Gehörlose und Musikunterricht

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,


    hat von euch jemand schon Erfahrung mit hörgeschädigten und gehörlosen Schülern im Musikunterricht? Ich habe eine 6. Klasse mit 4 Hörgeschädigten und 2 (nahezu) Gehörlosen (einer davon kann auch nicht sprechen) in Musik. Alles, was man lesen und schreiben kann, machen die beiden mit, bei Rhythmusübungen versuche ich sie auch mitmachen zu lassen. Aber beim Musikhören? Also auch wenn ich zur Musik Rhythmen mitschlagen lasse, komm ich mir so dämlich vor, denn 2 hören von der Musik nichts. Ich habe jetzt schon auf dem Keyboard mitgespielt und die beiden eine Hand auf den Lautsprecher legen lassen, das vibriert deutlich.
    Kennt ihr noch Tricks, wie man die Kinder stärker einbeziehen kann? (Tanzen wär auch ok, sobald ich aber singe mit den andern, kann einer wieder absolut nicht mitsingen. )


    Grüße,
    Conni

  • Hallo!
    Das ist ja eine schwere Situation.
    Hab leider auch nur eine kleine Idee gehabt:


    Vielleicht könntest du für die Klasse einen Computer organisieren. Der Windows Media Player und auch Winamp kann Musik sehr schön visualisieren. Das könnte den Kindern vielleicht auch weiterhelfen.


    Viele Grüße, Musikmaus

  • Hallo Conni,


    mit Hörgeschädigten kenne ich mich aus. :) Allerdings weniger mit Musik für sie.


    Das mit den Händen auf Keyboard ist eine gute Idee. Wenn es möglich ist, dass es ein bisschen lauter wird, kann man große Lautsprecher auf den Boden stellen und die Schüler sich auf den Boden legen oder setzen lassen. Oder sie werden auf den Tisch gestellt (musst du mit den Schülern ausprobieren, wie gut die Musik weitergeleitet wird.) Auch über Luftballons kann man Vibrationen in den Händen spüren.


    Falls es auch mal eine Filmvorführung sein darf:


    Es lief (läuft noch?) ein Kinofilm über eine völlig taube Musikerin (Evelyn Glennie): "Touch the sound". Vielleicht gibt es auch eine DVD mit Untertiteln. Ich kenne den Film noch nicht.


    Ein sehr bekannter gehörloser Pantomime ist JOMI: http://www.pantomime-jomi.de/ Von ihm gibt es sicher auch Videoaufnahmen (ich weiß aber nicht, ob sie mit Musik unterlegt sind).


    Oder ein sehr schöner Film (1 Stunde) über eine gehörlose Balletttänzerin (Sarah Neef): "Rhythmus der Stille". Gibt es auch als DVD mit Untertiteln.


    Ein weiterer Film mit dem Thema Musik ist "Jenseits der Stille", aber den kennen deine Schüler vielleicht auch schon. Du vielleicht auch.


    In Musikläden gibt es Musicals auf DVD, du musst schauen, welche deutsche Untertitel haben. Besonders schön (optisch und akustisch) finde ich das Musical "Cats". Vielleicht kann man bei einer Filmvorführung Lautsprecher auf Schülertische stellen.


    Rhythmikinstrumente sind immer gut, z.B. Trommel, Schlagstöcke (oder wie nennt man die Dinger?). Für Gehörlose ist es meist kein "dämliches Gefühl", Musik zu produzieren, für sie ist es ja normal, Musik nur zu spüren und Vibrationen werden viel intensiver wahrgenommen, wenn der Hörsinn ausgeschaltet ist. Ideal und beliebt sind rhythmische "Sprechgesänge", die zusätzlich mit Klatschen, Trommeln, Gebärden begleitet werden.


    Statt Singen kannst du mit den Schülern "Gebärdenliedern" machen, dass ein ein Lied mit Gebärden begleitet wird. Im Diskussionsforum Taubenschlag gibt es vielleicht Hinweise, wo du solche Lieder finden kannst. Oder du entwickelst zusammen mit den Schülern ein Lied. Pantomimik (wie bei JOMI) wäre auch noch eine Möglichkeit, Musik zu visualisieren.


    Sind die Schüler alle völlig taub oder können ein paar auch mit Hörgeräten hören?


    Vielleicht fragst du die Schüler, ob sie in ihrer Freizeit Musik hören oder eine Musikgruppe bevorzugen oder ob sie selbst ein Musikinstrument spielen. (Das wäre auch vielleicht ein Thema, falls passend zum Lehrplan: Das, was hörende Jugendliche im gleichen Alter gern hören, zum Unterrichtsthema machen.)


