Didaktische Freiheit /Grenzen im Sportunterricht

  • Liebe Kollegen*innen,


    wo beginnt bei euch die didaktische Freiheit und wo hört sie auf bzw ab wann muss ich mich an Vereinbarungen des Fachbereichs halten, auch wenn diese didaktischer Bullshit sind

    1. so muss ich z.B. parallel Gymnastik/Tanz (Einzelstunde) und Basketball (Doppelstunde) unterrichten
    2. ich muss eine Unterrichtsreihe exakt von Kalenderwoche zu KW durchführen (Orientierung an Schüler: Fehlanzeige)
    3. ich muss in Leichathletik in 7 Einzelstunden (!) erst alle Disziplinen für das Sportabzeichen abarbeiten (die Schule bekommt für Sportabzeichen Geld. Orientierung an Kompetenzen: Fehlanzeige)
    4. alles wird quantifizierbar bewertet, der Unterricht orientiert sich nur an Leistung (Mehrperspektivität: Fehlanzeige)
    5. ...
  • Zunächst: über welches Bundesland sprechen wir? Unabhängig davon, bezieht sich "didaktische Freiheit" nicht darauf, Unterrichtsinhalte beliebig auszuwählen, sondern lediglich auf die dafür gewählte Zugänge und genauen Stundenverläufe.


    Ich vermute aber eher, dass es dir um "pädagogische Freiheit" geht, die es in den meisten Bundesländern schlicht nicht gibt. Passender ist der Begriff "pädagogische Verantwortung", die letztlich immer wieder einen Rückgriff auf die rahmenden schulrechtlichen Regelungen nimmt. Dazu können durchaus auch (dann für alle verbindlichen!) Absprachen und Festlegungen innerhalb einer Fachschaft gehören.

  • Um das mal durchzugehen:

    so muss ich z.B. parallel Gymnastik/Tanz (Einzelstunde) und Basketball (Doppelstunde) unterrichten

    Die Festlegung einer bestimmten Unterrichtsthematik scheint mir sachgerecht zu sein.


    ich muss eine Unterrichtsreihe exakt von Kalenderwoche zu KW durchführen (Orientierung an Schüler: Fehlanzeige)

    Auch die verbindliche Verteilung von Rahmenthemen/Unterrichtsreihen über das Schuljahr ist i.d.R. sachgerecht zur Sicherstellung der Umsetzung curricularer Vorgaben. Dass es dabei allerdings auch mal durch Faktoren wie Krankheit u.ä. zu leichten (!) Verschiebungen kommen kann, muss berücksichtigt werden.

    ich muss in Leichathletik in 7 Einzelstunden (!) erst alle Disziplinen für das Sportabzeichen abarbeiten (die Schule bekommt für Sportabzeichen Geld. Orientierung an Kompetenzen: Fehlanzeige)

    Das kann durchaus eine sinnvolle Festlegung der Fachschaft sein. Dass bei der Abnahme der klassischen LA-Disziplinen keine Kompetenzorientierung erfolge, halte ich für ein Gerücht.


    alles wird quantifizierbar bewertet, der Unterricht orientiert sich nur an Leistung (Mehrperspektivität: Fehlanzeige)

    Dass Leistung im Unterricht auch nachvollziehbar bewertet werden soll, ist nachvollziehbar. Ob das wirklich "alles" im Sinne jeder sportlichen Handlung umfassen muss und soll ist fraglich.

  • Um das mal durchzugehen:

    Die Festlegung einer bestimmten Unterrichtsthematik scheint mir sachgerecht zu sein.

    Naja, also in Pädagogik (mein zweites Fach) wechsel ich nicht in der Doppelstunde mit dem Thema Freud zu Montessori in der Einzelstunde. Ein inhaltlicher roter Faden macht lernpsycholigisch schon Sinn bzw. mein Fachleiter in Sport hätte mir diese Unterrichtsreihe mit zwei Bewegungsfeldern gleichtzeitig zerrissen.

    Und wenn die Didaktik sich mit der Frage "Wann, Was, Wie, Wozu gemacht wird?" beschäftigt, dann kann man mir schlecht vorschreiben zwei Sportarten parallel zu unterrichten bzw. dann hätte ich mir die Didaktikmodule im Studium auch sparen können.


    Wenn ich 28 Schüler zum 100m-Sprint antreten lasse und dann die Zeiten habe, weiß ich nicht, was die Schüler*innen dann gelernt haben sollen. Da kann ich meine Oma zum Zeitennehmen hinstellen.

