Hausbesuche bei Eltern?

  • Hallo zusammen,


    ich habe dieses Jahr einen Schüler mit sonderpäd. Förderbedarf übernommen, der die letzten 2 Jahre von einem Sozialpädagogen betreut worden ist. Aufgrund der unterschiedlichen Ausbildung, die wir hinter uns gebracht haben, ist unsere Herangehensweise leicht unterschiedlich.
    U.a. auch was Hausbesuche bei Eltern angeht. Mein Vorgänger hat Elterngespräche wohl hauptsächlich bei der Familie daheim geführt und die Eltern haben jetzt eine gewisse Erwartungshaltung, dass ich das so fortsetze.


    Ich selbst fühle mich allerdings etwas unwohl, das Gespräch bei dem Schüler zuhause zu führen und ich kann bislang auch einfach keinen Vorteil darin sehen. Allerdings habe ich schon öfter mitgekriegt, dass es wohl an anderen Schulen durchaus gelegentlich gemacht wird.


    Wie macht ihr das denn? Gibt es Gründe, die dafür sprechen, das ein oder andere Gespräch im elterlichen Wohnzimmer zu führen? ?(


    Gruß,
    Mia

    Man soll denken lehren, nicht Gedachtes.
    (Cornelius Gustav Gurlitt)

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  • Hallo Mia,


    gute Frage, das.
    Ich hatte zwei Kollegen, die auch regelmäßig (soll heißen nicht mehr als ein oder zweimal im Jahr) Hausbesuche zwecks Elterngespräche gemacht haben. Dabei war für sie vor allem wichtig, dass sie den sozialen Hintergrund der Schüler kennenlernen und so die Eltern, die man sonst in drei Jahren nicht sieht, auch mal sprechen können.


    Ich habe, als ich vor drei Jahren in die Oberstufe gekommen bin, auch lange mit mir gekämpft, habe mich aber schließlich und endlich gegen Hausbesuche entschieden. IMHO erkenne ich bei den meisten Schülern innerhalb der ersten Monate, was zuhause "abgeht" (z.B. Vernachlässigung, materielle Ausstattung, etc.). Dazu muss ich zumeist weder Hellseher noch unbedingt dabeigewesen sein. Daneben habe ich nach 2 1/2 Jahre in meiner Klasse nur einen Schüler, dessen Eltern ich noch nicht persönlich kennengelernt habe. Mit dessen Vater traf ich jedoch während eines Praktikumsbesuchs zusammen. Ergebnis: Vater sieht mich durch die Werkstatttür eintreten, wird vom Sohn darauf hingewiesen, dass ich der Lehrer bin und verschwindet an mir vorbei ohne weiteren Kontakt. Neee, da muss ich nicht wirklich zuhause vorbei.


    Tja, und weitere Vorteile haben sich mir noch nicht wirklich aufgedrängt...


    Gruß,
    Holger

  • Wenn die Eltern meiner Förderschule in die Schule kommen (sollen), ist das bei vielen, vor allem bei den Eltern ausländischer Kinder, mit Angst und mehr noch mit Scham verknüpft.


    Wenn ich dagegen bei ihnen zu Hause vorbei schaue, fühlen sie sich geehrt. Ich kann die Geschwisterkinder , die schönen Gardinen oder die Kochkünste bewundern, d. h. die Mutter in ihrem Wirkungsfeld, wo sie "Heimvorteil" hat, anerkennen. Das schafft von vornherein eine günstigere Gesprächsebene.


    Zudem sitze ich, wenn ich in der Schule auf die Wahrnehmung eines Gesprächstermins warte, allzu häufig vergeblich da, weil die Eltern einfach weg bleiben.


    Bablin (FöLE)

    Wer hohe Türme bauen will,
    muss lange beim Fundament verweilen.
    Anton Bruckner

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  • Kann Bablin nur beipflichten.
    An unserer Grundschule mit hohem Ausländeranteil finden keine Elternsprechtage mehr statt. Die Klassenlehrer besuchen innerhalb zweier Wochen im November alle Eltern zu Hause.

  • Hallo Bablin,


    Zitat

    Wenn ich dagegen bei ihnen zu Hause vorbei schaue, fühlen sie sich geehrt. Ich kann die Geschwisterkinder , die schönen Gardinen oder die Kochkünste bewundern, d. h


    leider haben gerade hier meine Kollegen gegenteilige Erfahrungen machen müssen: Ausländische Eltern, die in der halbgeschlossenen Haustüre nur Zwei-Minuten-Gspräche zulassen und sich hinterher über diese Art von "Überfall" (war angekündigt) beschweren. Und dann war da noch der Junge, der sich in Grund und Boden geschämt hat, als er dem Lehrer seine marode, unisolierte Dachkammer gezeigt hat.


    Wie gesagt: Ich halte Hausbesuche für eine zweischneidige Sache mit stark ausgeprägten Für- und Wider-Gegensätzen. Ich persönlich, habe mich - wie geschrieben - dagegen entschieden.


    Gruß,
    Holger

  • Hm, ich kann mir vorstellen, dass Eltern damit auch einfach unterschiedlich umgehen und wenn sie bereits von anderen Familien wissen, dass überall Hausbesuche stattfinden, sind sie da vielleicht auch offener als Eltern, die das sonst überhaupt nicht kennen. Das kann ja auch schon wieder Unbehangen auslösen, wenn man denkt, dass sich das eigene Kind so daneben benimmt, dass der Lehrer schon bei ihnen zuhause aufkreuzen muss.


