Angst im Referendariat

  • Irgendwie ist das negativ konnotiert, wieso?

    Weil Methoden- und Arbeitsblattfeuerwerk völlig unnötig ist, zeitverschwendet, keinem Spaß macht, wenig zum Lernerfolg beiträgt. Zumindest habe ich das für mich so festgelegt. Deswegen habe ich das mal versucht, aber danach nie mehr gemacht, auch in Prüfungen nicht.

  • Gibt es hier vielleicht jemanden, dem es ähnlich ging?

    Die Frage muss lauten: Gibt es hier jemanden, dem es nicht so ging ;)
    Deine Klage ist Legion.

    Der Wechsel vom Studium ins Ref ist ein mehrfacher Bruch:
    - Du bist fremdbestimmt und unterliegst (subjektiv) ständiger Kontrolle.

    - Du bist einerseits selbständig verantwortlich, Lehrkraft und "Chef im Ring" - auf der anderen Seite jedoch als "Zwitterwesen" noch in einer Schülerrolle.


    Das Referendariat ist vor allem eins: Es ist ein Test auf Stressresistenz. Da hilft jedoch auch "ooooohmmmm" - durchatmen, längerfristig mit einem guten Stoffverteilungsplan vorausplanen und dazu bereits Materialien und Infos für Themen sammeln, die vielleicht erst in ein paar Monaten "fällig sind" - dir jedoch gerade vor den Schirm kommen.


    Nimm Sätze von KuK nicht sofort persönlich. Das sind auch nur Menschen, die manchmal unbedacht etwas äußern. Gib ihnen nicht zu viel Macht über dein Befinden. Und schon gar nicht Eltern oder Schülern. Falls Kritik kommt, sortiere die in 2 Kategorien:
    - nachdenkenswert
    - Ablage P, abhaken


    Du kannst - um deine Lehrerrolle - und deine Eignung selbstktitisch zu hinterfragen - auch Onlinetools verwenden. Einige Links dazu findest du (neben "Notausgängen") hier:
    https://www.autenrieths.de/lehrerberuf.html

    Zu wissen, dass man nicht in ein schwarzes Loch fällt, falls man den Beruf wechselt, hilft.
    Andererseits hilft auch zu wissen, dass der Lehrerberuf NACH dem Referendariat völlig anderes ist. Vielfältig, abwechslungsreich, spannend, manchmal stressig aber in der Regel eine sinnvolle Tätigkeit mit spaßigen Momenten ist. Und "auskömmlich" bezahlt.

    «Wissen – das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt.» (Marie von Ebner-Eschenbach)
    Meine Beiträge können Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten

  • Die Frage muss lauten: Gibt es hier jemanden, dem es nicht so ging ;)

    Nein, das ist nicht die Frage. Der/die TE schrieb:


    ..., dass mein Gehirn denkt "Dieses Thema/diese Hürde ist jetzt endgültig die Stufe, an der du entlarvt wirst ald jemand, der hier nicht hingehört". Das macht einfach alles schwer!


    Ich glaube, der Perfektionismus ist wirklich ein großes Thema. Ich möchte keine Fehler machen und den SuS nicht schaden...

    Das sind nunmal Symptome mit krankheitswert. Panikattacken sind aber zum Glück gut behandelbar und kein Grund, an seiner Berufswahl zu zweifeln.

  • Die Frage muss lauten: Gibt es hier jemanden, dem es nicht so ging ;)

    *meld, fingerschnips* Ja, hier.

    Natürlich gab es Unsicherheiten, das flaue Gefühl im Magen und Hektik vor Prüfungsstunden, das kennt wohl jede/r hier aus dem Referendariat.

    Aber:

    Ich habe fast jeden Tag Angst im Magen, habe Schlafprobleme und werde von Panikattacken gebeutelt.

    Die Angst hält mich also weiterhin fest im Griff und ich weiß nicht, ob ich dieses Gefühl auf Dauer durchhalte. Mein Blick auf die Realität wird ja auch komplett durch die Angst getrübt. Mich plagen viele Fragen: Bin ich überhaupt für den Lehrerberuf geeignet?

    Das geht weit über das hinaus, was die meisten hier kennen (hoffe ich), und deshalb ist Hilfe von außen (Therapie) wohl nötig. Bei Onlinetools wäre ich sehr skeptisch.

