Allgemeine Unruhe in der Klasse, dir Kinder können nicht zuhören

  • Ist es überhaupt ratsam, für völlig normale Dinge wie ruhig sein, wenn die Lehrperson es sagt und wenn Stillarbeitsphase ist, eine Belohnung auszurufen?

    Ohne angriffig oder arrogant rüberkommen zu wollen: Ich bin grade ziemlich irritiert, dass die Frage jemand stellt, die selber Kinder hat. Kinder in dem Alter lernen doch in der Schule überhaupt erst, dass man während einer Arbeitsphase in einer Gruppe mit mehreren Kindern einfach mal ruhig sitzen bleibt und die Klappe hält. Also "normal" ist das erst, wenn's ihnen jemand beigebracht hat.


    Ebenso bin ich irritiert über die vorgeschlagene Methode mit dem "geheimen Kind". Ich habe selbst mit meinen 15 - 19jährigen Jugendlichen noch das Problem, dass die echt empfindlich beleidigt werden können wenn sie das Gefühl haben, "Mutti" mag einen von ihnen lieber als den anderen. Ich bin wirklich peinlich darum bemüht, absolut jeden und jede öffentlich zu "loben" wenn nur ansatzweise irgendwas Vernünftiges im Unterricht gesagt oder getan wird. Andererseits frage ich mich gerade, ob dieses Gefühl bei Primarschulkindern vielleicht sogar weniger ausgeprägt ist und das erst mit der Pubertät kommt? Weiss ich nicht ... was denken die anwesenden Primarlehrpersonen dazu?

  • Sissymaus : Es hängt immer davon ab, was in einer Klasse oder Lerngruppe "normal" ist. Hast du eine umgängliche Gruppe, musst du nicht das volle Instrumentarium an Maßnahmen rausholen, um eine lernförderliche Atmosphäre zu erzeugen. Schwieriger ist es, wenn du viele Schüler hast, die über Tische und Bänke gehen. Wenn hier kein Einsehen besteht, dass man sich so in der Klasse nicht benimmt, muss irgendeine Form von äußerer Lenkung eingesetzt werden. Die Frage ist hier nur immer: diejenigen, die stören, bestrafen oder diejenigen, die sich benehmen, belohnen?

  • Ich bin ja bekanntlich nicht in Grundschule unterwegs, daher meine vielleicht naive Frage:


    Ist es überhaupt ratsam, für völlig normale Dinge wie ruhig sein, wenn die Lehrperson es sagt und wenn Stillarbeitsphase ist, eine Belohnung auszurufen? Ich kenne auch Eltern, die Kinder für das ins Bett gehen oder den Toilettengang belohnen. Ich bin da manchmal etwas verwirrt, denn ich stelle mir ein Ausufern vor, wenn die Kids für Selbstverständlichkeiten belohnt werden.

    Wie gesagt: ich bin vielleicht naiv, aber frage daher mal allgemein: wie bewertet ihr generell solche Belohnungssysteme?

    Ich finde nicht, dass eine materielle Belohnung für normale, erwartbar Dinge, nötig oder zielführend ist.


    Bei sehr unruhigen Klassen, die die Abläufe erst noch lernen müssen, kann eine Visualisierung aber sehr hilfreich sein und schont auch die Stimme ;)


    Ich nutze in Klasse 1 und 2 ganz gern eine Skala von Regenwolke bis Sonnenschein, auf der die Kinder nach oben bzw. unten rutschen (jedes Kind hat ein Symbol, so wissen Außenstehende, die in die Klasse kommen, auch nicht, ob Paul heute auf der Sonne oder Regenwolke stand...). Sie starten alle in der Mitte auf dem Feld. Wir konzentrieren uns zu Beginn des Schuljahres meistens auf ein Ziel, zum Beispiel, Arbeitsmaterial zügig her- bzw. den Tisch zügig wieder aufzuräumen. Also ich gonge, das Aufräumen beginnt. Wenn ein Kind das gut schafft, schiebe ich sein Symbol nach oben. Meist beginnen dann auch die langsameren Kinder ziemlich schnell mit dem Zusammenräumen. Wenn es bei jemandem gar nicht klappt, weil er rumläuft, spielt, ratscht oder sonstwas, rutscht er nach unten. In der nächsten Phase kann er dann natürlich wieder nach oben kommen. Es gibt bei mir keine Belohnung und keine Strafe, es ist nur eine Visualisierung. Auch ohne Belohnung möchten die Kinder aber gerne nach oben kommen.

