Was 1966 als "unschöne Schrift" galt...

  • Wir hatten auch explizit "Schönschreiben" im Stundenplan und haben auch noch Sütterlin schreiben gelernt.

    Dito. An Kommentare zur Schrift kann ich mich halbwegs erinnern, aber Noten? Keine Ahnung. Meine Grundschulzeugnisse (alle in einem einzigen Zeugnisheft) habe ich noch irgendwo, aber wo? Ihr habt mich neugierig gemacht, ich muss suchen...

  • Ziemlich krass, was wir selbst noch für mittelalterliche Erfahrungen gemacht haben. Die alte Grundschullehrerin meiner Schwester hat den Kindern an den Ohren gezogen und sie in die Ecke gestellt, bzw. zwischen zwei Türen, in dem Gebäude gab es solche Doppeltüren irgendwie zur Isolation oder was auch immer. Wenn ich so rumrechne, könnte die Frau während des ersten Weltkriegs geboren worden sein...

  • Ich bin auch so ein Fossil. Ich weiß sicher, dass ich am Gymnasium Noten in Schrift hatte. Waren immer meine schlechtesten Noten - neben Handarbeitsnoten.

    Die Weisheit des Alters kann uns nicht ersetzen, was wir an Jugendtorheiten versäumt haben. (Bertrand Russell)

  • In NDS stand es im Zeugnis,

    eine Note für „Schrift und Form“ oder „Schrift“,

    zudem gab es auch eine Unterrichtsstunde dafür.


    Ich musste auch LA lernen, meine Schrift fand ich immer scheußlich, die Note war gar nicht so schlecht - sagt mein Zeugnis.

    Aber meine Schrift nie so schön wie im gezeigten Beispiel.

    Abzüge gab es da womöglich, weil ein paar Wörter verbessert wurden.


    Interessant finde ich übrigens das Doppel-s, dass noch wie in Sütterlin ein langes/hohes und ein kurzes/geschwungenes hat. (Auf der 2. Seite bei den Wörtern „Hässlichgrund“ (?) und „mussten“) Der Unterschrift nach hat die Lehrkraft auch Sütterlin geschrieben, da gibt es den Überstrich und einen Schnörkel am g.


    Übrigens denke ich, dass es sich da um die Abschrift handelt und ich überlege, wie viel am Text von der Lehrkraft verändert oder durch den Unterricht trainiert wurde.

  • Standen die Schriftnoten bei euch im Grundschulzeugnis? (bei mir nicht)

    Falls du es auf mich beziehst: ich ging ca. 10 Jahre vor dir zur Grundschule. Ich glaube, dass sich in den 70igern einiges getan hat. Als ich später studierte, hatte man vorher den Lehrplan geändert und plötzlich viel mehr Wissenschaftlichkeit hineingebracht. In diesem Zug wurde auch Heimatkunde neu definiert in Richtung Sachkunde. Für mich waren schon an der PH einige Sachen anders als ich sie von der eigenen Grundschulzeit kannte.

  • Ziemlich krass, was wir selbst noch für mittelalterliche Erfahrungen gemacht haben. Die alte Grundschullehrerin meiner Schwester hat den Kindern an den Ohren gezogen und sie in die Ecke gestellt, bzw. zwischen zwei Türen, in dem Gebäude gab es solche Doppeltüren irgendwie zur Isolation oder was auch immer. Wenn ich so rumrechne, könnte die Frau während des ersten Weltkriegs geboren worden sein...

    Dito. Eingeschult wurde ich 1986, auch am Gymnasium habe ich noch solche "Spässe" erlebt. Wahrscheinlich fehlt es mir deswegen gar so an Bewunderung für schön geschriebene Aufsätze. Ich glaube, für manche Sprüche, die mir heute von meinen Jugendlichen gedrückt werden, hätten wir vor 30 Jahren eins geknallt bekommen.

