Was 1966 als "unschöne Schrift" galt...

  • Ich habe mein altes Zeugnisheft von der Grundschule gefunden. Es gab tatsächlich Noten für die Schrift, hier unter "Schreiben". Sport hieß damals noch "Leibesübungen"... Natürlich stelle ich mein bestes Grundschulzeugnis (Klasse 3) hier als Beispiel ein... Oben sieht man, dass die Umstellung des Schuljahresbeginns noch nicht im Heft berücksichtigt war. In der ersten Klasse hatte ich ein sogenanntes "Kurzschuljahr".

    Und weil ich schon mal dabei war: In der Realschule gab es für die "Handschrift" Noten bis einschließlich Klasse 9 (70er Jahre). Hatte ich vergessen - oder verdrängt.

  • "Heimatkunde: Sehr gut"

    Beweise es: Was ist der Kalemich?

    #Zesame:!:


    Konzentrieren Sie sich ganz auf den Text, wenden Sie das Ganze auf sich selbst an. (J.A. Bengel)

  • "Heimatkunde: Sehr gut"

    In Klasse 3 bezog sich das auf ein sonderbares Gebiet namens Sauerland, :) Das wurde da gerade erst durch den Bau der Sauerlandlinie erschlossen, z.B. durch die Eröffnung der Rahmedetalbrücke...

    Und der Kalemich hat eher etwas mit deiner Heimatstadt zu tun, wenn man die von meiner neuen Heimat unterscheiden möchte...

  • In Ordnung. Das lass ich dann mal gelten, obwohl deine neue Heimat ja mehr ist als dein Wohnort.

    #Zesame:!:


    Konzentrieren Sie sich ganz auf den Text, wenden Sie das Ganze auf sich selbst an. (J.A. Bengel)

  • Palim

    Ja, das ist sicherlich so. Es gibt ja auch durchaus nachvollziehbare Begründungen für veränderte Schwerpunkte. Auffällig ist aber doch, dass die Vermittlung gewisser Grundfertigkeiten heute nicht mehr so gut gelingt, wie früher. Dazu zähle ich die Handschrift ebenso wie das Lesen und sinnhafte Erfassen längerer Texte. Es ist ja toll, wenn Grundschüler einen Legefilm drehen, wie Quittengelee berichtet, ich frage mich aber schon, ob das nun wirklich prioritär wichtig gegenüber den Dingen ist, denen man angesichts solch zeitaufwändiger Projekte nicht mehr so viel Zeit reinräumt und die sich inzwischen als klare Defizite in Leistungsvergleichsstudien niederschlagen (wie eben schnödes Lesen).

    Hm, das kann man über die weiterführende Schule ebenfalls sagen. Was die alles nicht können, wie die Gymnasien Anforderungen runterschrauben und schwache Leute durchs Abitur heben etc.pp.: Die Grundschule schiebt den Eltern die Schuld zu, die weiterführende der Grundschule, war schon immer so.


    Vielleicht darf man stattdessen auch einfach mal gucken, was Kinder können, das sie früher nicht konnten? Miteinander reden und einen Konflikt lösen zum Beispiel, ihre Meinung begründen oder vor der Klasse stehen und etwas vortragen?

  • Genau das ist der Punkt, an dem ich (und wenn ich die Texte hier lese auch andere) zweifle. Es geht auch gar nicht darum den Grundschulen die Schuld zu geben, das ist nicht zielführend. Meine Erfahrung aus dem Unterricht ist, dass man die Anforderungen möglichst leicht unrealistisch hoch ansetzen muss, damit die Schüler den Stand erreichen, den sie erreichen sollen. Je niedriger man die Anforderungen setzt, desto weniger wird gemacht. Das hat meiner Meinung nach drei Ursachen:

    1.) Die Jugendlichen bei uns sind in der Pubertät und ein gutes Pferd springt nicht höher als es muss, die haben besseres zu tun als unnötig viel Zeit mit der Schule zu verbringen.

