Macht es heutzutage noch Sinn Religionslehrer zu werden?

  • Macht es heutzutage noch Sinn Theologie zu studieren um Religionslehrer an einer Schule zu werden oder meint ihr mit dem Fach hat man eher schlechte Chancen auf eine gute Stelle?

    Kommt das nicht auf das Bundesland, (die Konfession) und auf die Schulart an?

    Wenn man auf Lehramt studiert, studiert man nicht nur Theologie, sondern noch ein anderes bzw. andere Unterrichtsfächer.

    Es sei denn, man ist Religionspädagoge (z.B. in Bayern), da hat man neben dem Unterricht auch in der Pfarrgemeinde Aufgaben.

    Die Zahl der Religionslehrer nimmt ab, wir hatten in den letzten Jahren an meiner Schule eher einen Mangel. Allerdings nehmen auch die Kirchenaustritte zu. In Bayern wird im Augenblick noch vehement am Religionsunterricht festgehalten, wie wir an der aktuellen Stundenplanmodifizierung der Grundschule sehen.

    Wie sich alles in einigen Jahren entwickeln wird, kann keiner voraussehen.

  • Theologie zu studieren um dann Lehrer zu werden macht definitiv keinen Sinn. Pastoren und Co werden weitaus häufiger gesucht als Reli-Lehrer und auch deren Besoldung ist nicht übel.

    Wenn du allerdings Religion auf Lehramt studieren möchtest dann mache dir bitte bewusst, dass du deinen Glauben im Studium verlieren wirst. Hinterher kannst du alles religiöse wissenschaftlich bis in kleinste Detail zerlegen. Von der Hermeneutik bis zur Systematik. Gebrauchen konnte ich aus dem Studium tatsächlich ausschließlich die pädagogischen Inhalte. Mein BA in Rel.Päd und Diakonie war da deutlich nützlicher, da wir hier im personenzentrierten Ansatz nach Rogers zu Seelsorgern ausgebildet wurden. DAS rettet einem oftmals den Allerwertesten, da wir Reli Lehrer sehr häufig nach dem Unterricht von SuS als Vertrauenspersonen herangezogen werden.

    Je nach Schulform schreiben dir das KC oder die RR deine Themen sowieso vor. Die Kunst besteht dann darin diese Vorgaben in eine Balance mit den Interessen der SuS zu bringen. Zumindest bei mir in der BBS ist das "überlebenswichtig", damit alle motiviert in und aus der Stunde gehen. Durch die zeitnahe Einführung des Christlichen RUs (zumindest in Nds.) wird sich noch mal einiges ändern. Entlastend wirken sich hoffentlich die KuK aus, die jetzt ihren Master im Lehramt für islamischen RU ablegen (und hoffentlich gut durch das Ref kommen).

    Gute Stellen? In meinen Augen ist Reli das "schönste Fach der Welt". Wir haben 1/3 unserer Stunden pro Klasse "zur freien Verfügung für aktuelle Themen der SuS". Wenn du Glück hast, so wie ich, unterrichtest du aufgrund des Mangels an Reli Lehrern, bis auf eine Doppelstunde ausschließlich in diesem Fach, auf max 3 Niveaustufen -> Ergo: man darf auch mal faul sein und in einer Woche dieselbe Stunde 3x mit minimalen Anpassungen an die Klasse halten ;)

    Karriere kannst du mit jedem Fach machen. Das liegt eher an deinen Leistungen im Ref und deinem Engagement an der Schule... Und manchmal auch an der Leitungsebene.

  • Wenn du allerdings Religion auf Lehramt studieren möchtest dann mache dir bitte bewusst, dass du deinen Glauben im Studium verlieren wirst.

    Also weil das bei dir so gelaufen ist, meinst du, das wäre bei sämtlichen Lehrkräften, die Theologie studieren der Fall?

