Schule in freier Trägerschaft?

  • Ich weiß nicht ganz, was ich meiner Stieftochter raten soll.

    Sie hat das 1. Stex und hat sich an einer Schule in freier Trägerschaft beworben.

    Wir haben ihr geraten in den Vorbereitungsdienst zu gehen. So wie ich es gemacht habe.

    Sie wollte lieber Geld verdienen.

    Beim freien Träger kommt mir einiges an ihrer Erzählung sehr dubios vor.

    Sie sagte, man hätte ihr keine konkreten Gehaltangaben gemacht.

    Die SuS würden aus den Stufen 1 bis 12 kommen.

    Es ist eine Ganztagsschule. Die Stunden wurden sehr merkwürdig umgerechnet.

    Außerdem würde es keine Ferien und nur 30 Tage Urlaub geben.

    Gut, die Klassen sind klein, aber in meinen Augen lässt sie sich ziemlich verheizen beim Umrechnungsfaktor der Stunden.

    Auf ihre Frage ob sie sich nachqualifizieren würde sagte man ihr, dass dann irgendwann noch jemand vom Schulamt kommen würde, sie müsste eine Stunde halten und dann hätte sie die Berechtigung.

    Hä? Das ist doch eine recht seltsame Aussage oder nicht?

    Der staatliche Schuldienst ist einer Schule in privater oder freier Trägerschaft doch immer vorzuziehen, oder?

  • Bei Schulen in freier Trägerschaft wird unterschieden zwischen Ersatzschulen und Ergänzungsschulen. Einiges ist da wohl "sehr anders" geregelt als bei staatlichen Schulen.

    Vielleicht findest du hier Informationen: Verband Deutscher Privatschulen

    (NRW, aber entsprechende Seiten gibt es bestimmt auch für andere Bundesländer.)

  • Auf ihre Frage ob sie sich nachqualifizieren würde sagte man ihr, dass dann irgendwann noch jemand vom Schulamt kommen würde, sie müsste eine Stunde halten und dann hätte sie die Berechtigung.

    Hä? Das ist doch eine recht seltsame Aussage oder nicht?

    Das stimmt glaube ich so. Personen, die nur das 1. Staatsexamen haben, haben nach einer Weile einen Unterrichtsbesuch durch das Schulamt, um ihre pädagogische Eignung festzustellen. Ich bin mir nicht sicher, ob die Eignung dann generell oder nur für die spezifische Tätigkeit an der Schule festgestellt wird. Für Bayern finden sich die Bestimmungen hier: https://www.gesetze-bayern.de/…30_1_1_1_3_2_K_13784/true

  • Der staatliche Schuldienst ist einer Schule in privater oder freier Trägerschaft doch immer vorzuziehen, oder?

    Nein. Es gibt Privatschulen die gleiche oder bessere Konditionen anbieten als der staatliche Schuldienst, das kommt ganz auf den Schulträger an, man kann auch verbeamtet sein bei gleichzeitiger Beurlaubung in den Privatschuldienst. Das was du beschreibst klingt allerdings tatsächlich suspekt, gerade wenn man nur das 1. Staatsexamen hat wird man an seriösen Privatschulen wenn überhaupt, allenfalls mal für eine vorübergehende Vertretung eingestellt. Die achten ebenso genau auf die Qualifizierung ihrer Lehrerkräfte wie im Staatsdienst wenn sie seriös sind.


    Ich verstehe das ja schon irgendwie, man hört viel Schlechtes über das Referendariat und dann scheint so ein Angebot erstmal ziemlich verlockend, wenn es plötzlich ohne scheinbar genauso geht. Ich habe aber sowas leider im eigenen Freundeskreis tatsächlich schon zweimal miterlebt: da ging es nach dem Studium direkt voller Elan an gaaanz tolle Privatschulen mit super freien, reformpädagogischen Konzepten und kleinen Klassen und das Ende vom Lied war, dass an diesen Schulen das Personal aus lauter naiven Berufseinsteigern oder Quereinsteigern bestand, die dann ausgepresst wurden wie Zitronen. Beide Freunde haben innerhalb von zwei Jahren völlig desillusioniert hingeschmissen und dem Lehramt komplett den Rücken gekehrt. Richtig bitter.


