Auf welche Weise lehrt ihr? - Natürliche Differenzierung vs. Individuelle Förderung

  • Hallo Gleichgesinnte und zukünftige Gleichgesinnte,


    Ich bin aktuell Lehramtsstudentin für die Grundschule und lerne viele verschiedene Theorien und Ansätze zu Lehrformen kennen. Nun wüsste ich gerne eure Meinung zu etwas. Ich bin sehr überzeugt davon, jedem Schüler und Schülerinnen (aka SuS) die Möglichkeit bieten zu wollen ein Thema zu verstehen und sich Wissen an eigenen zu können. Nun aus dem Grund dachte ich lange, es wäre gut allen SuS Arbeitsaufträge auf ihrem Niveau passend (aber immer noch herausfordernd) zu bieten. Das heißt, Lernschwächere und Leistungsstarke Kinder bekommen den selben Input nur aus unterschiedlichem Niveau. Also letztendlich Individuelle Aufgabenstellungen. Dementsprechend bekommen die Leistungsstärkeren weitere Aufträge/Aufgaben wen sie schon weiter sind.


    Jetzt lernte ich das Prinzip der natürlichen Differenzierung kennen. Also alle SuS erhalten den exakt selben Auftrag, sind aber ganz offen in ihrer Anwendung und Lösbarkeit der Aufgabe. Leistungsstärkere SuS machen so womöglich mehr oder andere Entdeckungen als die Leistungsschwächeren. Zum Ende hin wird sich natürlich ausgetauscht über die untersch. Lösungswege.


    Es wird gesagt, dass die Natürliche Differenzierung die Selbstisolierung eines Schülers oder Schülerin verhindert. In der Natürlichen Differenzierung sehe ich aber das Problem, dass die Aufgabe vielleicht zu fordernd für Lernschwächere SuS sein könnte und sie zum Ende der Stunde womöglich nichts mitnehmen, als wenn ich eine abgeschwächtere Variante vorgelegt hätte (wie zum Beispiel weniger Text).


    Ich wüsste gerne was ihr dazu denkt und mögliche Vorschläge, wie ihr euren Unterricht haltet.


    Grüße Amshoff

  • Die Frage ist vielleicht eher, wie weit die natürliche Differenzierung ausreicht.


    Meines ist es nicht, wenn ich den Eindruck bekomme, es sei alles beliebig und die Schwachen machen dann eben nur ein bisschen dies oder das oder malen.


    Wenn andererseits die gleichen Aufgaben mit unterschiedlichen Hilfsmitteln zu lösen sind, die Hilfsmittel eingeführt sind und die Schwachen damit zum Ziel kommen, wenn auch langsamer und mit weniger Aufgaben, aber doch so, dass sie einen richtigen Lösungsweg finden, dann ist das eine mögliche Wahl unter mehreren, die allen die Mitarbeit und auch das Voranschreiten ermöglicht.


    Aber immer muss man auch die Klassenzusammensetzung hinterfragen, mit oder ohne Inklusion, mit welchen Unterstützungsbedarfen oder Begabungen, mkt welchen Schwierigkeiten oder Talenten.

  • Wenn man so arbeitet, wie du die "natürliche Differenzierung" beschrieben hast, stellt man sogenannte offene Aufgaben. Sie sind so gestellt, dass jeder Schüler auf seinem Niveau etwas dazu machen kann. Dazu hatten wir schon Fortbildungen, vor allem im Mathematik.

    Meine Meinung: Man würde es zwar gerne haben, dass man hauptsächlich mit offenen Aufgaben in der Differenzierung weitkommt und die Schüler gute Lernzuwächse haben, aber so einfach ist es nicht.

    Meine Erfahrung ist, dass es darauf ankommt, zu welchem Zweck man solche offenen Aufgabenstellungen einsetzt. Zur Einübung eines Stoffes eignen sie sich nur bedingt oder gar nicht. Allerdings eignen sie sich zum Entdecken und zum Aktivieren und Anwenden, was man schon weiß. Außerdem benötigen die Schüler beim Umgang damit nicht so viele Hilfen, weil die Aufgaben offen gestellt sind und mehr Schüler ein gewisses Erfolgserlebnis haben.


    Wenn man aber einen bestimmten Stoff einübt, dann wird es schwierig mit den offenen Aufgaben. Da sind Niveauabstufungen besser. Je nach Aufgabenstellung und Klasse kann man aber auch die dritte Art der Differenzierung anwenden: Man gibt den schwächeren Schülern mehr Hilfen bei denselben Aufgaben.

    Für mich gibt es also kein Entweder- oder. Es kommt immer auf den Unterrichtsinhalt und die Klasse an, welche Methode ich dafür wähle und wie die Differenzierung aussieht.


