Vermeintlich sinnloses Nachhilfe-nehmen-müssen durch bessere Note verhindern?

  • Zu meiner Studienzeit gab es eine Vorlesung in theoretischer Physik, bei der man die Klausur bestanden hat, wenn man es (alle Hilfsmittel und Bücher waren erlaubt) geschafft hat, bei einer von vier Aufgaben einen Ansatzweise richtigen Lösungsweg zu formulieren. Etwa 50% der Teilnehmer haben bestanden.


    Die Behauptung, dass jemand, der eine Prüfung mit 50% der Punkte bestanden hat seinen Beruf nur zur Hälfte versteht, ist wohl ziemlich offenkundiger Unsinn.

  • In meinem Bereich ist es inzwischen so, dass man mit 50 % der Leistung keine 5 mehr, sondern nun eine 4 erhält und damit bestanden hat. Das bedeutet, dass man im medizinischen Bereich Menschen in die Hände fallen kann, die nur die Hälfte ihres Berufes beherrschen. Ich finde das für die Zukunft erschreckend.

    Allen von uns sollten als Lehrkräfte mal etwas von verschiedenen Anforderungsniveaus gehört haben. Die Schlussfolgerung, jemand der "nur" 50% einer Prüfungsleistung erbracht hat, beherrsche seinen Beruf nur zu 50%, ist natürlich haltlos.

  • Zu meiner Studienzeit gab es eine Vorlesung in theoretischer Physik, bei der man die Klausur bestanden hat, wenn man es (alle Hilfsmittel und Bücher waren erlaubt) geschafft hat, bei einer von vier Aufgaben einen Ansatzweise richtigen Lösungsweg zu formulieren. Etwa 50% der Teilnehmer haben bestanden.

    Kann ich genauso auch bestätigen...theoretische Elektrodynamik war echt lustig :D

  • Das sehe ich natürlich auch so und teile auch die Kritik hinsichtlich Bewertungskriterien, nach denen man für eine aus Lehrersicht nicht ausreichenden Leistung trotzdem diese Note erteilen muss.

    Ich habe das schon öfter geschrieben, aber die Angabe eines Notenschlüssels (hier das Bestehen ab 50%) ist ohne gleichzeitige Berücksichtigung des Prüfungssettings und der Verteilung der Anforderungsbereiche wertlos. In einer Prüfung, die zu großen Teilen nur aus Reproduktion besteht, dürfen 50% natürlich nicht zum Bestehen reichen, in einer Prüfung, die fast nur aus Übertragung/Deutung/Wertung besteht, kann es sachgerecht sein, Leute schon bei z.B. 25% bestehen zu lassen (siehe Theoretische Physik in den obigen Beiträgen).

  • Zu meiner Studienzeit gab es eine Vorlesung in theoretischer Physik, bei der man die Klausur bestanden hat, wenn man es (alle Hilfsmittel und Bücher waren erlaubt) geschafft hat, bei einer von vier Aufgaben einen Ansatzweise richtigen Lösungsweg zu formulieren. Etwa 50% der Teilnehmer haben bestanden.


    Die Behauptung, dass jemand, der eine Prüfung mit 50% der Punkte bestanden hat seinen Beruf nur zur Hälfte versteht, ist wohl ziemlich offenkundiger Unsinn.

    Ich wollte gerade wieder mit der theoretischen Physik ankommen, aber du warst schneller :D

  • Ich habe das schon öfter geschrieben, aber die Angabe eines Notenschlüssels (hier das Bestehen ab 50%) ist ohne gleichzeitige Berücksichtigung des Prüfungssettings und der Verteilung der Anforderungsbereiche wertlos. In einer Prüfung, die zu großen Teilen nur aus Reproduktion besteht, dürfen 50% natürlich nicht zum Bestehen reichen, in einer Prüfung, die fast nur aus Übertragung/Deutung/Wertung besteht, kann es sachgerecht sein, Leute schon bei z.B. 25% bestehen zu lassen (siehe Theoretische Physik in den obigen Beiträgen).

    Ja! (Deshalb hatte ich auch von einer "aus Lehrersicht nicht ausreichenden Leistung" gesprochen und nicht einem bestimmten Verhältnis von Punkten.)

  • Die Behauptung, dass jemand, der eine Prüfung mit 50% der Punkte bestanden hat seinen Beruf nur zur Hälfte versteht, ist wohl ziemlich offenkundiger Unsinn.

    Allen von uns sollten als Lehrkräfte mal etwas von verschiedenen Anforderungsniveaus gehört haben. Die Schlussfolgerung, jemand der "nur" 50% einer Prüfungsleistung erbracht hat, beherrsche seinen Beruf nur zu 50%, ist natürlich haltlos.