    Von daher, Hände weg von sowas.

  • In NRW ist das durch die EschVO § 7geregelt, die es ermöglicht, ohne Vorbereitungsdienst und 2. Staatsexamen eine unbefristete Lehrerlaubnis an Ersatzschulen zu erhalten.

    https://recht.nrw.de/lmi/owa/b…5867&anw_nr=2&menu=0&sg=0


    Wichtig ist allerdings der letzte Satz: „Der erfolgreiche Abschluss des Feststellungsverfahrens führt nicht zum Erwerb einer Lehramtsbefähigung.


    Ich würde daher immer dazu raten, das Referendariat und 2. Staatsexamen abzulegen.

    Es könnte alles so einfach sein - ist es aber nicht.

  • Ich denke, man muss individuell auf die Konditionen schauen. Meines Erachtens bieten Privatschulen oft, nicht immer, sehr große Vorteile bei Klassengrößen, Ausstattung, Klientel und individueller Einflussnahme auf Rahmenbedingungen (z.B. kann man sich dem Vollzeitzwang einiger Bundesländer entziehen). Ob man finanziell mit den Konditionen einverstanden ist, muss man eben im Einzelfall schauen.

  • Ich würde daher immer dazu raten, das Referendariat und 2. Staatsexamen abzulegen

    Richtig und damit kann man auch als Beamter (beurlaubt) an eine Ersatzschule gehen.

    Ob man finanziell mit den Konditionen einverstanden ist, muss man eben im Einzelfall schauen.

    Ersatzschulen dürfen gar nicht viel weniger zahlen als staatliche Schulen. Zumindest ist das in Hessen so. Die Ergänzungsschulen können machen was sie wollen.

    Entropy is a bitch, embrace her.

    Einmal editiert, zuletzt von s3g4 ()

    • Offizieller Beitrag

    und das Ende vom Lied war, dass an diesen Schulen das Personal aus lauter naiven Berufseinsteigern oder Quereinsteigern bestand, die dann ausgepresst wurden wie Zitronen

    von schulischer Seite aus (in freier Trägerschaft, staatlich anerkannt) sieht das so aus: (vll anekdotisch)

    etliche Quereinsteiger, fachlich einigermaßen fit, pädagogisch die Nullnummern. Beratungsresistent, weil sie ja alles besser wissen.
    Ergebnis:
    frustrierte Schüler, genervte Kollegen, verärgerte Eltern, die alle das Vertragsende am Schuljahresende herbeisehnen. Verbrannte Erde.

    Und am End dürfen die langjährigen Kollegen alles ausbaden. Ausbaden= mehr Sek II Unterricht, sämtliche Prüfungen, Klassenleitungen.

    P.S. Drei richtig fähige Quereinsteiger gab es auch, doch! :super:

  • Ich weiß nicht ganz, was ich meiner Stieftochter raten soll.

    Sie hat das 1. Stex und hat sich an einer Schule in freier Trägerschaft beworben.

    Wir haben ihr geraten in den Vorbereitungsdienst zu gehen. So wie ich es gemacht habe.

    Hallo,


    erstmal Glückwünsch, dass du trotz all der Widrigkeiten, die dich im Leben begleiten, ins Ref geschafft hast.

    Crazy, dass du eine erwachsene Stieftochter mit Anfang 30 hast. Dein Leben reicht für ein Buch!


    Ist euer Verhältnis gut genug, dass sich dich trotz des geringen Altersunterschied als Ratgeberin akzeptiert? Wenn die neue Frau meines Vater mir etwas erzählt, schalte ich immer auch Durchzug und die ist 25 Jahre älter als ich.



