Welche Schule für dieses verängstigte Kind...?

  • Hallo,


    ich hoffe, hier Ideen sammeln zu können.


    Nächste Woche werde ich mein Testkind überprüfen. Es handelt sich um einen 6-Jährigen Jungen, der in einem heilpädagogischen Kiga ist.


    Nach einer Hospitation und den ersten Gesprächen mit den dortigen Pädagogen und Psychologen und auch der ersten Kontaktaufnahme für mich, ergibt sich ein schwieriges Bild.


    Der Junge hat große Defizite im sozial-emotionalen Bereich, stammt auch einfachsten Familienverhältnissen. Bis vor kurzem mussten er und sein Bruder nachmittags um 5 Uhr ins Bett. Als der Kiga davor erfuhr, haben sie interveniert und konnten Änderung erreichen.


    Der Junge ist wie ein Schwamm (empfinde ich auch so, ist Aussage das Kigas), er saugt alles Neue auf. Er ist aber sehr angstvoll und kann nur langsam Vertrauen aufbauen. Wenn es zu Hause nicht gut läuft, dann kann er nur wenig oder kaum sprechen (selekt. Mutismus). Anfangs im Kiga (dort ist er seit 1,5 Jahren) hat er nur unter dem Tisch gesessen. Kontakt zu anderen Kindern nimmt er erst seit kurzem auf. Definitiv ausschließen kann ich schon eine geistige Behinderung.


    Er ist aufgrund anregungsarmer restriktiver Umgebung einfach nur zurück... Sprachliche Auffälligkeiten gibt es keine. Artikulation und Lautbildung sind O.K. - Stand entspricht seiner allgemeinen 'späten Entwicklung'.


    An einer Förderschule L wird er eingehen - dort wird er zwar offiziell nach meinem Testergebnis hingehören, aber aufgrund der emotionalen Besonderheit wird es eigentlich der falsche Ort der Beschulung sein.


    Vor drei Jahren hat meine Kollegin den mittlerweile 9 Jahre alten Bruder getestet. Der hat bei uns auch nur unter dem Tisch gesessen und ist jetzt an der Schule für Geistig Behinderte...


    Ich weiß, dass mein Testkind dort nicht hingehört...


    WAS würdet Ihr empfehlen...?


    Was denkt Ihr von I-Klasse... Hätte den Vorteil der wohnortnahen Beschulung, der 'besseren sozialen' Kontakte, man könnte versuchen, die Eltern der Klasse mit ins Boot zu nehmen. Man müsste zusätzlich versuchen, den Eltern Beratung/Betreuung anzubieten...


    Ich bin sehr traurig über dieses Kind, vor allem - weil er so ängstlich ist und anscheindend in einem sehr sehr tristen Umfeld aufwächst.


    Und doch erscheint er mir so interessiert, ist dankbar für jede Aufmerksamkeit, kann sich Spielregeln gut merken, KANN spielen, KANN sich konzentrieren, KANN zuhören...


    Das Jugendamt ist involviert. Da der Junge nicht geschlagen wird, halbwegs vernünftig gekleidet ist, vernünftig ernährt erscheint, besteht deswegen kein weiterer Handlungsbedarf.


    Die Mutter selbst ist in einem Alkoholiker-Haushalt aufgewachsen und hat sich einen ähnlichen Partner gesucht. Buntstifte und Scheren sind bei den Kinder zu Hause verboten, sie könnten ja Tapeten anmalen...


    Also nochmals meine Frage - wenn eine Lernbehinderung als Testergebnis feststeht - welche Beschulung würdet Ihr empfehlen?


    LG


    Tante Lotta

  • Ich wollte noch einmal dazuschreiben, weswegen zumindest hier in unserem Raum die Förderschule Schwerpunkt Lernen m.E. nicht wirklich geeignet ist.


    Wir haben hier immer Klassen jahrgangsübergreifend von 1 bis 3, wenn wir 'Pech' haben, wird es nächstes Jahr eine 1 bis 4 werden.


    Der Junge bräuchte zum Lernen viel mehr Einzelzuwendung und wäre z.B. in den Pausen komplett auf sich gestellt, was ihn total veängstigen würde und schlussendlich wahrscheinlich zu noch mehr Regression führen würde...


    Sein Bruder hat genau das alles so 'erlitten', Empfehlung Förderschule L, hier nur unter dem Tisch gesessen - nun auf der Schule für geistige Entwicklung.


    LG


    Andrea

  • Hallo,


    ich arbeite seit kurzem an einer Förderschule (Grundschule) mit dem Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung. Die von dir beschriebenen Verhaltensweisen (Angst und sozialer Rückzug) weisen auch einige meiner Schüler auf, so dass ich denke, dass unsere Schule schon das Richtige für den von dir beschriebenen Jungen wäre. In Niedersachsen sind mir drei Schulen mit diesem Schwerpunkt bekannt (Nienburg, Wistedt und Göddenstedt). Kann aber gut sein, dass es noch mehr gibt. Du kannst mich gerne anmailen, falls du noch Fragen hast.


    Viele Grüße


    Jana

  • Hallo Daisy!


    Du kannst mal davon ausgehen, dass es ne ganze Menge davon ich NDS gibt. Das sind die ehemaligen Erziehungsschwierigen/Verhaltensauffälligenschulen.
    Die sind jetzt schlicht und ergrefeind einfach nur umbenannt worden!
    Je nachdem wie das Schülerklientel da ist, kann es für so einen Jungen auch die komplett falsche schule sein


    LG, Sunny

    Tschacka!