  • Ich habe den Eindruck, dass Du sehr perfektionistisch bist und evtl. versuchst durch die angestrebte Perfektion Deine Unsicherheit in den Griff zu bekommen. Das soll kein Vorwurf sein, nur eine mögliche Erklärung. (Mir ging es zu Beginn meiner Berufstätigkeit auch so.)

    Es darf so sein, dass Du fachlich und didaktisch noch nicht alles perfekt drauf hast. Das kann zu Beginn des Refs ja noch gar nicht möglich sein. ;)

    Du musst nicht jede Frage der SuS beantworten können. Du kannst später nachschauen und in der nächsten Stunde die Antwort geben. (Das habe ich sehr oft gemacht.)

    Du darfst an dem Punkt stehen, an dem Du gerade stehst. Du musst keinen Millimeter weiter sein.

    Vielen Dank für die aufmunternden Worte! :)

    Diese Einschätzung teile ich ebenfalls. Leider funktioniert die Strategie, dass man mit angestrebter Perfektion Unsicherheiten in den Griff bekommt im Referendariat nicht. Dafür ist der Job zu komplex und die Anforderungen zu hoch und vielseitig. Was der eine Fachleiter liebt, ist des anderen Graus und man befindet sich permanent in einem Balanceakt.


    Wären nur diese fiesen körperlichen Angstreaktionen nicht. Mir graut es abends vor dem Schlafengehen schon vor dem nächsten Morgen, weil ich immer zwischen 4-5 Uhr morgens wach werde und Bauchschmerzen bis hin zu Erbrechen habe. Dazu kommt noch das Gedankenkarusell und die Panik in der Brust. Diese Ausfallerscheinungen machen mir das Leben einfach schwerer als nötig.. :(

  • In NRW haben wir Kernseminarleiter, die einen nicht bewerten aber vom ZfsL sind und die für solche Probleme eine Anlaufstelle sind. Die kennen auch die Problematiken und den Praxisschock vieler Reffs.

    Bei uns gibt es auch ein Coaching-Angebot, das ich wahrnehme. Ich kämpfe gerade an vielen Fronten gegen die Angst (Therapie, Coaching, Hypnose, Meditation, pflanzliche Wirkstoffe zur Beruhigung), kann aber aktuell keine Besserung wahrnehmen. Vor einigen Wochen hatte ich das Gefühl, dass ich mich leicht beruhige, aber jetzt in den Herbstferien befinde ich mich in einem dauerhaften Kampf. Jeden Tag überkommt mich dieses fürchterliche Angstgefühl. Viele meiner Mit-Refis waren in den Herbstferien 10 (!) Tage im Urlaub und haben kaum etwas für die Schule gemacht. Ich habe ein paar Tage nichts gemacht und fühle mich wahnsinnig schlecht und meine Angst redet mir ein, dass wenn etwas schief läuft in naher Zukunft, dann deswegen.. Es ist so anstrengend..

  • Der Wechsel vom Studium ins Ref ist ein mehrfacher Bruch:
    - Du bist fremdbestimmt und unterliegst (subjektiv) ständiger Kontrolle.

    - Du bist einerseits selbständig verantwortlich, Lehrkraft und "Chef im Ring" - auf der anderen Seite jedoch als "Zwitterwesen" noch in einer Schülerrolle.

    An diesem Praxisschock habe ich sehr zu knabbern und wahrscheinlich habe ich mich auch schon während des Studiums verrückt machen lassen von den ganzen Horrorgeschichten aus dem Ref. Und zurzeit ist es für mich der absolute Horror, aber nicht weil meine Fachleiter so furchtbar sind, sondern weil die Angst mich so fest im Griff hat.


    Danke für den Tipp mit den Stoffverteilungsplänen!

    Ich finde es aktuell noch recht schwer zügig durch die Units zu kommen und hänge im Vergleich zu den KollegInnen in den Parallelklassen hinterher.. Da muss ich mir für die Zukunft auch noch etwas einfallen lassen.

  • Mir ging es mit Englisch im Ref ähnlich - man selbst nutzt Sprache ja irgendwann sehr intuitiv und von den ganzen Sek I Grammatikthemen hätte ich kaum eines spontan erklären können. Ich hatte damals eine Klasse 7 und eine 8 und musste ebenfalls jedes Grammatikthema erstmal gezielt selbst erarbeiten. Das gehört zum Job und ist normal - wenn du das Ganze 2-3x unterrichtet hast, wird es auch bei dir selbst sitzen. Die Phase, in der man trotz Vorbereitung selbst noch ein wenig unsicher ist, muss man aushalten.