    Diese Frage rein monetär zu betrachten ist natürlich schwierig! Ja, sie verdient am Anfang wahrscheinlich 500€ mehr, aber dann? Ohne Ref verbaut sie sich fast alle Chancen auf Aufstieg im öffentlichen Dienst, wenn ich richtig informiert bin. Auch hätte müsste sie zu einem späteren Zeitpunkt, wenn sie doch noch ins Ref gehen sollte, 18 Monate mit deutlich weniger Geld auskommen.


    Freie Schulen haben in der Regel ganz andere Konzepte als öffentliche Schule und eine ganz andere Schülerschaft/Elternschaft. Bei uns in der Nachbarschaft ist eine freie Schule. Deren Konzept ist sehr frei und ohne Zwänge zu bestimmten Zeitpunkten etwas zu lernen. Da können Kinder am Ende der 2, Klasse teilweise nicht mal lesen.

    Die Schülerschaft ist oft an "normalen" Schulen gescheitert bzw. haben Eltern sich bewusst schon zu Beginn gegen eine öffentliche Schule entschieden. Mit dieser Klientel würde ich nicht arbeiten wollen.


    30 Tage Urlaub sind normal und nicht außergewöhnlich. Auch eine Lehrkraft im öffentlichen Dienst hat nur 30 Tage Urlaub. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Lehrkräfte an der freien Schule die Ferien durcharbeiten.


    Habt ihr mittlerweile rausbekommen, wie hoch das Studendeputat ist?

  • Ersatzschulen dürfen gar nicht viel weniger zahlen als staatliche Schulen.

    Oder im Juristendeutsch: Die wirtschaftliche Stellung der Lehrkräfte muss gesichert sein. Das ist in ganz D eine Voraussetzung für die staatliche Anerkennung einer Privatschule.

    (Was unter "gesicherter Stellung" zu verstehen ist, legt allerdings so ziemlich jede Behörde anders aus. Die für meine Schule zuständige Behörde akzeptiert einen Gehaltsunterschied von 5 Prozent, wenn es dafür eine stichhaltige Begründung gibt. Allgemein hört man von bis zu 20 Prozent, die akzeptiert werden.)

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Ach so, OnT: Ich würde auch dringend zur Absolvierung des Referendariats raten. So schlecht sind doch die Anwärterbezüge gar nicht mehr.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • gerade wenn man nur das 1. Staatsexamen hat wird man an seriösen Privatschulen wenn überhaupt, allenfalls mal für eine vorübergehende Vertretung eingestellt. Die achten ebenso genau auf die Qualifizierung ihrer Lehrerkräfte wie im Staatsdienst wenn sie seriös sind.

    ... und stehen den gleichen bzw. noch größeren Nöten gegenüber als der Staat, der mittlerweile ja ebenfalls großzügig unbefristete Stellen für "Nicht-Erfüller" anbietet. Insofern kann man auch an seriösen Schulen durchaus ohne 2. Staatsexamen unterkommen und wird in vielen Fällen ebenso bezahlt wie Erfüller. Dennoch ist das hinsichtlich Aufstiegs- und Wechselmöglichkeiten etc. keine echte Option bzw. keine, zu der man raten könnte.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Das ist in ganz D eine Voraussetzung für die staatliche Anerkennung einer Privatschule.

    Auch bereits für die Genehmigung. Privatschulen werden direkt auf Art 7 Abs (4) GG abgeleitet (das weißt du wahrscheinlich eh :D)

  • Hat sich erstmal erledigt.

    Der Arbeitgeber hat sich mit dem Versprechen den Vertrag zu schicken nicht wieder gemeldet.

    Nachfragen wurden ihr nicht mehr beantwortet.

    So kanns auch gehen.