    Eine einzige Prüfung oder ein einzelnes (unwichtiges) Fach ist natürlich irrelevant.

    Aber falls jemand in allen Fächern / Prüfungen eine 4 erreicht, hat er bestanden und kann seinen Beruf ausüben.

    Ich denke hier an den Schülertyp "ich mache in allen Fächern gerade nur so viel, dass ich bestehe, warum mehr investieren".


    Warum?

    Ich denke, dass ein Facharzt, der nur 50 % des Wissens hat, das er in seinem gesamten Fachgebiet haben sollte (nicht in einer einzelnen Prüfung während des Studiums) Patienten falsch behandelt und ihnen somit schadet.

  • Ich denke, dass ein Facharzt, der nur 50 % des Wissens hat, das er in seinem gesamten Fachgebiet haben sollte (nicht in einer einzelnen Prüfung während des Studiums) Patienten falsch behandelt und ihnen somit schadet.

    Gewagte These

    Hast du dafür Nachweise?

    Bei Ärzten ist die Leistung in einer einzigen schriftliche Prüfung relevant, weil diese darüber entscheidet, ob man Arzt wird oder nicht. Ist diese Prüfung mit 50-60% bestanden, werden die Leute Ärzte. Kennst du die Prüfungsergebnisse, die deine Ärzte vor 20+ Jahren mal irgendwann erreicht haben? Zumal die Facharztausbildung so oder so erst nach dem Studium erfolgt.

    Juristen dürfen sogar einzelne Examensklausuren nicht bestehen und können insgesamt trotzdem bestanden haben.

    Es ist nicht insgesamt nicht so einseitig, wir du denkst.

  • Eine einzige Prüfung oder ein einzelnes (unwichtiges) Fach ist natürlich irrelevant.

    Aber falls jemand in allen Fächern / Prüfungen eine 4 erreicht, hat er bestanden und kann seinen Beruf ausüben.

    Ich denke hier an den Schülertyp "ich mache in allen Fächern gerade nur so viel, dass ich bestehe, warum mehr investieren".

    Ja natürlich. Es ging aber gar nicht um singuläre Prüfungen, sondern um die erkennbar falsche Verknüpfung von Anteilen erreichter Bewertungseinheiten in Prüfungen und der Quote der Beherrschung eines Berufs. Der falsche Schluss liegt hierin:


    Zitat von misspoodle


    Ich denke, dass ein Facharzt, der nur 50 % des Wissens hat, das er in seinem gesamten Fachgebiet haben sollte (nicht in einer einzelnen Prüfung während des Studiums) Patienten falsch behandelt und ihnen somit schadet.

    Anhand der Tatsache, in Prüfungen nur im Mittel 50% der erreichten Rohpunkte zu erreichen, ist gerade nicht ablesbar, man habe nur 50% des Wissens.


    Bereits im Schulsetting erfordert eine "ausreichende" Leistung i.d.R. die vollständige Lösung des AFB I (und damit die reproduktive Kenntnis allen erlernten Wissens in diesem Sachgebiet) in Verbindung mit etwas Anwendung auf nicht auswendig gelernte Sachverhalte.....oder bei leichten Lücken im Fachwissen eben mehr Anwendungsbezüge. An den Unis sind diese Maßstäbe noch deutlicher in schwierigere Bereiche verschoben.

  • Offenbar kann sich der Betrieb das leisten, woanders suchen sie ja händeringend Leute. Ich weiß nicht, warum ein Arbeitgeber bestimmte Noten während der Ausbildung haben will, ich kann mir allerdings auch nicht vorstellen, dass er es nicht vorher kommuniziert hat.


    Im von mir geschilderten Fall ist das Fach unrelevant für den Beruf.

    Es ist ein Fach, das offenbar relevant ist, um einen Abschluss zu erhalten oder kann man auch mit einer 6 bestehen?


    Allerdings finde ich zudem, dass eine einzige 4 nichts darüber aussagt, ob jemand am Ende der Ausbildung seinen/ihren Beruf "beherrscht". Wenn jemand bspw eine 4 bei mir in Englisch erhält, aber Englisch für diesen Beruf nicht wirklich wichtig ist und der/diejenige im berufsbezogenen Lernbereich gute bis sehr gute Noten hat (das habe ich schon in all den Jahren schon des Öfteren erlebt), würde ich sie/ihn natürlich trotzdem als "beruflich kompetent" beschreiben.