    Hier herrscht kein Gruppendruck, weil es den anderen Kindern völlig egal sein kann, welches Kind gerade wo steht. Es hat ja keine Auswirkungen auf die Klasse (anders als das geheime Kind).


    Wenn man Gruppentische als Ganzes bewerten / belohnen möchte, regulieren sie sich mehr gegenseitig, sie erinnern und ermahnen sich auch schonmal. Da ist es dann oft gut, verhaltenauffälligere Kinder als "Einzelgruppe" zu nehmen, damit sie nicht durch ihr unruhiges Verhalten - für das sie häufig nichts können und das sie auch nicht einfach so abstellen können - den Umnut der Gruppe auf sich ziehen.

  • Ich denke, es kommt auf die Klasse an.

    Bei meinem eigenen GS- Kind wird das gemacht und mein Kind findet es gut, hat auch nichts Negatives berichtet bisher. Ist eine super ruhige Klasse, die ruhigste Klasse, die die LK in den letzten 10 Jahren hatte (she said so).


    In meinen Förderschulklassen würde das sofort für Unruhe sorgen ("Wer ist heute dran? Das bist doch du! Nein, du" etc) und für Ausgrenzung ("Nur weil du... Ich habe das letzte mal... warum darf der und ich nicht...").

  • Es muss ja nicht das Spielzeug, die Schoki oder der Hausaufgabengutschein sein. Lob, Anerkennung und Wertschätzung sind in meinen Augen auch eine Art der Belohnung. Nicht ohne Grund wird sogar in Unternehmen darauf hingewiesen, dass diese Dinge unglaublich wichtig sind, um seine Mitarbeiter zu motivieren, zu bestärken und zu halten. Natürlich funktioniert, vor allem am Anfang, bei Kindern das Spielzeug, der Sticker oder der Gutschein super, ähnlich wie ein Preis. Manchmal tut es aber auch schon der tolle Hausaufgabenhefteintrag, den man dann zu Hause vorzeigen kann. Wie schon gesagt wurde, man muss Verhalten erstmal lernen und da hilft Belohnung sehr. Token-Systeme dürfen zwar nicht permanent eingesetzt werden, da sonst eine Konditionierung auf die Belohnung entsteht, aber wenn man dann das Ganze ausschleicht, passt das schon. Es hängt auch sehr von den Kindern ab. Bei manchen reicht einfach Lob, Anerkennung und Wertschätzung. Bei anderen muss es zusätzlich vielleicht doch zu Beginn der Griff in die Überraschungskiste am Ende der Schulwoche sein. Einige brauchen das Gefühl, etwas Physisches in den Händen zu halten. Uns wurde letztes Jahr in einer Schulung für die schwierige L-/EmSoz-Klasse angeraten, ein Token-System einzuführen, und diejenigen hervorzuheben, die sich an die Regeln halten, also viel loben. Zusätzlich viel Reflexion zu unerwünschtem Verhalten (z.B. durch die Trainingsraum-Methode) durchführen und Regeln in der Klasse immer wieder präsent machen.