    Ich könnte durchaus eine UR durchführen, die das Thema "Sprint" hat, aber dann braucht man mehr als nur eine Doppelstunde, die man mir zur Verfügung stellt. Wir sprechen ja von Lernprozessen und diese benötigen Zeit und Wiederholung.


    Im Prinzip spricht nichts gegen eine bewertbare Leistung, nur hat Sport laut RLP nicht immer was mit quantifizierbarer Leistung zu tun, sondern muss Sport mehrperspektivisch unterrichtet werden (Was hat der Sprint z.B. mit Gesundheit oder Wagnis und Verantwortung zu tun)?



    PS: ich muss das mal mit den Zitieren noch lernen

  • Ich habe vor langer Zeit mal gelernt, dass es keine "didaktische Freiheit" gibt, sondern nur "didaktische Verantwortung". Den Terminus "didaktische Freiheit" würde ich in die Mottenkiste verfrachten.

  • Naja, also in Pädagogik (mein zweites Fach) wechsel ich nicht in der Doppelstunde mit dem Thema Freud zu Montessori in der Einzelstunde. Ein inhaltlicher roter Faden macht lernpsycholigisch schon Sinn bzw. mein Fachleiter in Sport hätte mir diese Unterrichtsreihe mit zwei Bewegungsfeldern gleichtzeitig zerrissen.

    Ich finde das tatsächlich nicht so ungewöhnlich, gerade in Sport verschiedene Bewegungsfelder parallel zu unterrichten.

    Und wenn die Didaktik sich mit der Frage "Wann, Was, Wie, Wozu gemacht wird?" beschäftigt, dann kann man mir schlecht vorschreiben zwei Sportarten parallel zu unterrichten bzw. dann hätte ich mir die Didaktikmodule im Studium auch sparen können.

    Ich bin da kein Experte, kann mir aber schwer vorstellen, dass es in der Didaktik von Sport explizite Hinweise/Verbote oder auch nur Untersuchungen dazu gibt, dass die parallele Beschäftigung mit mehr als einer Sportart kontraproduktiv sei. Selbst als Trainer einer Mannschaftssportart greifen wir regelmäßig auf ganz andere Bewegungsfelder zurück, um bestimmte Kompetenzen weiter zu schulen.


    Wenn ich 28 Schüler zum 100m-Sprint antreten lasse und dann die Zeiten habe, weiß ich nicht, was die Schüler*innen dann gelernt haben sollen. Da kann ich meine Oma zum Zeitennehmen hinstellen.

    Das mag plakativ so sein. Dennoch ist Sprinten als klassische Disziplin der Leichathletik Bestandteil des Sportunterrichts in so manchem Jahrgang und es ist naheliegend, hier auch entsprechende Leistungen zu erheben und zu würdigen. Du weißt sicher genauso gut, dass man die Schüler natürlich nicht "aus der Kalten heraus" mal eben sprinten lässt und dabei gleich die Leistungsbewertung durchführt, ohne das adäquat im Unterricht vorzubereiten.


    Im Prinzip spricht nichts gegen eine bewertbare Leistung, nur hat Sport laut RLP nicht immer was mit quantifizierbarer Leistung zu tun, sondern muss Sport mehrperspektivisch unterrichtet werden (Was hat der Sprint z.B. mit Gesundheit oder Wagnis und Verantwortung zu tun)?

    Genau, was spricht dagegen, genau das gleichzeitig mit einzubauen? Dann nämlich sind wir genau bei der Wahrnehmung der pädagogischen Verantwortung im Rahmen der Festlegungen und Vorgaben der Fachschaft.

  • Liebe Kollegen*innen,


    wo beginnt bei euch die didaktische Freiheit und wo hört sie auf bzw ab wann muss ich mich an Vereinbarungen des Fachbereichs halten, auch wenn diese didaktischer Bullshit sind

    1. so muss ich z.B. parallel Gymnastik/Tanz (Einzelstunde) und Basketball (Doppelstunde) unterrichten
    2. ich muss eine Unterrichtsreihe exakt von Kalenderwoche zu KW durchführen (Orientierung an Schüler: Fehlanzeige)
    3. ich muss in Leichathletik in 7 Einzelstunden (!) erst alle Disziplinen für das Sportabzeichen abarbeiten (die Schule bekommt für Sportabzeichen Geld. Orientierung an Kompetenzen: Fehlanzeige)
    4. alles wird quantifizierbar bewertet, der Unterricht orientiert sich nur an Leistung (Mehrperspektivität: Fehlanzeige)
    5. ...

