Attest wegen psychischer Erkrankung

  • Hallo,

    ich unterrichte in NRW an einer Sekundarschule.

    Dieses Jahr bekam ich wie schon oft fachfremd einen PP Kurs zugeteilt (Jahrgang 9) mit sehr verhaltensauffälligen Schülern.

    Da ich schon in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht habe, dass das Unterrichten in PP von der Schülerschaft her sehr schwierig ist, habe ich der Schulleitung gesagt, dass ich diesen Kurs nicht unterrichten kann, da ich das seelisch nicht aushalte. Da zunächst etwas ablehnend reagiert wurde, habe ich mir von meinem Hausarzt ein Attest ausstellen lassen. Er kennt mich und weiß, dass ich hochsensibel bin und schon oft in Psychotherapie war, um meinen Beruf überhaupt zu schaffen.

    Nun hat jemand anders den PP Kurs bekommen und ich darf normal in meinem studierten Fach unterrichten. Ich bin erleichtert!!!

    Nun hat aber die Schulleitung mein Attest zur Bezirksregierung geschickt, um es rechtlich zu prüfen. Was erwartet mich da wohl?

    Muss ich mir Sorgen machen?


    LG

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    • Offizieller Beitrag

    Hallo und herzlich willkommen im Forum.


    Was Dich erwartet, kann hier niemand seriös beantworten.
    Eine rechtliche Prüfung bedeutet meines Erachtens, dass die SL überprüfen möchte, inwieweit ein solches Attest Bindungswirkung hinsichtlich Deines Unterrichtseinsatzes hat oder nicht. Das hätte nämlich unter Umständen Signalwirkung für andere KollegInnen.

    Ich bin einmal böse und überspitze:

    Kollege Meyer bringt ein Attest, dass er in der 1. und 2. Stunde nicht unterrichten kann, weil er unter morgendlicher Antriebslosigkeit leidet und erst später arbeiten kann.

    Kollegin Schmidt bringt ein Attest, dass sie nur bis zur 4. Stunde inklusive unterrichten kann, weil sie den Stress in der 5. und 6. Stunde nicht aushält.

    Kollege Klein möchte nicht in Klassen 7 und drüber eingesetzt werden, weil ihn die körperliche Größe der SchülerInnen seelisch belastet.

    Alle KollegInnen, die jemals PP unterrichtet haben, bringen Atteste an, weil sie den Unterricht in diesen Gruppen nicht aushalten.

  • Wahrscheinlich passiert gar nix, außer dass die Bezirksregierung sagen wird, dass das Attest keine direkte Auswirkung auf deinen Einsatz hat. Der richtige Weg wäre wohl das nächste Mal eine Überlastungsanzeige.

  • Eine rechtliche Prüfung bedeutet meines Erachtens, dass die SL überprüfen möchte, inwieweit ein solches Attest Bindungswirkung hinsichtlich Deines Unterrichtseinsatzes hat oder nicht.

    Genau so ist es. Zwei ähnliche Fälle hatten wir auch schon.

    Beim ersten Fall kam nur ein Schreiben zurück, dass dem Attest Folge zu leisten sei.

    Beim zweiten kam es zur amtsärztlichen Überprüfung und dauerhaftem Einsatzverbot im entsprechenden (studierten) Fach.

  • Dieses Jahr bekam ich wie schon oft fachfremd einen PP Kurs zugeteilt (Jahrgang 9) mit sehr verhaltensauffälligen Schülern.

    Da ich schon in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht habe, dass das Unterrichten in PP von der Schülerschaft her sehr schwierig ist, habe ich der Schulleitung gesagt, dass ich diesen Kurs nicht unterrichten kann, da ich das seelisch nicht aushalte. Da zunächst etwas ablehnend reagiert wurde, habe ich mir von meinem Hausarzt ein Attest ausstellen lassen. Er kennt mich und weiß, dass ich hochsensibel bin und schon oft in Psychotherapie war, um meinen Beruf überhaupt zu schaffen.

    Persönlich würde ich das allerdings zum Anlass nehmen, weiter an dem Problem zu arbeiten. Schwierige Lerngruppen werden uns in unserem Job immer mal wieder begegnen.

  • Da ich schon in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht habe, dass das Unterrichten in PP von der Schülerschaft her sehr schwierig ist, habe ich der Schulleitung gesagt, dass ich diesen Kurs nicht unterrichten kann, da ich das seelisch nicht aushalte. Da zunächst etwas ablehnend reagiert wurde, habe ich mir von meinem Hausarzt ein Attest ausstellen lassen. Er kennt mich und weiß, dass ich hochsensibel bin und schon oft in Psychotherapie war, um meinen Beruf überhaupt zu schaffen.