    Verabschiede dich außerdem von dem Gedanken, dass die Arbeit mit den eingeführten Büchern und Workbooks "schlecht" sei. Die Eltern haben das Zeugs gekauft und erwarten, dass damit gearbeitet wird. Gerade in der Fremdsprache macht das auch absolut Sinn, denn das Material gibt einen strukturierten Aufbau von Wortschatz und sprachlichen Strukturen vor. Methodenvielfalt findest du dort ebenfalls. Man kann dazu mal ein Arbeitsblatt oder eine übersichtlichere Zusammenfassung von beispielsweise Grammatik o.ä. ergänzen, aber grundsätzlich ist es schon sinnvoll und vor allem funktional, mit dem Lehrwerksmaterial zu arbeiten.

  • Verabschiede dich außerdem von dem Gedanken, dass die Arbeit mit den eingeführten Büchern und Workbooks "schlecht" sei. Die Eltern haben das Zeugs gekauft und erwarten, dass damit gearbeitet wird. Gerade in der Fremdsprache macht das auch absolut Sinn, denn das Material gibt einen strukturierten Aufbau von Wortschatz und sprachlichen Strukturen vor. Methodenvielfalt findest du dort ebenfalls. Man kann dazu mal ein Arbeitsblatt oder eine übersichtlichere Zusammenfassung von beispielsweise Grammatik o.ä. ergänzen, aber grundsätzlich ist es schon sinnvoll und vor allem funktional, mit dem Lehrwerksmaterial zu arbeiten.

    Das kann ich nur unterstreichen. Es ist auch für die Schüler wichtig, damit sie wissen, was geleistet wurde und was noch im Schuljahr abzuarbeiten ist. Zudem kann es - gerade als Anfänger - mit selbst erstelltem Material geschehen, dass man Wissen voraussetzt, das zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht behandelt wurde.
    Zum Stoffverteilungsplan: Aus deinem Profil geht das Bundesland leider nicht hervor. Vor vielen Jahren, als ich neu an eine Schule gekommen war, habe ich ein Tabellensystem zur Erstellung der Stoffverteilungspläne erstellt. Du findest die aktuelle Version mit den Ferien und Feiertagen für Ba-Wü hier zum kostenfreien Download:
    https://www.autenrieths.de/stoffplan.html#Stoffverteiler

    Die Tabelle ist an dein Bundesland leicht anpassbar.

    «Wissen – das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt.» (Marie von Ebner-Eschenbach)
    Meine Beiträge können Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten

  • Gibt auch Länder mit Lernmittelfreiheit.

    Workbooks zum Verbrauch müssen privat angeschafft werden - es sei denn, der Schulträger schwimmt im Geld.

    «Wissen – das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt.» (Marie von Ebner-Eschenbach)
    Meine Beiträge können Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten

  • Workbooks zum Verbrauch müssen privat angeschafft werden

    Nein!


    "Die Erziehungsberechtigten können Lernmittel selbst beschaffen, wobei hier aber Freiwilligkeit Voraussetzung ist; allerdings üben Schulen hierbei teilweise contra legem faktisch Druck auf Eltern aus, Lernmittel, insbesondere Arbeitshefte – die nach landesrechtlichen Vorgaben nicht zwingend notwendig sind – selbst zu beschaffen. Anstelle der Leihe sind Lernmittel den Schülern ganz zu überlassen, wenn Art und Zweck des Lernmittels die Leihe ausschließen (z. B. Arbeitshefte, in die Einträge vorgenommen werden sollen)."


    https://de.wikipedia.org/wiki/…it#Baden-W%C3%BCrttemberg

  • Nein!

    Doch.


    Zitat

    In Höhe eines nach Schulstufen, Schulformen und Schultypen gestaffelten Eigenanteils sind die Erziehungsberechtigten oder der volljährige Schüler verpflichtet, auf eigene Kosten Lernmittel nach Entscheidung der Schule zu beschaffen. Der Eigenanteil entfällt für Empfänger von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz.


    ebenso
    https://recht.nrw.de/lmi/owa/b…v_id=10000000000000000287

    In Niedersachsen wurde die Lernmittelfreiheit 1990 eingeführt und 2004 abgeschafft.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Lernmittelfreiheit

    «Wissen – das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt.» (Marie von Ebner-Eschenbach)
    Meine Beiträge können Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten

  • Mir ging es mit Englisch im Ref ähnlich - man selbst nutzt Sprache ja irgendwann sehr intuitiv und von den ganzen Sek I Grammatikthemen hätte ich kaum eines spontan erklären können. Ich hatte damals eine Klasse 7 und eine 8 und musste ebenfalls jedes Grammatikthema erstmal gezielt selbst erarbeiten. Das gehört zum Job und ist normal - wenn du das Ganze 2-3x unterrichtet hast, wird es auch bei dir selbst sitzen. Die Phase, in der man trotz Vorbereitung selbst noch ein wenig unsicher ist, muss man aushalten.


