Angst im Referendariat

  • Hallo liebe Community,


    ich befinde mich zurzeit am Anfang meines Referendariats in Hessen und habe seit dem Beginn im Mai mit starken Ängsten zu kämpfen.

    Vielleicht gibt es hier jemanden, dem/der es ähnlich ging und mir einen Rat geben könnte?


    Ich hatte schon während des Studiums Bammel vor dem Ref, weil mich die Erkenntnis, dass ich im Studium wenig bis gar nichts für den Lehreralltag lerne, sehr verunsichert hat. Ich habe mich immer öfter gefragt "Wozu mache ich das alles hier, wenn ich das, was ich später im Beruf an Fachwissen und didaktischem Wissen brauche, hier nicht lerne und somit nicht kann?".


    Aus dieser Sorge ist nun ein regelrechtes Angstmonster erwachsen.

    Ich habe fast jeden Tag Angst im Magen, habe Schlafprobleme und werde von Panikattacken gebeutelt. Ich möchte aber erwähnen, dass sich das nicht auf meine SuS oder die Schule generell bezieht. Ich mag meine SuS und die Schule ist auch sehr unterstützend. Meine Betreuerin und auch die Schulleitung wissen von meiner Angst und gehen sehr offen und hilfsbereit damit um. Dennoch zeigt mein Körper diese heftigen Reaktionen, was das Ref um einiges "schlimmer" macht. Selbst ohne die Angst ist es ja schon schwer genug.


    Im Vergleich zu den anderen Refis an meiner Schule habe ich immer das Gefühl, dass mein Unterricht im besten Fall "basic" ist. Ich orientiere mich stark am Buch und gehe mit meinem SuS die Units durch. Viel Zeit und Raum für kreative Exkurse und ein wöchentliches Methoden- und Arbeitsblattfeuerwerk sehe ich nicht, weil ich auch sehr lange an der Planung der Stunden sitze. Obwohl ich mich sehr am Buch orientiere, nimmt die Planung der Stunden viel Zeit in Anspruch, weil ich versuche mich in alle Themen (besonders in die Grammatik) intensiv einzuarbeiten. Ich möchte vor der Klasse einfach keine Fehler machen und etwas falsch erklären. Daher bearbeite ich alle Aufgaben selbst und schreibe mir Merkzettel zu den einzelnen Grammatikthemen. Ich merke auch, dass ich mich ab und an im Unterricht auf Englisch verhaspel. Besonders macht mir zu schaffen, dass ich viele Bereiche der Grammatik selbst noch nicht verinnerlicht habe bzw. eine Diskrepanz zwischen dem natürlichen Sprachgebrauch und der systematischen Aufbereitung der Grammatik sehe. Ich kann nicht jedes Thema oder grammatikalische Phänomen aus dem Stegreif erklären und erwische mich ab und an, dass ich auch Fehler mache. In meinem zweiten Fach ist es ähnlich. Auch hier habe ich das Gefühl nur an der Oberfläche zu kratzen, weil ich im Vergleich zu den erfahrenen Kollegen nicht dieses breite fachliche Wissen habe.


    Außerdem habe ich das Gefühl, dass ich Unterricht als dieses komplexe System noch nicht in Gänze begriffen habe. Meine bisherigen Unterrichtsbesuche (2) wurden mit gut oder sehr gut bewertet und meine Mit-Refis sagen auch, dass den Fachleitern bereits bei den ersten beiden Besuchen aufgefallen wäre, wenn ich das System Unterricht nicht begriffen hätte, aber ich habe dennoch das Gefühl, dass da noch ganz viel fehlt. Ich gehe immer vorbereitet in meine Stunden und habe auch einen Fahrplan, aber ich schaffe es z.B. nicht immer alle SuS hinsichtlich der Mitarbeit im Blick zu haben. Ich weiß auch gar nicht genau, wie ich das beschreiben soll, aber ich habe einfach das Gefühl, dass ich Unterricht nicht als Ganzes begreife und mir deshalb wichtige Dinge entgehen.


    Ich spreche zurzeit auch mit einer Therapeutin, aber aufgrund der hohen zeitlichen Belastung im Ref, kann das auch nur alle paar Wochen stattfinden. Die Angst hält mich also weiterhin fest im Griff und ich weiß nicht, ob ich dieses Gefühl auf Dauer durchhalte. Mein Blick auf die Realität wird ja auch komplett durch die Angst getrübt. Mich plagen viele Fragen: Bin ich überhaupt für den Lehrerberuf geeignet? Kann ich diesen Beruf über Jahre ausüben? Brenne ich überhaupt für diesen Beruf oder überdeckt die Angst alles?


