Arbeitszeiterfassung Lehrer in Sachsen

  • Hallo zusammen, ich lebe in einem Dorf im Erzgebirge. Wir sind eine eher kleine Grundschule mit 12 Lehrkräften. Am Freitag bekamen ich und zwei weitere Kollegen ein Schreiben, dass wir das Vergnügen haben an der Studie zur Arbeitszeiterfassung in Sachsen teilzunehmen. (Zufällig wurden über 4000 Lehrer aus allen Schulstufen für eine Studie, die bis August 2025 dauern soll, ausgewählt.) Das ist doch kein zufälliges Ergebnis, oder? Bei so einer Trefferquote sollten wir sofort Lotto spielen.

    Der Witz an der Sache ist, dass ich bereits seit November 23 in Vollrente bin und freiwillig noch bis August 25 ohne Klassenlehrerfunktion zusätzlich arbeite. Zudem bin ich wegen einer Krebserkrankung 60% schwerbehindert, und somit nicht mehr so stark belastbar. Da frage ich mich, was ist bei mir repräsentativ für die Lehrerarbeitszeit in Bezug auf meine Arbeitszeit? Natürlich habe ich ohne Klassenlehrerfunktion erheblich weniger Belastung außerhalb der Unterrichtszeit. Das müsste auch Herr Piwarz wissen.

    Heute habe ich mir die ersten Infos angeschaut (das hat mich übrigens gut 2 Stunden gekostet).19 Seiten Infos über die Kategorien der Arbeitszeiten. Das Tool zur Zeiterfassung habe ich ausprobiert. Dabei handelt es sich um eine Art Stoppuhr. Diese muss immer dann aktiviert werden, wenn ich für die Schule arbeite. Bekomme ich eigentlich für die Studie ein Diensthandy? Ich habe keine Lust mit meinem Privathandy das Tool zu nutzen, um meine Arbeitszeit in Echtzeit festzuhalten. Ich bin sehr angefressen. Nach gut 35 Jahren Dienstzeit soll ich jetzt in meinem letzten(freiwilligen) Dienstjahr so eine aufwändige Studie mitmachen? Nein danke, das werde ich nicht tun. Morgen schreibe ich der entsprechenden Dienststelle eine Mail. Diese zusätzliche Belastung ist ein no go! Und alle Lehrer in Sachsen sollten sich wehren. Wir haben genug zu tun mit Helikoptereltern, psychisch gestörten Schülern, Jugendämtern, Psychologen, Formularen etc. Da haben wir keine Zeit jeden Tag online Zeiten in Tabellen einzutragen. Und das ohne wenigstens eine Stundenermäßigung.

  • Ist doch Klasse, dass das erfasst wird. Da es immer so Sonderfälle gibt, ist es auch richtig die nicht aus der Zufallsziehung herauszunehmen.


    Die Wahrscheinlichkeit für solche 'Dopplungskollisionen' ist übrigens größer als man intuitiv so denkt.

  • Habe direkt wieder Schnappatmung bekommen als ich die Nachricht zur neuerlichen Studie zur Arbeitszeit der Lehrkräfte gelesen habe.


    Für die Umsetzung geltenden Rechts, nämlich auch der Arbeitszeiterfassung von Lehrern und anderen Beamten, braucht es keine Studie.

    Das Gesetz muss umgesetzt werden! Fertig ist die Laube.

    Eine Studie erübrigte sich dann auch, da ja die Daten dann vollumfänglich erfasst würden.


    Bei Einführung der Anschnallpflicht konnten die Autofahrer ja auch nicht noch ewig lange mal mit und mal ohne Gurt fahren, um das zu erproben und Studien anzustellen.


    Hier wird Zeit geschunden und Steuergelder werden verbrannt. An der Pflicht zur Umsetzung der Zeiterfassung durch die Dienstherren kann und wird auch eine tausendste Studie nichts ändern.

    Von wegen Schuft, ein Zyniker ist ein enttäuschter Idealist!

