Frage an die Chemielehrer:innen zum Thema Exaktheit von Elementeigenschaften

  • Hallo,

    ich habe eine Frage an die ChemielehrerInnen hier im Forum: Wie geht ihr eigentlich damit um, dass es für viele Daten zu den Elementen verschiedene Werte im Internet gibt. Also nehmen wir mal den Siedepunkt von Bor, da gibt es doch durchaus differierende Werte, wie ich heute ziemlich überrascht festgestellt habe:

    https://www.webelements.com/boron/thermochemistry.html

    4200 K

    https://www.rsc.org/periodic-table/element/5/boron

    4237 K

    https://de.wikipedia.org/wiki/Bor

    4203 K

    https://www.chemie.de/lexikon/Bor.html

    4200 K

    Was nimmt man denn eigentlich in der Schule? Gibt es eine mehr oder weniger verbindliche Tabelle mit Werten, die für den Unterricht und die Prüfungen benutzt wird?

    Ich habe selbst eher mit Mathe zu tun, da ist man von solch Unbill der Realität meist geschützt. 8o

  • Ich bin Physiker, aber bei uns ist das Problem das gleiche. Die wesentlichen Naturkonstanten sind natürlich eindeutig, bei Konstanten zur Beschreibung von Materialeigenschaften, gibt es Abweichungen. Wenn man genauer hinguckt, findet man oft Ursachen für diese Abweichungen. Bei deinem oben genannten Beispiel könnte ich mir vorstellen, dass die Tabellen unterschiedliche Werte für den Druck voraussetzen. Diese Ursachen gehen aber oft über das hinaus, was zu erkennen ich von SuS erwarte.

    Einfache Lösung: Wenn ich einen ganz bestimmten Wert verwendet sehen will, gebe ich diesen an.

  • Ich bin Physiker

    ... und antwortest als erstes auf eine Frage, die explizit an Chemiker*innen gerichtet ist.


    rocri Wofür ist das wichtig, ob der Siedepunkt nun genau diese oder genau jene Zahl ist? Zumal er sowieso druckabhängig ist. Wichtig zu wissen ist, dass der Siedepunkt eine physikalische Stoffeigenschaft ist und ein Reinstoff überhaupt einen definierten Siedepunkt hat, ein Gemisch hingegen nicht.


    Ich habe selbst eher mit Mathe zu tun, da ist man von solch Unbill der Realität meist geschützt

    Mathe ist keine Naturwissenschaft. Naturwissenschaften beschreiben das wahre Leben und das ist voller Unzulänglichkeiten. Wie sprach einst ein ehemaliger Kollege von mir: Wer in der Chemie rechnet, dem fällt halt sonst nichts Besseres ein. Er hatte recht. Es geht um Stoffe und ihre Eigenschaften, es geht um Stoffunwandlungen. Zahlen sind in der Industrie aus ökonomischen Gründen interessant und rechnen lohnt sich nur, wenn ich das Ergebnis auch interpretieren kann.

  • ... und antwortest als erstes auf eine Frage, die explizit an Chemiker*innen gerichtet ist.

    Ja, und du bist Chemikerin und hältst, statt zu antworten, einen allgemeinen Vortrag, der dem TE nicht weiter hilft.

  • Einfache Lösung: Wenn ich einen ganz bestimmten Wert verwendet sehen will, gebe ich diesen an.

    Ich habe noch ne viel einfachere Lösung: Nimm einfach den Wert, der auf dem PSE draufsteht, das du im Unterricht benutzt. Ehrlich ... Die Frage ist wenig geistreich.

  • Wie geht ihr eigentlich damit um, dass es für viele Daten zu den Elementen verschiedene Werte im Internet gibt.

    Nicht das Internet nutzen sondern auf eine entsprechende Stoffsammlung zurückgreifen. Ansonsten sind die Unterschiede gering, für eine Kompetenzentwicklung ist der EINE Wert nun nicht relevant

  • Ich habe noch ne viel einfachere Lösung: Nimm einfach den Wert, der auf dem PSE draufsteht, das du im Unterricht benutzt. Ehrlich ... Die Frage ist wenig geistreich.

    Die Frage ist nicht so abwegig, wie man denkt.

    Ich habe schon erlebt, dass in Abiturklausuren freigesetzte Energien für Kernzerfälle berechnet werden müssen und der als Kernmasse im Material der Klausur angegebene Wert in der 4. Nachkommastelle anders ist, als der in der Formelsammlung. Weil es beim Massendefekt aber nun mal um sehr kleine Differenzen geht, hat das schon Auswirkungen und im etwas konstruierten Fall, dass ich für einzelne beteiligte Isotope die Werte aus dem Material und für andere die aus der Formelsammlung nehme, kommt man zu völlig unsinnigen Ergebnissen.

    Ich bläue meinen Schülern definitiv ein, immer die Werte im Material zu nehmen und nicht selber nach zu schlagen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist.

  • Weil es beim Massendefekt aber nun mal um sehr kleine Differenzen geht

    ... bist du als Physiker nicht gefragt, wenn es um Chemie geht. Ich unterrichte beide Fächer. Wenn ich als Chemikerin schreibe, dass es völlig wumpe ist, ob der Siedepunkt von Bor bla oder blubb ist, darfst du mir das gerne glauben.

  • Gibt es eine mehr oder weniger verbindliche Tabelle mit Werten

    Letztlich gibt es für sowas die metrologischen Institute wie z.B. die PTB, die solche Werte ermitteln bzw. die Messstandards festlegen.