    Gibt es hier vielleicht jemanden, dem es ähnlich ging?


    Liebe Grüße

  • Heyhey!

    Als allererstes: du hast das Studium geschafft und bist deinem Traum ein Schritt näher! :) Auch das du in Therapie bist ist schon ein guter Schritt in die richtige Richtung.

    Am Anfang des Refs sind die Fragen die du erwähnst normal (habe zumindest sehr viele Mit-Reffis kennengelernt denen es auch so geht/ging) und leider ist auch das ständige Vergleichen für viele zu Anfang da. Da habe ich leider keine praktikablen Tipps (die hat dann vielleicht die Therapeutin) aber ich kann sagen, wir kochen alle nur mit Wasser - sowohl die erfahrenen KuK - als auch die Mit-Reffis, die sich manchmal im Stil von "Mehr Schein als Sein" profilieren müssen mit ihren Erfolgen. Was ich dir raten kann ist: mach dein Ding! Such dir 2-3 Leute im Ref mit denen du gut bist und die für dich ein offenes Ohr haben, mit denen man Sachen bequatschen kann. Das ist bei mir A und O gewesen. Und auch bei der Auswahl der Mentoren/Ausbildungsunterricht: schau, wer dir Sachen beibringen kann, bei dem du dich wohl fühlst und sprich auch mit denen über bestimmte Sorgen, um gemeinsam daran zu lernen. Fachliche Lücken haben wir nach dem Bulemie-Studium zum einen oder anderen Punkt alle, erst recht in der Oberstufe. Und es ist sehr löblich, dass du dich so detailliert auf die Stunden vorbereitest. ABER du könntest dich allein schon dadurch entlasten, dass du dir die Lehrerfassungen der Englischbücher kaufst - die haben die Lösungen schon drin und du musst die nicht selbst lösen. Auch die Grammatikzettel - die Grammatik wird für SuS hinten erklärt, ich nutze die ganz oft um es bei der Planung für mich aufzufrischen, zumal du ja auch reduziert die Grammatik beibringst (z.B. bei if clauses musst du dir nicht schon alle 3 einverleiben, wenn die SuS erstmal nur den ersten lernen).


    Auf jeden Fall wünsche ich dir Durchhaltevermögen und lehrreiche Erfahrungen. Höre auf dein Bauchgefühl und schau, wie es sich entwickelt. Mit der Zeit wird/sollte man resilienter werden - und wenn es nicht besser wird, schaut man einfach nochmal, woran es gerade liegt. Good luck :)

  • weil mich die Erkenntnis, dass ich im Studium wenig bis gar nichts für den Lehreralltag lerne, sehr verunsichert hat.

    Im Studium lernt man jede Menge, nämlich Fachwissen, was wichtig ist.

    wöchentliches Methoden- und Arbeitsblattfeuerwerk

    Irgendwie ist das negativ konnotiert, wieso?

    Besonders macht mir zu schaffen, dass ich viele Bereiche der Grammatik selbst noch nicht verinnerlicht habe

    Warst du selber im Ausland, 6-12 Monate?

    schaffe es z.B. nicht immer alle SuS hinsichtlich der Mitarbeit im Blick zu haben.

    Glaub das hat keiner.

  • Und es ist sehr löblich, dass du dich so detailliert auf die Stunden vorbereitest. ABER du könntest dich allein schon dadurch entlasten, dass du dir die Lehrerfassungen der Englischbücher kaufst - die haben die Lösungen schon drin und du musst die nicht selbst lösen. Auch die Grammatikzettel - die Grammatik wird für SuS hinten erklärt, ich nutze die ganz oft um es bei der Planung für mich aufzufrischen, zumal du ja auch reduziert die Grammatik beibringst (z.B. bei if clauses musst du dir nicht schon alle 3 einverleiben, wenn die SuS erstmal nur den ersten lernen).

    Hey! :)

    Vielen Dank für deine Antwort!


