Besondere Fremdsprachen - insbesondere “Migrantensprachen”

  • Hallo, mich würde sehr interessieren, welch Fremdsprachen bei euch in der Sekundarstufe I unterrichtet werden.

    Hier sind es idR nur Latein und Französisch, selten Spanisch als 2 und Spanisch oder Italienisch als 3.

    Besonders interessieren würde mich, ob es irgendwo die Möglichkeit gibt, eine soganannte “Migrantensprache” (heisst wirklich so ) wie Arabisch, Türkisch, Ukrainisch zu wählen. Es geht nicht um den Herkuntssprachliche Unterricht, sondern die Fremdsprachenfrage.

    Bitte schreibt dann doch dazu, in welchem Bundesland ihr seid.

  • in der Landeshauptstadt NRW gibt es die Möglichkeit, Russisch und Türkisch als neueinsetzende Fremdsprache im Zentralkurs ab der Oberstufe zu belegen. Faktisch kochen die da alle ihr eigenes Süppchen (euphemistisch für Gemauschel) und es würde mich sehr wundern, wenn da je jemand hingegangen wäre, ohne nicht irgendwie diese Sprachen bereits zu Hause gesprochen zu haben.

  • ob es irgendwo die Möglichkeit gibt, eine soganannte “Migrantensprache” (heisst wirklich so ) wie Arabisch, Türkisch, Ukrainisch zu wählen

    Die meisten ukrainischen Geflüchteten, mit denen ich zu tun habe, sprechen Russisch als Erst- und Familiensprache. Ich weiß natürlich nicht, inwieweit das repräsentativ ist.

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    Wir haben schon seit Jahren / Jahrzehnten Russisch in der Oberstufe als neu einsetzende und es ist kein Gemauschel, es gibt die (falschen) Muttersprachler*innen und diejenigen, die es neu lernen. Es sind weniger geworden, seitdem wir eine romanische neu einsetzende Fremdsprache parallel dazu haben, aber es ist definitiv kein reiner "muttersprachlicher" Kurs. Die allermeisten "Muttersprachler*innen" können übrigens nicht schreiben und das noch weniger auf Russisch, wo die Vokalen je nach Betonung anders gesprochen werden (grob ausgedruckt).

    Die Gesamtschule am Ort hat Türkisch als 2. Fremdsprache und ich glaube (!), von meinem Besuch beim Tag der offenen Tür, dass sie sogar zwei Kurse anbieten (je nach Anmeldung), Anfänger und fortgeführt/"Muttersprachler*innen", so dass es definitiv keine garantierte 1 für die Kids dritter Generation ist. (Auch wenn sie natürlich einen Vorteil haben, ist klar und okay! Aber sie sollen sich auch nicht langweilen). Aber auch SIE kennen "ihre" Sprache nicht.
    Da ich angefangen hatte / habe, Türkisch zu lernen, habe ich mich schon mit Schüler*innen unterhalten (aktuelle, aber auch ehemalige, weil ich Sprachfragen hatte..). Pustekuchen, die meisten haben kein "Gefühl" für die Konjugation, Deklination oder was auch immer in ihrer Sprache passiert (und dabei wäre ein Sprachbewusstsein für eine Sprache wie Türkisch soooo hilfreich für den Fremdsprachenerwerb).

    Eine ehemalige Schülerin habe ich die letzten Monate morgens immer am Bahngleis getroffen, weil sie zur Uni gependelt ist. Sie hat mit Türkisch auf Lehramt angefangen. Betonung auf angefangen. Wenn ich mich nicht täusche, wird sie jetzt zum Wintersemester wechseln. Sie kam gar nicht zurecht, hatte den Schock ihres Lebens. Aus eigener Aussage war Türkisch für sie die "einfache Wahl", weil sie keinen Stress wollte und sie fand es total anstrengend. Sie hat mir erzählt, dass es im Studium nicht wenigen so erging, es aber einige richtig motivierte und Spaß machte, ihr nicht. Kann ich nachvollziehen. Ein philologisches Studium ist definitiv nicht für jede*n Muttersprachler*in geeignet.
    Ach, hätte ich gerne freie Gehirnkapazitäten und könnte ernsthafter mit Türkisch weitermachen.