    Das halte ich für eine Fehlannahme deinerseits, zumindest ist mir bislang noch keine einzige Religionslehrkraft- gleich ob katholisch, evangelisch oder muslimisch- begegnet, die als Folge ihres Studiums ihren Glauben verloren hätte. Ganz so repräsentativ, wie von dir vermutet, sind deine diesbezüglichen Studienerfahrungen also sicherlich nicht.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • *aufzeig*

    Ja, erzähl mal Fröschlein, wie war das mit deinem Glauben im Studium. Ging dieser verloren wegen des Studiums (und ward erneut gefunden im Folgenden) oder wusstest du dir diesen trotz deines Studiums zu erhalten?

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    Einmal editiert, zuletzt von CDL ()

  • Fundamentalisten tun sich tatsächlich mit dem Studium der Evangelischen oder Katholischen Theologie schwer.

    Naiver Glaube und historisierendes Bibelverständis haben da tatsächlich keinen Platz mehr.

    Ist aber auch gut so.

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    Konzentrieren Sie sich ganz auf den Text, wenden Sie das Ganze auf sich selbst an. (J.A. Bengel)

  • Wenn du allerdings Religion auf Lehramt studieren möchtest dann mache dir bitte bewusst, dass du deinen Glauben im Studium verlieren wirst.

    Ich fand das Studium sehr interessant, aber bei mir ging es dann auch in diese Richtung. Je mehr man über die Kontexte weiß, desto mehr verändert sich das Bild. Die einfachen Antworten, die die Vertreter der Kirche geben, kann man irgendwann schwer akzeptieren. Ich frage mich, ob diejenigen, die Theologie sehr intensiv studiert haben, überhaupt wirklich alles glauben.

    • Offizieller Beitrag

    Ja, erzähl mal Fröschlein, wie war das mit deine, Glauben im Studium. Ging dieser verloren wegen des Studiums (und ward erneut gefunden im Folgenden) oder wusstest du dir diesen trotz deines Studiums zu erhalten?

    Ich wollte mit dem *aufzeig* eigentlich sagen, dass mich Religion nach dem Studium nicht mehr ... so richtig interessiert hat, dass der Glaube vorher ein anderer war. So richtig ist da jetzt nichts mehr. Ich sehe Religion jetzt nicht als "Gläubiger", sondern als ... keine Ahnung.


    Aber ja, es hat meine Position verändert.


    (Und das, obwohl ich mich vorher weder als Fundamentalist noch als naiv ansehen würde. Sondern schon als realistisch.)

  • Die einfachen Antworten, die die Vertreter der Kirche geben, kann man irgendwann schwer akzeptieren. Ich frage mich, ob diejenigen, die Theologie sehr intensiv studiert haben, überhaupt wirklich alles glauben.

    Evangelische und Katholische Theologie sind kirchlich getragene Studiengänge; insofern sehe ich da keinen Widerrspruch zwischen Theologie und Kirche.


    Dass es aber immer noch vernunftresistente Theologieabsolventen gibt, ist offensichtlich.


    Meine persönliche Erfahrung deckt sich wahrscheinlich weitgehend mit der oben zitierten. Aber da muss man halt durch, wenn man erwachsen werden will.

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    Einmal editiert, zuletzt von Websheriff ()

  • Es gibt den hübschen Spruch:

    "Wer mit 18 kein Kommunist ist, hat kein Herz. Wer es mit 28 noch immer ist, hat kein Hirn."
    Statt Kommunist kann man problemlos "Christ" einsetzen.

    Ich bin Agnostiker. Das Grundprinzip des Christentums finde ich in Ordnung. Die Ausführung der Amtskirche jedoch grenzwertig bis inakzeptabel (besonders in der katholischen Ausprägung). Ich halte mich jedoch an die Regeln und hoffe darauf, dass ich - sollte es dieses höhere Wesen wirklich geben - dadurch Gnade finde. ;) Wobei ich diese "gnädige Beurteilung" meiner Arbeit und Marotten zuerst von meiner irdischen Umgebung erhoffe - und ich mich so verhalte, dass diese erteilt werden kann.