    Guck dir auch mal diese Links an:


    http://www.dafeg.de/kirchentag2003/workshops.htm (da geht es um ein Gebärdenlied)


    http://www.wissen24.de/vorschau/21942.html (eine Hausarbeit über Musik für Gehörlose, allerdings kostet die 6,99 ¤, guck dir das Inhaltsverzeichnis an, ehe du sie dir runterlädst).


    Vielleicht findest du auch was bei


    http://www.deafshop.de/ (Online-Shop zur Gehörlosenthematik, u.a. mit DVDs, Büchern, Videos...). Es gibt auch ein Kinderliederbuch mit Gebärden: "Mit den Händen singen".


    Femina

  • Zitat

    Es lief (läuft noch?) ein Kinofilm über eine völlig taube Musikerin (Evelyn Glennie): "Touch the sound". Vielleicht gibt es auch eine DVD mit Untertiteln. Ich kenne den Film noch nicht.


    Ich komme grade us diesem Film - wunderbar! Näheres unter www.touch.the-sound.de , ich zitiere aus der Einführung:


    "Den Klang berühren – so beschreibt Evelyn Glennie, als Solo-Perkussionistin ein Weltstar der klassischen Musik, das Hören. Nachdem sie in ihrer Kindheit ihr Gehör weitgehend verlor, hat sie gelernt, anders zu hören, den Körper als Resonanzraum zu nutzen, den Klang zu spüren."


    Sicher findest du dort viele Anregungen. Es würde sich eventuell auch lohnen, diesen Film mit den Kindern zu sehen/zu hören.


    Im Kino hing ein nicht käufliches Heft zum Film aus - falls ich das bekomme, melde ich mich noch mal.


    Bablin

    Wer hohe Türme bauen will,
    muss lange beim Fundament verweilen.
    Anton Bruckner

  • Das Problem ist nur, dass viele Gehörlose mit der Sprache (und damit mit dem Lesen von laufenden Untertiteln) Probleme haben. D.h. einen Film oder einzelne Szenen daraus müsste man mit mit den Schülern vorher und nachher gründlich besprechen, bis es auch der letzte versteht. Der Film von Evelyn Glennie scheint (zu?) anspruchsvoll zu sein.


    Ein weiterer Film, in dem es auch - am Rande - um Musik und Gehörlose geht, ist "Gottes vergessene Kinder", aber ob er für eine 6. Klasse geeignet ist? Ich weiß allerdings nicht, inwiefern man die Musik-Szenen im Unterricht einsetzen könnte. Ich würde das gerne mal machen, gehörlosen Kindern Musik zu vermitteln. *seufz*


    In Essen (glaube ich), gab es ein Projekt, da würde das Musical "Elisabeth" hörgeschädigtengerecht aufgeführt, und zwar gab es Gebärdensprachdolmetscher, Untertitel, Höranlagen und Luftballons für alle schwerhörigen und gehörlosen Zuschauer (im Internet gab es auch Berichte darüber). Das Musical soll ein Bombenerfolg gewesen sein.

  • Hallo Conni,


    habt ihr noch einen guten alten Plattenspieler? Wenn ja, probier mal aus, mit einem Fingernagel (es klappt besser, wenn er nicht ganz kurz ist) auf der Rille mit Gefühl aufzusetzen. Ist sowohl für Hörende als auch für Níchthörer ein tolles Erlebnis!


    Viel Glück und liebe Gruße


    nadja

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Musikmaus und Femina,


    danke für eure Tipps!


    Computer hab ich erstmal nicht und da ich noch nicht lange an der Schule bin, ist das nichts für nächste Woche oder so, ich bin momentan noch auf der Suche nach basaleren Dingen. Bin ja schon froh, dass ich 3 Xylophone entkeimt und reaktiviert habe.


    Von meinen 6 Schülern sind 4 schwerhörig, d.h. sie hören (teilweise mit Hörgerät), 2 von ihnen sogar ziemlich gut hab ich den Eindruck. Bei den anderen beiden Schwerhörigen weiß ich nicht, wie weit sie mich hören, weil sie so still sind, dass sie fast nichts gesagt haben bisher. Ein Kind hat ein Implantat, d.h. sie kann mich "hören" wenn ich ein Gerät um den Hals trage mit Mikrofon dran. Mir wurde aber erzählt, dass diese Implantate oft so spät eingesetzt werden, dass die Kinder das Hören noch lernen müssen. Sie scheint sehr wenig zu hören (bzw. verarbeiten zu können), denn sie liest also gleichzeitig von den Lippen ab und kann auch nicht schreiben und zuhören. Das 6. Kind ist taubstumm.


