Alles anzeigenUnd wer hat das nun wieder behauptet?
Also wenn eine Person hustet (Symptom), dann muss man ihr auf gut Glück Hustensaft verabreichen und keine vernünftige Diagnostik betreiben?
Für die Behandlung ist nichts anderes entscheidend als die Ursache. Wie willst du ein Symptom "Konzentrationsproblem" oder "Überaktivität" behandeln, wenn du nicht weißt, wo es herkommt? Ein traumatisiertes Kind kann sich auch nicht konzentrieren und ist möglicherweise unruhig, würdest du auf die Idee kommen, ihm als erstes Ritalin zu verschreiben, damit es im Unterricht mitmachen kann? Oder wäre für dich nicht als allererstes im Vordergrund, diesem Kind Sicherheit und Stabilität zu vermitteln und eine Traumatherapie zukommen zu lassen, bevor es darum gehen kann, Mathe zu üben? Ich gehe ziemlich sicher davon aus, dass man auch in Gehirnen traumatisierter Menschen neurologische Dysbalancen findet. Die Ursache ist im Gehirnscan aber nicht erkennbar.
Die Diagnostik ist also absolut entscheidend für die Behandlung.
ADHS ist eine Liste von Symptomen, deren Ursache nicht sicher bestimmbar ist und daher momentan als multifaktoriell gesehen wird. Die Behandlung muss daher aktuell auch multimodal erfolgen. Die Annahme einer einzigen Ursache (psychosozial oder neurologisch) führt zur unzureichenden Behandlung (Therapie -bzw. Schuldzuweisung an Eltern, wie es früher war- oder Medikation).
Sorry, aber jede psychische Erkrankung ist erstmal nur eine Ansammlung von Symptomen (darauf baut doxh das ICD 11 bzw. DSM V auf) und mir fällt keine ein, die nicht multifaktorial ist- die Ausprägung kann variieren. Schließlich lebt niemand in einem Vakuum.
Es geht doch nicht darum, dass man keine Anamnese mehr erhebt. Es geht darum, dass man nicht in eine Schublade steckt, sondern an dem arbeitet, was da ist. In einer Psychotherapie geht es immer um den Umgang mit Symptomen und nicht mit der Diagnose selbst, nach den oben genannten Katalogen. Es kann sich nämlich die gleiche Diagnose sehr unterschiedlich darstellen. Die Behandlung wird, je nach Schule (tiefenpsychologisch, verhaltenstherapeutisch, personenzentriert, lösungsorientiert, systemisch, ...) an die Symptome und den*die Patient*in angepasst. Man priosrisiert die Symptome und arbeitet diese nacheinander ab. Manche erledigen sich auch von alleine, sobald andere bearbeitet wurden. Es können sich auch neue Baustellen auftun. Mittlerweile gibt es auch Psychologen, die dafür plädieren Diagnosen abzuschaffen. Das ist nicht meine Erfindung.
Sprich: Ob der Husten jetzt daher kommt, weil ich mich bei meiner Nachbarin angesteckt habe oder weil ich keine Mütze aufgesetzt habe, ist wurscht. Symptom ist Husten. Und solange nichts auf etwas anderes hindeutet, bekommt man einen Hustensaft. Es wird vielleicht noch zwischen trockenem und schleimig Husten unterschieden. Hat man aber beim Husten Schnerzen in der Brust und Atemnot, bekommt man eine entsprechend andere Behandlung.