  • Ziemlich krass, was wir selbst noch für mittelalterliche Erfahrungen gemacht haben. Die alte Grundschullehrerin meiner Schwester hat den Kindern an den Ohren gezogen und sie in die Ecke gestellt, bzw. zwischen zwei Türen, in dem Gebäude gab es solche Doppeltüren irgendwie zur Isolation oder was auch immer. Wenn ich so rumrechne, könnte die Frau während des ersten Weltkriegs geboren worden sein...

    Ich habe in den drei ersten Schuljahren auch ähnliche Erfahrungen gemacht.

    In der 4. Klasse hatte ich dann einen Lehrer, der 1905 geboren war. Ich habe ihn und seinen Unterricht geliebt.

    Im Studium habe ich mich dann sehr intensiv mit der Reformpädagogik beschäftigt. Mein Lehrer dürfte in den 20er-Jahren an einer PH ausgebildet worden sein und sein Unterricht hatte viele reformpädagogische Elemente und sein Verhalten war sehr zugewandt und kindzentriert.

    Es könnte alles so einfach sein - ist es aber nicht.

  • Dito. An Kommentare zur Schrift kann ich mich halbwegs erinnern, aber Noten? Keine Ahnung. Meine Grundschulzeugnisse (alle in einem einzigen Zeugnisheft) habe ich noch irgendwo, aber wo? Ihr habt mich neugierig gemacht, ich muss suchen...

    Zeugnisnoten für die Schrift habe ich in den 80ern in HH auch noch bekommen (Klasse 3+4).


    À+

  • Ich miste gerade aus und habe dabei ein altes Schulheft gefunden. Bayern, Aufsatz 4. Klasse im Jahr 1966. Schaut mal, welche hohen Ansprüche man damals an Schrift und Rechtschreibung hatte...

    Die Schrift der Lehrkraft ist aber nicht besser🤣 ich finde die Schrift gut, kann man doch super lesen

  • In Klasse 1 gab es das "Zauberbrettchen"... Ein längliches trapezförmiges flexibles Holzbrettchen, das unser Lehrer seinen Schülern schon mal auf die aufgeblasenen Wangen klatschen ließ. Klasse 2: Wer im Unterricht "störte", kam tatsächlich in eine Besenkammer des Klassenraums, komplett dunkel, keine Sitzgelegenheit und nur sehr gedämpfte Geräusche aus der Klasse. Unglaublich, dass man das in den 60ern "normal" fand...

  • Wahrscheinlich fehlt es mir deswegen gar so an Bewunderung für schön geschriebene Aufsätze.

    Dem stimme ich zu … und dann wieder nicht.


    Ich mag gut verfasste Aufsätze und habe Freude an Erzählungen.

    Ich freue mich über sehr schöne Handschriften.


    Es reicht mir ansonsten, wenn die Schrift klar und leserlich ist, damit bin ich sehr lange sehr gut ausgekommen.


    Jetzt leider nicht mehr.

    Als Lehrkraft arbeite ich mit den Kindern an einer leserlichen, klaren Handschrift. Da erlebe ich jetzt, wie viel Konsequenz es braucht, damit einige Kinder überhaupt eine Vorstellung von Lineatur und Buchstabe bekommen, obwohl es schon vorab angesichts sehr schwacher Motorik zu Schulbeginn viele zusätzliche Übungen gab, viel geschrieben wurde, vieles angestrichen und verbessert wurde.


    Ich wünsche mir schon, dass es überhaupt leserlich wird und gehe zu Übungen über, die ich so nie machen wollte. Aber alle anderen Übungen waren leider nicht hilfreich.

  • ...

    Was lernen heutige Schüler denn deiner Meinung nach, was damals nicht vermittelt wurde?


    Du hattest mich nicht angesprochen, aber aus Muttersicht würde ich sagen, dass mehr "gemacht" wird. Zum Beispiel ein Unterrichtsfilm zum Thema Kartoffel- Texte lesen, Informationen zusammensuchen, Skript schreiben, Bilder zeichnen, Legefilm mit iPads erstellen. Das kostet Zeit, geschrieben wird dann eher in Arbeitshefte oder auf Arbeitsblätter. Außerdem wird mehr gesprochen, Klassenrat zum Beispiel, wo jeder erzählt wie es ihm geht, gab es 1966 sicher noch nicht.


