Formulierung in Verordnung

  • Liebe Kuk,


    mich interessiert sehr, welche Bedeutung eurer Meinung nach das "oder" im folgenden Satz hat. Deutschlehrer vor. Danke!


    "Das Abschlusszeugnis der Berufsfachschule erwirbt, wer


    in jeder Jahrgangsstufe in jedem Fach, Lernfeld oder Projekt an mindestens 70 Prozent des erteilten Pflichtunterrichts teilgenommen hat."

  • Beitrag von SteffdA ()

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    Das Ganze richtet sich nicht an DeutschlehrerInnen sondern viel eher an VerwaltungsjuristInnen und kann so pauschal nicht beantwortet werden, da zunächst zu klären wäre, was Lernfelder und Projekte konkret sind. In die Berliner Verordnung mag ich mich aber gerade nicht so wirklich einlesen.


    Sinnvollerweise fragt man da seine Schulleitung oder die Senatsverwaltung.

  • Lernfelder und Projekte

    Lernfelder sind was du als Fächer kennst. Und das Projekt ist eine Leistung für die Abschlussprüfung.


    Dieser Auszug aus der Verordnung erscheint mir ziemlich sinnfrei um ehrlich zu sein, besonders die Oder-Formulierung.

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    Lernfelder sind was du als Fächer kennst. Und das Projekt ist eine Leistung für die Abschlussprüfung.


    Dieser Auszug aus der Verordnung erscheint mir ziemlich sinnfrei um ehrlich zu sein, besonders die Oder-Formulierung.

    Das findet man teils mit anderen Konjunktionen durchgehend in der Verordnung...

  • Man könnte das Amt ja anregen, derartige Bedingungen als disjunktive Normalform zu formulieren.

    Das wäre dann in sich konstistent und widerspruchsfrei.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Guten Morgen,


    ich würde schon gern Meinungen einholen, ob das "oder" dafür steht, dass die min. 70% Anwesenheit nur in einem der drei Bereiche gegeben sein muss.


    Schönen Wochenstart

  • Bei der Umsetzung von Rechtstexten gibt es so etwas wie eine "gewollte Rechtsfolge". Verkürzt bedeutet das, dass Gesetzestexte nicht wortwörtlich auszulegen sind, wenn die Folge dieser Auslegung im ganz offensichtlichem Widerspruch zur Intention des Gesetzgebers steht.


    Für mich ist die Formulierung schlicht falsch. Die rein wörtliche Interpretation als logisches oder würde dazu führen, dass alleine die 70%-Teilnahme an allen Projekten zum Erwerb des Zeugnisses berechtigt, auch wenn man den gesamten Fachunterricht vorher versäumt hat. Das dürfte keine gewollte Rechtsfolge und vor Gericht auch nicht durchsetzbar sein.

  • Bei der Umsetzung von Rechtstexten gibt es so etwas wie eine "gewollte Rechtsfolge". Verkürzt bedeutet das, dass Gesetzestexte nicht wortwörtlich auszulegen sind, wenn die Folge dieser Auslegung im ganz offensichtlichem Widerspruch zur Intention des Gesetzgebers steht.

    Wo bzw. wie formuliert der Gesetzgeber denn die Intention eines gesetzes? Ich bin bisher immer davon ausgegangen, dass Gesetzestexte diesbezüglich eindeutig sind.

    Oder andersrum: D.h. mir als einfachem Bürger ist es dadurch unmöglich Gesetze zu verstehen und anzuwenden. Ist noch Rechtsstaat?

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Hi Moebius,


    ich danke dir sehr. Ich kann aber nicht davon aussehen, dass die Formulierung in der Verordnung (seit 2015 steht es da so) falsch ist. Im Gegenteil. Ich muss davon ausgehen, dass es genau so richtig und gewollt ist. Dazu kommt, dass zur Probezeit genau das gleiche steht aber an Stelle des "oders" ein "und":


    "Die Probezeit besteht, wer in der Probezeit in jedem Fach, Lernfeld und Projekt an mindestens 70 Prozent des erteilten Pflichtunterrichts teilgenommen hat."


