Ist unser Bildungssystem jungenfeindlich?

  • ja, und dieses "gesehen werden" in stereotypen kann man doch einfach mal lassen!

    Nee, sorry, das ist jetzt dann doch zu simpel. Es kommt tatsächlich gelegentlich vor, dass mich Schülerinnen zu sehr frauenspezifischen Themen irgendwas fragen oder irgendein Problem loswerden wollen. Ich nenne jetzt einfach mal keine Details aber ich bin mir sehr sicher, dass junge Männer sehr wohl auch Probleme haben, die sie gerne bei einem erwachsenen Mann loswerden und nicht bei einer Frau. Ich bin 44, ich kann über sowas auch mit meinem besten Freund sprechen. Eine 18jährige kann es je nachdem (noch) nicht und ich glaube nicht, dass man da jetzt gross rumdiskutieren muss, dass das aber doch alles kein Problem sein sollte. Lass einfach stehen, dass es für die 18jährige in dem Moment nicht geht.


    z.b. eine fußballerin kann einen jungen, der fußball spielt, sicherlich besser in puncto fußball beraten, als das ein männlicher nichtsportler kann!

    Es geht halt im Leben nicht nur um Fussball. Für die allermeisten Themen im Leben spielt die Geschlechtszugehörigkeit sicher keine grosse Rolle. Manchmal aber halt schon. Im medizinischen Bereich ist das z. B. ganz real und gut belegt. Ich habe mir die Problematik um die männliche Depression weiter oben grade nicht ausgedacht.

  • und ansprechpartner für verschiedenste sachen

    Ja richtig. Und je nachdem, worum es geht, bin ich aufgrund meines Geschlechts nicht die richtige Ansprechpartnerin.


    Was ich übrigens schon von mehreren Eltern im Kollegium gehört habe: Der Aufklärungsunterricht in der Primar wird gar nicht von den Lehrpersonen der Kinder gemacht. Egal, ob männlich oder weiblich. Das machen Externe und natürlich wird dann nach Geschlechtern getrennt.

  • Es ist legitim, sich bei Kindern erst einmal nach statistischen Häufigkeiten zu richten. Aus der Sozialisation heraus mögen viele Jungen bestimmte Themen und viele Mädchen andere Themen.

    Das Problem ist weniger, wenn man diese statistische Häufigkeit als Grundlage annimmt, sondern wenn im Einzelfall ein Junge oder Mädchen anmerkt, dass die eigenen Interessen nicht diesem Stereotyp entsprechen, dieser Einwand aber nicht respektiert oder sogar mit Verweis auf die statistische Häufigkeit abgelehnt wird ("Wie, du magst das nicht? Aber du bist doch ein Junge/Mädchen!").


    Besser:

    "Hier, ich habe ein Geschenk für dich!"

    "Danke, leider mag ich kein Rosa!"

    "Welche Farbe magst du lieber?"

    "Ich mag am liebsten Blau. Schwarz finde ich auch gut."

    "Kein Problem, das werde ich mir für die Zukunft merken!"

  • genau so etwas fände ich auch gemeinsam viel besser. das fördert das verständnis für die anderen körper(teile) und dann kann man auch besser und natürlicher gemeinsam drüber reden, ohne dass das andere geschlecht das große geheimnis ist.

  • Inwiefern ist das „natürlich“?

    Inwiefern wäre das biologische Geschlecht nicht natürlich? ...also in irgendeiner Art und Weise künstlich?

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • genau so etwas fände ich auch gemeinsam viel besser. das fördert das verständnis für die anderen körper(teile) und dann kann man auch besser und natürlicher gemeinsam drüber reden, ohne dass das andere geschlecht das große geheimnis ist.

