Allgemeine Unruhe in der Klasse, dir Kinder können nicht zuhören

  • weil mir ganz grundsätzlich was daran widerstrebt, Verhalten zu belohnen, was im Schulkontext eigentlich selbstverständlich sein sollte

    Dann stimmt das doch nicht. Wenn alles so selbstverständlich ist, musst du auch nicht loben. Woher soll die Selbstverständlichkeit denn kommen? Es ist doch *dein* pädagogischer Auftrag, Kindern und Jugendlichen beizubringen, wie sie sich im Schulkontext verhalten sollen. Zu Hause ist ja Zuhausekontext und nicht Schulkontext.

  • Normales Lob gehört für mich zum gesunden Umgang miteinander und macht man doch automatisch 😊 Mir geht es um irgendwelche durchchoreographierten Smiliesammelaktionen oder dergleichen, die am Ende dann mit materiellen Belohnungen, Spielstunden, Hausaufgabenfrei etc. verknüpft sind.

    Ich habe mehrere Versuche gestartet und diese durchchoreographierte Lobsachen nie durchgehalten. Es kam oft so viel dazwischen, dass ich es am Ende des Schultags einfach vergessen habe.

    Deshalb habe ich mehr auf kurzfristige Sachen gesetzt, also direkte verbale positive Rückmeldungen oder Rückmeldungen, die (an der Tafel) durch Symbolik genau in dem Zeitpunkt, wo die Phase stattfand, sichtbar waren. Z.B. hatte ich ein Ampelsystem oder bei Gruppenarbeiten in Zeitabständen mit + neutral und minus gearbeitet. Im Anschluss von Unterrichtsphasen oder -stunden habe ich in 3/4 eher auf gemeinsame Reflexion gesetzt, die nicht nur das Thema beinhaltete, sondern auch die Arbeitsweise und Lautstärke.

    Ich habe so oder so eher auf Reflexion und Zielformulierungen gesetzt. Z.B. gab es einmal in der Woche eine gemeinsame Reflexion und die Festlegung von 1- 2 Zielen von Sachen, die noch nicht so gut klappen. Mit der Zeit wurde den Schülern schon bewusst, auf was es ankommt.


    Materielle Belohnungen gab es einmal spontan ohne dass sie jetzt erwartet wurden und nicht oft. Anlass waren meistens Dinge, die für diese Klasse jetzt wirklich toll geklappt haben. Da habe ich die ganze Klasse belohnt. Diese Belohnung fand auch direkt statt. Meistens ging dann eine Aufkleber- oder Lobkärtchenschachtel herum. Das war bei den Kindern dann ganz wichtig, dass sie da nicht untergingen und die Schachtel bei ihnen vorbeikam oder wenn ich ihnen sagte, sie sollen mich am nächten Tag daran erinnern, haben sie es nie vergessen.

    Zum Reflektieren über nicht vorteilhaftes Verhalten gab es, wenn nötig, Gespräche mit mir oder auch einmal "Nachdenkaufgaben".

  • Meine Skepsis rührt aus dem ausufernden Belohnungen im privaten Umfeld. Daher sehe ich das etwas kritisch, mit materiellem zu belohnen. Lob hab ich da nicht zugezählt. Da meine Kids alle eine duale Ausbildung machen, ist das einfach nicht angebracht, Fleisskärtchen zu verteilen. Sie werden gut bezahlt, dafür, dass sie da sitzen.


    Aber wie gesagt: ich hab schon verstanden, dass es sinnvoll sein kann.

  • Ich kenne das von zwei Freundinnen, die Tokensysteme in der Schule UND zuhause haben.

    Mir ist klar, dass sowas bei gewissen Kindern sicher sinnvoll ist und wirkt, aber warum man sich daheim den Stress gibt, alles mögliche an Verhalten zu bepunkten, wenn man mit seinen Kindern eigentlich auch reden könnte und sowieso an sich alles funktioniert, das ist mir echt nicht klar und ich finde es auch nicht schön. Ich möchte daheim auch nicht Stempel oder Sticker aufgeklebt bekommen, wenn ich mir meine Zähen lang genug putze oder wenn ich mir beim Reinkommen die Schuhe abstreife.

    Wie gesagt, für bestimmte Kinder sicher ein gutes System, aber generell würde ich daheim schon hundertmal drauf verzichten. Reden, loben, logische Konsequenzen ja, aber Tokensysteme für alle: nein. Finde ich.

