Classroom Management: eher streng oder wie jetzt?

  • Hallo erfahrene Lehrerkolleg*Innen,


    ab September unterrichte ich in Berlin an einem Gymnasium in den Fächern Mathematik und Musik. Da ich bereits im Frühjahr Vertretungslehrer gewesen bin, konnte ich schon etwas Erfahrung beim Thema Classroom-Management sammeln. Zuerst habe ich beim hospitieren eine Klasse (schwierige 7.Klasse) beobachtet, das Umschalten auf straffere Führung gelang nur mäßig, weil der Teilungskollege zu wenig konsequent war, was den Umgang mit krassen Störern angeht. Im Gespräch mit erfahreneren Kolleg*innen aus dem Kollegium fiel mir auf, dass einige eine Klasse vom Start des Schuljahrs an bis zu den Herbstferien streng und konsequent führen (4-Augengespräche mit SuS, E-Mails bzw. Anrufe an Eltern, Sitzplanänderung), andere eher einen weniger konsequenten Umgang mit ihrer Klasse pflegen (Zitat: die armen SuS, die in den Corona-Jahren kaum Unterricht hatten), und das bei SuS, die auf einem Gymnasium kaum glücklich werden, weil es Ihnen an fachlichen Grundlagen, Lernbereitschaft und respektvollem Umgang mit Mitschüler*innen und LuL mangelt.


    Jetzt suche ich nach (m)einem Mindset für Anfang September: bin eher konsequent und durchaus streng, aber auch vorsichtig weil noch nicht so erfahren?


    Was meint ihr, wie soll ich vorgehen?

    Was kann ich tun?

    Wie kann ich mich vorbereiten auf den Schulstart?


    VG, Quereinsteiger mit Humor

  • Hej, ich unterrichte zwar an einer Förderschule, aber mit Störungen kenne ich mich gut aus ;)

    Ich bevorzuge die "anfangs streng"-Variante, dabei ist aber eines wichtig: individuelle Regeln - also es mag durchaus etwas geben, was eigentlich nicht ok wäre, bei dir aber eben schon.

    Und streng bleiben würde ich das ganze Schuljahr, aber eben mit individuellen Einschränkungen.

  • Hej, ich unterrichte zwar an einer Förderschule, aber mit Störungen kenne ich mich gut aus ;)

    Ich bevorzuge die "anfangs streng"-Variante, dabei ist aber eines wichtig: individuelle Regeln - also es mag durchaus etwas geben, was eigentlich nicht ok wäre, bei dir aber eben schon.

    Und streng bleiben würde ich das ganze Schuljahr, aber eben mit individuellen Einschränkungen.

    Hi, toll, dass Du an einer Förderschule arbeitest, Respekt. Ok, eher streng, finde ich gut!

  • Als erstes rausfinden, welche Regeln du an der Schule überhaupt aufstellen darfst. Es gibt nichts Blöderes als irgendwas zu verkünden, was du gerne hättest und zwei Wochen später musst du es zurücknehmen, weil es gar nicht geht. Dann überleg dir, was du wirklich bereit bist durchzuziehen. Ich bin immer erst mal streng und konsequent sowieso. Netter werden kannst du immer noch, anders rum gelingt es kaum. "Streng" heisst übrigens nicht "hysterisch". Spar dir polemische Ansprachen, damit machst du dich lächerlich. Und dass du vor allem in einer grossen Klasse immer alles und alle im Griff hast, kannst du vergessen. Wird schon :super:

  • Als erstes rausfinden, welche Regeln du an der Schule überhaupt aufstellen darfst. Es gibt nichts Blöderes als irgendwas zu verkünden, was du gerne hättest und zwei Wochen später musst du es zurücknehmen, weil es gar nicht geht. Dann überleg dir, was du wirklich bereit bist durchzuziehen. Ich bin immer erst mal streng und konsequent sowieso. Netter werden kannst du immer noch, anders rum gelingt es kaum. "Streng" heisst übrigens nicht "hysterisch". Spar dir polemische Ansprachen, damit machst du dich lächerlich. Und dass du vor allem in einer grossen Klasse immer alles und alle im Griff hast, kannst du vergessen. Wird schon :super:

    Danke!