    Irgendwann, ja. Erst mal geht's um den eigenen Körper, so ganz narzisstisch. Wenn man mit sich selbst klar ist, kann man auch mit anderen klarkommen. Mit sich selber klarkommen, ist einfacher, wenn alle um einen herum das gleiche "Problem" haben. Macht man doch im Fachunterricht genauso. Erst einfach, dann kompliziert. Weiss ich nicht, warum man im wahren Leben gleich das grosse Fass aufmachen muss.

  • Gymshark: Das mit dem Rosa/Pink stimmt tatsächlich. Wenn man eine Farbe wählen durfte, haben die Jungen bis auf ganz wenige Ausnahmen nie rosa gewählt, weil das ja eine "Mädchenfarbe" sei. Aber ich glaube, dass da die Medien (und Eltern) einen großen Einfluss haben.


    Bei den oben erwähnten Sachkundethemen habe ich keine Unterschiede im Interesse gemerkt, was Jungen und Mädchen betrifft. Allerdings ist mir bei den technisch orientierten Themen aufgefallen, dass prozentual mehr Jungs bei offenen Aufgaben Ideen viel weiter entwickelten und sich teilweise geschickter anstellten. Gerade beim Thema Brücken oder Strom. Ich vermute aber da einen Zusammenhang, mit was man sich in der Freizeit beschäftigt.


    Alle 4 Wochen haben wir in der örtlichen Bücherei Bücher ausgeliehen und diese dann vorgestellt. Auch da sah ich prozentual gesehen einen Unterschied, was sich Jungs und was sich Mädchen ausleihen. Wenn ich keine Order rausgegeben habe, dann neigten Jungs zu Sachbüchern, Mädchen zu Pferdebüchern und "Mädchenbüchern". Wenn Geschichtenbücher auszuleihen waren, dann holten sich Jungs eher irgendeine Krimireihe, wo es x Ausgaben gab oder Fantasiebücher. Es gab natürlich auch Ausnahmen.

  • vor hundert jahren hieß es noch (z.b. in else urys buch "professors zwillinge"), ein schaukelpferd sei für jungen und für die madchen das puppenhaus. für jungen wurden als figuren für ein mobile pferde empfohlen. da sieht man, wie arbiträr diese zuschreibungen sind! und welcher junge würde einen galopp auf einem großen tier durch den wald nicht genießen? viele kinder aller geschlechter fänden es toll, dadurch auch einmal groß und mächtig zu sein. es ist so schade, dass schöne dinge durch unlogische und unnötige klischees für viele kinder so beschränkt werden!

  • Da hast du absolut recht. Die Schilderungen von Caro07 decken sich aber schon mit meiner Beobachtung, dass die Frauen eher egoistisch in ihren Interessen sind, die Männer sich so allgemein an diesem und jenem interessieren. Klischeehaft meine ich, würde man doch eher das Gegenteil behaupten, nicht? Die Frauen sind doch sozial interessiert, die Männer egoistisch. Wenn's um Sachinteressen geht, scheint das nicht so zu sein. Was das nun alles mit Benachteiligung und Ungerechtigkeiten zu tun haben soll, ist mir immer noch nicht klar.

  • Toll, das Wühlen in der Klischeekiste wird ja immer wilder. Die Kinderbuchreihe "Schule der magischen Tiere" wird von Jungs und Mädels gleichermaßen geliebt, weil sie weder in rosa noch in hellblau daherkommt. Dass Pferde zu Mädchen-Tieren erhoben wurden ist doch nicht naturgegeben. Und was "egoistische Interessen" sein sollen, verstehe ich erst gar nicht. Mein Kind hat eine Zeitlang einen Grundschullehrer und einen Horterzieher gehabt. Die beiden waren eine Katastrophe für die Gruppe, nicht wegen, sondern trotz ihres Geschlechts. Der eine konnte sich nicht durchsetzen und der andere hatte keine Lust, sich mit Differenzierung zu beschäftigen und dann hat er sich in Elternzeit verabschiedet. Was sagt das nun über Männer in pädagogischen berufen aus? Nichts natürlich.


