Notenfreie Grundschule

  • Genau das! Manche wollen von mir sogar für Übungsaufsätze eine "Pseudo"-Note haben, obwohl sie eigentlich meine Bemerkungen und Hinweise lesen sollten, woran sie noch arbeiten können.

    Du weisst aber schon, dass das nichts weiter als Konditionierung ist, oder? Ich käme niemals damit durch, auf eine Prüfung, eine Maturarbeit oder sonst irgendeinen Leistungsnachweis einfach nur eine Ziffernnote zu schreiben. Wenn ich da kommentarlos eine 4.0 hinschreibe, kommt garantiert die berechtigte Rückfrage "Können Sie mir bitte erklären, wofür Sie die Abzüge gemacht haben?". Ich käme gleichermassen nicht damit durch einfach 40/60 Punkten oder sowas hinzuschreiben. Unsere Schüler*innen wissen alle, wie man Noten ausrechnet, dann machen sie aus dem Quotienten halt selbst die 4.0. Ohne Begründung fressen sie aber weder das eine noch das andere. Sie sind es so gewöhnt, dass die Note bzw. der Abzug erklärt wird und den meisten ist es schlichtweg wurscht, ob da eine 4.0 oder eine 6.0 steht, solange sie nachvollziehen können, warum. Bestanden ist bestanden. Wenn es in Richtung Matura geht, haben ein paar wenige Schüler*innen den Ehrgeiz, dass am Ende eine 5.4 im Schnitt rauskommt, weil sie dann an der Abschlussfeier auf der Bühne für irgendeine Preisverleihung stehen. Die Mehrheit will einfach nur studieren gehen und dafür tut es das 4er Zeugnis. Maturarbeiten sind immer so eine Sache, da fällt es vielen schwer zu verstehen, dass viel Aufwand nicht automatisch zu einer guten Bewertung führt. Es ist auch da vollkommen egal, ob die Bewertung in Worten oder in Ziffernnoten gut oder schlecht ist, die Ziffernnote muss ich ja sowieso im Gespräch begründen.


    Ich schrieb es auch in allen anderen Diskussionen zu diesem Thema schon: Es ist egal, ob ich eine wortreiche Rückmeldung mache, die am Ende übersetzt heisst "das war jetzt es bizzeli scheisse" oder eine 2.0 als Note hinschreibe. Scheisse ist scheisse, die entsprechende Positivkorrektur der Prüfung samt Ziffernnote ist einfach nur erheblich weniger Aufwand als am Ende das ganze blablubb ins Zeugnis schreiben zu müssen.


    das argument, später haben sie auch noten, finde ich käse. jeder moment ohne noten tut gut.

    Ja, das finde ich schlichtweg Käse. Die Enttäuschung ist gerade bei Maturarbeiten oftmals ungleich grösser, wenn ich im Detail erkläre, was alles nicht gut war als würde ich einfach nur die Ziffernnote hinschreiben. Wenn eine Schülerin eine schlechte Leistung abgeliefert hat, schwurble ich doch nicht irgendwas daher, dass das eigentlich alles ganz toll war, dann steht auch in einem Wortgutachten, dass die Arbeit mangelhaft war. Vielleicht machst du das an der Grundschule ja so, damit's keine Tränchen gibt. Dann wundere ich mich aber auch nicht mehr, woher die teils echt krasse Selbstüberschätzung bei älteren Jugendlichen kommt.

  • Eine Progression hin zu Noten im Verlaufe der Schulzeit finde ich auch in Ordnung, denn es stimmt, dass diese eben für die Gesellschaft eine wichtige Funktion einnehmen; ob es einem gefällt oder nicht. In der Grundschule findet diese Progression wie beschrieben von reinen Berichtszeugnissen zu reinen Notenzeugnissen statt. Ich würde aber neben der längeren Grundschulzeit auch für eine spätere Ein- und Hinführung zu Noten plädieren.