  • Ich hatte im Studium eine Nachhilfeschülerin aus Gelsenkirchen, die in der Oberstufe Türkisch gewählt hatte. Und damit nach eigener Aussage überhaupt gar nicht klar kam, weil zu Hause ein ganz anderes Türkisch gesprochen wurde, als in der Schule. Aber die Anwahl als 3. Fremdsprache gab es demnach schon vor 15 Jahren.

  • Faktisch kochen die da alle ihr eigenes Süppchen (euphemistisch für Gemauschel) und es würde mich sehr wundern, wenn da je jemand hingegangen wäre, ohne nicht irgendwie diese Sprachen bereits zu Hause gesprochen zu haben

    So what? Wir haben in allen Spanisch- und Italienisch-Klassen Muttersprachler*innen sitzen, die nicht selten über eine 4.5 nicht rauskommen weil sie, wie chilipaprika bereits schrieb, ausser ein bisschen umgangssprachlich plaudern nicht viel können. Schau dir doch an, wie viele Deutsch-Muttersprachler von deutscher Grammatik überhaupt keine Ahnung haben.


    Bei uns wäre Russisch theoretisch wählbares Schwerpunktfach. Praktisch wird es seit Jahren nicht mehr gewählt und wird mit der anstehenden Maturreform ganz verschwinden.

  • ja, es soll halt von offizieller Seite anders sein - die genannten Muttersprachlehrkräfte halten sich nach Gutdünken an Regeln, d.h. sie verlegen eigenmächtig Unterrichtszeiten, setzen kurzfristig irgendwelche Sprachprüfungen an, die so nicht vorgesehen sind, vergeben Noten nach merkwürdigen Kriterien, zählen keine Fehlstunden etc. Dass jemand schlechter als 9 Punkte hatte, ist bisher noch nicht vorgekommen. Das gilt insbesondere aber auch für Altgriechisch und nicht für Japanisch.

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    So what? Wir haben in allen Spanisch- und Italienisch-Klassen Muttersprachler*innen sitzen, die nicht selten über eine 4.5 nicht rauskommen weil sie, wie chilipaprika bereits schrieb, ausser ein bisschen umgangssprachlich plaudern nicht viel können. Schau dir doch an, wie viele Deutsch-Muttersprachler von deutscher Grammatik überhaupt keine Ahnung haben.

    Ist in unserer spät startenden romanischen Sprache genauso.
    Da hatte eine - mittlerweile leider ehemalige - Kollegin echt viel zu kämpfen, bis das eine oder andere "muttersprachliche" Kind akzeptiert, dass das tradierte Dorf-Gesprochene der Großeltern, die als Gastarbeiter*innen ohne Schulabschluss nach Deutschland kamen, NICHT das ist, was man in der Klausur schreiben darf. Weder phonetisch noch grammatikalisch.

    Ich hatte den Fall übrigens auch in Französisch (aber seltsamerweise sind die seltenen Französischsprachige, die sich in der Gegend verlieren "bildungsbewusster"). Die Schülerin kam von der Realschule, mit durchgehender 1 dort (hahaha) (ich habe die Zeugnisse als Nachweis gesehen, ich konnte es nicht glauben), auch am Koopgymnasium bekam sie im ersten Oberstufenjahr ihre 1minus.
    Sie schrieb Sätze wie "la fam ne veux pas fair ca, je trouve elle a raisont, ces feminist".
    Mündlich war es okay, halt sehr umgangssprachlich und ohne jedweden Versuch, den eingeführten Wortschatz zu nutzen.
    Und dann sagte sie mir, es sei Belgisch.
    Sie rutschte bei mir auf eine 5minus schriftlich (weil sie auch die hellste in der Analyse war), mündlich war sie auf einer 3 und sie VERSTAND es nicht. Die Mutter angeblich auch nicht. Bis sie zugab, dass sie sich schon gewundert hat, dass die Tochter immer mit einer 1 durchkam und es jetzt an mir scheitern sollte.

  • Hm, ja. Was war noch mal die Relevanz in Bezug auf welche Fremdsprache wo gelernt werden kann?

  • aber seltsamerweise sind die seltenen Französischsprachige, die sich in der Gegend verlieren "bildungsbewusster"

    Wundert dich das? Migranten aus Frankreich kommen bei uns in der Regel mit akademischer Ausbildung, Migranten aus Italien oft mit Berufsausbildung im Bau- und Gastgewerbe.