    Ist hier wirklich niemand, der sich mit Gender auskennt? Ich finde die Ausgangsfrage nämlich spannend.

  • Ich habe diese Diskussion in den letzten Tagen immer mal gespannt verfolgt. Ich glaube, dass wir in der Frage, wie man mit Gleichberechtigung bei unterschiedlichen Geschlechtern umgehen sollten, noch in der Findungsphase sind. Was für eine rasante Entwicklung eigentlich, wenn man bedenkt, wie jahrhundertelang Rollenerwartungen formuliert wurden!

    Ich glaube auch, dass ein großer Unterschied in den Köpfen vorwiegend (aber nicht nur) unterschiedlicher Altersgruppen herrscht; jede Generation wird eben unterschiedlich sozialisiert, auch jede Kultur. Und wie ist es eigentlich mit der über Jahrtausende geprägten Sozialisation? Jäger und Sammler und so?

    Vielleicht müssen wir ein gutes Mittelmaß dessen, was gesellschaftlich akzeptabel, biologisch möglich, sozial verträglich ist, erst finden. Jungen dürfen doch rosa toll finden; ich kenne übrigens viele Jungen, die inzwischen selbstverständlich rosa als Lieblingsfarbe benennen. Ich kenne auch eine Schule, an der die Mädchen sehr erfolgreich im Fußball sind. Andererseits, wenn es um biologische Fakten geht, lassen sich viele Dinge einfach nicht durch Sozialisation oder gesellschaftlichen Konsens “gleichberechtigten“. Männer sind meistens größer und kräftiger in ihrer körperlichen Statur. Frauen leben statistisch betrachtet länger. Nur so als Beispiel - es gibt doch so viele statistische Fakten, die sich nicht durch Sozialisation erklären lassen, oder?

    Im Laufe der nächsten Generationen wird sich bestimmt vieles noch angleichen, was gesellschaftliche Akzeptanz usw betrifft, aber noch sind wir da nicht; und in einigen Bereichen ist einfach durch das biologische Geschlecht ein gewisser „Rahmen der Möglichkeiten“ vorgegeben, an dem auch gesellschaftliche Entwicklungen nichts verändern werden.

    Und bei allem theoretischen Wollen - ich erlebe einfach, dass Jungen und Mädchen ihre Kräfte unterschiedlich messen, dass sie unterschiedlich an Probleme herangehen usw - und unabhängig davon, ob das eine Frage der Sozialisation ist oder nicht, für uns ist es zumindest mal der Alltag, mit dem wir umgehen müssen. Und ja: Lehrerinnen gehen damit anders um als Lehrer. Und deshalb macht es in meinen Augen eben doch einen Unterschied, ob eine Grundschule überwiegend von Lehrerinnen geprägt ist oder von Lehrern…


  • Und was "egoistische Interessen" sein sollen, verstehe ich erst gar nicht

    Ich meine, ich hätte mich ausreichend erklärt, schon vor 2 Seiten oder so.



    Ist hier wirklich niemand, der sich mit Gender auskennt?

    Jemanden, der hauptberuflich Gender Studies betreibt, wirst du hier nicht finden. Wir sind Lehrpersonen. Manche von uns sind auch Chemikerinnen oder Germanisten. Mir war nicht wirklich an einer wissenschaftlich fundierten Diskussion gelegen. Im Wesentlichen plaudern wir. Wenn jemand gute Quellen hat, ist das gut. Ansonsten tauscht man sich halt aus. Meine Erfahrung in diesem Forum ist: Wann immer ich eine fachwissenschaftliche oder fachdidaktische Frage habe, bekomme ich hier gar keine Antwort. Auf einem Gebiet, das nicht mal Schulfach ist, erwarte ich erst recht keine fundierten Antworten.

