmen oft wenig hilfreich sind. Die Ursachen des Verhaltens liegen oft in der Familie begründet, gibt es dann einen temporären Ausschluss, verbringen die Kinder noch mehr Zeit dort. Dadurch werden das Verhalten oder die dahinterliegenden Probleme vermutlich eher nicht besser. Die temporäre Überweisung in eine andere Klasse kann da schon eher hilfreich sein, zumindest der Ausschluss aus der Stunde wäre nötig.


    Habt ihr etwas ähnliches wie einen Trainingsraum an eurer Schule? Habt ihr Ressourcen, um die Kinder aus der Stunde zu entfernen, damit sie das Verhalten reflektieren können? Vielleicht kann eine der beiden Schulsozialarbeiterinnen es einrichten, einzelne Kinder zu übernehmen, wenn es nicht läuft? Wenn die Kinder sich dann weigern, muss die Schulleitung natürlich für dich bereit stehen und das durchsetzen, das kannst und musst du einfordern. Hast du das Gefühl, die Schulleitung lässt dich im Stich, kannst du über den Lehrer*innenrat oder eine Überlastungsanzeige den Druck auf diese erhöhen, tätig zu werden.


    "Da muss doch auch mal was passieren", höre ich in solche Fällen immer mal wieder. Ich fühle manchmal auch den Wunsch, nach einer besonders drastischen Strafe wie eben einer Ordnungsmaßnahme, merke aber auch, dass schon kleinere Konsequenzen von den Kindern als nervig oder Strafe wahrgenommen werden. Man kann sich also auch abseits der Konsequenzen durch Schulleitung in Form von Ordnugnsmaßnahmen Handlungsräume bei den Konsequenzen schaffen, bei denen man die Verantwortung nicht an die Familie überträgt, wo es eigentlich kaum Aussicht auf Verbesserung des Verhaltens gibt. Das Beispiel der Reflexion mit der Schulsozialarbeiterin nannte ich oben schon. In Pausen habe ich gemeinsam mit den Kindern schon Pausenbereiche aufgeteilt, wenn es zwischen Kindern immer wieder Streit gibt und das dann auch damit begründet, dass ich ja nur möchte, dass alle eine schöne Pause haben. Im Unterricht setze ich Kinder an andere Plätze um. Sei dir auch bewusst, dass die Kinder im Unterricht immer eine Bühne und mit den anderen Kindern Zuschauer*innen haben, die sie bedienen. Da hilft dann manchmal schon der Satz "Das geht so nicht, da werden wir nach dem Unterricht drüber sprechen müssen und das hat eine Konsequenz".


    Du nanntest Stempelkarten als Maßnahme an der Schule und ich vermute damit sind Verstärkerpläne gemeint, was ja auch eine sinnvolle Maßnahme sein kann. Wenn du die Zeit hast, nutze das Stempeln als kurze gemeinsame Zeit mit den einzelnen herausfordernden Kindern zum Beziehungsaufbau ("Ich habe gemerkt, dass du heute nicht richtig am Unterricht teilnehmen konntest. Wie kann ich dir helfen?"), auch mal als nervige Konsequenz ("Da müssen wir heute ein bisschen länger über die Stunde sprechen, während die anderen schon raus gehen"), alternative Handlungsweisen aufzuzeigen ("Du wolltest nach der Pause ein Kind schlagen, dass dich geschlagen hat. Das ist nicht richtig, das Verhalten möchten wir hier nicht. Der Streit wird dann außerdem immer schlimmer und immer weiter gehen, bis jemand blutet. Du kannst stattdessen zu mir kommen und wir Lösen den Streit gemeinsam mit dem anderen Kind ohne dass sich jemand weh tut und so, dass ihr euch danach vielleicht beide besser fühlt"). Das sind alles Maßnahmen, die anscheinend nicht gesehen werden, wenn man sagt "Da muss doch auch mal was passieren".


    Ich habe aktuell eine dritte Klasse und versuche vieles davon von Anfang an umzusetzen und bei manchen Kindern kommt diese Arbeit jetzt erst langsam an. Sie merken, dass ich ihnen wirklich helfen will; sie wissen, dass es bei Regelverletzungen eine faire Konsequenz gibt; sie bemühen sich, die alternativen Handlungsmöglichkeiten anzuwenden. Und trotzdem haben wir fast täglich Konflikte und Regelverletzungen, weil man das gelernte Verhalten der ersten sechs Lebensjahre eben nicht in zwei Jahren ändern kann.