  • Ersatzschulen dürfen gar nicht viel weniger zahlen als staatliche Schulen. Zumindest ist das in Hessen so. Die Ergänzungsschulen können machen was sie wollen.

    Das ist auch in Ba-Wü so. Der Grund dafür ist einfach:
    Ersatzschulen übernehmen Aufgaben, die eigentlich der Staat erledigen sollte. Daher sind das oft spezielle SBBZ für Menschen mit Handicap oder "kreativen Verhaltensweisen". In der Regel sind diese Schulen an derartige Organisationen angegliedert. Der Staat erstattet dann der Einrichtung die Kosten für die Lehrkräfte, da er die Aufgabe sonst selbst schultern müsste.
    Ergänzungsschulen (wie z.B. Waldorfschulen) zahlen Gehälter, die weit unter normalen Lehrergehältern liegen - und werden oft frei (nach finanzieller Kraft der finanzierenden Elternschaft) nach "Haustarif" vereinbart - und reden sich das dann schön:
    https://www.erziehungskunst.de…ritaeten-auch-beim-gehalt

    «Wissen – das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt.» (Marie von Ebner-Eschenbach)
    Meine Beiträge können Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten

  • Ersatzschulen übernehmen Aufgaben, die eigentlich der Staat erledigen sollte

    Ja. Ein weiterer Grund: Das ist (zumindest in Hessen) Genehmigungsvoraussetzung. Wenn die Schule dem nicht nachkommt, kann die Schule von der Schulaufsicht geschlossen werden. Das wollen die Schulträger eigentlich nicht :D

    Ergänzungsschulen (wie z.B. Waldorfschulen) zahlen Gehälter, die weit unter normalen Lehrergehältern liegen - und werden oft frei (nach finanzieller Kraft der finanzierenden Elternschaft) nach "Haustarif" vereinbart - und reden sich das dann schön:

    Eine Ergänzungsschule kann auch jeder ohne irgendwelche Voraussetzungen auf machen. Die werden nur angezeigt und das wars. Da kümmert sich niemand drum. Da müssen halt Bildungsangebote sein, die es in staatlichen Schule nicht gibt.

  • Ergänzungsschulen (wie z.B. Waldorfschulen) zahlen Gehälter, die weit unter normalen Lehrergehältern liegen - und werden oft frei (nach finanzieller Kraft der finanzierenden Elternschaft) nach "Haustarif" vereinbart - und reden sich das dann schön:
    https://www.erziehungskunst.de…ritaeten-auch-beim-gehalt

    Ich weiß nicht recht, ob ich das unter "Schönreden" verbuchen soll oder ob ich es eigentlich gut finde, dass es Menschen gibt, für die viel Geld zu verdienen explizit kein Ziel im Leben ist. (Dass die Waldis institutionell einen Schuss haben, bestreite ich aber nicht.)

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Ich weiß nicht recht, ob ich das unter "Schönreden" verbuchen soll oder ob ich es eigentlich gut finde, dass es Menschen gibt, für die viel Geld zu verdienen explizit kein Ziel im Leben ist. (Dass die Waldis institutionell einen Schuss haben, bestreite ich aber nicht.)

    Kein Ziel im Leben, aber ein erhebliches Ziel für eine berufliche Tätigkeit. Weiß nicht was ich daran schön finden soll, wenn Menschen sich ausbeuten lassen.

  • Wer eine für sich sinnstiftende und (für sich) auskömmliche Tätigkeit ausübt, wird per definitionem nicht ausgebeutet.


    Dank eine kleinen internen Datenlecks weiß ich z. B., was unser Geschäftsführer (mehr als ich) und unsere Chefärztin (viel mehr als ich) bekommen. Sollte ich mich jetzt ausgebeutet fühlen?


    Ein Waldorflehrer verdient allemal noch mehr als ein Sozialarbeiter. Sollte der Sozialarbeiter sich ausgebeutet fühlen? Immerhin hat er auch studiert.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

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