    Zu Beginn des Studiums war ich mir auch 100% sicher, dass das mein Traumberuf ist, aber durch die Angst stellt mein Gehirn das jetzt immer wieder in Frage. Die Angst klammert sich an all die negativen Bereiche des Berufs (dauerhaftes Vorbereiten, Korrekturen, nie wirklich Feierabend haben, organisatorische Zusatzbelastung, zu wenig Zeit für zu viel Stoff, teilweise zu wenig Zeit für die Vorbereitung, die mentale Belastung und und und..) und dadurch kann ich aktuell nicht wie meine Mit-Refis sagen, dass ich mir keinen anderen Job vorstellen kann. Die sind alle ganz klar und sagen "Ja, das Ref ist eine furchtbare Zeit und das Schulsystem macht den Job nicht attraktiver, aber ich kann mir nichts anderes vorstellen". Diese Klarheit und Akzeptanz der Situation habe ich leider nicht, weil mich die Angst in permanenten Widerstand versetzt.


    Interessant, dass du die Lehrerfassungen erwähnst. Die habe ich tatsächlich (auch als App) und gleiche meine Ergebnisse mit den Lösungen ab und auch da ist es mir schon im Unterricht passiert, dass SuS eine weitere "Antwort" präsentiert haben, die nicht in den Lösungen stand und dann stand ich da und wusste, dass es laut der Lösung wohl nicht stimmt, aber ich war nicht in der Lage, zu erklären warum und das sind Situationen, die mir wirklich Kummer bereiten! Die SuS wollen ja auch wissen, warum ihre Antwort falsch ist und gerade bei Grammatikkonstruktionen wie z.B. verb+object+adjective, die aus einem Text extrahiert werden sollen, finde ich es wahnsinnig schwer dann auf solche Antworten einzugehen und deshalb versuche ich mich so akribisch wie möglich vorzubereiten, aber das scheint ja auch nicht wirklich zu helfen, weil ich durch die Angst und durch das mangelnde Wissen noch sehr defizitär unterwegs bin...


    Meine Panik geht inzwischen so weit, dass ich im Alltag versuche alle Gespräche oder Aussagen, die ich im TV/Podcast etc. höre, simultan ins Englische zu übersetzen und sobald mir ein Wort nicht einfällt, muss ich es nachschlagen und in meine Vokabeltrainer-App eintragen. Bei der Grammatik ist es ähnlich. Ständig suche ich online nach Erklärungen für Grammatik, die mir in einem Satz auffällt. :-/

  • Im Studium lernt man jede Menge, nämlich Fachwissen, was wichtig ist.

    Irgendwie ist das negativ konnotiert, wieso?

    Warst du selber im Ausland, 6-12 Monate?

    Glaub das hat keiner.

    Danke für deine Antwort!


    Ich finde tatsächlich nicht, dass ich in meinem Studium sehr viel Fachwissen vermittelt bekommen habe, zumindest nicht sehr viel Wissen, dass ich in der Schule anwenden kann. In meiner 9. Klasse habe ich vor den Ferien das Thema "How to analyze statistics" durchgenommen o. bei meinen 8ern "How to write a travel report", das sind alles Dinge, die im Studium keinen Platz fanden und die ich mir jetzt selbst draufschaffen muss.


    Das Methoden- und Aufgabenfeuerwerk ist etwas negativ konnotiert, weil die Vorbereitung dieser Dinge für mich sehr viel (teilweise zu viel) Zeit in Anspruch nimmt und ich merke, dass mir die Ressourcen dafür fehlen. Ich finde es schön, das bei anderen KollegInnen zu sehen, aber mich setzt es unter Druck.


    Ich habe ein Auslandssemester in Schottland gemacht für 4 Monate. Das war leider während der Corona-Zeit sodass alle Veranstaltungen remote stattgefunden haben. So richtig austauschen konnte ich mich dort nicht und war sehr viel alleine. Es geht mir auch nicht so sehr ums Sprechen (da mache ich auch ab und ab Fehler), aber dieses strukturelle Verständnis von Grammatik. Dass man sich einen Satz anschaut oder hört und gleich alle Satzglieder, Funktionen, Wortarten, die Zeit extrahieren kann. Es ist mir unangenehm, aber ich wusste bis vor kurzem nicht, dass Partizipien im Englischen auch als Adjektive fungieren können. Habe ich sie in meinem Sprachgebrauch so benutzt? Ja, aber ohne dieses analytische und strukturelle Know-How und das macht mir eine Heidenangst..