    Apropos Verhalten ändern: Ich fand bei Menno Baumann ein Beispiel sehr erinnerungswürdig und zwar die Frage, wie man eigentlich Verhalten und soziale Normen lernt. Sein Beispiel war der Abstand, den man zu anderen Leute hält. Da gibt es nichtmal eine einheitliche soziale Norm, sondern das variiert von Person zu Person und je nach enge der Beziehung. Wie lernen Kinder das also? Sicher würde man Kinder nicht bestrafen, wenn sie zu nah zu einem stehen oder einen dabei anfassen, wenn man mit ihnen spricht. Man gibt den Kindern Rückmeldungen, die eigentlich relativ subtil sind, indem man dann selbst einen Schritt zurück geht. Und das nicht nur einmal, sondern ziemlich oft und irgendwann sagt man vielleicht auch mal, dass man nicht so nah stehen oder gar berührt werden möchte und gibt so eine verbale Rückmeldung. So lernen die Kinder das Verhalten bestenfalls schon relativ okay, bis sie in die Schule kommen. Sechs Jahre Rückmeldungen für ein relativ okayes Verhalten, bei dem man als Erwachsener vielleicht denkt, dass das doch einfach und logisch wäre. So ist es auch mit anderen Verhaltensweisen und in der Schule stehen wir dann eben noch zusätzlich vor der Herausforderung, dass das, was ein Kind implizit an Verhalten die ersten sechs Jahre gelernt hat, vielleicht sogar konträr zu dem ist, was wir ihm an Verhalten beibringen wollen. Bestes Beispiel da für mich immer die Eltern, die ihrem Kind sagen, dass es sich auch wehren soll, wenn es geärgert wird.

  • Die TE ist im Quereinstieg, mit Migrationshintergrund, an einer brandenburger Schule mit Klassen 1-6, offenbar gibt es viele, schwere Verhaltensauffälligkeiten und kein Konzept, keine Unterstützung von Schulleitung und Sozialarbeit.


    Ich finde es in diesem Fall fast schon fahrlässig, der TE zu raten, sie solle die Kinder fragen, wie sie ihnen helfen kann, wenn dort 6.-Klässler mit Stühlen schmeißen. Natürlich muss man Konflikte klären, aber wenn man keine Klassenlehrerin ist, wenige Stunden in der Klasse hat und sich völlig überfordert fühlt, braucht es zunächst mal Teamarbeit im Kollegium und Unterstützung vor Ort.

  • Ja, das hätte ich vielleicht noch klar schreiben müssen, dass ich da jetzt nicht an den Fall dachte, in dem ein Kind eine Lehrerin mit einem Stuhl abwirft (im Ausgangspost wurden ja verschiedene Fälle angedeutet), sondern es eher allgemein formuliert war für die Arbeit am Brennpunkt. Aber ich habe ja auch gefragt, welche Unterstützung es vor Ort gibt (Schulsozialarbeiterin) oder ob es Konzepte wie den Trainingsraum gibt. Die Verstärkerpläne scheinen ja auch ein Mittel an der Schule zu sein, das eingesetzt wird, weshalb ich das Beispiel aufgriff, wie man damit konkret ins Handeln kommen kann (und in dem Rahmen zum Thema Beziehungsarbeit schrieb ich eben auch davon, ein Kind dann zu fragen, wie man ihm helfen könne). Und dass dies ja durchaus eine pädagogische Maßnahme ist und nicht Nichts gemacht wird - auch wenn das natürlich für den Fall des Stühlewerfens nicht ausreichend ist (da wird es aber auch eine Vorgeschichte geben und einen Punkt, an dem man hätte etwas machen können). Deshalb erwähnte ich aber auch, dass man über den Lehrer*innenrat oder eine Überlastungsanzeige dann Druck auf die Schulleitung ausüben kann.


    Die Situation erfordert mehr als classroom management. Ohne classroom management klappt es aber auch nicht. Die Situation erfordert mehr als Feedback und Reflexion als pädagische Maßnahme. Ohne solche pädagogischen Maßnahmen geht es aber auch nicht. Die Situation erfordert mehr als Beziehungsarbeit. Ohne Beziehungsarbeit klappt es aber auch nicht. Die Situation erfordert mehr als Ordnungsmaßnahmen. Ohne Ordnungsmaßnahmen klappt es aber auch nicht. Und gerade weil der*die TE Berufsanfänger*in ist (mit einem Studium in Pädagogik aber auch pädagogische Interventionen kennen sollte) und sich als überfordert beschreibt, fand ich es wichtig, den pädagogischen Handlungsspielraum wieder zu erweitern und Maßnahmen an die Hand zu geben, die man umsetzen kann, wenn, wie zu erwarten, die Unterstützung von außen nicht sofort am nächsten Schultag bereit steht.

  • Ich habe tatsächlich versucht mit den "problematischen" Kindern zu sprechen.