    Zu 1. In einer Klasse? Ist am BK durchaus üblich. Ich unterrichte in Std 1 das Lernfeld x und in Stunde 2-4 das Lernfeld 2. Diese beiden unterscheiden sich erheblich.


    Zu 2: Wer sagt das? Und wer überprüft das?


    Zu 3: Und das ist zeitlich ungünstig? Oder was ist das Problem?


    Zu 4: Was heißt "alles" wird bewertet? Ich bewerte im Unterricht auch viel. Mündliche Mitarbeit, Zeichnungen, Präsentationen, Projektmappen, Datensätze, Skizzen...
    So gesehen wird auch alles bewertet. Aber das ist doch auch nicht so schlecht für die SuS, da auf vielen Ebenen Leistung gezeigt werden kann.


    Ich verstehe nicht ganz, wer diese Vereinbarungen getroffen hat.

  • Selbst als Trainer einer Mannschaftssportart greifen wir regelmäßig auf ganz andere Bewegungsfelder zurück, um bestimmte Kompetenzen weiter zu schulen.



    Genau, dann machst du dir aber Gedanken dazu, welches andere Bewegungsfeld die Ausbildung einer Kompetenz unterstützen kann. Turnen und Schwimmen gleichzeitig finde ich prima.



    Das mag plakativ so sein. Dennoch ist Sprinten als klassische Disziplin der Leichathletik Bestandteil des Sportunterrichts in so manchem Jahrgang und es ist naheliegend, hier auch entsprechende Leistungen zu erheben und zu würdigen. Du weißt sicher genauso gut, dass man die Schüler natürlich nicht "aus der Kalten heraus" mal eben sprinten lässt und dabei gleich die Leistungsbewertung durchführt, ohne das adäquat im Unterricht vorzubereiten.


    Bei vier Disziplinen die ich in 7 Einzelstunden abarbeiten muss, bleibt mir der "kalte Start" zum Teil nicht ersparrt. Allein der Weitwurf müsst eigentlich in mind. 2 Doppelstunden thematisiert werden, wenn ich eine Progression bewerten will (und keinen Ist-Zustand)


    Ich gehe davon aus, dass du kein Sportlehrer bist? Das soll kein Vorwurf sein, denn ich bin ja froh über jeden konstruktiven Beitrag. Aber in Sport geht es ja nicht darum nur die Leistung zu erbringen und dafür via Note eine Würdigung zu erhalten. Es geht darum das Leisten zu erfahren und zu reflektieren.

    Das kann konkret bedeuten, dass ich die Schüler mal im Hochstart und Tiefstart die 100m laufen lasse und die Zeit nehme, dass die Schüler verstehen, welcher Start eine bessere Zeit ermöglicht. Dafür braucht man aber mind. 2 Einzelstunden und kein Regen.

    Zumal sich der Sportunterricht vom Vereinssport abheben muss, allein aus Legitimationsgründen.

    Genau, was spricht dagegen, genau das gleichzeitig mit einzubauen? Dann nämlich sind wir genau bei der Wahrnehmung der pädagogischen Verantwortung im Rahmen der Festlegungen und Vorgaben der Fachschaft.

    Entweder ich thematisiere Gesundheit oder Leistung. Den Schülern einfach nur zu sagen, dass Sprint gesund/ungesund sein kann, kann nicht mein Anspruch sein. Das müssen die Schüler schon selbst erfahren und das braucht Zeit.

    Ich finde das tatsächlich nicht so ungewöhnlich, gerade in Sport verschiedene Bewegungsfelder parallel zu unterrichten.

    Ich bin da kein Experte, kann mir aber schwer vorstellen, dass es in der Didaktik von Sport explizite Hinweise/Verbote oder auch nur Untersuchungen dazu gibt, dass die parallele Beschäftigung mit mehr als einer Sportart kontraproduktiv sei.

    Wenn ich den Anspruch habe, dass Schüler etwas Neues lernen, dann benötigen sie Zeit und Wiederholungen, die ich ihnen nehmen würde, wenn ich UR mische.

    Ich kenne keinen Fachlehrer, der UR mischt. Ich kenne auch seitens der Fachmagazine keine Unterrichtsentwürfe, in den Bewegungsfelder parallel unterrichtet werden.


    Mir gehts auch nicht darum, die Kompetenz meiner Kollegen in Frage zu stellen. Ich vertraue ihnen, dass so wie sie es machen richtig ist. Nur möchte ich, dass mir das Vertrauen auch entgegenbringt. Und manche Festlegungen halte ich für schlecht begründet. Und ob es nun didaktische Verantwortung oder Freiheit heißt, ist ja erstmal egal. Aber wir Lehrer haben einen Auftrag zu erfüllen, dessen Erfüllung sich u.a. auch an die Lerngruppe zu orientieren hat.