  • Ich betrachte das nicht als "Progression". Eine Leistungsbeurteilung sollte immer auch ein Feedback enthalten aus dem hervorgeht, was gut gemacht wurde und was es zu verbessern gibt. Ich habe bei einem meiner Informatik-Übungsblätter an der Uni grad auch 2 x reklamiert, weil es kein verständliches Feedback gab, warum mir eine halber Punkt gefehlt hat. Dass der halbe Punkt fehlt, ist nicht mein Problem, das Problem war, dass ich nicht weiss, was ich übersehen habe. Die Ziffernnote ist am Ende nur eine Übersetzung des Feedbacks in eine Zahl, die binär zwischen "bestanden" und "nicht bestanden" unterscheidet. Am Ende der Primarschule muss nach irgendeinem Kriterium über den Übertritt an eine weiterführende Schulform entschieden werden, am Ende des allgemeinbildenden Gymnasiums muss über die Möglichkeit des Übertritts an eine Universität entschieden werden. So einfach ist das im Grunde.

  • Bei uns gibt es jetzt Vorlagen für Förderpläne, weil diese online erstellt werden, früher waren sie formlos. Die Person, die die Vorlage erstellt hat, hat einen Bereich "Stärken des Schülers" vorgegeben und ansonsten Platz für Förderziele und Maßnahmen gelassen.


    Früher konnte ich den Iststand in einem Bereich angeben und das Ziel, wo es hingehen soll, das war einfach mal konkret beschreibend und konstruktiv. Jetzt muss man sich eine Stärke ausdenken (was soll das sein? Freundlichkeit? Sportlichkeit?) und dann im nächsten Feld hinschreiben, was alles nicht läuft. Genau das, wovon wir eigentlich weggekommen waren oder zumindest ich war an dem Punkt vor 15 Jahren schon.


    Wortgutachten müssen weder verschleiern noch niederschmetternd sein, die sollen beschreiben, was vorhanden ist und was fehlt und angegangen werden sollte. Noten sagen ohne Kontext nichts aus und wenn Kinder die haben wollen, dann weil sie es rundrum so sehen oder die Eltern das wollen. Kinder wollen allenfalls eine 1, keine Noten.

  • Aber die Kinder sind ja nicht doof. Bei Präsentationen, die die Schüler in der Schule selbst erarbeiten und vorstellen gebe ich keine Noten, sondern habe so Ankreuzbögen. Da sehen sie doch auch, ob sie gut oder schlecht sind und vergleichen sich. Meist fragen sie sogar, welche Note das denn nun wäre. Ich druckse dann immer herum.... Bei uns freuen sich eigentlich die Kinder, dass sie in Kl. 3 endlich Noten bekommen (in Kl. 2 geht es zum 2. Halbjahr mit Noten in De und Ma los).


    nihilist: Nitchtsdestotrotz gefällt mir, was du schreibst.

    jetzt kenne sie ja auch noch die noten aus dem system. wenn man einige dekaden lang keine gibt, wird diese umrechnerei verschwinden.

  • Umrechnerei würde verschwinden, aber ich würde behaupten, dass ein gewisser Grad Kompetitivität in den meisten Menschen steckt. Noten kann man genauso vergleichen wie Smileys, Kreuze in Kompetenzrastern oder Berichtzeugnisse. In dem Moment, in dem du bewertest, wird dieses Ergebnis immer auch interpreriert und in Kontext gesetzt.

  • ja klar, sie können und werden noch sagen "ich habe mehr aufgaben richtig gerechnet als fritz". aber das schmerzt weniger als diese zahl aus 6 möglichen zahlen, die mit zu hoher bedeutung aufgeladen sind. außerdem werden sie kaum bei jedem kind rumgehen und alle aufgaben checken. aber die note kommuniziert sich durch hochgehaltene finger oder eine einzige silbe sehr schnell.

  • Wettbewerb bringt aber nichts, solange er zu nichts anspornt oder ist sogar kontraproduktiv, wenn man nur begrenzt Einfluss auf die eigene Leistung hat. Wer als Sportler gewinnen will, weil er besser als andere sein möchte, trainiert mehr. Wer sich gut nach dem Sport fühlt, einfach nur Spaß daran hat, sich zu bewegen oder mehr kg stemmen will, trainiert auch mehr.


    Wer die Rückmeldung bekommt: du hast eine 4, die anderen eine 2, trainiert in aller Regel nicht mehr. Beim Sprint oder Hochsprung kann man keine riesen Veränderungen erzielen, sicher keine bis zur nächsten Leichtathletiknote. Die 4 bringt einen auch nicht um, sie ist halt eine Rückmeldung, nicht so dolle zu sein, bei dem was gerade gefordert war.