    Das Ganze nennt man auch den "Kant'schen Imperativ"

    «Wissen – das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt.» (Marie von Ebner-Eschenbach)
    Meine Beiträge können Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten

  • Der "Kategorische Imperativ" ist das für Immanuel Kant grundlegende Prinzip moralischen Handelns:

    „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“


    Kant hatte damit das Rad nicht neu erfunden, sondern philosophisch nur neu formuliert, was man durchaus schon kannte:

    „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.“


    Kant kannte aber als belesener Mensch auch seine christliche Bibel sehr gut, in der Jesus diese "Goldene Regel" in seiner Bergpredigt so formuliert:

    „Wie immer ihr wollt, dass die Leute mit euch umgehen, so geht auch mit ihnen um! Denn darin besteht das Gesetz und die Pro­pheten.“


    Während Kant zwar viel schreibt, letztlich jedoch unverbindlich bleibt, was den konkreten Inhalt seiner Maxime angeht, ist die Botschaft Jesu da radikal: Liebe! - und fordert damit ein totales JA zum Leben.

    Was das nun bedeutet, das hab ich schon an anderen Stellen in diesen Foren verdeutlicht, und wer lesen will, der lese.

    Und damit wünsche ich euch einen besinnlichen Sonntag. :gruss:



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  • Wenn die Quintessenz aus 2000 Jahren Christentum "habt euch lieb" ist und Leute nach 4 Jahren Studium "ihren Glauben verlieren", was immer da verloren geht, frag ich mich, wieder mal, was konfessioneller Religionsunterricht eigentlich leisten soll und kann. Aber eine Antwort darauf existiert wahrscheinlich gar nicht, er ist halt in der Verfassung verankert, weswegen wir ihn nicht loswerden.

  • frag ich mich, wieder mal, was konfessioneller Religionsunterricht eigentlich leisten soll und kann

    Dann frag mal andere. Antwort gibt dir z.B. jeder diesbezügliche Kernlehrplan.

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  • Leute nach 4 Jahren Studium "ihren Glauben verlieren", was immer da verloren geht

    Verloren geht der naive, unreflektierte, unaufgeklärte, unkritische, wissenschaftsferne, unvernünftige Glaube. Und da ein solcher durch Erziehung von klein auf verinnerlicht ist, tut Veränderung weh und ist Offenheit aufwändig.


    Weitgehend praktizierte Alternativen sind z.B. die ähnlich blinde Absage - euphemistisch formuliert - "Agnostizismus" oder sowas wie die Haltung "boko ḥarām".

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  • Verloren geht der naive, unreflektierte, unaufgeklärte, unkritische, wissenschaftsferne, unvernünftige Glaube.

    Also im Gegensatz zum vernünftigen, reflektierten, wissenschaftlich fundierten Glauben? Glaube ist demnach fachlich korrekt erlernbar und milliarden nichtstudierter Menschen aus allen möglichen Religionen weltweit glauben falsch?

  • Der Kategorische Imperativ ist eben nicht dasselbe wie die Goldene Regel und man kommt durchaus auch zu unterschiedlichen Ergebnissen, wenn man diese beiden Formeln anwendet. Das ist ein typischer Fehler in Ethikklausuren und ich widme dem Ganzen deshalb auch eine Doppelstunde.


    Die Goldene Regel verlangt, sich in die Perspektive des jeweils von meiner beabsichtigten Handlung Betroffenen zu versetzen, um zu prüfen, ob mir meine Handlung auch dann noch als

    sinnvoll und richtig erscheint, wenn ich selbst davon betroffen wäre. Maßstab für die Moralität der Handlungsabsicht sind also meine individuellen Wünsche und Interessen, von denen ich aus subjektiver Sicht annehme, dass sie allgemein geteilt werden. Einfach ausgedrückt: Das Prinzip der Goldenen Regel basiert also auf der Annahme, dass alle Menschen zumindest

    ähnliche Wünsche und Interessen haben, deren Erfüllung moralisch erstrebenswert ist.

    Der Kategorische Imperativ verlangt von uns, dass wir von genau diesen Wünschen und Interessen absehen. Im Gedankenexperiment des Kategorischen

    Imperativs soll stattdessen überprüft werden, welche Maxime logisch-formal widerspruchsfrei verallgemeinerbar ist.

