Ungesund involviert?

  • hallo,


    Denkt ihr über die Zukunft eurer SuS nach?

    Eins vorweg, als fachpraktischer Lehrer an einer Berufsschule bin ich in einer anderen Welt als im reinen Schulalltag (auch eine andere Ausbildung).


    Meine SuS sind Azubis, und viele scheinen schon so enttäuscht vom ihrer Erfahrung in der Schule. Die meisten waren immer eher schwache Schüler, und sind nicht aus Liebe zum Handwerk sondern mangels Optionen hier bei mir.

    Hier, in der Berufsschule, erleben viele zum ersten Mal schulischen Erfolg und manche blühen noch auf.


    Ich mach mir viele Gedanken über deren Wege und Zukunft. Irgendwie habe ich das Gefühl, ich ecke damit an. Auch in meiner Schach AG geht mir die Geschichte der Kinder vielleicht zu nahe.


    Wie behält ihr die nötige Distanz? Bekommt ihr nicht so viel mit über die SuS oder könnt ihr das klar trennen?

    Danke

  • Ich mach mir viele Gedanken über deren Wege und Zukunft. Irgendwie habe ich das Gefühl, ich ecke damit an.

    Nur durch das Gedanken machen? Bei wem?

    Wie behält ihr die nötige Distanz? Bekommt ihr nicht so viel mit über die SuS oder könnt ihr das klar trennen?

    Mir ist nicht klar was für eine Art von Distanz Du meinst. In Deinem Verhalten gegenüber den Schülern? Der Notengebung? Zu Deinen eigenen Gefühlen, damit Du Dir nicht so viele unnötige belastende Gedanken machst?

  • Wie behält ihr die nötige Distanz? Bekommt ihr nicht so viel mit über die SuS oder könnt ihr das klar trennen?

    Danke

    Ich nehme an, es geht dir um eine gewisse emotionale Distanz im Sinne eines Rollenbewusstseins. Das auszubilden benötigt etwas Zeit, da es Teil der Professionalisierung ist, aber auch Rollenklarheit, also welche Rolle mit welchem Aufgaben bzw. Grenzen hast du, welche aber auch nicht.


    Du kannst deine SuS nicht retten, du kannst ihnen nicht die Zukunft backen, die sie sich erträumen würden oder du ihnen vielleicht auch wünschst. Was du aber machen kannst, ist durch deinen Unterricht dazu beizutragen, dass sie erfolgreich sein können in der Berufsschule, wie auch in ihrem zu erlernendem Beruf und diese Erfolgserlebnisse für sich mitnehmen können ins weitere Leben. Was sie dann für sich künftig daraus machen ist wiederum nichts, was du in der Hand hättest. Rollenklarheit hilft dabei, den Teil, den du beeinflussen kannst erfolgreicher gestalten zu können und damit unter Umständen sogar mehr bewirken zu können mit, bei und für deine SuS als das sonst der Fall wäre.


    Rollenklarheit bedeutet nicht, dass du emotional komplett distanziert sein müsstest oder solltest und schließt Interesse an deinen SuS eindeutig nicht aus, ebensowenig wie Anteilnahme, wo diese angebracht ist.


    Ich mache mir natürlich Gedanken um die Zukunft meiner SuS, das ist schließlich ein inhärenter Teil des Jobs, ich grüble aber nicht (mehr) darüber nach, denn das wäre ungesund und ein Zeichen dafür, dass ich nicht die erforderliche professionelle Distanz hätte, die ich mir durchaus hart erarbeiten musste, weil ich mir generell viele Gedanken um meine Mitmenschen mache.


    Ich bekomme selbstredend einiges mit bei meinen SuS, von den Päckchen und Paketen, die diese tragen müssen, was durchaus belastend sein kann. Ich habe aber inzwischen für mich Ressourcen und Wege gefunden, die mir helfen, einerseits in meiner professionellen Haltung und Rolle zu bleiben und andererseits mir selbst ggf. zu helfen, damit ich das Gehörte gut verarbeiten kann.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • CDL ja genau das meine ich! Ich bin ganz froh über deine Antwort, du erkennst / verstehst was ich meine! Gerade in der Berufsschule kann es schon rauer zugehen, und da habe ich öfters das Gefühl, niemand will unsere Verantwortung über den Lehrauftrag hinaus überhaupt anerkennen. Schule hat so viel Einfluss auf das weitere Leben der SuS, und nicht wenige meiner Kanditaten hier haben schon früh mit Schule abgeschlossen, weil sie sich dumm und unverstanden fühlen. Oft erkenne ich besondere Talente und die Jugendlichen sind ganz überrascht, niemand hat das bis jetzt gesehen, kommentiert oder Förderung vorgeschlagen. Da denk ich dann nach was hätte sein können, und was ich jetzt noch tun kann. Auf viel positive Resonanz stoße ich dabei nicht im Kollegium 😄.


    Aber es stimmt, ich muss mich auch mehr abgrenzen. Nicht abstumpfen, aber auch nicht so viel Verantwortung mir selber aufhalsen und dann mich selbst (und die SuS) erst enttäuschen...

  • Nein, es geht niemals darum abzustumpfen, aber dich abzugrenzen ist gesünder für dich und erlaubt dir ein professionelleres Handeln, weil du zwar emphatisch bleibst deinen SuS gegenüber, aber nicht am Ende mitleidest. Letzteres steht einem erfolgreichen, professionellen Handeln nämlich schlicht im Weg, so dass du im Zweifelsfall deine SuS auch weniger gut unterstützen kannst.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

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