    Ich muss doch davon ausgehen, dass es bewusst einmal "und" und dann aber "oder" heißt! Ich halte fest: Mit dem "oder" heißt es dass die Anwesenheit von min. 70% nur einem Bereich ausreicht, um den Abschluss zu bekommen!?


    Viele Grüße


    Sven

  • Wie gesagt: ich gehe nicht davon aus, dass das Bestand hat.

    Aber das Entscheidet nicht die einzelne Lehrkraft, sondern die Schulleitung, die sich bei Unklarheiten bei der übergeordneten Behörde rückversichern wird. Notfalls wird das vor Gericht geklärt.

    Ich persönlich würde auf jeden Fall keinem Schüler in Aussicht stellen, dass er einen Abschluss erhalten kann, wenn er nie zum Fachunterricht erschienen ist, aber hier geht es ja "nur" um ein Zeugnis. Letztlich kommt es da sicher darauf an, was auf dem Zeugnis drauf steht. Ein Zeugnis auf dem steht "X erhält keine Noten, da er aufgrund mangelnder Anwesenheit nicht benotet werden kann und erhält keinen Abschluss", wird man vielleicht ausstellen können.

  • DANKE!


    hier sind die alle Bedingungen, damit ein Abschluss erzielt werden kann:


    Das Abschlusszeugnis der Berufsfachschule erwirbt, wer

    1.

    in jeder Jahrgangsstufe in jedem Fach, Lernfeld oder Projekt an mindestens 70 Prozent des erteilten Pflichtunterrichts teilgenommen hat,

    2.

    im Verlauf der Ausbildung bei erteiltem Unterricht in nicht mehr als insgesamt zwei Fächern, Lernfeldern oder Projekten jeweils höchstens einmal keine Halbjahresnote erhalten hat,

    3.

    kein „ungenügend“ als Endnote erhalten hat,

    4.

    sonst mindestens „ausreichend“ lautende Endnoten erhalten hat oder Minderleistungen nach Satz 2 oder 3 ausgleichen kann,

    5.

    alle Praktika erfolgreich abgeschlossen hat und

    6.

    die Berufsabschlussprüfung vor der zuständigen Stelle besteht.


    In deinem Beispiel, Moebius, bekommt der Schüler also keinen Abschluss nicht auf Grund der Fehlzeiten sondern auf Grund von 2.


    Bedeutet, wenn der Schüler nie zum Fachunterricht kommt, bekommt er keinen Abschluss, weil er keine Bewertung bekommen hat oder weil er eine 6 hat (oder eine 5 zu viel, oder keinen Ausgleich hat)


    LG

  • Wie wurde denn in den letzten Jahren an deiner Schule mit den Abschlüssen der BFS im Sinne dieser Verordnung verfahren? Du schreibst ja, dass die von dir zitierte Verordnung nun schon seit 2015 - also nun schon seit neun Jahren! - gilt. Es kann doch nicht sein, dass du der erste an deiner Schule (oder in ganz Berlin) bist, der sich an dieser unklaren Formulierung stößt!?

    Von daher solltest du dich an das halten, was Bolzbold dir bereits am Freitag geraten hat:

    Sinnvollerweise fragt man da seine Schulleitung oder die Senatsverwaltung.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Ich muss doch davon ausgehen, dass es bewusst einmal "und" und dann aber "oder" heißt! Ich halte fest: Mit dem "oder" heißt es dass die Anwesenheit von min. 70% nur einem Bereich ausreicht, um den Abschluss zu bekommen!?

    Die Folgerung halte ich für fragwürdig. Das "oder" wird sich schlicht darauf beziehen, dass der Unterricht als klassischer Fachunterricht, als (fachübergreifendes) Lernfeld oder in Projektform erteilt werden kann. Es reicht mit hoher Sicherheit nicht aus, nur in einem dieser Teilbereiche mind. 70% anwesend zu sein.

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