  • Zu 1. In einer Klasse? Ist am BK durchaus üblich. Ich unterrichte in Std 1 das Lernfeld x und in Stunde 2-4 das Lernfeld 2. Diese beiden unterscheiden sich erheblich.



    Gut, dann ist das bei euch so. Überzeugt mich jedoch nicht.

    Zu 2: Wer sagt das? Und wer überprüft das?

    Die Klassenstufen werden parallel unterrichtet. D.h. alle 7.Klassen haben gleichzeitig Sport und machen dann auch alle das gleiche. Wenn Leichtathletik vorbei ist, wird die Halle für alle drei 7.Klassen für Turnen vorbereitet. Das kriegen die Kollegen schon mit.



    Zu 3: Und das ist zeitlich ungünstig? Oder was ist das Problem?

    Richtig. Denn Sport hat nicht die Aufgabe den Verein zu ersetzen und auch nicht die Aufgabe Schüler körperlich zu beschäftigen und nur irgendwelche Zeiten abzunehmen. Sport ist ein Bildungsfach. Wir bilden Sportlehrer aus und stellen zurecht keine Trainer in den Sportunterricht.

    Zu 4: Was heißt "alles" wird bewertet? Ich bewerte im Unterricht auch viel. Mündliche Mitarbeit, Zeichnungen, Präsentationen, Projektmappen, Datensätze, Skizzen...
    So gesehen wird auch alles bewertet. Aber das ist doch auch nicht so schlecht für die SuS, da auf vielen Ebenen Leistung gezeigt werden kann.


    Sport bedeutet aber nicht nur das Erbringen einer quantifizierbaren Leistung, die sich in Weiten, Zeiten und Höhen bemisst. Sonst bräuchten wir den Sportuntericht nicht, sondern könnten die Schüler einfach in Vereine schicken.

    In Sport geht es auch um Gesundheit, sich körperlich auszudrücken, etwas wagen und zu verantworten und um wettkämpfen und kooperieren.

  • Ich finde das tatsächlich nicht so ungewöhnlich, gerade in Sport verschiedene Bewegungsfelder parallel zu unterrichten.


    Mir geht's nicht darum ob es gewöhnlich oder ungewöhnlich ist, sondern inwiefern es für das Lernziel erfolgsversprechend ist. Ohne eine nachvollziehbare Struktur wird das Fach Sport beliebig und hat das Image eines Spaßfaches. d.h. nicht, dass sich Bewegungsfelder nicht auch kombinieren lassen, aber Gym/Tanz und Basketball?

    Wie gesagt, aus anderen FB kenne ich das regelmäßige Wechseln von Themen nicht.

  • In welchem Kontext steht denn die Frage? Bist du ganz neu an der Schule?

    ...

    1. so muss ich z.B. parallel Gymnastik/Tanz (Einzelstunde) und Basketball (Doppelstunde) unterrichten
    2. ich muss eine Unterrichtsreihe exakt von Kalenderwoche zu KW durchführen (Orientierung an Schüler: Fehlanzeige)
    3. ich muss in Leichathletik in 7 Einzelstunden (!) erst alle Disziplinen für das Sportabzeichen abarbeiten (die Schule bekommt für Sportabzeichen Geld. Orientierung an Kompetenzen: Fehlanzeige)
    4. alles wird quantifizierbar bewertet, der Unterricht orientiert sich nur an Leistung (Mehrperspektivität: Fehlanzeige)
    5. ...

    1. Nö, musst du nicht.

    2. Nö, auch das kann man dir nicht vorschreiben.

    3. Nun, wenn es einen Beschluss zum Sportabzeichen gibt, dann versuche im nächsten Schuljahr einen anders lautenden Beschluss durchzubringen oder du beugst dich halt der Mehrheit. In allen anderen Fächern geht man auch weiter im Text, egal, ob alle mitgenommen wurden, das ist halt bis zu einem gewissen Grad unser Tagesgeschäft.

    4. Bewertungskriterien hast du in Studium und Ref kennengelernt, teilweise gibt es Richtlinien, an die man sich halten muss, allen voran die der KMK und nicht zuletzt die deines Bundeslandes, die darauf beruhen. Und dann hat man noch ein bisschen pädagogische Freiheit als Lehrperson, Hauptsache man kann begründen, was man da macht.

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