    Ich hab's schon ein paar Mal erwähnt, meine Kinder haben beide an verschiedenen Schulen keine nennenswerten Aufsätze geschrieben. Sie hatten beide Probleme mit Recht- und Leserlichschreiben, obwohl zumindest eines viel liest. Corona tat sein übriges, schätze ich, aber Aufsatzunterricht wie von Zauberwald beschrieben habe ich lange nicht gesehen.

    Auch beim Erlernen der Buchstaben hat einfach niemand korrigiert, ob der Ablauf richtig war, es ging denke ich erst mal darum, Spaß am Schreiben zu bekommen.


    Man muss ja auch als Lehrkraft konsequent sein und den Unterricht entsprechend gestalten, alles korrigieren, Abschriften machen lassen usw. Ich kann mir vorstellen, dass junge Kolleginnen viel zu tun haben, handlungsorientierten Unterricht vorzubereiten, Entwicklungsberichte und weiß der Himmel was zu erledigen und bereits in der Ausbildung nicht mehr der große Wert auf den klassischen Hefteintrag gelegt wird.


    Edit: das Zauberstundending mit mattierten Laminierfolien aus dem Ref trägt vielleicht dazu bei?

  • Also zusammengefasst, "früher" hat man sich auf das Wesentliche konzentriert und heute hat allerlei Schnickschnack mit fragwürdigem Outputwert Einzug in Schulen gefunden.


    Hm.

  • Ich würde es ganz anders zusammenfassen:

    Früher hat man häufiger Fakten auswendig gelernt,

    heute erwartet man, dass diese nac/ viel kürzerer Zeit sitzen (sollten),

    setzt aber vermehrt auch auf das Vermitteln anderer Fähigkeiten, die oft eine umfassendere Handlungsplanung benötigen und viel Zeit in Anspruch nehmen.

    Für das erlernen von Fakten ist das nicht zielführend, aber das allein ist es nicht.


    Ich habe das Thema „Kartoffel“ auch immer mal am Wickel, dabei ging es noch nie wirklich um Fakten, sondern es war immer „Methodentraining“: Zeichnen ( d beschriften, zuordnen, sortieren, sorgfältig darstellen, eine Reihenfolge finden und abbilden, einen Lückentext lösen können, ein Experiment durchführen und beschreiben. Das ginge auch alles an ganz anderen Inhalten.

    Nebenbei lernt man auch etwas über den Aufbau von Pflanzen, über geschichtliche Abläufe, über konventionellen oder ökologische. Landbau, über den Einsatz von Lebensmitteln für unterschiedliche Produkte uvm.

    Was bleibt hängen?

    Vordergründig vielleicht einzelne Fakten, vielleicht das Experiment,

    so wie man später sagt, man hätte dieses oder jenes Thema in der Schule gehabt,

    aber es bleibt eben auch ganz anderes wichtig, eben Vorgehensweisen, Handlungsplanung u.a.. das steht nie so als Überschrift über den Themen, aber es stimmt einfach nicht, dass allein Fakten und Inhalte vermittelt werden.


    Dabei kann man sicher über das Setzen der Schwerpunkte diskutieren, über Inhalte ebenso wie über Prozesse.

  • Ich bin gerade ein wenig verwirrt: Ich, Jahrgang 68, Schulzeit in BW, kann mich nicht an eine Schriftnote erinnern.... :/

    Steht bei mir in meinem Grundschulzeugnis Klasse 4 von 1990 mit drinnen, da könntest du also auch bei dir nachsehen. Vielleicht gab es das zwischendurch aber mal nicht oder du hast es schlicht vergessen, weil es, wenn man damit keine speziellen Erinnerungen verbindet, auch nicht sooooooo schrecklich relevant ist?