  • Ich habe mehrere Versuche gestartet und diese durchchoreographierte Lobsachen nie durchgehalten. Es kam oft so viel dazwischen, dass ich es am Ende des Schultags einfach vergessen habe.

    Das geht mir ähnlich.

    Derzeit habe ich ein sehr schlankes System, das nach vielen Tagen dazu führt, dass die Kinder 15 min eigene Zeit sammeln oder auch über noch mehr Tage ansparen können, bis sie eine Unterrichtsstunde oder mehr zur Verfügung haben. (Ja, die Währung ist wirklich schlecht.)


    Die Zeit, die dann von außen als "Spielzeit" bewertet würde, geht auf in tolle Aktionen mit der Klasse, die an sich aus einer Liste ausgewählt werden können oder die sich die Klasse wünscht: Outdoor-Spiele, aber auch kochen/backen, Zusatz-Sportstunde ist sehr beliebt und auch mal 15 min Tablet-Zeit, wobei auf den Tablets allein Lernspiele sind.


    Damit komme ich in dieser Gruppe gut zurecht und wir freuen uns gemeinsam auf die Aktionen.

  • Katie : Vorab, ich nutze keine klassischen Tokensysteme, wobei das in meinen Jahrgangsstufen auch eher unüblich ist. Ich verstehe das Argument, dass man für Selbstverständlichkeiten nicht belohnen sollte, dennoch frage ich mich: Was, wenn Kinder sich nicht an zuvor vereinbarte Regeln halten? Eigentlich klingt es logisch, "Ich halte mich an Regeln = Ich bekomme keine Probleme.", was bereits in jungen Jahren viele Kinder erfolgreich umsetzen. Dennoch entscheiden sich ja immer wieder Kinder und auch Erwachsene, nicht aus Unwissenheit, sondern aus Egousmus, ihre eigenen Bedürfnisse zulasten ihrer Mitmenschen auszuleben und dabei sogar erhebliche negative Konsequenzen in Kauf zu nehmen.


    Ich erinnere mich an eine Situation im Restaurant vor ein paar Monaten: Eine Mutter mit drei Kindern; der Teenager schien noch recht vernünftig, der Mittlere war schon etwas schwierig und der Jüngste tanzte der Mutter komplett auf der Nase herum. Die Mutter sagte vor allem dem Jüngeren klar, wie er sich zu verhalten habe, aber er entschied sich mehrfach, so zu handeln wie er es für richtig hielt, was sichtbar die Nerven der Mutter strapazierte.

    Wenn man also mit Vernunft bei einem Kind nicht mehr durchkommt, wäre ein Kind, das sich wenigstens motiviert durch ein Tokensystem an Regeln hält nicht immerhin besser als ein Systemsprenger?

  • ich versuch mich ja zurück zu halten, bei sowas und kenn mich mit kleinen Kindernin Gruppen auch nicht aus, aber in Deinem Beispiel hätte die Mutter mit ihren Kindern das Restaurant verlassen sollen. wenn sich das Kind nicht so benehmen kann, dass es dort was zu essen bekommt, dann bekommt es eben auch nichts zu essen. Das ist die von Kathie angesprochene logische Konsequenz. Funktioniert ganz ohne Vernunft und Reden, sondern mit Handeln und Fühlen. Macht man ein-zwei Mal und dann klappt das auch mit dem Restaurant (muss man ggf. zwischendurch ein paar mal erneuern - es bietet sich da auch an, bewusst die Konfiktsituation zu suchen und nicht zu warten, bis man zum 80. von Tante Gertrud eingeladen ist.) Was sollte in so einer Situation das Token sein? Wenn Du nicht das ganze Restaurant zusammenbrüllst, bekommst Du einen Nachtisch?

  • Aber hat das nicht mehr mit der Atmosphäre in der Klasse zu tun als mit dem Belohnungssystem? Wenn sie so miteinander umgehen, ist es eh egal, was die Lehrkraft versucht, zu implementieren. Weiß ich nicht, würde ich wirklich gerne wissen.