    Im Gymnasium kann das anders sein, da muss man halt auch üben oder sich hinsetzen und etwas gezielt nachvollziehen, sprich: lernen, wenn man irgendwas nicht verstanden hat. (Ob einen die Leistung der anderen da anspornt, weiß ich nicht, glaube ich nicht). In der Grundschule hat die eigene Anstrengung jedoch noch eher begrenzten Einfluss. In der Förderschule jedenfalls ist das ganz sicher so.

  • Vielleicht machst du das an der Grundschule ja so,

    … weil es eine Vorgabe gibt, dass es positiv formuliert sein soll.

    Daraus entstehen über die Jahre merkwürdige Texte bzw. Floskeln, die positiv zum Ausdruck bringen sollen, dass das Kind in einem oder vielen Teilbereichen die Leistung nicht erbringen kann oder weit hinter den eigenen Möglichkeiten bleibt.

  • Früher konnte ich den Iststand in einem Bereich angeben und das Ziel, wo es hingehen soll, das war einfach mal konkret beschreibend und konstruktiv. Jetzt muss man sich eine Stärke ausdenken (was soll das sein? Freundlichkeit? Sportlichkeit?)

    Wir haben auch ein solches Programm zur Verfügung, mich nervt das auch eher, weil man vor lauter Teilbereichen und Möglichkeiten nicht mehr auf den Punkt kommt.


    Mein Stärken-Lieblingssatz: xy kommt selbstständig aus der Pause zurück in den Klassenraum. (Den Satz habe ich in dem Programm gefunden).

  • ja klar, sie können und werden noch sagen "ich habe mehr aufgaben richtig gerechnet als fritz". aber das schmerzt weniger als diese zahl aus 6 möglichen zahlen, die mit zu hoher bedeutung aufgeladen sind.

    Das stimmt doch einfach nicht. Wenn Fritz mehr Aufgaben richtig gerechnet hat als ich, dann ist der Fritz halt schlauer als ich. Die Erkenntnis bleibt immer die gleiche: Ich kann weniger als Fritz. So ist halt einfach das Leben, es können nicht alle das gleiche und gleich gut.



    Wer die Rückmeldung bekommt: du hast eine 4, die anderen eine 2, trainiert in aller Regel nicht mehr. Beim Sprint oder Hochsprung kann man keine riesen Veränderungen erzielen, sicher keine bis zur nächsten Leichtathletiknote. Die 4 bringt einen auch nicht um, sie ist halt eine Rückmeldung, nicht so dolle zu sein, bei dem was gerade gefordert war.

    Der Vergleich mit den Sportnoten ist an der Stelle wirklich schlecht weil der Benotung im Sportunterricht eine ganz eigene Problematik zugrunde liegt. Die Bewertungsraster müssten überdacht werden aber weil das im Grunde keiner machen will, zählt bei uns am Gymnasium Sport einfach gar nicht erst als promotionsrelevante Note. Weiss ich, dass das in Deutschland anders ist, bleibt aber das gleiche Problem, das mit anderen Fächern nicht vergleichbar ist.



    In der Grundschule hat die eigene Anstrengung jedoch noch eher begrenzten Einfluss. In der Förderschule jedenfalls ist das ganz sicher so.

    Die eigene Anstrengung hat egal an welcher Schulform immer nur begrenzten Einfluss. Deshalb schicken wir auch nicht alle Primarschulkinder in den progymnasialen Ausbildungszweig der Sek I sondern 75 % davon ins mittlere und tiefste Leistungsniveau. Wer so vehement gegen Ziffernnoten ist, negiert schlussendlich dass nicht alle Menschen die gleichen kognitiven Fähigkeiten am Start haben und das ist völlig an der Realität vorbei. Es ist egal, welche Art von Rückmeldung du gibst. Du solltest sie differenziert geben, aber ob du am Ende erklärst, woher die 4 kam oder ohne die 4 auszuschreiben irgendein ellenlanges blablubb schreibst, ändert nichts daran dass eine 4 nichts weiter als eine durchschnittliche Leistung ist.