  • das klingt für mich alles sehr bekannt. weniger in bezug auf mein sprachfach, sondern bezügl. meines sachfachs, das inhaltl. bodenlos ist. was ich nicht weiss, schaue ich nach. wenn ich die antwort nicht finden kann, gebe ich das zu. - verhaspeln tue ich mich im unterricht wenn ich sehr gestresst bin. dann atme ich tief durch, entschuldige mich und schalte mental einen gang runter. den sus ist das ziemlich egal. 💕

  • zu deinem teil mit „engl. partizipien als adjektive“: da ich kein engl studiert habe, kann ich das nicht einschätzen, aber glaub bitte nicht, dass alle fremdsprachenlehrkräfte ALLES über grammatik wissen. manchmal tut sich wo eine lücke auf, dass man nur staunt. ist dann halt so. man lernt dazu und tut sein bestes

  • Ehrlich gesagt, muss ich mich auch in neue Themen einarbeiten, wieso macht dir das so viel Angst? Den fachlichen Hintergrund im Kopf zu haben gehört zur Unterrichtsvorbereitung dazu. Was nicht präsent ist, muss ich mir aneignen.


    In anderen Schulformen wie Grundschule, Hauptschule, Gemeinschaftsschule wird man auch oft fachfremd eingesetzt, da sitzen selbst alte Hasen länger an den Vorbereitungen, bzw. müssen Fortbildungen besuchen.


    Allerdings habe ich den Eindruck, dass du etwas perfektionistisch bist. Vergleiche dich nicht mit anderen. Wenn du gut mit dem vorhandenen Material zurechtkommst, dann nutze es und ergänze es ab und zu sinnvoll.

  • das klingt für mich alles sehr bekannt. weniger in bezug auf mein sprachfach, sondern bezügl. meines sachfachs, das inhaltl. bodenlos ist. was ich nicht weiss, schaue ich nach. wenn ich die antwort nicht finden kann, gebe ich das zu. - verhaspeln tue ich mich im unterricht wenn ich sehr gestresst bin. dann atme ich tief durch, entschuldige mich und schalte mental einen gang runter. den sus ist das ziemlich egal. 💕

    Diese Gelassenheit habe ich (noch) nicht. Wenn mich die SuS etwas fragen, was ich nicht weiß, schaltet mein Gehirn gleich in den "Error"-Modus und ich schaffe es grade bei der Grammatik nicht, in Ruhe nochmal in den Text zu schauen und zu überlegen, warum das jetzt nicht richtig ist. Natürlich habe ich auch schonmal auf die nächste Stunde verwiesen und gesagt, dass ich es bis dahin nachschaue, aber so etwas hängt mir tagelang nach und wenn ich online dann keine zufriedenstellende Antwort finde, die die Verwirrung der SuS auflösen kann, habe ich gleich Bauchschmerzen, weil ich den SuS ja helfen und ihnen alles verständlich machen will.


    zu deinem teil mit „engl. partizipien als adjektive“: da ich kein engl studiert habe, kann ich das nicht einschätzen, aber glaub bitte nicht, dass alle fremdsprachenlehrkräfte ALLES über grammatik wissen. manchmal tut sich wo eine lücke auf, dass man nur staunt. ist dann halt so. man lernt dazu und tut sein bestes

    So etwas kam halt überhaupt nicht im Englischstudium vor. Wir hatten zu Beginn des Bachelors einen kleinen Auffrischungskurs mit den gängigen Zeiten, aber solche Dinge wurden gar nicht behandelt. Ich merke auch, dass ich in den letzten Wochen schon einiges dazu gelernt habe, aber es fühlt sich bei fast jedem Thema wie ein innerer Kampf an á la "Na toll, das weißt du also auch nicht 100%ig und musst dich wieder reinlesen" und während ich das hier schreibe, merke ich auch selbst, dass es unrealistisch ist, alles perfekt zu wissen.

  • Ehrlich gesagt, muss ich mich auch in neue Themen einarbeiten, wieso macht dir das so viel Angst? Den fachlichen Hintergrund im Kopf zu haben gehört zur Unterrichtsvorbereitung dazu. Was nicht präsent ist, muss ich mir aneignen.


    In anderen Schulformen wie Grundschule, Hauptschule, Gemeinschaftsschule wird man auch oft fachfremd eingesetzt, da sitzen selbst alte Hasen länger an den Vorbereitungen, bzw. müssen Fortbildungen besuchen.


    Allerdings habe ich den Eindruck, dass du etwas perfektionistisch bist. Vergleiche dich nicht mit anderen. Wenn du gut mit dem vorhandenen Material zurechtkommst, dann nutze es und ergänze es ab und zu sinnvoll.