  • Mein Gedanke. Die Studie macht nur Sinn, wenn es schwerpunktmäßig um die Testung der Erfassungstools geht. Ansonsten braucht es keine Studien, sondern ganz schnöde endlich flächendeckende Erfassung.

  • Vor allem, es gibt schon längst Studien, ich habe vor über 20 Jahren auch an einer sehr großen (in einem anderen Bundesland) teilgenommen. Aber sie fielen nicht im Sinne des Arbeitgebers aus und verschwanden daher in der Schublade. Jetzt halt wieder eine. Vielleicht fällt sie aus Arbeitgebersicht dieses Mal anders aus? (Ironie)


    Ich denke daher eher an Zeitschinden, indem man "wir tun was" vortäuscht. Bis die Studienergebnisse kommen dauert es wieder (und danach werden sie wieder verschwinden und irgendwann eine neue Studie kommen). Die Bevölkerung (und einige Kolleginnen und Kollegen) fallen (immer wieder) darauf herein.

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

  • Es sind aus jeder Schule Leute ausgewählt worden, soweit ich weiß, auch u.a. Vollzeit und Teilzeit sollte berücksichtigt werden, deswegen kann das Ergebnis schon stimmen.


    Da das ganze einen Querschnitt abbilden soll, ist es auch sinnvoll, Leute mit und ohne KL-Funktion dabei zu haben.


    Bekommt ihr eigentlich eine Entlastung dafür? Es sind 10 min pro Tag dafür geplant, das ist ja mehr als eine Schulstunde.


    Die Frage, warum es so eine Studie jetzt überhaupt noch braucht, hab ich mir allerdings auch schon gestellt. Die GEW sagt zwar, es kann uns nur zugute kommen, aber eigentlich hätte man doch alle Lehrkräfte dazu verdonnert müssen?

  • Und was ist dein Vorschlag? Du hast immer alles kommen sehen, nur nutzt das denen, die so ein Schreiben bekommen haben, halt recht wenig.

    Lass deine verächtlichen Worte. Meine Antwort bezieht sich auf


    Ist doch Klasse, dass das erfasst wird. Da es immer so Sonderfälle gibt, ist es auch richtig die nicht aus der Zufallsziehung herauszunehmen.


    Die Wahrscheinlichkeit für solche 'Dopplungskollisionen' ist übrigens größer als man intuitiv so denkt.

    Wer länger dabei ist, weiß, da ist nichts Klasse daran. Es ist nur Hinhaltetaktik. Das schreibt übrigens auch eure Gewerkschaft (da las ich erstmals).


    Und nein, ändern kann der einzelne nichts. Ich habe zweimal eine Deputatsstundenerhöhung mitmachen müssen (von ursprünglich 23 auf 25). Gleichzeitig wurde Urlaubsgeld gestrichen und Weihnachtsgeld reduziert. Zwei Jahre haben wir auf Klassenfahrten und Projekte wie Jugend trainiert für Olympia verzichtet, hat kaum jemand interessiert. Dann kamen genug junge Kolleginnen und Kollegen nach, die fahren wollten. Ich würde mich heute vermutlich nicht mehr für das Lehramt entscheiden, mich verwundert der Lehrermangel nicht, Überstunden (für langfristig erkrankte Kollegen) werden kaum bezahlt (mein aktuelles Problem), man kann noch nicht einmal ablehnen, wenn zum vollen Lehrauftrag 4 weitere Stunden kommen. Aber auch das interessiert niemanden.

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  • An unserer Schule wurden auch zwei Kollegen ausgewählt - ich fand es sehr merkwürdig, dass bei knapp 40 000 Lehrern in SN es ausgerechnet zwei an der gleichen Schule/Schulart erwischt.

    Wir sind eine vom Lehrermangel und hohem Altersdurchschnitt gebeutelte Oberschule - insofern beruhigt es mich aber auch ein wenig. Die Ergebnisse dürften Herrn Piwarz nicht gefallen - wobei ja auch unklar ist, wie lange die Auswertung der Studie dauern wird, welchen Expertenkreis man dazu anhören wird und welche Maßnahmen daraus abgeleitet werden.