    2.) Eltern ziehen sich massiv aus der Lernverantwortung heraus und geben sehr viel an die Schule ab. Das hat einerseits Gründe im veränderten Familienmodell (früher war halt fast immer jemand zuhause und konnte unterstützen, das muss heute der Staat auffangen, wenn er will das Vater und Mutter arbeiten, macht er aber nur begrenzt sinnvoll (so meine Erfahrungen mit der OGS)), andererseits aber auch in einer extremen Dienstleistermentalität gegenüber der Schule ("Wie können Sie mein Kind denn fördern, wenn es das kleine 1x1 nicht kann?" (in Klasse 5) - ja gar nicht , ich geb dir gerne Übungsblätter mit und dann mach zuhause - *surprisedpikachu*)

    3.) Die Gesellschaft hat allgemein einen größeren Unwillen (?) gegenüber Leistung entwickelt, es geht immer um Wohlfühlen, Emotionen und - meiner Meinung nach - oft völlig unsinnigen Scheiß. Wenn ich möchte, dass ein Kind die 16 Bundesländer samt Hauptstädten auswendig kann, dann kann man darüber diskutieren, dass man die googlen kann, man kann sich aber auch einfach jeden Tag ein paar Minuten hinsetzen und die blöden Bundesländer auswendig lernen, das ist Allgemeinwissen. Mir ist völlig egal, dass sich manche Kinder dabei langweilen, da müssen die durch, das ist später, egal in welchem Beruf, manchmal halt so, eine gewisse Frustrationstoleranz sollte schon vorhanden sein. Das äußert sich übrigens auch in diversen Lehrplänen (da kommen die Grundschulen dann schon rein, aber alle anderen Schulformen genauso, ist ja nicht so, als ob mehr als 5% der Abiturienten noch fit für ein naturwissenschaftliches Studium wäre, Mathe fing bei mir an der Uni noch mit LinA I und Ana I an, heute (selbe Uni) mit einem mathematischen Propädeutikum im Umfang von 6SWS, Lerninhalte sind im Wesentlichen die Inhalte von Klasse 7 bis zum Abitur)

    kein Bock, keine Unterstützung zuhause und Unwillen gegen Leistung sprechen übrigens alle gegen schöne und flüssige Handschriften. Und das führt dann zu massiven Problemen auch an den weiterführenden Schulen, wenn Schüler für die Abschrift eines einzelnen Merksatzes zwischen 2 und 15 Minuten benötigen und dieser danach teilweise völlig unleserlich und/oder voller Rechtschreibfehler ist (Bedenke: Einen Satz in Druckschrift an die Tafel geschrieben von derselben abschreiben).

    P.S.: Ich möchte übrigens keinen Arzt der seine Meinung begründen kann oder Konflikte toll lösen kann, der kann sozial meinetwegen Dr. House sein, er soll fachlich Ahnung haben und mich gesund machen und ob der Ingenieur toll mit anderen reden kann ist mir auch Wumpe, das blöde Haus soll nicht zusammenbrechen...

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

    2 Mal editiert, zuletzt von Valerianus ()

  • Hm, das kann man über die weiterführende Schule ebenfalls sagen. Was die alles nicht können, wie die Gymnasien Anforderungen runterschrauben und schwache Leute durchs Abitur heben etc.pp.: Die Grundschule schiebt den Eltern die Schuld zu, die weiterführende der Grundschule, war schon immer so.


    Vielleicht darf man stattdessen auch einfach mal gucken, was Kinder können, das sie früher nicht konnten? Miteinander reden und einen Konflikt lösen zum Beispiel, ihre Meinung begründen oder vor der Klasse stehen und etwas vortragen?

    Diese Kritik teile ich uneingeschränkt. Die Problematik setzt sich auf allen Ebenen fort.


    Ob soziale Fähigkeiten heute ausgeprägter sind, wage ich auch mal zu bezweifeln.

  • JEDES Kind heute könnte genauso schön und richtig schreiben !!!

    Drei Ausrufezeichen obgleich dies keine Rudeltiere sind. Was genau ist denn an einer tollen Handschirft so wichtig, dass ich sie mit Disziplin und Härte durchsetzen muss? Meine Handschfrift habe ich mir während des Studiums ziemlich versaut. Glücklicherweise giobt es Powerpoint und Co.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • mir fällt in dem Zusammenhang ein, dass die SuS wirklich besser präsentieren können, als früher: während man früher schlechte Vorbereitung und mangelndes Wissen in der Sek I auch an der Vortragsweise gesehen hat, kriegt man jetzt mitunter absoluten Bullshit in einer schönen PPP selbbstbewusst vorgetragen.


