Themen im (Mathe)unterricht motivieren, erlernbar?

  • Hallo,


    ich habe vor ca. 1 Jahr das erste Staatsexamen geschrieben und war seitdem als Aushilfslehrkraft für eine 5. und zwei 6. Klassen in Mathe tätig.

    Hierbei habe ich gemerkt, dass ich insb. in der 6 Klasse (in der 5. ging es einfacher, da hier die Schüler sehr schnell motiviert sind) manchmal Schwierigkeiten hatte, ein Thema durch einen Realitätsbezug zu motivieren.

    Das heißt, ich finde es schwierig, eine Geschichte um ein Thema herum zu erzählen, um das Thema zu motivieren.

    (Beispielsweise wurden zum Ende des Schuljahres Flächenformeln von Trapezen, Drachenvierecken usw. hergeleitet und ich hatte Schwierigkeiten, das Thema durch einen Realitätsbezug zu motivieren).


    Da ich in 3 Wochen in das Referendariat einsteigen werde, habe ich somit Sorgen, dass dieses Defizit zu einem großen Problem werden könnte.

    Zu welchem Grad ist diese Fähigkeit erlernbar? Und kann sie trainiert werden?



    Vielen Dank

  • Man kann nicht jedes Thema in einen "Realitätsbezug" pressen. Das verlangt auch selbst im Referendariat keiner von dir. Wenn dir das wichtig ist, musst du einfach viel Googlen. Selbst denke ich mir so einen Quatsch nicht mehr aus.


    Edit: Noch ein bisschen mehr Kontext. Du solltest schon die Themen "motivieren". Das kann aber auch innermathematisch sein.

  • Diesen zwanghaften Versuch, mathematische Sachverhalte in der Lebenswelt unsere Schüler:innen zu suchen, finden die Betroffenen selber als albern und ich kann nicht feststellen, dass sich hierdurch die Begeisterung oder auch nur das Interesse steigern lässt. So zumindest meine Erfahrungen an einer Realschule. Vielleicht sieht das ja in anderen Schulformen anders aus?

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Auch am Gymnasium ist "Ihr seid hier am Gymnasium, zum Abitur gehört Mathe und im Lehrplan steht..." eine völlig legitime Art und Weise, ein Thema zu legitimieren. Die SuS haben schlicht keine Kompetenz, die Relevanz eines Themas für ihr späteres Leben angemessen einzuschätzen und es ist auch nicht Aufgabe von Schule, spezifisch auf eine spätere "Verwendung" vorzubereiten.

  • Aus meiner Sicht ist das ein Irrweg. Häufig sind die angeblichen Realitätsbezüge totaler Quatsch. Falls nicht, dann sind sie in der Regel eine zusätzliche Hürde oder direkt viel zu schwierig.


    Für sinnvolle Anwendungen der Mathematik gibt es die anderen Naturwissenschaften insbesondere Physik und Informatik.

  • Und diese Realitätsbezüge interessieren den Schüler auch nicht. Wer fussballbegeistert ist will kicken, aber nicht den parabelförmigen Verlauf seines Schusses berechnen. Das geht dem Schüler am Gesäß vorbei. Daher habe diese beispiele im Seminar mich auch nicht vom Stuhl gerissen.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Für sinnvolle Anwendungen der Mathematik gibt es die anderen Naturwissenschaften insbesondere Physik und Informatik.

    Ich habs mal ganz groß und fett gemacht umd die Aussage zu untertreichen.

    Das setzt natürlich eine Abstimmung der Unterrichtsinhalte der entsprechende Fächer voraus.
    Ich glaube, ich habs an anderer Stelle im Forum schonmal geschrieben:
    Exponentialfunktion in Mathe, dann zeitnah (max. 1 Woche Abstand) radioaktiver Zerfall in Physik, Wachstum in Biologie, Zins und Zinseszins in Wirttschaft usw. usf..


    Und nein... die Basis eine Exponentialfunktion muss nicht immer die 10 sein.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Und dann kommt das Mathebuch mit Anwendungen der unbestimmten Integrale in Physik und ich rechne die Aufgabe durch und komme zu drei verschiedenen Ergebnissen (die aus dem Lösungsbuch war übrigens nicht dabei). Wie damals im Physikunterricht.

    Manchmal bin ich echt froh, die Anwendungen mal auf andere Fächer abzuwälzen...


    À+

  • Was mir bei der Suche nach Realitätsbezügen geholfen hat, ist der Austausch mit Fachkollegen, Lesen von Blogs und im Fediverse oder auch bei Instagram. Mal schnappe ich mir die eine Idee hier auf, mal eine andere. Das eine verwendet man wieder, das andere fliegt raus. Schulbücher bieten auch mal mehr mal weniger geeignete Aufgaben zum Einstieg. Und heute bestand die Schülerorientierung beim Thema "Terme addieren und subtrahieren" darin, dass sich die Schüler eigene Aufgaben mit dem Anfangsbuchstaben ihres Vornamens ausgedacht und gegenseitig gestellt haben. Fanden sie witzig, es waren einige anspruchsvolle Aufgaben dabei und ich habe nächste Stunde noch ein paar Aufgaben für den Stundenbeginn übrig.