    Ehrlich? Ich habe noch 11 Jahre bis zur Rente und ich bin realistisch: das wird nix bis dahin!


    Natürlich wird die Mehrbelastung der KuK nicht durch Entlastung kompensiert! Wie denn auch? Wir haben Mühe, den ( bereits gekürzten) Grundbereich abzudecken!

    Wir sind, Gott sei Dank, fast am Ende des Schuljahres, am Ende unserer Kräfte schon länger - und eine Besserung ist nicht in Sicht.

  • kodi wenn Du das so Klasse findest, darfst Du gerne meine Arbeitszeiterfassung für das nächste Schuljahr übernehmen. Hier soll aufwändig etwas festgestellt werden, was schon längst bekannt ist. Durch die vielen Nebenschauplätze machen wir häufig weit mehr Stunden als vorgesehen sind. Es geht mir gar nicht darum, dass mal wieder irgendeine Studie gemacht wird. Mir geht es um die zusätzliche Arbeitsbelastung. Denn es bleibt nicht bei zehn Minuten pro Tag, wenn man dich die 19 Seiten Erläuterung durchliest. Das ist viel komplexer angelegt. Dazu lasse ich mir nicht meinen ganzen Tagesablauf durchleuchten. Ich halte die ganze Sache auch datenschutztechnisch für sehr grenzwertig. Denn, da ich für das Zeiterfassungstool Teil meiner Loginadresse für das Schulportal eingeben muss, kann sehr konkret nachverfolgt werden, wer da etwas eingegeben hat. Warum basiert das Ganze nicht auf Freiwilligkeit?

    Quittengelee Mir wurde von unserer Personalrätin auf Nachfrage gesagt, dass die 4100 Lehrer zufällig ausgewählt wurden. Das kann ich nicht glauben. Wir bekommen keinerlei Ermäßigungen für den nicht unerheblichen Mehraufwand. Neben seitenlangen Erklärungen wird es noch Webinare geben. In gut zwei Wochen fangen in Sachsen die Ferien an und jeder weiß wie stressig die letzten Schulwochen sind. Wann bitte soll ich dann noch an Webinaren teilnehmen?

  • Witzig, ich finde solche Bemerkungen überheblich:

    und einige Kolleginnen und Kollegen) fallen (immer wieder) darauf herein.

    So empfindet jeder anders.

    Quittengelee Mir wurde von unserer Personalrätin auf Nachfrage gesagt, dass die 4100 Lehrer zufällig ausgewählt wurden. Das kann ich nicht glauben.

    Es stimmt auch nicht ganz, es wurden an jeder Schule Leute ausgelost und bestimmte Kriterien dabei berücksichtigt. Das wurde bei der GEW so gesagt.


    Eine Frage bitte noch aus Interesse: musst du nach Tätigkeiten unterscheiden oder wie eine Art Stechuhr alles gleichermaßen erfassen?

  • Quittengelee, wie geschrieben, meine Antwort bezog sich auf das "Klasse" von Kollege oder Kollegin kodi und er bzw. sie ist nicht allein.

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  • Ich halte auch Kodi nicht für ein naives Dummchen und die GEW sagt selbst, es ist zwar unnötig, weil sie selbst bereits eine Arbeitszeitstudie gemacht haben, aber vielleicht traut der Staat seinem eigenen System ja mehr. Unser Kultusminister sagt, die Studie sei deswegen einzigartig, weil sie nicht auf Freiwilligkeit beruhe. Was er damit meint, kann man ja spekulieren...


    "Laut Piwarz geht es darum, Ressourcen auszumachen und Arbeitsabläufe zu verbessern. Die Frage sei etwa, ob alles, was die Lehrer tun, auch von einem Lehrer getan werden müsse oder ob das auch jemand anderes machen könne." schreibt die Tagesschau. Ich bin gespannt, ob sie dann z.B. Leute anstellen für Administratives. Bislang hat Sachsen tatsächlich bestimmte Versprechen auch umgesetzt.