    Verabschiede dich außerdem von dem Gedanken, dass die Arbeit mit den eingeführten Büchern und Workbooks "schlecht" sei. Die Eltern haben das Zeugs gekauft und erwarten, dass damit gearbeitet wird. Gerade in der Fremdsprache macht das auch absolut Sinn, denn das Material gibt einen strukturierten Aufbau von Wortschatz und sprachlichen Strukturen vor. Methodenvielfalt findest du dort ebenfalls.


    Danke für deine Worte!

    Zu lesen, dass es dir ähnlich ging was die Grammatikthemen angeht, macht mir etwas Mut!

    Ich empfinde mich selbst als maximal defizitär und stelle meine KollegInnen und Mit-Refis auf ein Podest. Von der Logik her können die natürlich auch nicht alles wissen, aber meine Angst flüstert mir immer zu, dass die fast jedes Grammatikthema locker flockig aus dem Stegreif erklären können und ich nicht. Manche Unklarheiten meiner SuS verunsichern mich dann auch, weil ich versuche mich in ihre Gedankengänge zu versetzen, um zu verstehen wo der Knackpunkt liegt und es gab schon eine Situation, in der ich dann selbst ganz durcheinander war und mir gedacht habe "Ja, ihr habt Recht, das macht keinen Sinn! Warum ist das denn so?". Habe dann eine Kollegin gefragt, die Muttersprachlerin ist und selbst sie konnte darauf keine zufriedenstellende Antwort finden und meinte, "das ist einfach so! Für diese Zeitform brauchen wir das so und Ende."


    Ich glaube, von dem Gedanken muss ich mich wirklich verabschieden! Ich finde die Sachen im Buch ja auch teilweise echt gut gemacht. Ich will einfach zu viel "selbst machen", um zu beweisen, dass ich es auch wirklich kann. Ich fühle mich ja schon schlecht, einen Vorschlag meiner Mentorin für ein UB Thema umzusetzen, weil ich nicht selbst drauf gekommen bin.

  • Man kann Sprachen auch nicht immer bis ins Letzte sezieren und alles erklären... manches "ist" einfach so. Man muss sich auch ab und an daran erinnern, dass das Ziel nicht darin besteht, Schüler zu Sprachwissenschaftlern zu machen, sondern sie sollen die nötigen Strukturen erlernen und zielgerichtet anwenden können. Kein Neuntklässler weiß 3 Wochen nach der einführenden Stunde noch, was ein Partizip ist, aber im Idealfall benutzen sie es ab und an mal (bzw. tun sie in diesem Fall ja meist eh schon, bevor es überhaupt explizit thematisiert wird).



    Plattenspieler

    Meinetwegen. Tatsache ist, die Materialien sind vorhanden, also kann man sie nutzen.

  • Gibt auch Länder mit Lernmittelfreiheit.

    Sachsen zum Beispiel ist so ein Land. Workbook wird gestellt oder es gibt keins.


    Ändert aber nichts an der Tatsache, dass Workbooks hilfreiche Arbeitsmittel sein können. Ich denke, den meisten Eltern ist das Workbook auch deswegen lieb, weil sie sehen wollen, was das Kind macht und kann. Jegliche Freiarbeit und sonstige Methoden in der Schule bleiben den Eltern nämlich verborgen.

  • Ich unterrichte zwar kein Englisch, aber in anderen Fächern gibt es ja auch Arbeitshefte. Ich kann nur sagen, dass die Schüler immer gerne darin arbeiten und sehe auch nichts Schlechtes daran, egal, wer sie bezahlt hat. Oft ist es doch so, dass bereits Gelerntes in einer ansprechenden Aufmachung geübt wird und die Schüler können i.d.R. ohne große Erklärung alleine darin arbeiten. Außerdem orientiert es sich am Schulbuch und passt besser, als ausgedruckte Übungsblätter, es sei denn, man erstellt alles selbst.

Werbung