    Mag sein, ich kann mir aber vorstellen, dass der eine oder andere Betrieb nur Leute beschäftigen will, die in der Lage sind, in Englisch auf eine drei zu kommen. Entweder ist der Bewerber zu schwach oder zu faul, um die 3 auch mit Nachhilfe nicht zu schaffen und das ist einer Bank oder Versicherung vielleicht nicht pfiffig genug?

  • Mag sein, ich kann mir aber vorstellen, dass der eine oder andere Betrieb nur Leute beschäftigen will, die in der Lage sind, in Englisch auf eine drei zu kommen.

    Klar gibt es solche Betriebe. Das sind aber i. d. R. Betriebe, die in Berufen ausbilden, in denen Englisch wirklich wichtig ist (Groß- und Außenhandel u. ä.). Ich schrieb aber von Berufen, in denen Englisch eher unwichtig ist (Einzelhandel, Kfz-Bereich,...); da kenne ich keinen Ausbildungsbetrieb, der auf Gedeih und Verderb eine 3 oder besser von seinen Azubis als Englischnote in der Berufsschule fordern würde. Klar macht sich auch in Englisch eine 3 auf dem Zeugnis besser als eine 4 oder sogar noch schlechter, aber wenn's dazu nicht reicht, ist das normalerweise kein Problem für die Betriebe.

    Entweder ist der Bewerber zu schwach oder zu faul, um die 3 auch mit Nachhilfe nicht zu schaffen und das ist einer Bank oder Versicherung vielleicht nicht pfiffig genug?

    Wo habe ich in meinem Beispiel irgendwas von Nachhilfe geschrieben? Um Banken und Versicherungen als Ausbildungsbetriebe ging es ebenfalls nicht (siehe oben: ich schrieb von Berufen, in den Englisch eher unwichtig ist; da würde ich den Bank- und Versicherungsbereich nicht zu zählen - abgesehen davon, dass es an meiner Schule gar keine Berufsschulklassen für diese Bereiche gibt).

    EDIT: Oder beziehst du dich noch immer auf den Ausgangsfall? Um den ging es in meinem Beitrag nicht; der war lediglich eine Antwort auf Misspoodles Aussage bzgl. des "Beherrschens" eines Berufs.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • In NDS hat man mit nur einer 6 (wenn die restlichen Noten mind. 4 sind) jeden Bildungsgang an einer berufsbildenden Schule erfolgreich bestanden:

    "Ein beruflicher oder schulischer Abschluss wird erworben, wenn der Bildungsgang erfolgreich besucht oder eine Prüfung nach § 18, 19 oder 21 bestanden worden ist. Ein Bildungsgang ist erfolgreich besucht, wenn die in der Abschlussklasse erbrachten Leistungen in allen unterrichteten Lernbereichen jeweils mit mindestens der Note „ausreichend” bewertet worden sind und in den den Lernbereichen zugeordneten einzelnen Fächern, Lernfeldern, Lerngebieten, Modulen und Qualifizierungsbausteinen insgesamt entweder in nicht mehr als zwei Fällen die Note „mangelhaft” oder höchstens in einem Fall die Note „ungenügend” erreicht worden ist." (§23 (2) BbS-VO)

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • In NDS hat man mit nur einer 6 (wenn die restlichen Noten mind. 4 sind) jeden Bildungsgang an einer berufsbildenden Schule erfolgreich bestanden:

    "Ein beruflicher oder schulischer Abschluss wird erworben, wenn der Bildungsgang erfolgreich besucht oder eine Prüfung nach § 18, 19 oder 21 bestanden worden ist. Ein Bildungsgang ist erfolgreich besucht, wenn die in der Abschlussklasse erbrachten Leistungen in allen unterrichteten Lernbereichen jeweils mit mindestens der Note „ausreichend” bewertet worden sind und in den den Lernbereichen zugeordneten einzelnen Fächern, Lernfeldern, Lerngebieten, Modulen und Qualifizierungsbausteinen insgesamt entweder in nicht mehr als zwei Fällen die Note „mangelhaft” oder höchstens in einem Fall die Note „ungenügend” erreicht worden ist." (§23 (2) BbS-VO)

    Wie sinnlos ist das denn?

  • Es geht auch mit weniger als 50 %. ;)

    Ja, wenn die Prüfungsanforderungen entsprechend hoch sind. Im Abitur (und damit bei uns in der Q-Phase generell) reichen z.B. 45% der Rohpunkte zum Bestehen mit 05 Notenpunkten. Dafür bilden Aufgaben rein reproduzierenden Charakters aber eben auch nur deutlich unter der Hälfte der erwarteten Leistung.

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