  • Quittengelee zu der Erfassung der Arbeitszeit gab es bisher eine 19 Seiten lange Anleitung. Jedes Mal, wenn man die Tätigkeit wechselt, muss man theoretisch die Uhrzeit stoppen, die neue Tätigkeit anklicken, und neu starten. Wenn ich so an meinen Lehreralltag in der Schule denke, ist das völlig unrealistisch. Oft erledige ich mehrere Dinge gleichzeitig. Sobald man keinen Frontalunterricht macht, der noch am ehesten eindeutig zu definierende Phasen hat, ist die Art der Zeiterfassung völlig unrealistisch. Man kann auch im Nachhinein die Zeiten (5 Minuten genau) eingeben. Auch das ist im normalen Schulalltag völlig unrealistisch. Neben den Aktivitäten während einer Unterrichtsstunde kann ich nicht noch Tätigkeiten notieren, dauernd auf eine Stoppuhr schauen und die Zeit notieren. Ich bräuchte eine zusätzliche Person, die das alles notiert. Das Ganze ist, wie oft bei Maßnahmen des Kultusministers, in der Realität nicht umsetzbar. Ist ja auch logisch, da die erfahrenen Praktiker bestimmt nicht im Kultusministerium sitzen.

    Jetzt mal eine Frage an Dich: Welche Versprechen hat Sachsen denn umgesetzt?

  • Man kann auch im Nachhinein die Zeiten (5 Minuten genau) eingeben. Auch das ist im normalen Schulalltag völlig unrealistisch.

    Sehe ich nicht so. Ich habe das mal eine Zeit lang gemacht, um einen Überblick zu bekommen, wieviel Zeit ich für was brauche und mit was ich meinen Arbeitstag so verbringe. Das ist nie 100% korrekt, aber hinreichend um die Größenordnungen zu sehen.

    Sich am Ende des Arbeitstages oder auch zwischendrin ein paar Minuten zu nehmen, um sich der Tätigkeiten, die man ausführt bewusst zu werden ist in vielerlei Hinsicht hinlfreich.

  • Müssen denn wirklich die Tätigkeiten während der Deputatsstunden noch extra aufgeschlüsselt werden? Der Unterricht ist doch aus naheliegenden Gründen der unstrittigste Teil unserer Arbeit.

  • Müssen denn wirklich die Tätigkeiten während der Deputatsstunden noch extra aufgeschlüsselt werden? Der Unterricht ist doch aus naheliegenden Gründen der unstrittigste Teil unserer Arbeit.

    Habe ich nicht gemacht und würde ich auch nicht für eine Untersuchung. Soll das in dem säsischen Versuch tatsächlich gemacht werden?

  • Jetzt mal eine Frage an Dich: Welche Versprechen hat Sachsen denn umgesetzt?

    Mehr Schulsozialarbeit, mehr Schulsachbearbeiter*innen, mehr Personal für Aufarbeitung nach Corona und anderes pädagogisches Personal. Ob die Leute immer gut sind, ob sie an den Schulen vernünftig eingesetzt werden, wie gut die interne (multiprofessionelle) Kommunikation ist etc. steht auf einem anderen Blatt. Aber ganz grundsätzlich sind erst mal mehr Leute an Schulen unterwegs.


    Auch hat Sachsen vom Digitalpakt als eins der ersten Bundesländer Geld abgerufen. Was Schulen dann damit machen ist wiederum ein eigenes Thema, aber Kultus hat durchaus reagiert.

    LernSax ist zu Coronazeiten hoffnungslos überlastet gewesen, nach ein paar Monaten konnte man aber damit arbeiten und BBB wurde zum Beispiel eingebunden.


    Es ist halt auch vonseiten der Behörden nicht immer einfach, innerhalb von kurzer Zeit vor Ort Dinge zu regeln und manche Idee ist nur so gut, wie das, was Menschen vor Ort (Stichwort: hammer schon immer so gemacht) zu leisten in der Lage sind.

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