Arbeitstempo langsamer?

  • Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    ich arbeite nach einem mehrjährigen Intermezzo außerhalb der Schule wieder an einem Gymnasium. Mir fällt sehr stark auf, dass das Arbeitstempo der SchülerInnen abgenommen zu haben sein scheint, in allen Jahrgangsstufen. Ich habe alte Unterrichtsreihen, die ich jetzt stark zusammenkürzen muss, weil die SchülerInnen viel langsamer lesen, schreiben, ich häufig ganz grundlegende Konzepte mehrfach erklären muss. Auch beim Zuhören (z.B. Anweisungen) bekommt die Hälfte kaum etwas mit und ich muss mich ständig wiederholen.

    Ehrlicherweise muss ich mich aber auch fragen, ob das vielleicht an mir liegt und ich nicht mehr die Geduld habe wie früher oder meine Erwartungen irgendwie nicht mehr ganz zu den Anforderungen passen, nach mehreren Jahren in einer anderen Umgebung...? Deswegen wollte ich einmal fragen, ob das eure Beobachtungen ähnlich sind, und falls ja, was ihr denkt, woran das vielleicht liegen könnte.

    • Offizieller Beitrag

    ob das vielleicht an mir liegt und ich nicht mehr die Geduld habe wie früher oder meine Erwartungen irgendwie nicht mehr ganz zu den Anforderungen passen,

    Das frage ich mich auch manchmal - ohne Jahre in anderer Umgebung.

    Ich habe allerdings in den letzten Jahren mehrfach die Klassenstufen gewechselt.

    Deinen Eindruck habe ich aber auch schon lange. Es sind andere Dinge wichtiger als schnelles und konzentriertes Arbeiten, Fachwörter merken etc.

    SCHOKOEIS!


    Ich lese und schreibe nach dem Paretoprinzip.

  • Deswegen wollte ich einmal fragen, ob das eure Beobachtungen ähnlich sind

    Ja sicher. Prüfungen werden doch auch jedes Jahr leichter.


    und falls ja, was ihr denkt, woran das vielleicht liegen könnte.


    Das ist ein großes Fass, aber kurz gesagt:
    - konkret z.B. Smartphones,
    - allgemein mangelnde schulische Motivation als Teil einer generellen Depression einer immer dystopischeren Gesellschaft

  • ich arbeite nach einem mehrjährigen Intermezzo außerhalb der Schule wieder an einem Gymnasium.

    So lange kann dieses Intermezzo nicht gewesen sein, wenn man sich ältere Beiträge von dir anschaut. Da ging es vor 5 Jahren noch um einen Leistungskurs am Gymnasium. Ich arbeite seit 12 Jahren in diesem Beruf und kann nicht behaupten, dass sich das Arbeitstempo bzw. die allgemeine Arbeitshaltung meiner Schülerinnen und Schüler in dieser Zeit substanziell geändert hätte. Meine bisher schlechteste Klasse hatte ich im 2. Berufsjahr, meine bisher beste Klasse habe ich gerade jetzt. Ich sehe da überhaupt keine Trends und Regelmässigkeiten.


    Ich habe gerade jetzt ein bisschen den Eindruck als sei das Niveau unserer Fachmittelschüler*innen besser geworden und meine das mit den verschärften Promotionsbedingungen korrelieren zu können. Da der Systemwechsel aber noch nicht allzu lange her ist, will ich mich da auch nicht weiter aus dem Fenster lehnen. Wir haben halt am Gymnasium nur 25 % eines Jahrgangs und an der Fachmittelschule weitere 20 %. Ich glaube nicht, dass es die Jugendlichen sind, die "dümmer" werden, das Niveau steht und fällt mit den Ansprüchen und deren habe ich seit 12 Jahren immer die gleichen.

  • Wie lange warst Du vorher Lehrkraft?