    <img src="http://img113.imageshack.us/img113/6624/zwanzigklein7xb.jpg">

  • Ja, das habe ich mir eben auch gerade gedacht, dass es sich darum handelt. Mit diesen ganzen Begrifflichkeiten kommt man ja gar nicht mehr zurecht 8o


    Dann aber muss ich sagen, dass ich diese Schule bereits selbst verworfen habe. Wenn in der Klasse dieses Jungen NUR ein Kind ist, was aggressiv und laut ist, war's das...


    Was haltet Ihr von der I-Klasse...?


    Und wie sieht da zur Zeit in Nds. die Situation für neue einzurichtende I-Klassen aus? Wir hätten für dieses Dorf noch 2 Schüler... die allerdings unserer Schule wirklich fehlen würden, weil gerade die Schülerzahlen dramatisch nach unten gehen... Mein Schulleiter wird nicht gerade begeistert sein...


    O.K. - danke schon mal für input!


    LG


    Tante Lotta

  • Hallo Sunny,


    da es sich oft um Schulen in freier Trägerschaft handelt, kann es gut sein, dass es ne ganze Menge davon gibt. In der Grundschule ist das Klientel - zumindest bei uns - noch ein anderes als in den höheren Klassen, wenn du verstehst, was ich meine.


    Viele Grüße


    Jana

  • Du könntest über das Jugendamt im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §35a KJHG eine Schulbegleitung (zumeist Zivi) für diesen Jungen anfordern.


    Voraussetzung: Die Eltern sind bereit, den Antrag für den Sohn zu stellen.
    Dann hätte er im Rahmen der I-Beschulung eine zusätzliche verlässliche Begleitung.


    Ihr denkt doch nicht im Ernst darüber nach, ein nicht geistig behindertes Kind an eine Schule für geistig Behinderte zu geben, oder?


    Es hieße in der Konsequenz: Keinerlei verwertbaren Schulabschluss! Die Folgekosten wären ungleich höher als eine Förderung JETZT.


    Mal davon abgesehen: Dem Jugendamt wäre dringend anzuraten, früher und gründlicher einzugreifen! "Verwahrlosung" beginnt nicht unbedingt bei "schmutz und Hunger"!


    T.

  • Hallo Tante Lotta,
    wie ist es inzwischen mit deinem Testkind weitergegangen? Welche Schule wirds möglicherweise jetzt werden? Es wäre spannend, wenn du mal berichten könntest! Gerade die "Grenzfälle" sind ja bei AO-SFs immer sehr schwierig...


    Liebe Grüße
    Chiaro

    "Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht."
    (afrikanisch)

  • Hallo,


    wer Genaueres wissen möchte, darf mich gerne anmailen...


    Nur so viel, ich habe Rückstellung empfohlen, da das Kind erstmalig schulreif ist. Für das kommende Jahr ist der Junge in der Planung für eine I-Klasse an einer GS am Ort - auch mein Vorschlag.


    Es gibt aber ein Problem mit der Unterbringung des Kindes bis Schuleintritt


    Ansonsten hat der Junge einige gut ausgebildete Kompetenzen, aber auch wirkliche Defizite. Von der GS kann er aufgrund seiner Konzentrationsfähigkeit und Ruhe bestimmt nur profitieren!


    Danke übrigens für das Interesse...



    LG


    Tante Lotta

  • Genau so ein Kind habe ich vor einigen Jahren auch übernommen, in meiner Förderschulklasse 1-3 (Dieses Kind war der einzige Erstklässler). Das Kind hat in 2 Jahren bei mir die Unterrichtsinhalte von Klasse 1 bis 4 erarbeitet und ist dann in eine dritte Klasse der Grundschule übergewechselt. Es hatte ein Rückstellungsjahr hinter sich, sonst hätte man es die zweite Klasse in der Grundschule wiederholen lassen können, das hätte ich noch günstiger gefunden.


    Ich empfehle kein Rückstellungsjahr. Und ich empfehle, die Förderschulklasse vorurteilsfrei anzuschauen.


    Bablin

    Wer hohe Türme bauen will,
    muss lange beim Fundament verweilen.
    Anton Bruckner

  • Hi Bablin,


    nein, die Fö-Kl kam echt nicht in Frage. Wir haben hier im nächsten Jahr ein altersgemischte Gruppe und müssen aufgrund sinkender Schülerzahlen im nächsten Jahr eine 1 bis 4 bilden 8o


    Die Schüler von dieser Gruppe sind mit zum größten Teil bekannt. Dieser Junge würde darin untergehen, er neigt stark zur absoluten Regression, zeigt keinerlei aggressives Verhalten - es könnte sein Untergang sein..., außerdem ist er noch nicht stabil genug für eine Schule als solche. Alleine die Pausen allein zu verbringen, könnte ihn völlig überfordern.


    LG


    Tante Lotta

  • Ich bin an einer Schule für Körperbehinderte und wir haben einige Schüler mit ähnlichen Problemen. Psychische Beschwerden (z.B. Untergang an LB Schule) können als Ursache angegegeben werden. Bei uns werden Kinder in allen Leistungstufen gefördert (Grundschule, LB, GB, Hauptschule)

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