    Zur Zeit macht mir alles Neue Angst. Ich komme aus der Routine des Studiums und da wusste ich ganz genau, was ich tun musste um mein Ziel zu erreichen. Jetzt weiß ich so gut wie gar nicht, was ich tun muss und es fühlt sich so an als müsste man Fehler machen, um sich das ganze System Schule und Unterricht zu erschließen. Informationen fließen nur so tröpfchenweise und man bekommt ganz oft in einem Nebensatz neue Informationen, die wichtig sind.


    Die Angst vor den neuen Themen kann ich mir nur so erklären, dass mein Gehirn denkt "Dieses Thema/diese Hürde ist jetzt endgültig die Stufe, an der du entlarvt wirst ald jemand, der hier nicht hingehört". Das macht einfach alles schwer!


    Ich glaube, der Perfektionismus ist wirklich ein großes Thema. Ich möchte keine Fehler machen und den SuS nicht schaden. Das Paradoxe ist ja auch, dass ich dank der Angst gar nicht in der Lage bin ansatzweise "perfekt" zu sein. Ich arbeite in Englisch fast ausschließlich mit Buch und Workbook und in meinem anderen Fach suche ich mir schon einiges zusammen, weil das Buch nicht so viel hergibt, aber auch da habe ich das Gefühl, dass ich die Themen eher oberflächlich behandle. Von Perfektion kann ja gar keine Rede sein.. :(

  • Angst und Imposter Syndrom sind fies und brauchen, wenn sie so fest sitzen, Therapie und viel Geduld. Oben steht schon viel Hilfreiches, mein Appell ist nur - gibt nicht auf, schmeiß nicht vorschnell hin! Die Chancen (mit Therapie) stehen sehr gut, dass es Dir irgendwann deutlich besser gehen wird und Du Spaß an Deinem Job haben wirst. Angst ist meist sehr gut therapierbar. Sollte das Angstmonster (oft ist es ein Scheinriese) gar zu groß werden, kannst Du schauen, ob Du das Referendariat unterbrechen kannst, um Dich ein paar Monate lang nur der Therapie zu widmen.

  • Obwohl ich schon sehr lange im Dienst bin, fühlte ich mich vor ein paar Jahren bei einer Abordnung an eine andere Schule auch verloren. Meist dauert es etwas, bis man hinter die jeweiligen Strukturen blickt, vieles wird den Neuen nicht erklärt, weil es für andere selbstverständlich ist. Auch banale Dinge wie die Regelung beim Kaffeekochen und Spülmaschineausräumen kann einem um die Ohren fliegen, weil man nichts davon weiß. Ich wurde dort von einer Kollegin blöd angemacht, weil ich die Spülmaschine nicht ausgeräumt und den komplizierten Kaffeeautomaten nicht geputzt hatte. Jeder musste das machen, auch wenn er keine einzige Tasse Kaffee trinkt und kein Geschirr verwendet hat....


    Ich möchte deine Probleme nicht kleinreden und es ist richtig, dass du dir Hilfe holst, aber ich wollte nur sagen, dass es auch völlig okay und normal ist, sich an einem neuen/anderen Arbeitsplatz unsicher zu fühlen. Vieles wird einfacher, wenn man länger am selben Ort ist. Als Referendar ist ja alles neu, dazu das ungewohnte frühe aufstehen ^^, angemessen gekleidet sein, Wechsel der Seiten (Schüler - Lehrer), unter Zeitdruck super Schulstunden verfassen usw... Vielleicht tröstet es dich, dass du nicht der/die einzige bist, der damit kämpft/gekämpft hat. In der Literatur gibt es nicht umsonst schon ganz lange den Begriff "Praxisschock."

    Genau, schmeiß nicht hin, das wird bestimmt besser.

  • Ich habe den Eindruck, dass Du sehr perfektionistisch bist und evtl. versuchst durch die angestrebte Perfektion Deine Unsicherheit in den Griff zu bekommen. Das soll kein Vorwurf sein, nur eine mögliche Erklärung. (Mir ging es zu Beginn meiner Berufstätigkeit auch so.)

    Es darf so sein, dass Du fachlich und didaktisch noch nicht alles perfekt drauf hast. Das kann zu Beginn des Refs ja noch gar nicht möglich sein. ;)

    Du musst nicht jede Frage der SuS beantworten können. Du kannst später nachschauen und in der nächsten Stunde die Antwort geben. (Das habe ich sehr oft gemacht.)

    Du darfst an dem Punkt stehen, an dem Du gerade stehst. Du musst keinen Millimeter weiter sein.