  • … weil es eine Vorgabe gibt, dass es positiv formuliert sein soll.

    Daraus entstehen über die Jahre merkwürdige Texte bzw. Floskeln, die positiv zum Ausdruck bringen sollen, dass das Kind in einem oder vielen Teilbereichen die Leistung nicht erbringen kann oder weit hinter den eigenen Möglichkeiten bleibt.

    Eben:


    Dann wundere ich mich aber auch nicht mehr, woher die teils echt krasse Selbstüberschätzung bei älteren Jugendlichen kommt.

    Gewonnen ist also gar nichts. Oder doch, vielleicht für euch schon, die Tränchen werden dann halt bei uns vergossen wenn man den jungen Leuten sagen muss ... äh, sorry, nein, du kannst das nicht.

  • ... Es ist egal, welche Art von Rückmeldung du gibst. Du solltest sie differenziert geben, aber ob du am Ende erklärst, woher die 4 kam oder ohne die 4 auszuschreiben irgendein ellenlanges blablubb schreibst, ändert nichts daran dass eine 4 nichts weiter als eine durchschnittliche Leistung ist.

    Die Frage ist doch, welches Ziel die Rückmeldung hat.


    Gymshark hat was von Wettbewerb geschrieben, der dem Menschen innewohnte, Noten also zwingend nötig seien, um Kinder anzuspornen. Daher der Vergleich zum Sport.


    Will ich den Eltern mitteilen, dass ihr Kind mehr lesen üben soll, dann mache ich das halt, dazu bräuchte es keine Noten. Versteht ein Kind aber die Matheaufgaben nicht oder hat es eine LRS, dann nutzen alle Noten nichts.


    Da Eltern in aller Regel die Lehrpläne nicht kennen, machen Noten doch nur Sinn, wenn man ihnen mitteilt, wo es hapert. Bei Jugendlichen entsprechend.

  • … weil es eine Vorgabe gibt, dass es positiv formuliert sein soll.

    Daraus entstehen über die Jahre merkwürdige Texte bzw. Floskeln, die positiv zum Ausdruck bringen sollen, dass das Kind in einem oder vielen Teilbereichen die Leistung nicht erbringen kann oder weit hinter den eigenen Möglichkeiten bleibt.

    Aber warum entstehen diese Floskeln?

  • Quittengelee ich glaube, wir sind uns im Grunde völlig einig, wir gehen nur bei den Formalitäten auseinander. Du unterrichtest weniger Schüler*innen als jemand an einer weiterführenden Schule, für dich ist es vielleicht leistbar, für alle ein individuelles Wortgutachten zu schreiben. Ich korrigiere meine Prüfungen mit entsprechendem Feedback und schreibe eine Note drauf. So kommen wir beide eigentlich zum gleichen Resultat.


    Aber warum entstehen diese Floskeln?

    Das ist der Zeitgeist. Man möchte den Kindern und Jugendlichen die Erkenntnis nicht zumuten, dass nicht alle gleich schlau sind. Es ist aber schlichtweg gelogen, das zu behaupten. So zerstört man junge Menschen wirklich. Woher kommen wohl all die depressiven, an sich selbst zweifelnden Jugendlichen. Denen wird den lieben Tag lang vorgeschwurbelt, sie sind supertoll und dann kommt zwangsläufig irgendwann die bittere Einsicht ... oh, ups, doch nicht. Dem liegt ein ganz arges Missverständnis zugrunde. Positives Feedback ist nicht "du kannst alles, wenn du dich nur genügend anstrengst". Man muss anhand der individuellen Stärken den besten Weg für das Kind bzw. den Jugendlichen aufzeigen. Schau, die Differentialrechnung, die sich die Gymis einpfeifen müssen, sprengt dir leider das Hirn. Das macht aber nichts, du kannst dies, das, jenes wirklich gut, du kannst sicher die FMS eintüten und an die Fachhochschule studieren können. So. Die Enttäuschung, dass andere schlauer sind, bleibt, aber man kann trotzdem optimistisch in die Zukunft schauen.

  • Positives Feedback ist nicht "du kannst alles, wenn du dich nur genügend anstrengst". Man muss anhand der individuellen Stärken den besten Weg für das Kind bzw. den Jugendlichen aufzeigen.