  • nihilist : Es wird doch niemandem etwas verwehrt, wenn man erst einmal danach geht, was statistisch am wahrscheinlichsten ist. Das Beispiel habe ich doch angebracht: Viele Mädchen mögen gerne Rosa. Wenn ein Mädchen für sich feststellt, dass es gerne blau mag, ist das doch super. Wo siehst du das Problem?

    Caro hat ja auch geschrieben, dass viele Mädchen freiwillig die Ponyhofgeschichten wählen. Wenn Ben auch zur Ponyhofgeschichte greift und Katie den Krimiroman bevorzugt, weiß ich nur eins: Alle Kinder beschäftigen sich mit Literatur und haben hoffentlich Spaß dabei.

  • es ist aber kacke, dass die ponyhofbücher als rosa "mädchenkram" vermarktet werden und jungen beigebracht wird, dass sie minderwertiger werden, wenn sie sich mit als "für mädchen" deklarierten sachen abgeben!

    eine solche spaltung stammt vielleicht aus uralten zeiten, als es noch keine gute verhütung gab und man angst vor unehelichen kindern hatte.. die geschlechter sollten erst in der ehe miteinander interagieren. es ist einfach dumm.

  • es ist aber kacke, dass die ponyhofbücher als rosa "mädchenkram" vermarktet werden und jungen beigebracht wird, dass sie minderwertiger werden, wenn sie sich mit als "für mädchen" deklarierten sachen abgeben!

    eine solche spaltung stammt vielleicht aus uralten zeiten, als es noch keine gute verhütung gab und man angst vor unehelichen kindern hatte.. die geschlechter sollten erst in der ehe miteinander interagieren. es ist einfach dumm.

    Meiner Erfahrung nach ist das mit dem Mädchen- und Jungenkram (Farben usw.) erst so schlimm geworden, als man diese Zielgruppe als Möglichkeit angesehen hat, damit Geld zu machen. Stichwort: Vermarktung. Da wurde es dann richtig kitschig für Mädchen. Was es z.B. heute alles an Schulsachen Mäppchen, Schulranzen) gibt, die Jungs oder Mädchen schon allein von der Werbung her zugeordnet werden - das hat es "früher" nicht gegeben. Ich kann es jetzt nicht mehr einer Jahreszahl zuordnen, aber es muss so um 2000 plus minus gewesen sein, wo es immer extremer wurde. Es hat schleichend angefangen. Das ist von Amerika zu uns rübergeschwappt, behaupte ich mal.


    Anekdotisch: Ich selbst war als Kind ein Bücherwurm und habe vieles verschlungen. Es gab zwar auch schon Mädchenbücher (Enid Blyton), die ich las, aber Karl May und Science Fiction hat bei mir kein Halt gemacht, die 5 Freundebände haben wir untereinander - Jungs und Mädchen - verliehen. Mit Lego und Autos habe ich auch gespielt und Jungs und Mädchen gehörten zu meinen Freunden. Also so extrem muss die Geschlechtererziehung früher auch nicht gewesen sein.

  • nihilist : Ich finde es nicht schlimm, wenn Ponyhofgeschichten als (Zitat!) "Mädchenkram" beworben werden, da Mädchen zwischen sagen wir mal 6 und 12 Jahren schlichtweg die Hauptzielgruppe dieser Belletristik sind. Den problematischeren Teil finde ich eher, dass, was du korrekt angesprochen hast, es ein Teil unserer Bevölkerung immer noch für "minderwertig" hält, wenn sich Jungen für klassische Mädchenthemen interessieren.

    Wir sollten uns nicht als Gesellschaft daran abstrampeln, auf Krampf die Ponyhofgeschichte geschlechtslos zu machen, sondern eher dafür sorgen, dass Ben nicht ausgelacht wird, wenn er zur Ponyhofgeschichte greift, sondern dass diese Entscheidung genauso legitim ist wie Mehmets Griff zum Krimi und Jonas' Griff zur Dinogeschichte. Dann spielt am Ende übrigens auch keine Rolle mehr, ob der Einband weiterhin rosa ist.

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