    "Misserfolg ist nur eine Möglichkeit von vorne zu beginnen. Nur dieses mal etwas Intelligenter!" (Denis Waitley)

  • Token-Systeme dürfen zwar nicht permanent eingesetzt werden, da sonst eine Konditionierung auf die Belohnung entsteht, aber wenn man dann das Ganze ausschleicht, passt das schon

    Irgendwie schleicht sich das in meinen Klassen immer von selbst aus, wenn es nämlich läuft und zum Beispiel das Aufräumen klappt, dann denken die Kinder und ich nicht mehr dran, dass da am Anfang noch Symbole hoch oder runter geschoben wurden :) Und so soll es ja auch sein.

  • Irgendwie schleicht sich das in meinen Klassen immer von selbst aus, wenn es nämlich läuft und zum Beispiel das Aufräumen klappt, dann denken die Kinder und ich nicht mehr dran, dass da am Anfang noch Symbole hoch oder runter geschoben wurden :) Und so soll es ja auch sein.

    Absolut und wenn es so funktioniert, ist das super. Wir haben an unserer Förderschule leider die Erfahrung gemacht, dass es nicht so einfach ist. Oftmals hängt bei uns unerwünschtes Verhalten auch am familiären Hintergrund. Wenn ich nur durch negatives Verhalten zu Hause Aufmerksamkeit bekomme, Lob/Anerkennung/Wertschätzung daheim Fremdwörter sind und ich immer das Gefühl habe, nie genug zu sein, dann muss ich positives Verhalten erstmal lernen, genauso wie Selbstvertrauen aufzubauen und daran zu glauben, dass man trotzdem gemocht wird, auch wenn man mal negativ auffällt. ;)

    "Misserfolg ist nur eine Möglichkeit von vorne zu beginnen. Nur dieses mal etwas Intelligenter!" (Denis Waitley)

  • Hallo zusammen!


    Wieso ausgerechnet diese Methode hier für so große Empörung sorgt, kann ich ehrlich gesagt nicht so ganz nachvollziehen. Als ob das schlimmer wäre als eine Verhaltensampel oder andere Systeme…


    Wirklich neu ist das „geheime Kind“ – oder wie ich es kenne „der geheime Klassenheld“ - ja nun auch nicht. Da ich nicht auf Instagram & Co unterwegs bin, weiß ich nicht, inwieweit es gerade gehypt wird.

    Das "geheime Kind" - und das ist jetzt nur meine persönliche Wahrnehmung nach der Schilderung hier, wie das abläuft - klingt nach "Druck von oben". Es stärkt weder die Gemeinschaft der Klasse, noch bestärkt es positiv, noch ist es eine offene Kommunikation.


    Zwar sind Menschen, im Gegensatz zu Tieren, über einen längeren Zeitraum in der Lage, Fehler und deren Ahndung noch nachzuvollziehen, aber zeitverzögert Strafen zu verhängen (und eine Nichtbelohnung gleicht einer Strafe) empfinde ich nicht als zielführend. Das Gefühl, unter Beobachtung zu stehen, kann bei sensiblen Kindern die Konzentration sogar schwächen und stärkt meiner Meinung nach überhaupt nichts.


    Für mich ist es wichtiger, das gemeinschaftliche Arbeiten zu stärken, die Kinder zu lehren, dass ein Arbeiten für die Gemeinschaft zuträglich sein kann - und eben auch die Ruhe. Ich lobe öffentlich - und zwar in dem Moment, in dem das Gute passiert - und ich tadele auch öffentlich, in dem Moment, in dem es passiert ist, dies aber liebevoll und ohne Gesichtsverlust für das Kind (zB mit "*räusper*...aaalso...das kannst du sonst aber besser, meinst du, du schaffst es, dich noch ein wenig zu konzentrieren? Das wäre toll!" oder sowas). Am meisten mag ich es, wenn mir "Brandherde" auffallen, wenn sie gerade im Entstehen sind und ich sie runterregeln kann, bevor es eskaliert. Nicht immer leicht, aber es trainiert sich - außerdem kennt man seine Pappenheimer ja, ohne dass die wissen, dass sie die Pappenheimer sind.