  • Ich persönlich bin in den ersten Wochen generell eher strenger, als es eigentlich meine Art ist.

    Mit "streng sein" meine ich, dass ich konsequent jede kleine Störung unterbinde, einzelne Schüler auf Fehlverhalten anspreche, schon bei z.B. "erst" zweimal Hausaufgaben/Materialien vergessen die Eltern anrufe etc.


    Das alles natürlich auf Basis von vorher klar aufgestellten und besprochenen Regeln.

    Basics bespreche ich nur, Spezielleres gebe ich den Schülern auch schriftlich mit (auf dem Blatt, auf dem auch meine Dienst-Emailadresse steht sowie die Materialien, die die Schüler für das Schuljahr in meinem Fach brauchen). Was meine ich mit Speziellerem? Z.B. verlange ich bei Referaten und Präsentationen die PowerPoint sowie das Handout spätestens 2 Tage vor dem Präsentationstermin bis 16 Uhr. Gibt man sowas schriftlich raus, hat es a) eine höhere Verbindlichkeit und man kann sich b) insbesondere dann darauf berufen, wenn es um Noten o.Ä. geht.


    Im Laufe des Schuljahres, meist bis zu den Herbstferien, gewöhnt man (=Klasse und ich) sich aneinander. Abläufe werden verinnerlicht, Regeln gehen (hoffentlich) in Gewohnheiten über. Um die Zeit rum wäge ich ab, ob die Zügel ein wenig lockerer gelassen werden können. Das Ganze ist natürlich kein so rationaler Prozess, wie ich es jetzt darstelle, sondern läuft eher intuitiv und automatisch ab.


    Ich habe immer die Worte meiner Seminarlehrerin im Ohr: "Denken Sie an die profilbildende Wirkung der ersten Stunden." Heißt eben auch: Wenn man auf eine chaotische/wilde/regelnehernichtsomögende Klasse am Anfang zu weich oder zu nachsichtig zugeht, hat man es echt schwer, wenn man später eine größere "Strenge" an den Tag legen will.

  • Sehr gut, danke für Deine Erfahrungen und Hinweise! Helfen mir sehr weiter!

  • Ich finde ein Rat wie "am Anfang streng" sehr schwierig, welche Regeln sollten denn am Anfang durchgezogen werden und am Ende nicht?

    Und welche Regeln gelten überhaupt? Und wie setze ich sie durch?


    Da scheitern ja viele Kollegen mit x-Jahren Berufserfahrung dran, von daher ist so ein Rat an einen nicht-ausgebildeten Kollegen noch schwieriger.

  • streng und konsequent führen (4-Augengespräche mit SuS, E-Mails bzw. Anrufe an Eltern, Sitzplanänderung

    Die genannten Beispiele haben meiner Meinung nach auch nichts zwangsläufig mit streng und konsequent zu tun, sondern wenn ich beispielsweise Vier-Augen-Gespräche nur mit Schülern führe, bei denen ich keinen Widerstand erwarte UND/ODER, wenn es jemand wochenlang auf die Spitze getrieben hat, dann kann das ganze auch das Gegenteil sein.

  • Ich finde ein Rat wie "am Anfang streng" sehr schwierig, welche Regeln sollten denn am Anfang durchgezogen werden und am Ende nicht?

    Davon schrieb doch niemand. Was ich z. B. zu Beginn kategorisch ablehne ist Prüfungstermine verschieben. Das kann sich später durchaus ändern weil auch die Argumente der Jugendlichen andere werden. Sie sind am Anfang gerne mal überfordert und fangen zu spät an mit Lernen. Selber schuld. Später kann es wirklich mal dumme Überschneidungen geben weil mit zunehmenden Wahlmöglichkeiten bei den Fächern oder aufgrund von Projektarbeit oder sonstigen Sondersettings die Prüfungspläne unübersichtlicher werden. Dann kommen sie in der Regel aber auch mit konstruktiven Vorschlägen und wollen nicht nur einfach irgendwas.