    Lautsprecher auf den Tisch zu stellen und laut zu drehen, habe ich probiert, man spürt am Tisch nichts. (Relativ schwache Lautsprecher).
    Einen Videorekorder gibts zum Glück, vielleicht kaufe ich mir noch einen tragbaren DVD-Player, da bin ich aber nicht sicher, ob der an den (älteren) Fernseher richtig ranpasst.
    Das Video zu Cats habe ich auf VHS, leider ist das ohne Untertitel.
    Die Idee mit den Luftballons ist gut.
    Sonst hatte ich noch die Idee, eben viel mit Rhythmusinstrumenten und Body-Percussion zu machen. Eventuell lässt sich ja auch was in Richtung Stomp machen oder man kann aus Alltagsgegenständen Instrumente bauen.


    So Sprechstücke hatte ich auch überlegt, aber dann hat ja mein stummer Schüler wieder das gleiche Problem.
    Eine Seite mit Gebärdenliedern hatte mir schonmal eine Freundin genannt, aber das waren so Lieder fürs Vorschulalter und frühe Schulalter. (Und so sehen die in dem "Mit den Händen singen" auch aus, mehr so Kinderlieder.) Zudem kann ich keine Gebärdensprache. Ich habe letzte Woche von meinen Schülern 7 Wörter gelernt und bin immer völlig aufgeschmissen, weil ich die Schüler übersetzen lassen muss und die meisten können das aber auch nicht oder nur ein wenig. (Bis auf den Gehörlosen, aber der versteht ja auch nicht, was ich sage.)
    Das Kirchentagvideo ist bei mir nicht ladbar leider.

    Grüße,
    Conni

  • Hallo!
    Gerade kam mir noch was in den Sinn. War im letzten "Klasse Musik" (glaub ich) drin. In der Maus kam es vor einiger Zeit auch mal. Einen Lautsprecher umlegen (dass der Klang nach oben raus kommt) und da einen plastikteller mit Wasser drauf. Wenn dann Musik läuft, gibt es auf dem Wasser Muster. Vielleicht können die Kinder da was mit anfangen. Es sieht echt irre aus, in der Zeischrift waren eingie Bilder und in der Maus war es auch super zu sehen. Selbst ausprobiert habe ich es noch nicht, kann dir also keine eigenen Erfahrungen berichten.


    Gruß, Musikmaus

  • Hallo, Conni,


    Die Percussionistin in dem Film spielt barfuß, um die Schwingungen über den Boden aufzunehmen (z. b. in einer alten Fabrikhalle, in der vermutlich der ganze Betonkörper schwingt). Du könntest es mit großen alten Paletten unter dem Instrument versuchen.


    An deiner Stelle würde ich mir Rat in dem folgenden Forum holen:


    http://www.schwerhoerigenforum.de/


    Herzlich, Bablin


    (PS, off topic: In mir schwingt der genannte Film noch immer nach, und auch mit Englischschülern würde ich hingehen, da die schwerhörige Hauptdarstellung ein außerordentlich gut akzentuiertes Englisch spricht, das im Zusammenhang mit den deutschen Untertiteln lückenlos zu verstehen ist.)

    Wer hohe Türme bauen will,
    muss lange beim Fundament verweilen.
    Anton Bruckner

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  • Entschuldigung, ich meine Paletten- das sind zusammengenagelte Bretterböden. Meine Kinder haben sich sowas organisiert, um ihre Matratzen draufzulegen.


    Bablin

    Wer hohe Türme bauen will,
    muss lange beim Fundament verweilen.
    Anton Bruckner

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  • ... Kommt drauf an, ob er frei schwingend auf Latten aufgenagelt oder fest verklebt ist, ich vermute Letzteres, das würde nicht schwingen.


    Bablin

    Wer hohe Türme bauen will,
    muss lange beim Fundament verweilen.
    Anton Bruckner

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  • Hast du im Schwerhörigenforum unter "Erfahrungsaustausch: Bücher-, CD-, Spiele-Empfehlungen" die Buchempfehlung für Kinderlieder mit Gebärdenfotos entdeckt? Auch wenn das sehr kindliche Lieder sein sollten, könntest du dir das doch mal anschauen und daraus vielleicht Anregungen entnehmen?