    Mich würde tatsächlich interessieren, inwieweit eduki und Instagramteacher die pädagogische Landschaft prägen. Du hast ja kürzlich schonmal erwähnt, dass die Klassenzimmer der jungen Kolleginnen alle gleich und nach Frau Locke aussehen, Zauberwald . Haben andere das auch beobachtet? Ich meine, man studiert ja, um beurteilen zu können, was didaktisch und pädagogisch sinnvoll ist. Aber wenn ich mir allein die Fehler in fertigem Unterrichtsmaterial ansehe, frage ich mich, wer das alles unkritisch übernimmt. (Edit: Frau Lockes Sachen finde ich meist sehr gut, das soll keine Kritik an ihren Material sein.)

    ich finde diese kitschigen materialien aus dem internet schrecklich. es wirkt nach unpersönlichem, sterilem corporate design und unprofessionell, weil, wie du schon sagtest, eine lehrkraft in der grundschule selber ohne probleme als vorbild wörter und kleine skizzen auf papier/pappe schreiben und zeichnen können sollte, weil den schülen diese fertigkeiten zum glück ja auch noch beigebracht werden. es rückt schule auch in so eine insta-mutti-interior-saubermann-kitsch-ecke, die dümmlichste klischees bedient. wir sind doch profis und keine einfaltspinsel, denen die kitschige, zwanghaft einheitliche form wichtiger als der inhalt ist! und wir sollten kinder ernstnehmen als wilde, lebendige menschen mit ecken und kanten und lieber auch mal diese selbst dinge mit ecken und kanten schreiben lassen und das (natürlich nach gemeinsamer fehlerkorrektur) auch im klassenzimmer aushängen, auch wenn es dann ein bissl weniger lieblich und halt nach unperfekten menschen ausschaut...

  • Katie : Was, wenn Kinder sich nicht an zuvor vereinbarte Regeln halten?

    Wenn man also mit Vernunft bei einem Kind nicht mehr durchkommt, wäre ein Kind, das sich wenigstens motiviert durch ein Tokensystem an Regeln hält nicht immerhin besser als ein Systemsprenger?

    Wie ich oben schrieb: Sind Tokensysteme für alle sinnvoll? -> aus meiner Sicht nein. Dass bestimmte Kinder davon profitieren will ich gar nicht in Abrede stellen. Aber das Restaurantbeispiel hätte ich so gelöst wie qchn, logische Konsequenzen möglichst ruhig ankündigen und dann folgen lassen.


    Ein "Systemsprenger" wird sich im übrigen auch sicherlich nicht nur durch ein Tokensystem ändern. Vielleicht kann man unterstützend eins einsetzen, aber diese Kinder brauchen ja viel mehr Hilfe als Tokensysteme.

  • Ein "Systemsprenger" wird sich im übrigen auch sicherlich nicht nur durch ein Tokensystem ändern. Vielleicht kann man unterstützend eins einsetzen, aber diese Kinder brauchen ja viel mehr Hilfe als Tokensysteme.

    Darüber kann man sich halt ein Urteil bilden, wenn man tatsächlich im Bildungssystem arbeitet.

  • Also an Erziehungshilfeschulen, die ausschließlich "Systemsprenger" unterrichten, wird ganz strikt mit Token gearbeitet. Ich habe Unterricht gemacht, in dem alle 15 min das Verhalten ausgewertet wurde. Zumindest an der Schule wurde das so gemacht, wie lange ich das konsequent durchgehalten habe, weiß ich nicht mehr...

  • Vielleicht nochmal zur Klarstellung, ich bin nicht per se gegen Tokensysteme!

    IWie gesagt, für bestimmte Kinder sicher ein gutes System, aber generell würde ich daheim schon hundertmal drauf verzichten. Reden, loben, logische Konsequenzen ja, aber Tokensysteme für alle: nein. Finde ich.


    Ich schrieb auch nicht, dass sie bei Systemsprengern nicht wirken, sondern:

    Zitat

    Ein "Systemsprenger" wird sich im übrigen auch sicherlich nicht nur durch ein Tokensystem ändern. Vielleicht kann man unterstützend eins einsetzen, aber diese Kinder brauchen ja viel mehr Hilfe als Tokensysteme.

  • Wird da nur mit Tokensystemen gearbeitet, oder bekommen die Kinder noch Therapien, Unterricht in Kleinstgruppen, Auszeiten etc pp?

    Kleinstgruppen schon, Therapien leider Mangelware. Alles eher etwas traurig.


    Vielleicht nochmal zur Klarstellung, ich bin nicht per se gegen Tokensysteme!