  • Schraub die Ansprüche an dich nicht zu hoch. Das klappt alles nicht von heute auf morgen. Man muss ständig abwägen zwischen Konsequenz und Verständnis, und das dauert alles ein bisschen. Insbesondere in Mathe muss man erst mal signalisieren, dass man sich Mühe machen wird mit dem Erklären. Das ist halt für viele nach wie vor ein Hass- und Angstfach. Und es ist auch nicht jeder begeistert von Musik. Aber zwei schöne Fächer hast du da :wink2:


    Ich weiß noch, wie ich am Anfang mal Ko-Teaching hatte und mit dem erfahrenen Lehrer sprach. "Man gewöhnt sich aneinander", sagte er, Worte, an die ich oft gedacht habe, weil, ja, irgendwie kennt man seine Schäfchen irgendwann und die meisten mag man auch.


    Ich arbeite einerseits viel mit Routinen im Ablauf, das ist sehr hilfreich. Andererseits bringe ich auch immer mal wieder was Neues rein.


    Aber wie schon geschrieben, bleib immer authentisch und glaubwürdig, die SuS merken sofort, wenn du "nicht echt" bist.

  • Schau dir erst mal die Kinder an und bleib immer gelassen. Nicht laut werden, das hat kaum einen Effekt und strengt dich nur an. Das kann man nur strategisch einsetzen, kleine Anekdote:

    Ich habe im Praktikum mal für ein paar Wochen einen Mathelehrer in einer 7 erlebt, der ganz ohne die übliche Lehrerlautstärke in der Stimme unterrichtet hat. Das war im Plauderton, als würde er mit einem im Lehrerzimmer sitzen. Wenn zwei Kinder gequatscht haben, hat man ihn in dieser Ecke des Raumes schon nicht mehr richtig verstanden. Der Kollege muss entsprechende Noten gegeben haben, so dass jeder mitkriegen wollte, was da vorne abgeht. Nur einmal ist der aufgestanden und zu einem Oberkasper an den Platz gegangen, um ihn in der Lehrerstimme anzupflaumen. War auch überhaupt nicht dramatisch. Das musste das erste Mal gewesen sein, dass der Kollege sowas in der Klasse gemacht hat, die waren wie versteinert. Und dann ging es einfach ruhig weiter.

  • Du hast den Begriff des Classroommanagements verwendet, sprichst aber nur von Strenge vs. alles durchgehen lassen. Zwei Gedanken dazu:

    1. Definiere für dich, was streng überhaupt sein soll.

    2. Classroommanagement bedeutet, den Raum und die Abläufe so zu gestalten, dass es von vorneherein zu möglichst wenig Störungen kommt. Dazu gehört in erster Linie alles, was mit Transparenz zu tun hat: Zum Beispiel klare Ansagen, sichtbare oder mündlich eindeutig formulierte Regeln und Konsequenzen bei Nichteinhaltung, feste Plätze für bestimmte Materialien, feste Abläufe für bestimmte Tätigkeiten, Fahrplan für die Stunde, Kriterien zur Leistungsbewertung und andere mehr. Je nach Alter und Verhaltensproblemen natürlich angepasst, aber im Großen und Ganzen soll das Management des Classrooms dafür sorgen, dass du und die SuS wissen, woran sie sind, dann erübrigt sich das eine oder andere Hochschaukeln.


    Ich wünsche dir einen guten Start und viel Spaß mit deinen neuen Klassen :wink2:

  • Die genannten Beispiele haben meiner Meinung nach auch nichts zwangsläufig mit streng und konsequent zu tun, sondern wenn ich beispielsweise Vier-Augen-Gespräche nur mit Schülern führe, bei denen ich keinen Widerstand erwarte UND/ODER, wenn es jemand wochenlang auf die Spitze getrieben hat, dann kann das ganze auch das Gegenteil sein.

    Ok, danke für Deine Hinweise!