  • in bw an einem riesigen gymnasium kann als zweite FS in kl. 8 neben franz und spanisch chinesisch oder russisch gewählt werden

    Durch Kooperationen der Schulen untereinander geht das hier in der Gegend auch. Ich meine, Italienisch und Niederländisch sind ebenfalls im Angebot. Arabisch, Türkisch o.ä. habe ich bisher als Fremdsprachenunterricht noch nicht wahrnehmen können.

  • Hm, ja. Was war noch mal die Relevanz in Bezug auf welche Fremdsprache wo gelernt werden kann?

    ich halte das insofern für relevant, als dass in der Landeshauptstadt die geltenden Regelungen nicht eingehalten werden und es anscheinend keinen Interessiert und niemand interveniert, d.h. der Lehr-/Lern-Standard offenbar nicht mit einer mordernen Fremdsprache zu vergleichen ist, was aber ja gerade der Fall sein soll, weil es sich hier um eine echte unterrichtete, abiturrelevante Sprache handelt und nicht um eine AG.

    Dass Dir diese Beobachtung irrelevant erscheint, sei Dir natürlich unbenommen.

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    qchn Ernsthafte - wenn auch ketzerisch unterbetonte - Frage: Siehst du in den Standards WIRKLICH einen Unterschied zu anderen Fremdsprachen?
    Ich sehe Noten auf Zeugnissen und lese / höre Sachen und irgendwie kommt es mir in den von mir gesprochenen Sprachen nicht in den Sinn.

    (Lustigerweise habe ich gerade spontane Tests / Kurzaufsätze meiner Oberstufenschüler*innen korrigiert und bei einem Schüler auf der Rückseite war eine Italienisch-Übung.
    Puh.
    25 Jahre nach meiner letzten Unterrichtsstunde (und nur zwei Jahren Unterricht, also genau so viel wie besagter Schüler, allerdings mit deutlich weniger Stunden) konnte ich einiges sehen, was mir den Augen weh tat. Und ich lege meine Hand ins Feuer, dass er mindestens ausreichend auf dem Zeugnis hat.

  • also inhaltlich möchte ich mir da garnichts anmaßen, aber die Formalia sind anscheinend völlig freidrehend.

    Beispiel: wenn von der Bezirksregierung die Regel aufgestellt wurde, dass der Kurs drei mal pro Woche am Nachmittag um die und die Uhrzeit stattzufinden hat (wegen: Vergleichbarkeit), dann kann nicht systematisch seit Jahren in der ersten Sitzung verkündet werden, dass er inoffiziell nur zwei mal die Woche, aber dafür kürzer stattfindet. Natürlich gibt es auch in den herkömmlichen Fremdsprachen Stundenkürzungen, aber von denen weiss dann die Schulleitung, sie können nicht einfach durch die Lehrkraft vorgenommen werden und bestimmt nicht in einem Abiturfach. Ähnlich ist es mit Vorbedingungen, wie: es muss Herkuntsprachlicher Unterricht besucht oder wenigstens eine externe Prüfung abgelegt werden, um den Kurs fortzuführen.

    mir fällt gerade ein, dass ich mich korrigieren muss - ich kann was zum Inhaltlichen sagen: wir hatten eine Schülerin, die eine Migrantensprache neueinsetzend gewählt hatte, weil sie es - gans ohne familiären Background - lernen wollte. sie hat nach einer Woche umgewählt, weil man ihr zu verstehen gegeben hat, dass sie ohne vorherige prachkenntnisse in diesem Kurs untergehen wird. Daraus schließe ich, im AnfängerInnenunterricht sitzen nicht nur keine AnfängerInnen, sondern sie werden auch noch vergrault.

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    oh das ist doof.
    Und klar, Formalia sollte man einhalten.

    Und vielleicht wird das Folgende falsch verstanden und mir Delation vorgeworfen, aber sowas muss auch "arbeitsrechtlich" /"diesnrechtlich" geahndet werden. Es geht nicht nur (!) um das Recht der Schüler*innen auf den Unterricht, sondern jemand kriegt 50% Lohn zu viel.

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