    Ich finde es wichtig, dass Kinder sich im Klassenzimmer wohl und daheim fühlen können und ich nicht die "Strenge von oben" bin, sondern ihnen auch immer wieder die Hand reiche. Bei dem geheimen Kind passiert meiner Wahrnehmung nach genau das Gegenteil. Ich beobachte aus einer höhergestellten Position heraus bewertend...da würde ich verstehen, dass Kinder den Kopf zwischen den Schultern tragen.

    Blowing out someone else's candle doesn't make yours shine any brighter.

  • Also "normal" ist das erst, wenn's ihnen jemand beigebracht hat.

    Ich habe weder zuhause noch in der Schule bisher mit positiven Verstärkern gearbeitet. In der Schule finde ich’s bei halbwegs erwachsenen überflüssig und nicht angebracht und zuhause gab es das einfach nie für Selbstverständlichkeiten.

  • Ich habe weder zuhause noch in der Schule bisher mit positiven Verstärkern gearbeitet. In der Schule finde ich’s bei halbwegs erwachsenen überflüssig und nicht angebracht und zuhause gab es das einfach nie für Selbstverständlichkeiten.

    Achso, nee, mit meinen eigenen Kindern habe ich das auch nie gemacht. Und ich lasse in der Schule auch nichts eintauschen, es geht nur ums Visualisieren, das Verrutschen auf einer Ampel/Wolke/Smiley ist effektiver als das ständige angesprochen werden. Es gibt aber keine Belohnung einzutauschen, das mag ich nicht, es hat was von Leckerlis verteilen und so wollte ich selbst auch nicht behandelt werden.

  • Vor einigen Jahren hat es eine Liv aus dem Seminar (als Empfehlung!) mitgebracht. Es hat gut geklappt, ich habe es auch ausprobiert. Die Klasse hat es als Teamspiel gesehen. Natürlich muss man gucken, von welchem Zeitraum man spricht; ich habe es oft nur für den geordneten Weg in die Pause oder für eine 5 oder 10-min- Arbeitsphase gemacht. Eine ganze Stunde oder gar einen ganzen Tag kann das ja niemand durchhalten, es sollte ja so sein, dass es zu schaffen ist….

    Wobei man für 10 min auch kein "geheimes Kind" bräuchte, zu sagen "ich bin gespannt, ob ihr es schafft, so leise wie gestern.../wer es besonders leise schafft..." reicht als Wettbewerb aus, würde ich mal behaupten.


    Dabei fällt mir gerade auf, wie anstrengend unser Vormittag ist. Wie macht man das eigentlich bis 65? Würde ich echt gerne wissen.

  • Ich habe weder zuhause noch in der Schule bisher mit positiven Verstärkern gearbeitet. In der Schule finde ich’s bei halbwegs erwachsenen überflüssig und nicht angebracht und zuhause gab es das einfach nie für Selbstverständlichkeiten.

    Ich nehme doch an, du hast deine Kinder gelobt, wenn sie ordentlich am Tisch gesessen haben? Individuelle materielle Belohnung finde ich bei älteren Kindern und Jugendlichen auch nicht angemessen aber ich sage einem Haufen 18jähriger durchaus mal, dass ich z. B. eine Praktikumsstunde sehr toll fand, wenn sie besonders konzentriert und produktiv gearbeitet haben. Es kann schon mal passieren, dass ich meiner Zufriedenheit mit einem Kuchen Nachdruck verleihe. Keine Sorge, ich sage denen schon auch, wenn sie mir auf den Keks gehen. Ich finde es auch bei älteren Jugendlichen noch wichtig ihnen zu spiegeln wie ihr Verhalten auf andere wirkt.

  • Wobei man für 10 min auch kein "geheimes Kind" bräuchte, zu sagen "ich bin gespannt, ob ihr es schafft, so leise wie gestern.../wer es besonders leise schafft..." reicht als Wettbewerb aus, würde ich mal behaupten.