    P.S. Das war zeitgleich mit Palim.

    • Offizieller Beitrag

    Lustig. Wenn ich mir bei ca. 200 SchülerInnen, die ich unterrichte, nur zehn Minuten für aktive Gedanken zur individuellen Förderung und für das Festlegen und anteilige Erstellen von Differenzierungsmaterial nähme, wäre ich bei 2.000 Minuten, d.h. bei 33 Stunden oder einer 3/4 Arbeitswoche. Dabei hätte ich dann noch keine Stunde unterrichtet, keinen Unterricht geplant, keine weitere dienstliche Aufgabe erfüllt.

  • Lustig. Wenn ich mir bei ca. 200 SchülerInnen, die ich unterrichte, nur zehn Minuten für aktive Gedanken zur individuellen Förderung und für das Festlegen und anteilige Erstellen von Differenzierungsmaterial nähme, wäre ich bei 2.000 Minuten, d.h. bei 33 Stunden oder einer 3/4 Arbeitswoche. Dabei hätte ich dann noch keine Stunde unterrichtet, keinen Unterricht geplant, keine weitere dienstliche Aufgabe erfüllt.

    Die Mär der Differenzierung. jedem etwas einzeln erstellen ist auch albern, es gibt viele wegen Unterschieden zu begegnen oder diese am besten sogar zu nutzen.

  • Es ist ein Thread im Bereich der Primarstufe.

    Ich habe derzeit einige SuS, die mit den normalen Materialien nicht arbeiten können und eigene Sachen bekommen, in Mathe, in Deutsch, in SU, in Reli, jeweils aus verschiedenen Gründen und auch nicht immer das gleiche Material. Das sind Kinder mit bestimmtem Status und ja, bei manchen ist es dann individualisieren.

    Bei einigen Kindern weiß ich, dass sie in ein paar Monaten oder einem Jahr mithalten können, bei anderen gehe ich derzeit nicht davon aus, aber es könnte ja in den verbleibenden Schuljahren auch eine andere Entwicklung nehmen.


    Für den allgemeinen Unterricht muss man dennoch auch differenzieren.


    Das bedeutet aber nicht, dass man für alle SuS, die man unterrichtet, ein eigenes Programm fährt.

  • Lernschwächere und Leistungsstarke Kinder bekommen den selben Input nur aus unterschiedlichem Niveau. Also letztendlich Individuelle Aufgabenstellungen.

    Nur zum Verständnis: Meinst du wirklich auch unterschiedlichen Input oder nur unterschiedliche Aufgabenstellungen ?

    Das sind ja verschiedene Dinge, die man durchaus beide differenzieren kann, wobei ersteres m.E. nochmal anspruchsvoller in der Umsetzung/Organsiation ist.


    Aufgaben auf unterschiedlichen Niveaus sind ja doch relativ üblich und findet man häufig ja auch schon so in den Lehrwerken.

    Ich setze differenzierte Aufgabenstellungen vor allem in folgenden Unterrichtssettings ein:


    1. Wochenplanarbeit: In der Regel habe ich einen Basis-Wochenplan, einen reduzierten und einen anspruchsvolleren, die ich den Kindern gezielt zuordne. Immer wieder gibt es auch Kinder, die tatsächlich einen ganz eigenen Wochenplan benötigen (im Rahmen der Inklusion oder weil sie noch Deutsch lernen müssen und dadurch ganz andere Materialien nutzen) . Durch die Aufteilung in Pflicht- und Wahlaufgaben ergeben sich weitere Differenzierungen. Den Wochenplan nutze ich vor allem für Anwendungs- und Übungsaufgaben (aber nicht nur und auch nicht jede Woche).


    2. Für neue Inhalte bevorzuge ich: gemeinsamen Input (meist im Kreis) und dann ein Angebot von Aufgaben auf verschiedenem Niveau, die Kinder wählen dann selbst (ich orientiere mich gerade verstärkt am Churermodell, da heißen die "Lernaufgaben").

    Mache ich aber auch nicht immer (aus Zeitmangel): wenn mir die Differenzierung im Arbeitsheft reicht, machen wir oft auch nur das, und ich gehe rum, helfe individuell, organinisiere, dass die Kinder sich gegenseitig unterstützen und bespreche gegebenenfalls mit einzelen Kindern, welche Aufgaben sie z.B. weglassen können. Für schnelle Kinder gibt es Zusatzaufgaben (manchmal zum Thema, manchmal auch nicht)


    Außerdem nutze ich (gerade im Sachunterricht, manchmal aber auch in Deutsch) gerne Werkstätten mit verschiedenen Stationen, da ergibt sich die Differenzierung aus den Wahlmöglichkeiten.