    Ja! Das ist so wichtig!! Nicht jeder kann alles, aber jeder kann etwas.

  • Ich habe bei einem meiner Informatik-Übungsblätter an der Uni grad auch 2 x reklamiert, weil es kein verständliches Feedback gab, warum mir eine halber Punkt gefehlt hat. Dass der halbe Punkt fehlt, ist nicht mein Problem, das Problem war, dass ich nicht weiss, was ich übersehen habe.

    Völlig OT: Ich sehe grade, dass mir die 0.5 Punkte gutgeschrieben wurden, es haben offenbar noch andere reklamiert, dass die Bewertung nicht transparent war. Ich denke, wenn man Kindern und Jugendlichen als Lehrpersonen wirklich was Gutes in dem Punkt tun will, muss man ihnen frühzeitig beibringen, dass sie ein Recht auf Transparenz haben. Wenn sie nicht verstehen, wofür es Abzug gibt, dürfen sie nachfragen und wenn ich mich als Lehrperson nicht ausreichend erklären kann, liegt das Problem auf meiner Seite, nicht auf der Seite der Schüler*innen. Dazu gehört rumgedreht aber auch, dass ich als Lernende 1. die Fachkompetenz der bewertenden Person nicht pauschal anzweifle und dass ich 2. verstehe, dass die Bewertung meiner Leistung in Bezug auf eine bestimmte Aufgabenstellung keine persönliche Kritik an meiner Person ist. Punkt 1 setzt ja schon voraus, dass ich einsehe, es gibt Menschen, die können und wissen mehr als ich.

  • - kinder wollen sich dann auf einmal nicht mehr helfen, sondern übertrumpfen, angeben und verlierer produzieren.

    - eltern machen so ein peinliches geschiss um noten. manche schimpfen wegen einer 2 und fragen mich: "warum hat mein kind in lesen eine 2?" (ich antworte: "weil es gut liest!")

    - außer der 2 tun meiner meinung nach noten der persönlichkeit nicht gut. die 1 macht selbstherrlich, alles unter 2 nagt am selbstbewusstsein.

    Alles unter 2 nagt am Selbstbewusstsein und 1 macht selbstherrlich? Das ist aus meiner Sicht nicht ein Problem der Existenz von Noten, sondern des Umgangs damit - und der Noteninflation der letzten Jahre. Warum sollte es selbstherrlich machen, wenn ich einem Kind mit einer 1 spiegele, dass es eine hervorragende Leistung erbracht hat? Das bedeutet ja nicht, dass ich sonst kritiklos bin. Und warum sollte alles jenseits der 2 zu Problemen mit dem Selbstbewusstsein führen? Ich erlebe das nicht so, höchstens wenn Eltern es dem Kind so vermitteln (aber das ist kein Problem der Noten an sich). In Hessen gibt es für die einzelnen Notenstufen auch Definitionen:

    1.

    sehr gut (15/14/13), wenn die Leistung den Anforderungen in besonderem Maße entspricht,

    2.

    gut (12/11/10), wenn die Leistung den Anforderungen voll entspricht,

    3.

    befriedigend (9/8/7), wenn die Leistung im Allgemeinen den Anforderungen entspricht,

    4.

    ausreichend (6/5/4), wenn die Leistung zwar Mängel aufweist, aber im Ganzen den Anforderungen noch entspricht,

    5.

    mangelhaft (3/2/1), wenn die Leistung den Anforderungen nicht entspricht, jedoch erkennen lässt, dass die notwendigen Grundkenntnisse vorhanden sind und die Mängel in absehbarer Zeit behoben werden können,

    6.

    ungenügend (0), wenn die Leistung den Anforderungen nicht entspricht und selbst die Grundkenntnisse so lückenhaft sind, dass die Mängel in absehbarer Zeit nicht behoben werden können.


    (Bürgerservice Hessenrecht - § 73 SchulG HE 2017 | Landesnorm Hessen | Bewertung der Leistungen und des Arbeits- und Sozialverhaltens | § 73 - Bewertung der Leistungen und des Arbeits- und Sozialverhaltens | gültig ab: 01.08.2017 | gültig bis: 16.12.2022).


