Nur Klassen 1 & 2 unterrichten

  • Hallo zusammen,


    ich bin aktuell noch Student in NRW und habe mich gefragt, ob es möglich UND üblich ist ausgewählte Klassenstufen als Lehrer bevorzugt zu unterrichten.

    Ist es bspw. möglich zu sagen, dass man nur die 1.&2. Klasse unterrichten möchte und gibt es Lehrer:innen die das auch so ihr ganzes bzw. große Teile ihres Lehrerlebens so handhaben?


    Schreibt gerne Euer Bundesland und Eure Beweggründe in Eure Antworten und, ob es ein Kampf war dies bei der Schulleitung durchzusetzen!

  • Möglich, klar.


    NRW:

    Es gibt keine Regel, die besagt, dass Lehrer in der Grundschule in Klasse 1 - 4 eingesetzt werden müssen.

    Oft gibt es aber schulinterne Absprachen bzgl. "Klassenleitung 1-2" oder "Klassenleitung 1-4".

    Spätestens wenn man die Schuleingangsphase jahrgangsübergreifend unterrichtet macht es eigentlich auch keinen Sinn mehr, dass die Lehrperson nach 2 Jahren weitergeht.


    Ich bin da auch hin- und hergerissen.

    Auf der einen Seite gönne ich es den Lehrern, dass sie nach 2 Jahren "Schweiß und Tränen" in Klasse 1 und 2 die Früchte ihrer Arbeit auch in 3 und 4 genießen können.

    Auf der anderen Seite ist Anfangsunterricht was anderes als Klasse 3 und 4. Sich da zu spezialisieren ist auch nicht schlecht.


    (Bei uns ist aber 1 - 4 üblich, allerdings gibt es immer mal wieder Ausnahmen, wenn die Lehrer das so möchten. Ich kann mit leben.)

  • Bei uns gibt es eine Kollegin, die nur Klassen 5 und 6 bekommt. Sie würde auch gerne mal eine Klasse zum Abschluss führen, aber sie ist so gut darin, neue Klassen 'einzunorden', dass die Schulleitung sie immer wieder dazu einsetzt. Wird ihr aber langsam lästig, insofern mal sehen, nächstes Schuljahr ist sie an eine Grundschule abgeordnet.

  • Bei uns gibt es Kollegen, die ausschließlich Sek II machen. Oft sind es Fächer, die in diesen Jahrgängen einen Mangel haben, teilweise in Kombination mit einer reduzierten Deputatsstundenzahl (Teilzeit oder Anrechnungsstunden).

    Das sind aber immerhin noch 3 Schuljahre. Bei 2 Schuljahren bin ich mir unsicher, ob man im Fall einer Vollzeitstelle überhaupt auf seine Stunden kommt.

  • An den wenigen Schulen im Umkreis, die ich kenne, ist es Usus, dass es Klassenlehrkräfte für 1/2 und 3/4 gibt. Bei jahrgangsübergreifenden Klassen übernehmen die jeweiligen Kollegen dann dauerhaft einen Kombi 1/2 oder 3/4-Kurs (BL: Bayern).

  • Bei 2 Schuljahren bin ich mir unsicher, ob man im Fall einer Vollzeitstelle überhaupt auf seine Stunden kommt.

    Bei zumindest zwei Fächern mit ausreichend hoher Stundenzahl und nicht nur kleiner zwei- oder dreizügiger Schule problemlos.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Achso, es geht nicht ausschließlich um Grundschulen: An weiterführenden Schulen ist es nicht üblich, dass Kollegen nur in bestimmten Stufen eingesetzt sind. Klar gibt es die, die bevorzugt in der Unter-/Mittel-/Oberstufe sind, aber es ist organisatorisch fast unmöglich, dass ein Kollege nur in einer bevorzugten Stufe eingesetzt ist.

  • Das kommt doch immer auf die Situation in der Schule an und wo man gebraucht wird. Niemand kann 1/2 für immer einfordern. Ist auch langweilig und es tut gut, mal mit größeren zu arbeiten und zu merken, was eigentlich erwartet wird.

  • Mal vorweg: Wenn man davon ausgeht, dass jemand, der in annähernd Studiendauer studiert hat, so etwa mit 26 ins Ref startet und mit 28 fertig ist, dann hat diese Lehrkraft etwa 40 Jahre Dienstzeit vor sich, eventuelle Erziehungszeiten vielleicht mal abgerechnet.


    Ich stehe „vom Herzen her“ auf 1/2. Ich liebe die leuchtenden Kinderaugen, die die Buchstaben entdecken, ich bin gerührt und freue mich für jedes Kind, bei dem ich die Erkenntnis entdecke: „ach, so geht Lesen!“, Ich liebe die Herausforderung, den Kindern das Lesen nahezubringen, die Schwierigkeiten dabei haben, ich freue mich über jeden Fortschritt, ich freue mich über die kindliche Neugier. und ich habe in meinen 25 Dienstjahren viele Klassen - 1, 2 und vorwiegen 1/2 - zum Lesen gebracht.