    Ich habe aber bei dieser einen Familie gar nicht so die Befürchtung, dass sie mich nicht richtig reinlassen würden (bzw. das weiß ich ja von meinem Vorgänger, dass dem nicht so ist), sondern eher, dass ich mir selbst etwas fehl platziert vorkommen würde. Es hat ja schon sowas von Inspektion: Wie lebt die Familie? Wie ist die Einrichtung? Ist alles schön aufgeräumt?
    Irgendwie komme ich mir schon bei dem Gedanken wie ein Eindringling in die Privatsphäre einer Familie vor, die mich als Lehrer wirklich nur bedingt etwas angeht. Und wie Hodihu sagt: Wie und ob sich um das Kind gekümmert wird und wie ansonsten die familiären Verhältnisse sind, erfahre ich eigentlich auch so.


    Und dann gibt's da ja noch die Sache mit der Bewirtung: Ich kenne das aus meinem Herkunftsland, dass Gäste (insbesondere von denen man etwas möchte), übermäßig zuvorkommend behandelt werden. Man kriegt die allerbesten Getränke, es wird mordsmäßig aufgetischt, etc. Damit möchte man sich selbst zum Einen in ein gutes Licht rücken und natürlich ist dann auch der Hintergedanke der "Bestechung" dabei.
    Ist euch sowas schon mal passiert oder mache ich mir da unnützerweise Sorgen?

    Man soll denken lehren, nicht Gedachtes.
    (Cornelius Gustav Gurlitt)

  • Zitat

    Ausländische Eltern, die in der halbgeschlossenen Haustüre nur Zwei-Minuten-Gspräche zulassen und sich hinterher über diese Art von "Überfall" (war angekündigt) beschweren.


    Ob du das bei ausländischen Eltern oder bei deutschen erlebst, ist wohl Zufall, ich kenne da keine Statistik (hatte auch schon deutsche Eltern, bei denen das Gespräch bei eisiger Kälte eine knappe Stunde in der Haustür dauerte und beim nächsten Mal in der Schule eine Beschwerde darüber kam, dass ich diesmal von einem Hausbesuch abgesehen hatte ... Ok, ich weiß, man kann es als meinen Fehler ansehen, dass ich das habe mit mir machen lassen - warum, wäre ein anderes Thema.)


    Was ich aber sagen will: Es geht doch immer darum, Ängste, Scham, Vorurteile abzubauen. Im Einzelfall kann das mal mit, mal ohne Hausbesuch besser laufen. Da Mia berichtete, dass "ihre" Eltern eine Erwartungshaltung pro Hausbesuch haben, sie aber skeptisch sei, habe ich nur in dieser einen Richtung geantwortet.


    Bablin

    Wer hohe Türme bauen will,
    muss lange beim Fundament verweilen.
    Anton Bruckner

  • Zitat

    Ob du das bei ausländischen Eltern oder bei deutschen erlebst, ist wohl Zufall,


    Stimmt natürlich - bezog sich auch vor allem auf das "vor allem bei den Eltern ausländischer Kinder, usw." Sollte nur darlegen, dass es eben nicht immer klappen muss.


    Was deinen Einwand mit der bestehenden "Erwartungshaltung" angeht, muss ich dir recht geben. Bei Eltern, die das nicht nur zulassen, sondern geradezu erwarten, sähe meine Einstellung sicher auch anders aus.


    Gruß,
    Holger

  • hodihu
    Der Junge hat mit Sicherheit sein Zimmer nicht freiwillig gezeigt. Und dazu sollte man ihn auch nicht auffordern.


    @ Mia
    Die Art der Bewirtung pendelt sich im Laufe der Zeit ein. Das beschränkt sich meist auf Saft und Plätzchen. Gerade wenn man mehrere Hausbesuche am Tag plant, hat man eine gute Ausrede. Werden Probleme mit den Eltern erwartet, gehen wir zu zweit.

  • Bewirtung


    Eine Kleinigkeit sollte man annehmen, gemeinsam einen Schluck trinken befördert die gute Atmosphäre. Mehr pflege ich abzulehnen, indem ich erzähle, dass meine familie auf mich wartet und mit dem Tee, dem Essen usw. auf mich wartet, , diese Mahlzeit mit mir einnehmen möchte.


    Es gefällt den Eltern zu hören, dass ich auch Mann und vor allem Kinder habe.


    Bablin

    Wer hohe Türme bauen will,
    muss lange beim Fundament verweilen.
    Anton Bruckner

    Einmal editiert, zuletzt von Bablin ()

  • daru

    Zitat

    Der Junge hat mit Sicherheit sein Zimmer nicht freiwillig gezeigt.


    Bin leicht verwirrt - da weißt du mehr als ich. Aber wahrscheinlich hat ihn mein Kollege gezwungen. :rolleyes:
    Nee, im Ernst: versteh' den Einwand nicht ganz - außer es sollte wirklich andeuten, dass wir beim Hausbesuch "unfreiwillige" Zimmerkontrollen machen?!?


    Holger

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