    Vor kurzem habe ich noch eine Fortbildung zum Storytelling mitgemacht, das hat mich auch auf ein paar nette Ideen für den Matheunterricht gebracht.


    À+

  • Mathematik ist sich selbst genug, sie bedarf keinen Realitätsbezug.

    Du gehst ja auch nicht in den Louvre und fragst, was man mit der Mona Lisa sonst so machen kann, statt sie nur an die Wand zu hängen.

  • Huhu, also die Frage wäre generell, wie man motivieren kann und da ist Realitätsbezug natürlich nicht die einzige Möglichkeit und auch nicht immer zielführend. Das mathematische Problem aus der Umwelt, das du finden könntest, ist in aller Regel nämlich keine Frage, die wirklich von den Kindern kommt, also ist es oft genauso (un-)motivierend, wie die Formel, die sie lernen sollen.

    Aber um erst mal zu verstehen, was man da eigentlich macht, kann Handlungsbezug oft sinnvoll sein. Zum Beispiel bei den von dir genannten Flächeninhalten von Vierecken die Herleitung mit Schere und Papier:

    https://eduki.com/de/material/…en---herleitung-schneiden


    Als angehender Lehrkraft kann ich dir auch den MUED empfehlen, dort gibt es unter anderem tagesaktuelle Aufgaben für verschiedene Jahrgangsstufen, da sind immer auch interessante Fragestellungen aus dem Alltag dabei.

    https://www.mued.de/unterrichtsmaterial


    Im Seminar lernst du ja hoffentlich auch verschiedene didaktische Herangehensweisen und musst nicht selbst alles neu erfinden.


    Viel Spaß beim Einstieg, du hast ja schon Erfahrung und damit auf jeden Fall einen Vorsprung:wink2:

  • Es ist ja auch so, dass Schüler*innen gerne fragen, wozu man etwas braucht - wenn man aber mit einer "Textaufgabe" um die Ecke kommt, ist das auch wieder nicht recht.


    Mit beidem haben sie ein bisschen Recht und ein bisschen Unrecht. Es ist legitim zu fragen, warum man etwas lernen soll, und die Textaufgaben sind häufig wirklich vom Typ "Bananen kaufen".


    Aber man fragt auch nicht, warum man den Buchstaben "a" braucht. Zum Bananen kaufen? Und wirklichkeitsfern sind die Aufgaben ja oft einfach deshalb, weil die Realität so kompliziert ist und man all das Komplizierte erst mal weglässt.


    Das sind Themen für die Ausbildung. Also, nicht verzagen, diskutieren.

  • Ich selber war sehr, sehr schlecht in Mathe. Das war zuerst ein Grund, warum ich nicht meinem Berufswunsch nachgegangen bin - Grundschullehrer müssen halt Mathe studieren (zumindest zu meiner Zeit). Das traute ich mir zu. Dann hat mir jemand zugeredet - und ich habe es versucht.


    Viele Inhalte habe ich erst im Studium verstanden, als ich lernte, sie auf Grundschulniveau herunterzubrechen. Ich konnte mir die Formel der Rechteckflächenberechung nie merken. Als ich aber 1x1 Aufgaben mit Fliesen (Punktefeld) darstellen musste - war mir alles plötzlich glasklar. Und es gab mehrere dieser aha Effekte.


    Will damit zum Ausdruck bringen: Mir hätte es sehr geholfen, wenn ich Praxisbezüge gehabt hätte und nicht einfach Mathe als "lebloses" Fach erlebt hätte. Ich kann mich noch erinnern, dass mein Mathelehrer das 6er System erklärte, indem er von einem Planeten erzählte, auf dem Wesen mit nur 6 Fingern leben würden........

  • Viele Inhalte habe ich erst im Studium verstanden, als ich lernte, sie auf Grundschulniveau herunterzubrechen. Ich konnte mir die Formel der Rechteckflächenberechung nie merken. Als ich aber 1x1 Aufgaben mit Fliesen (Punktefeld) darstellen musste - war mir alles plötzlich glasklar. Und es gab mehrere dieser aha Effekte.


    Will damit zum Ausdruck bringen: Mir hätte es sehr geholfen, wenn ich Praxisbezüge gehabt hätte und nicht einfach Mathe als "lebloses" Fach erlebt hätte.

    Du beschreibst ein Modell. Modelle sind hilfreich und sinnvoll und zur erkennen, welches Modell für welchen Schüler hilfreich ist, ist hohe Kunst des Matheunterrichtes. Das ist aber etwas anderes als Praxisbezug.

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