    Nach Kant können subjektive Wünsche und Interessen keinesfalls Maßstab für die Moralität einer Handlungsabsicht sein, da individuelle Neigungen im Grunde willkürlich seien. Die gemäß Goldener Regel gültigen moralischen Imperative sind daher stets hypothetisch, d.h. deren Zweck besteht in der Erfüllung bestimmter Wünsche und Interessen. Nach Kant ist das

    moralische Gesetz jedoch objektiv und frei von subjektiven Wünschen und Interessen.


    Konkretes Beispiel: Nach der Goldenen Regel ist es zulässig, die privaten WhatsApp Nachrichten meines Partners zu lesen, solange ich umgekehrt damit einverstanden bin, dass mein Partner auch meine Nachrichten lesen darf. Dass ich damit die Wünsche und Interessen meines Partners verletze, spielt in der Goldenen Regel keine Rolle, da das Prinzip der

    Goldenen Regel immer erst von den Wünschen des Handelnden ausgeht.

    Laut dem Kategorischen Imperativ wäre diese Handlung moralisch nicht zulässig, da die Maxime logisch-formal nicht widerspruchsfrei verallgemeinerbar ist.

    Kann ich widerspruchsfrei wollen, dass alle Menschen die Privatsphäre des anderen verletzen dürfen, um an persönliche Informationen ranzukommen? Nein, denn diese Maxime setzt voraus, dass es so etwas wie eine Privatsphäre gibt, jedoch wird im gleichen Satz genau diese

    Privatsphäre aufgehoben. Diese Maxime setzt also einen moralischen Wert voraus sowie zugleich die Aufhebung dieses Wertes. Die Privatsphäre wäre dann bedeutungs- und sinnlos.

  • Dann frag mal andere. Antwort gibt dir z.B. jeder diesbezügliche Kernlehrplan.

    Der hat dann inhaltlich aber nichts mehr mit "seid nett zueinander" zu tun. In Bayern ist "Gottesfürchtigkeit" Ziel des Schulunterrichts insgesamt.

    Im hessischen Lehrplan (der so trotz Curricula immer noch gilt) heißt es bspw.

    "

    Im Religionsunterricht erhalten Jugendliche die Möglichkeit, Religion als eine unverwechselbare Lebensdimension zu erfahren, die nicht mit Moral oder Philosophie gleichzusetzen ist." Also ist Religion vielleicht doch nicht "seid nett zueinander, weil Jesus das so will"? Oder ist Glaube ein Geschenk Gottes "Glaube ist eine Gabe, die allein Gott verleiht."?


    Ganz ehrlich bei dem Geschwurbel davon zu sprechen, dass es hier um Bildung gehen soll, ist einfach absurd.


    Aber eine Antwort darauf existiert wahrscheinlich gar nicht, er ist halt in der Verfassung verankert, weswegen wir ihn nicht loswerden.

    Ob tatsächlich konfessioneller Religionsunterricht verankert ist, ist nicht so klar. Grundsätzlich wäre wahrscheinlich auch ein religionswissenschaftlicher Unterricht, in dem alle Vertreter von Glaubensgemeinschaften zu Worte kommen möglich. Aber natürlich will jeder Club seine eigenen Schäfchen heranziehen und Kinder so früh wie möglich indoktrinieren, damit sie bloss nicht in Reflektionsprozesse kommen, bevor sie hinreichend geprägt sind.

  • Also im Gegensatz zum vernünftigen, reflektierten, wissenschaftlich fundierten Glauben? Glaube ist demnach fachlich korrekt erlernbar und milliarden nichtstudierter Menschen aus allen möglichen Religionen weltweit glauben falsch?

    Aber sicher das:!::thumbup:


    Erlernbar bei aller Offenheit für neue Erkenntnisse.

    #Zesame:!:


    Konzentrieren Sie sich ganz auf den Text, wenden Sie das Ganze auf sich selbst an. (J.A. Bengel)

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