    Ich hatte da vorletztes Jahr ein Erweckungserlebnis in Klasse 7, mit einer wirklich super motivierten und freundlichen und lernbereiten Klasse, die gruppenweise Texte zugeteilt bekomme hatte, mit deren Hilfe sie Fragen beantworten und das dann präsentieren sollten. Zeitrahmen war mehr als ausreichend. Ausnahmslos alle Antworten kamen ziemlich offensichtlich in den Texten vor (hatte sie selbst verfasst), trotzdem haben die einen totalen Mist zusammengegoogelt und den dann so schön präsentiert, dass mir fast die Tränen heruntergelaufen sind.


    Kommt einem auf den ersten Blick falsch vor, aber ist auch ne Kompetenz, mit der man im späteren Leben was anfangen kann. Wenn ich denke, was ich in meinem (Vor-)Leben als Nicht-Lehrer schon alles für Mist präsentieren musste..

  • Die Schüler können besser präsentieren als früher, das stimmt. Das wird ungefähr seit der Jahrtausendwende auch in den Grundschulen gelernt und steht in den Lehrplänen.


    Aber:

    Ausnahmslos alle Antworten kamen ziemlich offensichtlich in den Texten vor (hatte sie selbst verfasst), trotzdem haben die einen totalen Mist zusammengegoogelt und den dann so schön präsentiert, dass mir fast die Tränen heruntergelaufen sind.


    Kommt einem auf den ersten Blick falsch vor, aber ist auch ne Kompetenz, mit der man im späteren Leben was anfangen kann. Wenn ich denke, was ich in meinem (Vor-)Leben als Nicht-Lehrer schon alles für Mist präsentieren musste..

    Mir kommt dies prinzipiell falsch vor. Denn falsche Tatsachen wirksam zu präsentieren darf nicht das Ziel sein. Auch nicht aus dünnen Tatsachen Größeres machen. Damit werden Leute hintergangen und falsche Wahrheiten in die Welt gesetzt, was für die, die das für bare Münze nehmen, weitreichende negative Folgen haben kann. Da gibt es schon genug Blender, die das wunderbar können.


    Ich habe nichts gegen das gute Präsentieren, aber es sollte eins zu eins zur Sache stimmen. Das sollte mit ein Ziel bei Präsentationen in der Schule sein.

  • ...

    Ausnahmslos alle Antworten kamen ziemlich offensichtlich in den Texten vor (hatte sie selbst verfasst), trotzdem haben die einen totalen Mist zusammengegoogelt und den dann so schön präsentiert

    ...

    Kommt einem auf den ersten Blick falsch vor, aber ist auch ne Kompetenz, mit der man im späteren Leben was anfangen kann.

    Politiker kann man mit dieser Kompetenz auf jeden Fall werden - - -

  • Mir ist völlig egal, dass sich manche Kinder dabei langweilen,

    Das Wort „langweilen“ ist den meisten Kindern zwar bekannt, die Bedeutung aber nicht.

    Meistens wollen die Kinder sagen, dass sie keine Lust haben und lieber etwas anderes machen wollen oder dass ihnen die Aufgabe zu schwierig ist.

    Wirklich „langweilen“ tut sich ja kaum jemand.

  • Drei Ausrufezeichen obgleich dies keine Rudeltiere sind. Was genau ist denn an einer tollen Handschirft so wichtig, dass ich sie mit Disziplin und Härte durchsetzen muss? Meine Handschfrift habe ich mir während des Studiums ziemlich versaut. Glücklicherweise giobt es Powerpoint und Co.

    wenn du mal 27 zentrale Prüfungen Deutsch als Erstkorrektorin und noch mal 27 als Zweitkorrektorin gelesen hast, dann sprechen wir uns wieder.

    Es könnte alles so einfach sein - ist es aber nicht.

  • Miss Othmar

    Mir haben schon die Korrekturen der Chemie Testbögen gereicht. Allerdings, und das muss Du auch zugeben, zwischen der Schönschrift die wir im Fallbeispiel gesehen haben und dem was uns die Schüler präsentieren liegen ganze Universen. Wenn ich es so in einem Ansatz lesen könnte, ohne fünfmal von vorne anzufangen, dann würde mir das ja schon reichen.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • wenn du mal 27 zentrale Prüfungen Deutsch als Erstkorrektorin und noch mal 27 als Zweitkorrektorin gelesen hast, dann sprechen wir uns wieder.