    Dabei fällt mir gerade auf, wie anstrengend unser Vormittag ist. Wie macht man das eigentlich bis 65? Würde ich echt gerne wissen.

    Bräuchte man nicht, das ist richtig. Ich lobe gewöhnlich einfach die Kinder, die es toll machen (was auch immer gerade die Ansage ist) und alle nicht gestörten Kinder finden das toll, wollen auch gelobt werden und machen das nach.Die Kinder, die es aufgrund größerer sozial-emotionaler Probleme nicht können, fallen sowieso raus. Beim „geheimen Kind“ war es, wie gesagt, so, dass eine LiV das anschleppte, ich das ausprobieren wollte und die Kinder das dann eingefordert haben. Deshalb die Variante mit ganz kurzen Sequenzen, um möglichst allen die Chance zu geben.


    65? Ich würde meinen ich muss bis 67…

  • Ist es überhaupt ratsam, für völlig normale Dinge wie ruhig sein, wenn die Lehrperson es sagt und wenn Stillarbeitsphase ist, eine Belohnung auszurufen?

    Das empfindest du als normal, andere aber nicht.

    Auch ich habe den Eindruck, dass die wenigsten Kinder darauf eingestellt sind, sich in einer Gruppe einzufügen, leise zu sein, Aufgaben zu erledigen, Rücksicht zu nehmen.


    Wenn man das mit 6 Jahren beginnt zu üben, es von anderer Seite als Schule weder gefordert noch unterstützt noch verstanden wird, muss man schon einige Anstrengungen unternehmen 7nd es ist ein weiter Weg, bis es klappt.


    Ich finde dauernde Belohnungen auch nachteilig, man provoziert für Selbstverständliches „was kriegen wir dafür?“, andererseits muss man dieses scheinbar Selbstverständliche kommunizieren, erläutern, noch mal erklären und sich nach und nach in die Richtung arbeiten, was für Ruhe, Mitarbeit, Hausaufgaben, Üben, Sorgfalt und sehr viel mehr gilt.


    Mag ja andernorts anders sein, bei uns ist es täglich Programm.

  • Ich nehme doch an, du hast deine Kinder gelobt, wenn sie ordentlich am Tisch gesessen haben? Individuelle materielle Belohnung finde ich bei älteren Kindern und Jugendlichen auch nicht angemessen aber ich sage einem Haufen 18jähriger durchaus mal, dass ich z. B. eine Praktikumsstunde sehr toll fand, wenn sie besonders konzentriert und produktiv gearbeitet haben.

    Ja klar, das mache ich auch.

    Ich bin eher irritiert von der schatzkiste mit einer materiellen Belohnung.

    Aber ist ja ok, ich wurde aufgeklärt, dass das zu Beginn nötig ist und sich in de Regel nachher von selbst ausschleicht.

  • Ich hatte die gleichen Gedanken wie Sissy. Natürlich lobt man verbal, aber diese ausgeklügelten Tokensysteme finde ich immer etwas befremdlich. Hab ich auch in der Unterstufe nie gemacht, weil mir ganz grundsätzlich was daran widerstrebt, Verhalten zu belohnen, was im Schulkontext eigentlich selbstverständlich sein sollte.


    In dem Zusammenhang fällt mir ein neulich mal die These gelesen zu haben, dass heutigen Kindern in Bezug auf Stillsitzen und angemessenes Verhalten im Vergleich zu früheren Generationen die elterliche Erziehung beim Kirchengang fehlt. Eigentlich schade. Es bräuchte keine Belohnungsorgien, wenn Eltern irgendeinen Weg finden würden, Kinder wieder "schulfertig" zu erziehen.

  • Wie macht man das eigentlich bis 65? Würde ich echt gerne wissen.