    Für die Schule ist das aber völlig irrelevant, wie von anderen auch schon geschrieben. Du nimmst den Wert aus deinem Tafelwerk, Periodensystem, Schulbuch und auch diesen je nach Anwendung sogar nur grob gerundet.


    Es gibt auch sonst sehr wenige Anwendungen, wo du die exakten Werte benötigst. Falls dem so ist, geht das mit ausgiebigen Fehlerbetrachtungen der statistischen und systematischen Fehlern einher.


    Im konkreten Fall der abweichenden Webseite vermute ich aufgrund des Wertes, dass da schlicht der gerundete Celsiuswert in die Datenbank eingetragen wurde und dieser per Formeln in Kelvin/Fahrenheit umgerechnet wurde. So völlig glatte Werte sind für sowas immer verdächtig, außer es handelt sich um eine Definition. Wobei das wie gesagt halt auch in Ordnung ist, weil es am Grundprinzip quasi nichts ändert.

  • Je nun, also jetzt noch ein Posting von mir. Die Frage war nicht explizit *nur* für Chemiker:innen. Ich war einfach überrascht, dass es für doch eine Menge Werte, einiges an verschiedenen Daten im Internet gibt und hatte mich nur gefragt, wie man damit im Unterricht umgeht.

    Und, wenn ich mich nicht täusche sind da durchaus Fehler drin:

    https://www.webelements.com/hydrogen/physics.html

    and has a low density 88 kg m-3 (0.088 g cm-3).
    Das ist ja immerhin die university of sheffield, aber wenn ich mich nicht täusche haben sie sich mal eben um den Faktor 1000 vertan!

  • Das ist ja immerhin die university of sheffield, aber wenn ich mich nicht täusche haben sie sich mal eben um den Faktor 1000 vertan!

    Wie kommst du darauf? Also was ist dein Referenzwert für den Festkörper? Der zugehörige Druck ist doch auf der verlinkten Seite gar nicht gegeben. Das ist doch der Punkt: Was willst du mit diesen Zahlen?


    Es gibt z. B. auch für Ionisierungsenergien recht verschiedene Werte. Wenn du damit arbeiten willst, weil du z. B. Gesetzmässigkeiten im Periodensystem erarbeiten willst, dann bleib einfach konsistent bei einer Quelle. Relativ zueinander kommt da immer das gleiche raus und die absoluten Zahlen sind in der Chemie wirklich vollkommen wumpe. Das gleiche gilt für Elektronegativitäten. Mei, es gibt halt verschiedene Skalen und mal kommen Kohlenstoff und Schwefel gleich raus, mal gibt es einen Unterschied. Überleg dir, ob du die konkrete Zahl überhaupt brauchst oder ob es argumentativ auch nicht dabei bleiben kann zu sagen "eine EPB zwischen zwei gleichen Atomen ist unpolar, eine EPB zwischen zwei ungleichen Atomen ist irgendwie polar". Was ist der chemische Inhalt, den du mit der Zahl transportieren willst? Das ist immer die zentrale Frage. Es geht nicht um Mathe, es geht um Chemie.

  • Ich war einfach überrascht, dass es für doch eine Menge Werte, einiges an verschiedenen Daten im Internet gibt und hatte mich nur gefragt, wie man damit im Unterricht umgeht.

    Ich würde nur selten auf die Idee kommen, ich habe Tabellenwerke im Klassenraum und da weiß ich was stimmt. Wild im Internet suchen hat immer Gefahren.

    Bzw. je nach Klasse muss ich halt schauen, dass ich sie richtig hinführe oder erwarte, dass die SuS selbst merken, dass manches nicht stimmen kann.

  • and has a low density 88 kg m-3 (0.088 g cm-3).

    88 kg pro Kubikmeter sind doch nicht 0,088 g pro Kubikzentimeter??!! kg => g Faktor 1000, m^3 => cm^3 Faktor 1.000.000 oder ???


    Es ging um die reine Umrechnungsmathematik

  • and has a low density 88 kg m-3 (0.088 g cm-3).

    88 kg pro Kubikmeter sind doch nicht 0,088 g pro Kubikzentimeter??!! kg => g Faktor 1000, m^3 => cm^3 Faktor 1.000.000 oder ???


    Es ging um die reine Umrechnungsmathematik

    Die ist doch völlig korrekt. 0.088 g x 1000000 = 88000 g in einem Kubikmeter, also 88 kg in einem Kubikmeter. In der Physik wird gerne mit kg/m^3 gerechnet weil SI, Chemiker*innen rechnen lieber mit g/cm^3, weil's besser zum Laboralltag passt.

  • Also...


    Holleman-Wiberg

    Lehrbuch der anorganischen Chemie 71. - 80. Auflage, Berlin 1971


    ...gibt auf Seite 547 oben den Siedepunkt von Bor mit "etwa 2550°" an.

    Ich nehme mal an, dass °C gemeint sind.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Du solltest dir echt keine Gedanken um die "Exaktheit" von Zahlen machen, dein Problem ist offensichtlich ein ganz anderes. Es gibt verschiedene Aggregatszustände, davon hast du sicher gehört. Und auch, dass die Dichte eine druckabhängige Grösse ist, nehme ich an. Ich halte mich jetzt lieber zurück. :rolleyes:

  • oh ja, davon habe ich sicher schon mal in meinem Hochschulstudium gehört....

    Aber bei den beiden von mir erwähnten unterschiedlichen Werten steht nichts vom Druck, auf den sich das beziehen würde. Das sollte dann doch wohl dabei stehen.

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