    Bei allem Verständnis für gesundheitliche Probleme (das ich als Schwerbehinderte habe) finde ich die Begründung für das Attest und die daraus resultierende Deputatsänderung schon sehr speziell. Wenn das so ohne weiteres (sprich auch ohne vorhandenen GdB) durchgeht öffnet das letztlich Tür und Tor für jedwede Art von Spezialwünschen deinerseits zu deinem Deputat, weil alles, was dir nicht so gut „gefällt“ im Zweifelsfall seelisch nicht aushaltbar ist.


    Ich glaube dir, dass es dir damit so geht, aber für eine Schulleitung ist das hochproblematisch, weil völlig unabsehbar ist, welchen Pferdefuß das noch nach sich zieht. Durch die immer weiter abnehmenden Möglichkeiten der sogenannten „anlasslosen Teilzeit“, sowie die vielen, äußerst schwierigen Lerngruppen, die wir in der SEK.I haben wäre das- vor allem, wenn du ohne vorhandene Schwerbehinderung einfach damit „durchkommst“- letztlich der Weg schlechthin für sämtliche KuK zur Selbstentlastung, denn seelisch belastet sind wir letztlich doch alle in unterschiedlicher Ausprägung durch unsere Arbeit, auch wenn längst nicht alle KuK es sich selbst erlauben eine Therapie in Anspruch zu nehmen im Rahmen der Selbstfürsorge.


    Hast du dich von der Schwerbehindertenvertretung beraten lassen in der Sache? Wenn nicht, würde ich diese an deiner Stelle mit hinzuziehen und zumindest schon einmal in Kenntnis setzen über den Vorgang und die Überprüfungsanfrage der SL, damit die Schwerbehindertenvertretung bei Bedarf unterstützend aktiv werden kann.

    Bei derart weitreichenden Einschränkungen deine berufliche Tätigkeit betreffend würde ich an deiner Stelle aber auch abklären, ob es eine Basis für einen GdB gibt bei dir. Es gibt schließlich auch seelische Behinderungen. Ob Hypersensibilität dafür bereits als ausreichend erachtet wird vermag ich nicht einzuschätzen (da das bei mir lediglich eine Ergänzung ist zu anderen Krankheitsbildern). Dass diese sich gerade in unserem Beruf besonders bemerkbar machen kann dürfte aber für jeden außer Frage stehen.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Danke für die Anregungen und Infos.

    Ich warte es jetzt mal ab.

    Anmerkung: Das Fach PP wurde mir fachfremd aufgedrückt, ich habe keine Facultas.

  • Danke für die Anregungen und Infos.

    Ich warte es jetzt mal ab.

    Anmerkung: Das Fach PP wurde mir fachfremd aufgedrückt, ich habe keine Facultas.

    Ich gehe davon aus, dass dir bewusst ist, dass fachfremde Unterrichtseinsätze in der SEK.I nichts Ungewöhnliches sind. Wenn es weder genügend KuK für ein Fach gibt, noch ausreichend KuK dieses auch ohne Fakultas freiwillig fachfremd zu unterrichten bereit sind, dann bleibt einer Schule nur das Mittel, Lehrpersonen dazu zu verpflichten, da sie nicht eigenmächtig Unterricht ausfallen lassen können, den sie rein von der Deputatsstundenversorgung her abdecken könnten.

    Gerade PP/ Ethik ist ein Fach, das in vielen Bundesländern massiv ausgebaut wurde in den letzten Jahren (hier in BW ist das stufenweise „runtergewandert“ in der SEK.I und wird inzwischen ab Klassenstufe 5 angeboten), ohne dass es deshalb mehr studierte Lehrkräfte des Faches geben würde. Insofern ist es wenig erstaunlich, dass dieses Fach besonders häufig fachfremd unterrichtet wird und dann eben bei unzureichender Bereitschaft im Kollegium dieses Unterricht zu leisten, der fachfremde Unterrichtseinsatz angeordnet wird.


    Ich unterrichte selbst Ethik fachfremd und empfinde das inzwischen tatsächlich als Entlastung, weil es nur in wenigen Fächern derart viele unterrichtliche Freiräume gibt bei vergleichsweise vielen Unterrichtsstunden. Vielleicht denkst du einfach mal aus so einer Perspektive über das Fach nach, statt dieses nur als „aufgedrückt“ zu empfinden. Auch so ein Wechsel der eigenen Haltung und Perspektive kann nämlich hochrelevant sein, wenn es um seelische Entlastung geht. Schließlich kannst du nicht immer und allen „schwierigen Lerngruppen“ aus dem Weg gehen in diesem Beruf (auch wenn wir uns das alle manchmal wünschen würden).

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Das heißt also, man kann jederzeit verpflichtet werden, fachfremd zu unterrichten? Jedes beliebige Fach? Ob das rechtlich so haltbar ist?