    Da wird das Gehör schlechter und der Pelz dicker. Zudem gibt es kaum etwas, was man noch nicht gesehen hat - und man besitzt daher einen gut gefüllten "Werkzeugkasten". Ebenso macht der Blick auf den Silberstreif am Horizont gelassener ;)

    Als "Tokensystem" hatte sich bei mir die schwäbische Variante als erfolgreich erwiesen. Eine Bekannte arbeitete im Büro einer großen, international tätigen Firma. Sie hat für mich von den Umschlägen der Geschäftspost die Briefmarken abgerissen. Zudem hatte eine Tante viele Jahre Briefmarken gesammelt und diese zum Teil nur in Schachteln gehortet. Ich habe die "geerbt" - ebenso wie den Michelkatalog. Da waren dann Marken von der Jahrhundertwende 1900 bis zeitnah und von klein bis groß und bunt dabei.

    Die Briefmarken hatte ich auch für das Unterrichtsthema "Länder der Erde" verwendet. Die Schüler durften aus der Kiste eine Marke blind ziehen und dann ein Kurzreferat über das Land halten (hier hatte ich vorsortiert). Aus der dann immer wieder neu gefüllten Schachtel dürften sich die Schüler, sobald sie drei Smileys in den Heften oder für Klassenarbeiten /Tests gesammelt hatten, fünf Briefmarken heraussuchen und in der Pause im Michelkatalog stöbern, wie viel die im Sammlerbereich wert sind.
    Da waren manchmal Marken dabei, die für 50 oder mehr Euro verzeichnet sind - und mich nichts gekostet haben ;)

    Manche Schüler haben ein neues Hobby entdeckt. Manche haben Gebäude gesammelt, andere Länder, Tiere, Pflanzen oder Köpfe.

    «Wissen – das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt.» (Marie von Ebner-Eschenbach)
    Meine Beiträge können Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten

  • Hab ich auch in der Unterstufe nie gemacht, weil mir ganz grundsätzlich was daran widerstrebt, Verhalten zu belohnen, was im Schulkontext eigentlich selbstverständlich sein sollte

    Machst du doch trotzdem indem du lobst. Wahrscheinlich ist es das, was ich grad so schräg finde, dass ihr da so einen grossen Unterschied sehen wollt. Ich habe zu meinen Klassen in der Regel eine für Sek-II-Verhältnisse relativ enge emotionale Bindung und weiss genau, wie stark einzelne SuS drauf anspringen, was ich ihnen sage. Ich glaube, ihr unterschätzt beide, wie viel bedeutender als das Schoggistängeli das Wort der Lehrperson sein kann.

  • Machst du doch trotzdem indem du lobst. Wahrscheinlich ist es das, was ich grad so schräg finde, dass ihr da so einen grossen Unterschied sehen wollt. Ich habe zu meinen Klassen in der Regel eine für Sek-II-Verhältnisse relativ enge emotionale Bindung und weiss genau, wie stark einzelne SuS drauf anspringen, was ich ihnen sage. Ich glaube, ihr unterschätzt beide, wie viel bedeutender als das Schoggistängeli das Wort der Lehrperson sein kann.

    Normales Lob gehört für mich zum gesunden Umgang miteinander und macht man doch automatisch 😊 Mir geht es um irgendwelche durchchoreographierten Smiliesammelaktionen oder dergleichen, die am Ende dann mit materiellen Belohnungen, Spielstunden, Hausaufgabenfrei etc. verknüpft sind.

  • weil mir ganz grundsätzlich was daran widerstrebt, Verhalten zu belohnen, was im Schulkontext eigentlich selbstverständlich sein sollte

    Dann stimmt das doch nicht. Wenn alles so selbstverständlich ist, musst du auch nicht loben. Woher soll die Selbstverständlichkeit denn kommen? Es ist doch *dein* pädagogischer Auftrag, Kindern und Jugendlichen beizubringen, wie sie sich im Schulkontext verhalten sollen. Zu Hause ist ja Zuhausekontext und nicht Schulkontext.

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