    Einmal als ich einen 5 Klässler gebeten habe kurz nach dem Unterricht zu bleiben um mit mir zu sprechen hat er mich geschlagen.

    Auch in den anderen Klassen reagieren die Schüler auf meine Gesprächsversuche mit aussagen wie " Privatsphäre! Sag ich dir nichts!", "geh lieber kacken", "lass mich Digger".


    Was die Hoffpause betrifft waren wir zu zweit. Sollte wohl noch eine Lehrkraft da sein die ihre Pausenaufsicht verpeilt hat.


    Und was den "Brennpunkt" betrifft wusste ich tatsächlich nicht, dass es ein Brennpunkt sein könnte. Offiziell ist es auch keiner.


    Was ich mir wünsche? Konsequenzen auf jeden Fall und, dass die Schulleiterin und die Kollegen es ernst nehmen was in der Schule passiert. Ich hab schon an einer Brennpunkt Schule gearbeitet und an einer Förderschule mit dem Schwerpunkt lernen um em soz und ich dachte mich kann jetzt nichts mehr überraschen. Wir naiv ich doch war....


    Ich bin der Meinung, dass auch (wenn nicht vor allem ) Kinder mit emotionalen Schwierigkeiten, ADHS Strukturen und Regeln brauchen. Den Kindern quasi alles zu erlauben weil sie ja arme Würstchen sind oder eine Diagnose haben ist der falsche Weg. Sie müssen lernen, wie sie in der Gesellschaft zurecht kommen. Sie müssen lernen, dass nicht nur sie Rechte haben aber auch alle anderen um sie.


    Jetzt gerade sagen mir die Schüler (und das meinen sie auch!).

    "Ich kann machen was ich will. Es passiert sowieso nichts!".


    Und sie haben Recht...

  • Das wissen wir alles. Wie ist denn nun dein Plan?

  • Ich persönlich finde nur, dass Ordnungsmaßnahmen oft wenig hilfreich sind.

    Eine Ordnungsmaßnahme ist für den betroffenen Schüler nicht hilfreich, ja. Aber das ist auch nicht das Ziel einer Ordnungsmaßnahme. Sie ist keine pädagogische Maßnahme. Sie dient der Herstellung der Ordnung in der Schule und ermöglicht, dass andere Schüler angst- und störung zur Schule kommen und Lehrer störungsfrei ihren Unterricht halten können. Ordnungsmaßnahmen sind für mich vor allem ein Opferschutz. Dem Täter helfen sie in der Tat nicht. Da müssen anderen Maßnahmen her von Verstärkerplänen über runde Tische mit Beratern und Sozialarbeitern bis hin zur Vermittlung an außerschulische Einrichtungen. Ordnungsmaßnahmen üben oft auch Handlungsdruck auf die Eltern aus, die nur so aus dem Quark kommen. Und die Kids finden es nach drei Tagen auch nicht mehr cool, zu Hause herumzusitzen, während die peer group in der Schule sich ohne sie weiterentwickelt. Man kriegt nichts mehr mit, doof.

    Die beschriebene Schule ist ein Beispiel dafür, wie alles aus dem Ruder laufen kann, wenn eine Schulleitung schwach ist und nicht handelt oder den Aufwand von Ordnungsmaßnahmenkonferenzen scheut.

  • Eine Ordnungsmaßnahme ist für den betroffenen Schüler nicht hilfreich, ja. Aber das ist auch nicht das Ziel einer Ordnungsmaßnahme. Sie ist keine pädagogische Maßnahme. Sie dient der Herstellung der Ordnung in der Schule und ermöglicht, dass andere Schüler angst- und störung zur Schule kommen und Lehrer störungsfrei ihren Unterricht halten können. Ordnungsmaßnahmen sind für mich vor allem ein Opferschutz. Dem Täter helfen sie in der Tat nicht. Da müssen anderen Maßnahmen her von Verstärkerplänen über runde Tische mit Beratern und Sozialarbeitern bis hin zur Vermittlung an außerschulische Einrichtungen. Ordnungsmaßnahmen üben oft auch Handlungsdruck auf die Eltern aus, die nur so aus dem Quark kommen. Und die Kids finden es nach drei Tagen auch nicht mehr cool, zu Hause herumzusitzen, während die peer group in der Schule sich ohne sie weiterentwickelt. Man kriegt nichts mehr mit, doof.

    Die beschriebene Schule ist ein Beispiel dafür, wie alles aus dem Ruder laufen kann, wenn eine Schulleitung schwach ist und nicht handelt oder den Aufwand von Ordnungsmaßnahmenkonferenzen scheut.

    Und idealerweise werden sie zusätzlich von pädagogischen Maßnahmen flankiert, sich auf das Fehlverhalten beziehen.

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