    Ich sehe das nicht so wie Du. Meine aktuelle Klasse des 1. Jahres ist extrem engagiert und motiviert. Und auch echt schnell mit allem.

  • Jupp... Corona hat man bei uns zwei Jahrgänge lang gemerkt. Das waren die, die es im 10. bzw 11. Schuljahr mit 4 Monaten Fernunterrich erwischt hatte. Davon haben sich einige bis zur Matura nicht mehr "erholt". Es ist bemerkenswert, wie viel besser der aktuelle Jahrgang wieder abgeschlossen hat, der davon nicht mehr betroffen war.

  • Es ist auch mein Eindruck, dass die Schüler langsamer geworden sind. Ich habe den Eindruck, es hängt mit den Tablets zusammen, mit denen viele bei uns schreiben. Da wird gezoomt, gescrollt, aus der großen Farbpalette nach der idealen Farbe für den Fachbegriff gesucht etc. Die Schüler schreiben ein Wort ganz groß und schieben dann die Seite weiter, um das nächste Wort zu schreiben. Weil sie den Stift verloren haben, mit dem Finger, oder sie tippen umständlich. Meine Appelle und Ermahnungen bleiben ohne Wirkung. Da ich auch auf dem Tablet schreibe und nur die eine Projektiosmöglichkeit habe, kann ich auch nicht unbedingt weitermachen, während die letzten noch schreiben. Das war früher mit der Tafel problemloser, weil die Langsamen da noch abschreiben konnten, während ich etwas anderes gezeigt habe.

    Gelegentlich schicke ich ihnen Teile des Hefteintrags, Merkätze etc. als Skript auf das Tablet, um Schreibzeit zu sparen, weil ich sonst gar nicht vorankomme.

    Bezüglich Corona finden wir die 6. und 7. Klassen auffällig. Teilweise sehr unruhig und unkonzentriert, schlechte Leistungen und nicht fürs Gymnasium geeignet. Da ist ein Gedanke, ob bedingt durch die Schulschließungen und die geringe Notenbasis mehr Schüler auf dem Gymnasium gelandet sind, die regulär nicht zu uns gekommen wären.

  • Ich unterrichte an einer Gesamtschule, und wir merken das auch, in den jetzigen Sechsern und Siebenern vor allem, aber auch die Fünfer sind vergleichsweise auffällig. Jetzt im Sommer kommt die letzte Corona-geschädigte Jahrgangsstufe in die Klasse 5.. Die waren in der ersten Klasse lange im Lockdown und hatten danach auch noch mit Corona-Beschränkungen zu kämpfen.

  • Jetzt im Sommer kommt die letzte Corona-geschädigte Jahrgangsstufe in die Klasse 5..

    Und danach kommen noch die, die nur sehr wenig im KiGa waren.


    Ich bin gar nicht unbedingt der Meinung, dass es an Corona liegen muss, aber manches nehmen die Kinder anders wahr oder bewerten es anders. Das kann aber auch an ganz anderen Bedingungen liegen und auch vor Corona waren die Klassen ja nicht alle gleich.

  • Ich merke ehrlich gesagt beim generellen Arbeitstempo keine Unterschiede.


    Was allerdings das Arbeitstempo völlig vernichtet, ist das Schreiben auf Tablets. Selbst mit den Tabletstiften.

    Da brauchen meine Schüler ca. 4x so lange, wie beim analogen Schreiben auf Papier. Wieso das so ist, ist mir nicht so ganz klar. Es liegt zumindest nicht am Herumspielen mit den Schreiboptionen. Das tun sie nämlich nicht.

  • Da ist ein Gedanke, ob bedingt durch die Schulschließungen und die geringe Notenbasis mehr Schüler auf dem Gymnasium gelandet sind, die regulär nicht zu uns gekommen wären.