    Aber 1. macht eine Spezialisierung auf 1/2 langfristig keinen Sinn, weil es die eigenen Kompetenzen und den eigenen Weitblick langfristig einengt, und zweitens gehe ich davon aus, dass man in 40 Dienstjahren irre wird, wenn man immer nur Stoff von Klasse 1 und 2 unterrichtet; Drittens sind Grundschulkräfte mindestens für 1-4 ausgebildet und würden, wenn sie nur in 1/2 einsetzbar wären, der Schule nicht in vollem Umfang ihrer Qualifikation zur Verfügung stehen. Viertens weiß eigentlich jede SL, wo die Stärken der eigenen Leute liegen und wird bei der Besetzung der Klassen auch nach Möglichkeit Vorlieben im Blick haben und Fünftens: auch wenn ich 1/2 bevorzuge, finde ich es alle paar Jahre auch sehr bereichernd, 3 und 4 zu unterrichten, da es zum einen zeigt, wohin das, was man in 1/2 anlegt, eigentlich führen soll und zum andern ist es auch spannend zu sehen, wie sehr sich Kinder in der Grundschulzeit entwickeln - ich finde es faszinierend, was aus den kleinen Einschülern wird, was sie nach 4 Jahren an Gedanken im Kopf haben, wie sie sich entwickeln…

  • Schreibt gerne Euer Bundesland und Eure Beweggründe in Eure Antworten und, ob es ein Kampf war dies bei der Schulleitung durchzusetzen!

    Was wäre denn dein Beweggrund, das durchzusetzen? Ich interpretiere deine Frage so, dass du das gern möchtest. Warum? Zumal du ja noch studierst und anscheinend keine/wenige Erfahrungen in der Geundschule gemacht hast.

  • Ich mag die Mischung.

    1/2 ist toll, anders, bei uns ist man flexibler, hat weniger Fachunterricht, mehr Kontakt zur eigenen Kasse,

    die Entwicklung ist immens und auch immer wieder überraschend,

    trotzdem finde ich es schon in den Jahren gut, wenn ich auch Stunden in 3/4 habe.


    Ich mag auch 3/4, wenn die Inhalte sich verändern, die Gedanken der Kinder,

    wenn sie selbstständiger werden - hapu! - ,

    nebenbei habe ich dann doch etwas in 1/2 ... man ahnt schon, was wieder kommen wird und weiß, dass es noch ein Weilchen dauert.


    Es gibt Lehrkräfte, die in Klasse 1/2 viele Jahre gut und gerne arbeiten, man hat andere Korrekturen, keine Klassenarbeiten, dafür eine Menge Diagnostik, Elterngespräche, es braucht sehr viel Kraft, alle Kinder auf einen guten Weg zu bringen.

  • Aber 1. macht eine Spezialisierung auf 1/2 langfristig keinen Sinn, weil es die eigenen Kompetenzen und den eigenen Weitblick langfristig einengt, und zweitens gehe ich davon aus, dass man in 40 Dienstjahren irre wird, wenn man immer nur Stoff von Klasse 1 und 2 unterrichtet; Drittens sind Grundschulkräfte mindestens für 1-4 ausgebildet und würden, wenn sie nur in 1/2 einsetzbar wären, der Schule nicht in vollem Umfang ihrer Qualifikation zur Verfügung stehen.

    Die Eingangsstufe 1/2 ist schon eine eigene Welt - und erfordert sehr spezielle Erfahrungen und Kenntnisse. Was die Kolleg*innen (und die Kinder) dort leisten ist immens - und grundlegend für die weiteren Jahre der schulischen Entwicklung der Kinder. Im medizinischen Bereich käme niemand auf die Idee, einem Nierenspezialisten nahe zu legen, doch auch mal als Orthopäde zu arbeiten, damit sein Weitblick nicht eingeengt wird.

    Wer als Lehrkraft schauen will, welche Anforderungen in einer anderen Klassenstufe gestellt werden, sollte sich für ein Jahr als KV (Krankheitsstellvertretung) melden - das verbreitert den Weitblick. Und den Respekt vor der Arbeit der Kolleg*innen. Nachdem unsere Werkrealschulstufe geschlossen wurde, habe ich 2 Jahre an einer anderen Schule als KV gearbeitet - mit stündlichem Wechsel von Klasse 1 bis 10 queer Beet. Als KV, der in Klasse 1 ein paar Schreibübungen oder Matheaufgaben anbietet ist das machbar - aber um professionell den Schreib- und Leselernprozess von der Pike auf zu begleiten, hätte meine Ausbildung als GHS-Lehrer nicht genügt. Da braucht es Erfahrungen und Fortbildungen.


    Ein Wechsel von 3/4 auf 5/6 oder umgekehrt ist da einfacher. Am "anderen Ende" gilt dasselbe wie für 1/2: In Klasse 8/9/10 kommen durch Berufs- und Prüfungsvorbereitung, sowie hormonbedingte Wechselwirkung Anforderungen auf die Lehrkräfte zu, die ebenfalls längere - und stetige - Erfahrung erfordern.