  • Ich wurde dort von einer Kollegin blöd angemacht, weil ich die Spülmaschine nicht ausgeräumt und den komplizierten Kaffeeautomaten nicht geputzt hatte. Jeder musste das machen, auch wenn er keine einzige Tasse Kaffee trinkt und kein Geschirr verwendet hat....

    Warum?

  • Zu Beginn des Studiums war ich mir auch 100% sicher, dass das mein Traumberuf ist, aber durch die Angst stellt mein Gehirn das jetzt immer wieder in Frage. Die Angst klammert sich an all die negativen Bereiche des Berufs (dauerhaftes Vorbereiten, Korrekturen, nie wirklich Feierabend haben, organisatorische Zusatzbelastung, zu wenig Zeit für zu viel Stoff, teilweise zu wenig Zeit für die Vorbereitung, die mentale Belastung und und und..) und dadurch kann ich aktuell nicht wie meine Mit-Refis sagen, dass ich mir keinen anderen Job vorstellen kann. Die sind alle ganz klar und sagen "Ja, das Ref ist eine furchtbare Zeit und das Schulsystem macht den Job nicht attraktiver, aber ich kann mir nichts anderes vorstellen". Diese Klarheit und Akzeptanz der Situation habe ich leider nicht, weil mich die Angst in permanenten Widerstand versetzt.

    Auch dafür ist das Ref da, sich über solche Sachen Gedanken zu machen. Ging mir ähnlich. Vieles sind aber Phasen - die Vorbereitung wird mit der Zeit schneller, die Korrekturen sind je nach Jahrgangsstufen sehr punktuell (bei uns Englisch KuK ja im gefühlten 3-6 Wochentakt je nach Jahrgang, bzw. in der Oberstufe meist als Ferienbeschäftigung), Feierabend muss man sich leider dann selbst gönnen (war bei mir ein langer Weg im Ref, aber hab für mich auch hier denkbare Abstriche gefunden die sich in der Unterrichtsqualität nicht wirklich negativ blicken lassen). Für die mentale Belastung, wie gesagt, Therapie, Support Network an Leutis und wenn du eine gute Mentorin am Seminar hast vielleicht auch ein Coaching. In NRW haben wir Kernseminarleiter, die einen nicht bewerten aber vom ZfsL sind und die für solche Probleme eine Anlaufstelle sind. Die kennen auch die Problematiken und den Praxisschock vieler Reffs.


    & nochmal zu dem Fremdsprachen-Aspekt als Mitkollege in Englisch: die Bücher sind selten fehlerhaft, passiert aber mal. Das was sich als "abwimmeln" anfühlt, ist voll okay und man kann es den SuS nächste Stunde erklären. Mir fallen auch mal Wörter nicht ein, oder ich hab einen Wurm drin bei einer bestimmten Satzkonstruktion. Wenn es eine:m SuS auffällt, lernen wir gemeinsam draus. Wir sind ja schließlich nicht WIssens-Götter sondern Lernbegleiter.


    You'll rock it.

    • Offizieller Beitrag

    Du musst nicht jede Frage der SuS beantworten können. Du kannst später nachschauen und in der nächsten Stunde die Antwort geben. (Das habe ich sehr oft gemacht.)

    Bei manchen Fragen sage ich sage manchmal: "Ich weiß es grad selber nicht, aber lass uns einen deal machen: ich schaue zu Hause nach, du schaust zu Hause nach, und dann sprechen wir nächste Stunde darüber"

    Die Basics sollten in einer Sprache allerdings sitzen.

  • Da hilft nur eine Therapie und ggf. Medikation zur Überbrückung. Wenn du keine Zeit für Therapie hast, geh zum Arzt, SSRI brauchen eine Weile, bis sie wirken, ich würde bald einen Termin ausmachen.

    Ich glaube, der Perfektionismus ist wirklich ein großes Thema. Ich möchte keine Fehler machen und den SuS nicht schaden. Das Paradoxe ist ja auch, dass ich dank der Angst gar nicht in der Lage bin ansatzweise "perfekt" zu sein.

    Das Paradoxe an Perfektionismus ist, dass man findet, nichts gut genug zu machen, genau das ist das Wesen des Perfektionismus :P

  • Irgendwie ist das negativ konnotiert, wieso?

    Weil Methoden- und Arbeitsblattfeuerwerk völlig unnötig ist, zeitverschwendet, keinem Spaß macht, wenig zum Lernerfolg beiträgt. Zumindest habe ich das für mich so festgelegt. Deswegen habe ich das mal versucht, aber danach nie mehr gemacht, auch in Prüfungen nicht.

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