  • Du hast den Begriff des Classroommanagements verwendet, sprichst aber nur von Strenge vs. alles durchgehen lassen. Zwei Gedanken dazu:

    1. Definiere für dich, was streng überhaupt sein soll.

    2. Classroommanagement bedeutet, den Raum und die Abläufe so zu gestalten, dass es von vorneherein zu möglichst wenig Störungen kommt. Dazu gehört in erster Linie alles, was mit Transparenz zu tun hat: Zum Beispiel klare Ansagen, sichtbare oder mündlich eindeutig formulierte Regeln und Konsequenzen bei Nichteinhaltung, feste Plätze für bestimmte Materialien, feste Abläufe für bestimmte Tätigkeiten, Fahrplan für die Stunde, Kriterien zur Leistungsbewertung und andere mehr. Je nach Alter und Verhaltensproblemen natürlich angepasst, aber im Großen und Ganzen soll das Management des Classrooms dafür sorgen, dass du und die SuS wissen, woran sie sind, dann erübrigt sich das eine oder andere Hochschaukeln.


    Ich wünsche dir einen guten Start und viel Spaß mit deinen neuen Klassen :wink2:

    Ok, danke für Deine Hinweise!

  • Schau dir erst mal die Kinder an und bleib immer gelassen. Nicht laut werden, das hat kaum einen Effekt und strengt dich nur an. Das kann man nur strategisch einsetzen, kleine Anekdote:

    Ich habe im Praktikum mal für ein paar Wochen einen Mathelehrer in einer 7 erlebt, der ganz ohne die übliche Lehrerlautstärke in der Stimme unterrichtet hat. Das war im Plauderton, als würde er mit einem im Lehrerzimmer sitzen. Wenn zwei Kinder gequatscht haben, hat man ihn in dieser Ecke des Raumes schon nicht mehr richtig verstanden. Der Kollege muss entsprechende Noten gegeben haben, so dass jeder mitkriegen wollte, was da vorne abgeht. Nur einmal ist der aufgestanden und zu einem Oberkasper an den Platz gegangen, um ihn in der Lehrerstimme anzupflaumen. War auch überhaupt nicht dramatisch. Das musste das erste Mal gewesen sein, dass der Kollege sowas in der Klasse gemacht hat, die waren wie versteinert. Und dann ging es einfach ruhig weiter.

    Ok, danke für Deine Beobachtung. Herumschreien bringt IMHO auch nichts!

  • Ok, danke für Deine Hinweise! Authentizität rulez 8)

  • Das Problem ist, dass du noch nichts zu reflektieren hast. Du wirst loslegen müssen und aus deinen Fehlern lernen.

    ... fiel mir auf, dass einige eine Klasse vom Start des Schuljahrs an bis zu den Herbstferien streng und konsequent führen (4-Augengespräche mit SuS, E-Mails bzw. Anrufe an Eltern, Sitzplanänderung), andere eher einen weniger konsequenten Umgang mit ihrer Klasse pflegen (Zitat: die armen SuS, die in den Corona-Jahren kaum Unterricht hatten), und das bei SuS, die auf einem Gymnasium kaum glücklich werden, weil es Ihnen an fachlichen Grundlagen, Lernbereitschaft und respektvollem Umgang mit Mitschüler*innen und LuL mangelt.

    Wieso ist ein 4-Augen-Gespräch automatisch "streng"? Wieso kann man kein Mitleid wegen Folgen des Lockdown haben und gleichzeitig "streng" sein oder gar "konsequent"? Definiere doch erst mal, was du überhaupt meinst.

    Herumschreien bringt IMHO auch nichts!

    Ja, das ist eine Binsenweisheit, bringt dich aber auch nicht weiter. Rumschreien tut man dann, wenn schon fiel schief lief und man k.o. ist, der Geduldsfaden reißt und nicht, weil man es für "streng" oder "konsequent" hielte.


    Wenn du erlebt hast, dass Elternanrufe oder Sitzplanänderung etwas bringen, dann mach das und schau hinterher, was es bewirkt hat.

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