    «Wissen – das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt.» (Marie von Ebner-Eschenbach)
    Meine Beiträge können Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten

  • Ich wiederhole noch mal: Lehrkräfte an der GS sind für 1-4 ausgebildet. Und ich habe deutlich gemacht, dass mein persönlicher Fokus auf 1/2 liegt; meine Erfahrung ist, dass man im Laufe seines „Dienstlebens“ natürlich Präferenzen entwickelt. Du hast Recht wenn du sagst: wenn man es richtig machen will, erfordert das über das Studium hinaus Fortbildung und Erfahrung, um es effektiv und gut zu machen.

    Dennoch halte ich es für falsch, einer Junglehrerin zu erzählen, dass man sich „Festarbeiten“ kann und einen Schwerpunkt legen sollte auf eine bestimmte Klassenstufe, weil das nicht der Realität entspricht, vor allem nicht auf 40 Dienstjahre gesehen. Man sollte sich da auch aus eigenem Interesse immer alle Wege offen halten; es schränkt einfach die eigene Qualifikation zu sehr ein.

    Der Vergleich mit dem medizinischen Bereich passt irgendwie nicht ganz - wer sich auf Nieren spezialisiert, wird natürlich nicht ohne weitere Qualifikation zur Orthopädie wechseln, genauso wie jemand, der im Master auf Primarstufe studiert, nicht ohne weitere Qualifikation auf die Sek II wechselt - das liegt natürlich weiter auseinander. Aber zumindest in meinem Bundesland ist 1/2 und 3/4 ein gemeinsamer Studiengang ( ich habe noch Grund - und Hauptschullehramt studiert, dürfte also tatsächlich auch in der Sek I arbeiten, fühle mich aber durch meine Spezialisierung auf 1-4 dafür nicht mehr ohne Weiteres qualifiziert genug, und das ist genau das, was ich meine: wer sich nicht breit genug aufstellt und findet, dass er nur für 1/2 geeignet ist, der wird dem auf Dauer evtl entsprechen, während aber eine SL jederzeit erwarten kann, das 1-4 professionell abgedeckt wird!).

    Solange die Studiengänge entsprechend ausgelegt sind, finde ich es grundsätzlich wichtig, sich alles offenzuhalten und Junglehrern auch genau das zu erzählen.

  • .....ob es möglich UND üblich ist ausgewählte Klassenstufen als Lehrer bevorzugt zu unterrichten.

    Ist es bspw. möglich zu sagen, dass man nur die 1.&2. Klasse unterrichten möchte und gibt es Lehrer:innen die das auch so ihr ganzes bzw. große Teile ihres Lehrerlebens so handhaben?

    Ich war an verschiedenen Schulen in Ba-Wü und Bayern und habe es so erfahren: Wenn man neu an eine Schule kommt, bekommt man das, was gerade "frei" ist. Ich bekam 1.,3. und 4. Klassen. Wenn ich als Neuling an einer Schule den Wunsch nach einer gewissen Stufe äußerte, dann war die öfter nicht frei. Ich habe mit 3/4 angefangen, was Zufall war, bekam an einer anderen Schule 1/2, bin dann nach Jahren wieder auf 3/4 gelandet. Meine Vorlieben haben sich im Lauf des Lehrerlebens geändert. Mal so und wieder mal so. Sowohl in 1/2 als auch in 3/4 gibt es stufenspezifische besonders schöne Sachen und besonders herausfordernde Dinge.

    Wenn man lange an einer Schule ist, dann habe ich das so erlebt, dass man tatsächlich eher wieder in derselben Stufe eingesetzt wird, wenn man nicht ausdrücklich den Wunsch nach einem Wechsel äußert. So war es dann bei mir auch und ich war aufgrund meiner Erfahrung und meiner Materialsammlung nicht unglücklich darüber. Es gab aber auch schon Kolleginnen, die die Stufe wechseln "mussten", weil z.B. es eine Klasse weniger gab, man in der anderen Stufe Personalnot hatte und jemanden aus der Schule wollte usw. Also: Man kann Wünsche äußern, letztendlich entscheidet die Schulleitung von der Klassen- und Schulsituation her.

    Ich selbst fand es prima, längere Erfahrungen in allen Jahrgangsstufen der Grundschule gesammelt zu haben. Gründe wurden von Vorschreiberinnen schon erwähnt. Besonders auffallend: Wenn ich in 1/2 unterrichte und vorher schon in 3/4 Erfahrung habe, dann weiß ich, worauf ich hinarbeiten muss und wo die Schwerpunkte liegen. Wenn ich eine 3. Klasse übernehme, dann habe ich Verständnis zu dem, was in 1/2 möglich und nicht möglich war.


    P.S.: In Bayern und Ba-Wü (ich hoffe, für Ba-Wü stimmt es noch) ist es nicht üblich, dieselbe Klasse durchgängig 4 Jahre zu haben. Es findet normalerweise ein Lehrerwechsel nach 2 Jahren statt.

Werbung