    Gut lesbar und "schön" sind nicht gleichbedeutend. Meine Handschrift ist nicht schön, wird aber sogar häufiger dafür gelobt, dass man sie gut lesen kann, auch schon in der Oberstufe.

    In der Grundschule wurde ständig bemängelt, dass irgendwelche Bogen nicht lang genug seien, oder irgendwelche Buchstaben unterschiedlich weit voneinander entfernt seien. Merkwürdigerweise sind sie das heute auch noch.

  • ...

    Ob soziale Fähigkeiten heute ausgeprägter sind, wage ich auch mal zu bezweifeln.

    Das ist auch tatsächlich eine Frage gewesen. Ich schrieb auch weiter oben, dass ich vermute, dass weniger geschrieben und Schrift weniger kontrolliert wird.


    Trotzdem denke ich nicht, dass zu wenig und der GS gearbeitet wird, es werden eben andere Präsentationsformen erarbeitet oder was auch immer. Wenn das anders werden und Schönschreiben mit Füller wieder zur erstrebenswerten Kompetenz erhoben werden soll, muss das an die Studienseminare zurückgegeben werden.


    ...


    P.S.: Ich möchte übrigens keinen Arzt der seine Meinung begründen kann oder Konflikte toll lösen kann, der kann sozial meinetwegen Dr. House sein, er soll fachlich Ahnung haben und mich gesund machen und ob der Ingenieur toll mit anderen reden kann ist mir auch Wumpe, das blöde Haus soll nicht zusammenbrechen...


    Für leserliches Schreiben sind Ärzte aber auch nicht gerade berühmt :zungeraus:


    Im Ernst, ich finde soziale Kompetenzen stehen ganz grundsätzlich schon über allem. Ich will mit meinen Kolleg*innen Konflikte angemessen klären, ich will keinen Arsch als Chef und ich erwarte selbstredend auch von meinen Ärzt*innen Einfühlungsvermögen. Diagnosen zu erstellen lernen sie hoffentlich an der Uni. Ich gehe jedenfalls kein zweites Mal in eine Praxis, wenn dort nicht vernünftig erklärt wird, was warum gemacht wird oder die Leute unfreundlich, belehrend oder ungeduldig sind.

    • Offizieller Beitrag

    Ich gehe jedenfalls kein zweites Mal in eine Praxis, wenn dort nicht vernünftig erklärt wird, was warum gemacht wird oder die Leute unfreundlich, belehrend oder ungeduldig sind.

    Ich auch nicht (und ich bin eine empfindliche Patientin), aber mir ist es trotzdem lieber, dass der Arzt, nicht "weiß, wie man es googlet", sondern es selbst weiß.
    Und zwischen dem, was man angeblich alles an Kompetenzen ausbildet, und was das Minimum ist, gibt es Welten.
    Ich finde den obigen Beitrag zutreffend: das meiste geht mittlerweile so sehr auf Präsentations- und Argumentationskompetenz, dass Fakten nicht mehr bekannt sind.

    Es geht mir gehörig auf den Senkel, dass irgendwelche Menschen mit Macht die ach so wichtige "Kommunikation" in den Vordergrund stellen, und ich also rein theoretisch gute Noten dafür gebe, dass Kinder kein Verb konjugieren, die Genera verwechseln und die Rechtschreibung nicht stimmt, Hauptsache verstanden. Die Generation der 40-50-jährigen und aufwärts sind nicht sozial inkompetent und ich schätze, gut die Hälfte der SuS, die damals eine 2 in Französisch hatten, können noch kurz was einkaufen gehen und einige SÄtze sprechen.
    Heutzutage: Nö.
    Nach den Sommerferien ist eh nichts mehr da.
    Nach 5 Jahren brauchst du nicht drüber nachdenken.

    Es gibt Sachen, die MUSS man auswendig lernen. Mein Vater würde nie im Leben ein "Ich danke Sie" schreiben/sagen, da wurde das "danken + Dativ" genauso wie "aus bei mit nach seit von zu + Dativ" eingeprügelt (bildlich!) und ich kämpfe seit einer Woche mit 80% (aller) meiner SuS, dass sie sich merken, wo kein -s in der französischen Konjugation kommt.

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