    Bablin

    Wer hohe Türme bauen will,
    muss lange beim Fundament verweilen.
    Anton Bruckner

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  • Guten Abend!
    Ein Film für Dich zur Einstimmung wäre vielleicht "Mr. Holland´s Opus" mit Richard Dreyfuss - ein Rührstück über einen Musiklehrer und seinen gehörlosen Sohn (Achtung, Hollywood empfiehlt Taschentücher! ;.) ).
    Ansonsten schwingen die Resonanzkästen der großen einzelnen Klangstäbe sehr gut, ab tiefem Tenor über die Bässe hin abwärts. Damit wären zumindest rhythmische Experimente möglich.
    Eine meiner Kolleginnen unterrichtet eine Gruppe gehörloser Erwachsene auf Djembes und Congas, vielleicht kannst Du so ein Instrument auftreiben. Oder sogar eine dieser südamerikanischen Rhythmuskisten (cajones)? Selbst größere Holzschubladenkasten, bzw. kleine Holzschränkchen mit herausgenommenen Schubläden sind ein fühlbarer Resonanzraum.


    Musikalische Grüsse von der Musikatze

    Musik ist die Stenographie des Gefühls.
    Tolstoi

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    • Offizieller Beitrag

    Hallo Musikatze,


    danke für die Tipps. Den Film kenn ich. Wirklich sehr rührselig.


    Zitat

    Ansonsten schwingen die Resonanzkästen der großen einzelnen Klangstäbe sehr gut, ab tiefem Tenor Bass hin abwärts.


    Welcher Ton sind denn bei Klangstäben "tiefer Tenor"? Also bei der menschlichen Stimme wär das das kleine C würde ich sagen.
    Und hmm, nur die von den einzelnen Stäben? Die haben wir nicht, wir haben nur ganze Xylofone. (Und ich weiß auch nicht, welche Lage, die großen beginnen entweder bei c oder bei c' aufwärts.)


    Zitat


    Eine meiner Kolleginnen unterrichtet eine Gruppe gehörloser Erwachsene auf Djembes und Congas....


    Hmm, weißt du, ich würde zu gern richtig trommeln, aber ich hab weder genug Geld noch ein Materiallager, um das zu kaufen. Ich hab mal selber versucht, Trommeln zu basteln aus solchen Teppichpapprollen, aber die schwingen nicht so toll.


    Grüße,
    Conni

  • Schade, schade... die einzelnen Klangstäbe find´ ich in der ersten und zweiten Klasse noch viel brauchbarer... Bass-, Kontrabss- und Subbassstäbe werden auch als Therapieinstrumente eingesetzt)
    Keine Djembe, keine Conga...? Ohje, Du arme Frau!


    Diese südamerikanischen cajons sind tatsächlich Holzkisten! Vielleicht kannst Du ja irgendwo wenigstens ein Schränkchen auftreiben? Ich habe es vorhin mit einem Nachtschränkchen getestet, einer klopft links den Rhythmus, der andere kann ihn rechts an der Holzwand spüren.


    Diese Dinger kann man mit einigem handwerklichen Geschick sogar selber bauen. Wenn ich den entsprechenden link wieder finde, setz´ ich ihn hier hinein! (bei ebay wird zur Zeit ein allerdings ziemlich teurer Bausatz angeboten)


    Ansonsten gibt es in folgendem Forum noch einige Hinweise: www.taubenschlag.de


    Musikalische Grüsse für den Abend! Musikatze

    Musik ist die Stenographie des Gefühls.
    Tolstoi

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  • Boom-Whackers schwingen auch recht ordentlich. Das Vibrieren ist in den Händen zu spüren.


    Oder bau ein Fahradspeichen-Klavier:
    Vorder oder Hinterrad vonm Recyclinghof holen, Speichen mit dem Seitenschneider abknipsen.
    Dann baust du eine Holzkiste als Resonanzkörper, darauf verleimt eine Dachlatte, auf der die Speichen unterschiedlich lang mit Krampen festgenagelt werden.
    Du musst die Speichen nicht abknipsen. Das was auf der einen Seite länger raussteht, steht auf der Gegenseite kürzer raus und gibt entsperechend höhere / tiefere Töne.


    Mit folgender Tabelle kannst du eine Tonleiter herstellen (die stimmt dann zwar nicht auf den Ton, aber die Tonschritte passen):
    http://www.ggg.ra.bw.schule.de/faecher/pan/panflte.htm

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

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