    Bei uns sind in den betroffenen zwei Jahrgängen definitiv einzelne Schüler*innen durchgewunken worden, die ohne Corona schon in Klasse 1 oder 2 hätten austreten müssen. Ein paar von denen sind nur so überhaupt in die 4. Klasse gekommen und zwei davon haben nach 6 Jahren am Gymnasium die Matura überhaupt nicht bestanden. Sowas gab es vor Corona nie und der Zusammenhang ist sehr, sehr eindeutig. Meine beiden ab August dann 4. Klassen hatten nur in der Sek I mal 3 Wochen Fernunterricht, am Gymnasium mussten sie in der 1. Klasse noch ne Weile Masken tragen und für die Pooltestung spucken. Irgendwie "eingeschränkt" waren die am Gymnasium aber nie und dementsprechend merkt man da auch keine auffälligen Defizite mehr.


    Ein Phänomen, das ist zur Zeit definitiv umtreibt ist eine ausgeprägte Verrohung im zwischenmenschlichen Verhalten. Unsere Jugendlichen sind eigentlich trotz vieler bildungsferner und einkommensschwacher Elternhäuser im Einzugsgebiet sehr anständig. Seit etwa 2 Jahren häufen sich nun plötzlich Vorfälle von bösartigem Mobbing in den Klassen, bösartigem Verhalten gegenüber Lehrpersonen und auch Vandalismus. Hiervon betroffen ist vor allem ein bestimmtes Schwerpunktfachprofil, auch das gibt zu Denken. Woher das kommt und was wir damit machen sollen wissen wir für den Moment auch noch nicht so genau. Der Verweis auf die sozialen Medien scheint naheliegend aber irgendwo auch zu einfach weil es wie erwähnt eine Sache von etwa 2 Jahren oder so ist, TikTok & Co. gibt's ja nun schon länger.

  • Und danach kommen noch die, die nur sehr wenig im KiGa waren.

    Diejenigen, die Corona im Vorschuljahr und in der 1. Klasse besonders getroffen hat, sind jetzt schon in der 4. Ich empfinde den Jahrgang als ähnlich "durchwachsen" wie die jetzigen 5., aber insgesamt langsamer beim Schreiben.

    SCHOKOEIS!


    Ich lese und schreibe nach dem Paretoprinzip.

  • Antimon: Ich glaube, das es in der Schweiz in vielen Dingen noch "besser" ist. Gerade was äußere Formen und Arbeitshaltung der Jugendlichen betrifft. Ich bin öfters in der Schweiz, weil mein Patenkind da zur Schule geht. Die Mutter ist Religionslehrerin und ist immer wieder überrascht, wie "wohlerzogen" auch die Hauptschüler dort sind. Und mit "wohlerzogen" meinte sie vor allem, dass die sich vorstellen, wenn sie in den Unterricht kommen und halbwegs Verhaltensformen haben. Allerdings unterrichtet sie da auf dem Land und hat es mit einer eher städtischen Hauptschule in Deutschland verglichen...

  • Diejenigen, die Corona im Vorschuljahr und in der 1. Klasse besonders getroffen hat, sind jetzt schon in der 4.

    Diese 4 ist bei uns schon gegangen.

    Aber die alten 2er und 3er waren insofern betroffen, dass die KiTa häufig einschränken musste, die Kinder oft nicht kommen durften und vor allem alles an Öffnung gestrichen war.

    Das war deutlich zu merken, die Kinder kannten nur ihre Gruppe, hatten weniger Angebote gehabt und vor allem viel weniger Orientierung.


    Auch jetzt gibt es häufig KiTa-Ausfälle, weil die Personaldecke zu dünn ist.

    Ähnlich ist es, wenn man bedenkt, wieviel Unterricht ausfällt und durch Betreuung ersetzt wird.

  • Allerdings unterrichtet sie da auf dem Land und hat es mit einer eher städtischen Hauptschule in Deutschland verglichen...

    Dann komm mal zu uns nach Muttenz ans ZBA, wenn du einen ernsthaften Vergleich ziehen willst.

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