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • In Bawü gibt es im Jahr 2024 in der Grundschule in Klasse 3 und 4 eine Note in Schrift und Gestaltung, aber nur im Jahreszeugnis. Im Halbjahr gibt es diesbezüglich eine Zeugnisbemerkung.

    Das war mir gar nicht bewusst. Danke für den Hinweis.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Palim

    Ja, das ist sicherlich so. Es gibt ja auch durchaus nachvollziehbare Begründungen für veränderte Schwerpunkte. Auffällig ist aber doch, dass die Vermittlung gewisser Grundfertigkeiten heute nicht mehr so gut gelingt, wie früher. Dazu zähle ich die Handschrift ebenso wie das Lesen und sinnhafte Erfassen längerer Texte. Es ist ja toll, wenn Grundschüler einen Legefilm drehen, wie Quittengelee berichtet, ich frage mich aber schon, ob das nun wirklich prioritär wichtig gegenüber den Dingen ist, denen man angesichts solch zeitaufwändiger Projekte nicht mehr so viel Zeit reinräumt und die sich inzwischen als klare Defizite in Leistungsvergleichsstudien niederschlagen (wie eben schnödes Lesen).

  • Es ist ja die Frage, ob "schnödes Lesen" dabei weniger gemacht wird als früher ... und zielführend war und ist.


    Ich weiß, was ich vor 20 Jahren habe lesen lassen und was zu Hause in etwa geübt wurde.

    Ein Aspekt ist Antolin, da sammelten vor etlichen Jahren Schüler:innen zu Hause freiwillig 3000 Punkte im Jahr mit dem Beantworten von Fragen zu vorab gelesenen Büchern.

    Nun sind es keine 100 Punkte, weil die Kinder weniger lesen oder weil es viele andere Apps gibt und es nicht verlockend erscheint, die Fragen dort für ein paar Punkte zu beantworten.

    Die Bearbeitung bei Antolin war früher überwiegend außerhalb des Unterrichts, weil außerhalb des Unterrichts gelesen wurde.


    IM Unterricht wurde auch gelesen, aber auch nicht unendlich viel, es reichte aber insgesamt aus.

    Schon damals haben nicht alle zu Hause gelesen, heute ist es kaum noch möglich, diese Aufgaben wirklich einzufordern - sehr, sehr anstrengend und Kräfte zehrend und leider weniger zielführend, es immer wieder einzufordern.


    Da hat sich dann aber der Unterricht selbst vielleicht gar nicht so sehr verändert.

    Oder er hat sich verändert, weil man dem, was zu Hause nicht mehr erfolgt, in der Schule schon anderes dagegen setzt, z.B. Lesetandem - gearde im Lesen gibt es sehr viele Anstrengungen in den Schulen.

    Dennoch reicht es nicht aus, um heute bei möglichst vielen Schüler:innen zu den gewünschten Ergebnissen zu kommen, obwohl dem mit mehr Zeit und sinnvollere Übungen in der Schule begegnet wird.


    Für das Drehen eines Legefilmes, das an der Stelle auch Medienbildung ist, fällt dann vielleicht etwas ganz anderes weg, Fahrrad-putzen oder der Bau einer Burg aus Korken oder ein gesehener Film oder - passend zum Beispiel: das Erstellen eines Plakates.

    Oder aber ein anderes Projekt, das früher stattgefunden hat. Dafür war ja früher durchaus auch Zeit vorgesehen und angesetzt.

  • Ich habe in den drei ersten Schuljahren auch ähnliche Erfahrungen gemacht.

    In der 4. Klasse hatte ich dann einen Lehrer, der 1905 geboren war. Ich habe ihn und seinen Unterricht geliebt.

    Im Studium habe ich mich dann sehr intensiv mit der Reformpädagogik beschäftigt. Mein Lehrer dürfte in den 20er-Jahren an einer PH ausgebildet worden sein und sein Unterricht hatte viele reformpädagogische Elemente und sein Verhalten war sehr zugewandt und kindzentriert.

    Da waren die Leute wahrscheinlich noch cool und nicht kriegsgeschädigt von der "Deutschen Mutter und ihrem ersten Kind".

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