    Wollte ich auch nicht unterstellen, ich bin selbst zwiegespalten. Ich sehe es wie du, es geht vor allem um Transparenz, nicht so sehr um Schokolade... Ich gehe lieber mit allen Eis essen, wenn's heiß ist, nicht nur mit den "Braven".

  • Als ich in einer Grundschule hospitierte, holte eine KL in der 2. Klasse nach der Stunde Ü-Eier und Gummibärchen aus einem Schrank heraus. Diese verteilte sie an die Klasse, welche sich ordentlich benommen hatte. Als ich sie fragte wie oft sie das mache, antwortete sie zwei/-dreimal die Woche.


    In einer weiteren Hospitation (3. Klasse, selbe Grundschule) bei einer anderen KL saß ich im Stuhlkreis während des Klassengesprächs bei. Hier wurde einem Kind ein Stoppschild vor die Füsse gelegt und andere Kinder sagten, was er alles die Woche falsch gemacht habe…es war nicht schön. Das Kind fühlte sich unwohl und war zutiefst traurig. Aber das Konzept war pädagogisch ausgearbeitet (?). Die KL hatte zuvor Notizen anderer Kinder zu dem besagten Kind erhalten und las sie laut vor.

    Diese Vorgehensweise war mir komplett neu und nicht nachvollziehbar.

  • Als ich in einer Grundschule hospitierte, holte eine KL in der 2. Klasse nach der Stunde Ü-Eier und Gummibärchen aus einem Schrank heraus. Diese verteilte sie an die Klasse, welche sich ordentlich benommen hatte. Als ich sie fragte wie oft sie das mache, antwortete sie zwei/-dreimal die Woche.


    In einer weiteren Hospitation (3. Klasse, selbe Grundschule) bei einer anderen KL saß ich im Stuhlkreis während des Klassengesprächs bei. Hier wurde einem Kind ein Stoppschild vor die Füsse gelegt und andere Kinder sagten, was er alles die Woche falsch gemacht habe…es war nicht schön. Das Kind fühlte sich unwohl und war zutiefst traurig. Aber das Konzept war pädagogisch ausgearbeitet (?). Die KL hatte zuvor Notizen anderer Kinder zu dem besagten Kind erhalten und las sie laut vor.

    Diese Vorgehensweise war mir komplett neu und nicht nachvollziehbar.

    Steil, die Grundschule ist schon eine Parallelwelt. Ich glaube es zwar nicht, aber hoffentlich bezahlt sie die Ü-Eier wenigstens aus der Klassenkasse.


    Struggle sessions sind so neu ja nicht.

  • Hier wurde einem Kind ein Stoppschild vor die Füsse gelegt und andere Kinder sagten, was er alles die Woche falsch gemacht habe…es war nicht schön. Das Kind fühlte sich unwohl und war zutiefst traurig. Aber das Konzept war pädagogisch ausgearbeitet (?). Die KL hatte zuvor Notizen anderer Kinder zu dem besagten Kind erhalten und las sie laut vor.

    Ich verspüre das dringende Bedürfnis, der KL ein Stoppschild vor die Füße zu legen. Alternativ könnte mir ein "Ich bin entsetzt"-Emoji helfen.

  • Hier wurde einem Kind ein Stoppschild vor die Füsse gelegt und andere Kinder sagten, was er alles die Woche falsch gemacht habe…es war nicht schön. Das Kind fühlte sich unwohl und war zutiefst traurig. Aber das Konzept war pädagogisch ausgearbeitet (?). Die KL hatte zuvor Notizen anderer Kinder zu dem besagten Kind erhalten und las sie laut vor.

    Das ist doch nicht konsequent. Ich hab' Schüler, die sich nicht benehmen konnten, beiseite genommen. Sie durften sich dann auf das Pferdchen setzen und bekamen sogar noch einen hübschen Kopfschmuck. Wie man auf dem Bild sieht, hatten sie das genossen.


    Anmerkung: Siehe Fußnote. Der Esel steht im Schulmuseum Friedrichshafen ;)
    Dass Mitschüler (-bürger) Informationen über eine Person schriftlich an die Obrigkeit durchreichen, kommt mir irgendwie bekannt vor, ich weiß jedoch nicht mehr, woher. Aber da gibt es sicher welche, die sich besonders hervortun.

    «Wissen – das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt.» (Marie von Ebner-Eschenbach)
    Meine Beiträge können Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten

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