  • Auszug aus der ADO NRW:


    (2) Wenn es zur Vermeidung von Unterrichtsausfall oder aus pädagogischen Gründen geboten ist und die entsprechenden fachlichen Voraussetzungen vorliegen, sind Lehrerinnen und Lehrer verpflichtet, Unterricht auch in Fächern zu erteilen, für die sie im Rahmen ihrer Ausbildung keine Lehrbefähigung besitzen. Eine Verpflichtung zur fachfremden Erteilung von Religionsunterricht besteht nicht.


    Wenn ich aber nun denke, dass ich die fachlichen Voraussetzungen nicht erfülle? Wer entscheidet das?

  • Auszug aus der ADO NRW:


    (2) Wenn es zur Vermeidung von Unterrichtsausfall oder aus pädagogischen Gründen geboten ist und die entsprechenden fachlichen Voraussetzungen vorliegen, sind Lehrerinnen und Lehrer verpflichtet, Unterricht auch in Fächern zu erteilen, für die sie im Rahmen ihrer Ausbildung keine Lehrbefähigung besitzen. Eine Verpflichtung zur fachfremden Erteilung von Religionsunterricht besteht nicht.


    Wenn ich aber nun denke, dass ich die fachlichen Voraussetzungen nicht erfülle? Wer entscheidet das?

    Im Zweifelsfall entscheidet das dein Dienstherr vertreten durch deine SL. Der erste Weg ist aber eigentlich immer, dass im Kollegium gefragt wird, ob jemand sich vorstellen könne Fach X fachfremd zu erteilen oder dies auch einfach bei der Einstellung in der SEK.I direkt mit erfragt wird, welche Fächer man zusätzlich fachfremd anbieten könne bzw. gesagt wird, welche man fachfremd leisten müsste angesichts der Versorgungslage der Schule, wobei weitere Fächer in der SEK.I immer dazukommen können, in denen plötzlich fachfremder Einsatz erforderlich wird.

    Bei uns ist so im letzten Schuljahr der einzige Kollege eines bestimmten Fachs wegversetzt worden. Da gab es dann schlicht eine Rundmail, in der die Situation dargestellt wurde, dass dieses Fach also nicht abgedeckt wäre und das Schulamt auch kein Personal zur Verfügung habe mit diesem Fach. Daraufhin haben sich diverse KuK gemeldet, die das Fach seitdem fachfremd unterrichten. Mit fachlichen Abstrichen, aber zumindest findet etwas Grundbildung noch statt.


    Wer wie ich diverse gesellschaftswissenschaftliche Fächer studiert hat erfüllt beispielsweise mit ein paar Abstrichen problemlos die fachlichen Minimalvoraussetzungen für Ethik/ PP. Für den Rest gibt es dann ganz banal Fortbildungen („Ethik fachfremd“).

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  • Das heißt also, man kann jederzeit verpflichtet werden, fachfremd zu unterrichten? Jedes beliebige Fach? Ob das rechtlich so haltbar ist?

    DAs heißt es in vielen Bundesländern ja, nur Sport ist in Berlin davon z.B. ausgenommen, das darf man nur mit Zustimmung fachfremd unterrichten.

    Alles andere (wobei Religion bei uns ja rausfällt, weil von den Kirchen besetzt) muss man machen, wenn das die Schulleitung so möchte.


    Wenn ich aber nun denke, dass ich die fachlichen Voraussetzungen nicht erfülle? Wer entscheidet das?

    Die Schulleitung.

  • Beitrag von Plattenspieler ()

    Dieser Beitrag wurde vom Autor aus folgendem Grund gelöscht: Hat sich durch die moderatorische Bearbeitung des anderen Beitrages, auf den er sich bezog, erübrigt. ().
  • Schließlich kannst du nicht immer und allen „schwierigen Lerngruppen“ aus dem Weg gehen in diesem Beruf (auch wenn wir uns das alle manchmal wünschen würden).

    Offenbar schon, bislang ist der Plan ja aufgegangen. Außerdem steht da nichts von immer, sondern von bestimmten Lerngruppen in fachfremdem Unterricht.

    Bei allem Verständnis für gesundheitliche Probleme (das ich als Schwerbehinderte habe) finde ich die Begründung für das Attest und die daraus resultierende Deputatsänderung schon sehr speziell. Wenn das so ohne weiteres (sprich auch ohne vorhandenen GdB) durchgeht öffnet das letztlich Tür und Tor für jedwede Art von Spezialwünschen deinerseits zu deinem Deputat, weil alles, was dir nicht so gut „gefällt“ im Zweifelsfall seelisch nicht aushaltbar ist.

    Warum so bissig? Leute dürfen Probleme haben, auch ohne dass ihnen wer einen Grad der Behinderung attestiert.

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