    Natürliche Differenzierung gibt es in meinem Unterricht auch, aber weniger in dieser Form:


    alle SuS erhalten den exakt selben Auftrag, sind aber ganz offen in ihrer Anwendung und Lösbarkeit der Aufgabe. Leistungsstärkere SuS machen so womöglich mehr oder andere Entdeckungen als die Leistungsschwächeren

    Das klappt wie schon von Caro gut erklärt nur mit bestimmten Aufgabentypen.


    Für mich bedeutete "natürliche Differenzierung" vor allem, dass nicht ich diese organisieren muss, sondern sie sich automatisch ergibt: Beispiele sind da für mich das freie Schreiben (da schreiben sie die Texte automatisch auf ihrem Niveau), die Lesezeit, in der sie sich aus einem großen Angebot Lesestoff aussuchen, der für sie passt , aber auch die Lernmittel, die sie im eigenen Tempo bearbeiten (z.B. die Liesmal Hefte).


    Input zu differenzieren habe ich bislang nur in der Form umgesetzt, dass ich im Kreis etwas gemeinsam eingeführt habe und dann die Kinder, die es verstanden hatten schon mit der Aufgabe beginnen konnten und die Kinder, die noch nicht ganz sicher waren, im Kreis geblieben sind und dort noch weiteren Input bekommen haben. Gerade in Mathe klappte das sehr gut.


    Wenn sie lesen können, können sie sich Input in Maßen natürlich auch selbst erlesen, aber gerade da muss man in der Grundschule wirklich differenzieren (bis hin zum eingelesenen Text z.B. für LRS Kinder). Es gibt kaum etwas, wo die Unterschiede so groß sind, wie im Lesevermögen.


    Im Moment denke ich darüber nach zusätzlich auch Lernvideos einzusetzen, die sich sich individuell anschauen können, sei es um einen Inhalt nochmal zu wiederholen oder auch um sich neue Inhalte zu erarbeiten, z.B. im Rahmen einer Stationsarbeit oder auch als Teil eines Lernweges (d.h. sie schreiten im eigenen Tempo im Stoff voran). Mir fällt in der letzten Zeit immer deutlicher auf, dass ich gerade die schwächeren Kinder in den gemeinsamen Phasen nicht gut erreiche. Die Anzahl von Kindern, die sich kaum noch fokussieren können und sich in der Gruppe einfach nicht angesprochen fühlen, wird irgendwie immer größer. Das sind dann die, wo ich im Anschluss alles immer nochmal alles 1:1 erklären muss (dann verstehen sie es in der Regel auch), was aber je nach Klassenzusammensetzung nicht immer zu schaffen ist.


    Insgesamt also auch bei mir: wilde Mischung... je nachdem worum es geht, wer was braucht, was das vorhandene Material hergibt und auch was ich selbst gerade zeitlich leisten kann (oft improvisier ich auch einfach).

    Ich denke, den einen richtigen Weg gibt es einfach nicht. Man muss es letztlich ausprobieren und schauen, was für einen selbst und die Klasse funkioniert. Und immer mal wieder reflektieren, was am Ende wirklich dabei rauskommt und ob Aufwand und Nutzen in einem guten Verhältnis stehen. Wichtig ist erstmal, dass man überhaupt differenziert. Ohne das geht es in der Grundschule nicht.

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

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  • Im Moment denke ich darüber zusätlzich auch Lernvideos einzusetzen, die sich sich individuell anschauen können, sei es um einen Inhalt nochmal zu wiederholen oder auch um sich neue Inhalte zu erarbeiten, z.B. im Rahmen einer Stationsarbeit oder auch als Teil eines Lernweges (d.h. sie schreiten im eigenen Tempo im Stoff voran). Mir fällt in der letzten Zeit immer deutlicher auf, dass ich gerade die schwächeren Kinder in den gemeinsamen Phasen nicht gut erreiche. Die Anzahl von Kindern, die sich kaum noch fokussieren können und sich in der Gruppe einfach nicht angesprochen fühlen, wird irgendwie immer größer. Das sind dann die, wo ich im Anschluss alles immer nochmal alles 1:1 erklären muss (dann verstehen sie es in der Regel auch), was aber je nach Klassenzusammensetzung nicht immer zu schaffen ist.

    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die schwachen Kinder nicht vom selbstständigen Angucken von Lernvideos profitieren. Da sitzt man dann doch hinterher wieder daneben. Die anderen kommen damit ganz gut klar.

  • Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die schwachen Kinder nicht vom selbstständigen Angucken von Lernvideos profitieren. Da sitzt man dann doch hinterher wieder daneben. Die anderen kommen damit ganz gut klar.

    Danke dir für die Rückmeldung. Den Schwachen würde ich das auch nur als Ergänzung oder Wiederholung anbieten. Und ich hatte die Hoffnung, wenn zumindest ein Teil der Kinder dadurch eigenständiger arbeiten kann (d.h. auch unabhängiger von mir), dadurch eventuell Zeit frei wird, die ich dann für die Kinder nutzen kann, die individuelle Betreuung brauchen.


    Ich habe in meinem Einzugsgebiet aber auch relativ viel Kinder, die durchaus kognitiv fit sind, aber sich einfach nicht konzentrieren können, da könnte ich mir das als Alternative durchaus vorstellen.


    Ist aber auch alles nur angedacht... man muss ja dann auch erstmal gute Lernvideos finden oder erstellen.

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Ich habe seit einigen Jahren Arbeitspläne mit Stopp-Schild und Haltestelle.

    So muss ich nicht so viele Pläne machen.


    Es gibt Pflichtaufgaben für alle,

    ein Stopp-Schuld, wenn man anhalten und warten muss, weil ich zunächst noch etwas Neues einführen will,

    und eine Haltestelle (auf dem Plan als Symbol), an der es weitere Aufgaben zur Auswahl gibt, aus den AH oder auch Material im Raum (Schublade/Kiste), die die Kinder bearbeiten, die mit den Pflichtaufgaben fertig sind und vor dem Stopp warten.


    Aber auch da geht es im Plan in der Regel ums Üben (Mathe) oder um Aufgaben, die selbstständig bearbeitet werden können (Sachunterricht).


    Und auch bei mir sind es bestimmte Themen, bei denen es besser passt und immer nur eine Phase. Auch bin ich bemüht, dass dann nicht in allen Fächern gleichzeitig Pläne anstehen, sondern dass es in den anderen Stunden dann andere Methoden gibt.

  • Es gibt Pflichtaufgaben für alle,

    ein Stopp-Schuld, wenn man anhalten und warten muss, weil ich zunächst noch etwas Neues einführen will,

    Ist das dann eine Einführung für alle gemeinsam oder erfolgt die dann individuell bzw. in Kleingruppen?

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Es ist eine Einführung für alle, manchmal auch weiterer Unterricht dazu, in dem etwas erarbeitet oder erörtert wird.

    Beispiel: In Mathe wird eine bestimmte Rechenweise gezeigt und auch gemeinsam geübt. Erst danach darf dann nach dem Stopp-Schild im Plan weitergearbeitet werden. Da stehen dann zuerst die Pflichtaufgaben, die ich von allen, die regulär mitarbeiten, sehen möchte.


    Anderes Beispiel: In SU geht es um einen Teil eines Themas, wir gucken uns gemeinsam etwas an, erarbeiten Inhalte, es können auch Vorgehensweisen, erheblich praktischere Phasen dazwischen sein, im Plan sind dann eher Aufgaben zum Festigen, Zuordnungen, lesen + Fragen zum Text, Zeichnungen und anderes, bei dem die SuS in ihrem Tempo arbeiten können. Das passt aber nur bei bestimmten Themen.


    Zuvor hatte ich auch schon drei verschiedene Pläne, eine Kollegin hat eine Art Ampelsystem mit Aufgaben auf verschiedenen Niveau-Stufen, aber zum einen muss man dann die Pläne für 3 Gruppen im Blick behalten und eben auch, wann man Erläuterungen mit den Gruppen durchführen muss, zum anderen wollte ich - gerade in Mathe - dass es relativ durchlässig ist und die Kinder alle auch Kür-Aufgaben erreichen können (klappt nicht immer).

  • Noch ein Nachtrag: Es ist ein Arbeitsplan und eben kein Wochenplan. Über die Stopp-Schilder kann ich die Plan-Arbeit für eine nicht zuvor bestimmte Zeit unterbrechen und danach wieder aufnehmen.


    Möglich ist auch, die Einführung zu geben, die Fitteren wieder an den Plan zu lassen und sich mit den anderen in kleinerer Gruppe noch mal zusammenzusetzen.

    Den Stärkeren kann man dann noch Angebote machen. Theoretisch hat man auch eher mal Zeit, mit ihnen eine zusätzliche Phase zu haben, aber mir fällt es eher schwer, dafür Zeit zu haben/ zu nehmen.

  • Danke Palim, jetzt habe ich das glaub ich besser verstanden. Ich finde es immer wieder spannend zu gucken, wie viele Varianten es so gibt.

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

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