    Wenn Beschwerden kommen, warum "nur" eine 2 oder eine 3 gegeben wurde, verweise ich auch einmal auf diese Definitionen.

  • Meine Perspektive ist einfach eine andere.

    Weil ich in Berichtszeugnissen - die in Klasse 1+2 die Eltern lesen, nicht die Kinder - positiv formuliere, dass ein Kind erste Dinge bereits kann, zerbricht daran nicht das Kind, aber es erhebt dieses Kind auch nicht in eine rosa Wolke der Selbstüberschätzung.

    Die Kinder wissen schon recht genau, was sie können und was nicht. Die Rückmeldung ist ja nun auch wirklich nicht allein auf ein Zeugnis begrenzt.


    Hinzu kommt für mich auch eine andere Vorstellung von Begabung hinzu: Es ist eben nicht so, dass man sehr vielen Kindern von Anfang an bescheinigen müsste, sie seien schlicht zu begrenzt in ihren kognitiven Fähigkeiten. Und ebenso muss man denen, die locker Leistungen erfüllen können, auch nicht unentwegt vermitteln, sie seien ohne ihr Zutun besonders intelligent und deshalb so gut. Beides stimmt in den meisten Fällen nicht und ist für den Lernprozess eher schädlich. Für diejenigen, die einen schwierigeren Start haben, ist es gerade sinnvoll, sie darin zu unterstüzten, das aufzuholen, was ihre Sozialisation bisher nicht vorgesehen hat: Lernen lernen, Strukturiert vorgehen ... Ein Stück weit kann Schule da aufholen. Für die, denen alles zuzufallen scheint, ist es gerade wichtig, dass sie herausgefordert werden, an ihre Grenzen gelangen und erfahren, dass auch sie sich für manches anstrengen müssen, um überhaupt eine Vorstellung von Lernen und Anstrengung zu entwickeln und nicht erst in späteren Jahren auf die Nase zu fallen, weil Anwesenheit allein nicht länger ausreicht. Gerade darum sind die ersten Jahre in der Schule so bedeutend.

    Man hat 4 Jahre Zeit, das herauszubekommen, herauszukitzeln, zu erlernen, dazu gehören viele Rückmeldungen, viel Training ... und ja, nach 4 Jahren zeigt sich dann auch, welche Schulform geeigneter erscheint. Aber auch das ist noch nicht die Ansage, dass x das Abi schafft und y nicht, sondern vielleicht eher, dass x es über einen anderen Weg besser erreichen kann als y.


    Die Beurteilungen in den Berichtszeugnissen haben sich in den letzten Jahren nicht sonderlich verändert. Warum es Floskeln gibt? Weil es doch irgendwie vergleichbar sein soll und weil auch Lehrkräfte Leistungen vergleichen und dann Ähnliches schreiben ... warum soll ich mir das jedes Mal neu ausdenken? Ich habe eine Baustein-Datei, aus der ich schöpfe und dann individuell abändere. Das ist dennoch sehr viel Aufwand und ich merke, dass viele Eltern nicht verstehen, was gemeint sind. Vielleicht sind dann Ankreuzzeugnisse doch die bessere Wahl, da verständlicher und ggf. mit weniger Aufwand verbunden?


    Was mir zu denken gibt: Kritik an den Kindern kommt bei den Kindern UND bei den Eltern nicht an. Ich erlebe es so, dass Eltern früher Leistung weit wichtiger genommen haben, stärker nachgehakt haben, erreichbarer waren, dem Kind viel deutlicher die Grenzen gesetzt haben, wenn es notwendig war. ... die Elternsprechtage nahen, ich bin gespannt, wie es wird.

  • Was meint ihr? Kann man in der Grundschule auf Zensuren verzichten? Welche Pros und Cons würdet ihr anführen?

    Cons:

    • Selektion nach Klasse 4 zum Gymnasium bzw. zur IGS könnte rechtlich problematisch werden.
    • Wie werden Umzüge in andere Bundesländer gehandhabt?
    • Wie wollt ihr verhindern, dass bei den Betichtszeugnissen die Eltern in großer Anzahl kommen und fragen: „Und welcher Note entspricht das jetzt?“

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