"Wenn Sie uns keine guten Noten geben, bekommen wir einen neuen Lehrer."

  • Hallo zusammen,

    Ich habe 13 Jahre Berufserfahrung und bin zum ersten Mal in einer Situation, bei der mir auch kein Kollege helfen kann.

    Ich hatte letztes Jahr ein Gespräch mit meinem Chef wegen einer Klasse, der meine Noten nicht gut genug waren. Zusammengefasst: Die Kinder sind nicht mehr motiviert weil die Noten zu schlecht sind. Das hat mich schon schockiert, denn die Durchschnitte waren ganz normal, so wie ich das für eine 7. Klasse kenne (zwischen 2,3 und 2,7) und im Unterricht konnte ich mich auch nicht über mangelnde Beteiligung oder Motivation beschweren. Sogar eher im Gegenteil und mündlich waren die Kinder auch fast alle (noch) besser.

    Ich habe versucht gegenzusteuern aber die Klasse trotz meines Wunsches nicht noch wie üblich ein zweites Jahr bekommen.

    Es scheint nun so, dass sich dies an der Schule herumgesprochen hat, denn der Schüler einer anderen Klasse sagte mir neulich wörtlich "Wenn Sie uns keine guten Noten geben, bekommen wir einen neuen Lehrer."

    Seitdem habe ich extreme Probleme Aufgaben zu bewerten, habe sogar richtig Angst davor. Ich fühle mich regelrecht erpressbar. Ich weiß nicht wie ich mich davon lösen kann oder damit umgehen soll.

    Kennt jemand so eine Lage und kann mir Tipps geben? Ich habe auch im Netz nichts Vergleichbares gefunden....:(

  • Ernsthaft? Wegen Notendurchschnitten, die besser als "befriedigend" sind, wird man als Lehrkraft zu einem Gespräch mit dem Schulleiter einbestellt?!?

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Das Verhalten deiner Schulleitung in Punkto Leistungsmessung ist gelinde gesagt sehr seltsam und ich würde wohl langfristig schauen von dort wegzukommen. Kurzfristig würde ich das Geplapper der Schüler ignorieren, die erzählen viel, wenn der Tag lang ist und einfach weiter arbeiten wie bisher. Solange du nicht grob gegen Richtlinien verstößt und die Noten würfelst, was soll schon passieren?

  • Ich finde es sehr hilfreich, dass wir als FK Korrektur- und Bewertungsmaßstäbe festgelegt haben und auch in der Sek 1 immer die gleiche Klassenarbeit in einer Jahrgangsstufe schreiben. Eine/r macht einen Entwurf, die anderen kommentieren, der Entwurf wird ggf. geändert und beim nächsten mal ist jemand anderes dran.

    Falls in meinerKlasse dauerhaft die Ergebnissen von denen der anderen Klassen abweichen würden, würde ich herausfinden wollen, warum das so ist und was ich (oder die SuS :) dagegen tun kann.

    Es könnte alles so einfach sein - ist es aber nicht.

  • Was ist denn das für eine seltsame Schulleitung?

    Im Grunde fordert er dich auf Noten zu verschenken? Das klingt nach einer sehr seltsamen Zusammenarbeit mit dem Kollegium.

    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten.:rose:

  • Es scheint nun so, dass sich dies an der Schule herumgesprochen hat, denn der Schüler einer anderen Klasse sagte mir neulich wörtlich "Wenn Sie uns keine guten Noten geben, bekommen wir einen neuen Lehrer."

    Damit hat deine Chefin ein Problem. Die hat das Fass aufgemacht.


    Du solltest die Gelegenheit nutzen, um ganz sachlich zu analysieren, ob deine Bewertungsmaßstäbe passen. Falls ja, machst du weiter, wie bisher. Falls es etwas anzupassen gibt, passt du es an.


    Ich hatte da auch mal eine Klasse, die ob der Noten gemeckert hat. Die haben sich auch darüber beschwert, ich hätte gesagt, sie seien zu doof fürs Abitur. Tatsächlich habe ich ihnen Tipps gegeben, an welchen Eigenschaften sie noch arbeiten könnten, um die Chancen auf den Abschluss zu erhöhen. Ich hatte auch nicht mehr so richtig Lust, diese Truppe zu unterrichten. Insofern war ich nicht bös’, dass sich jetzt eine Kollegin um diese kümmert. Mit der scheinen sie gut klar zu kommen. Also alles gut.


    Seitdem habe ich extreme Probleme Aufgaben zu bewerten, habe sogar richtig Angst davor. Ich fühle mich regelrecht erpressbar. Ich weiß nicht wie ich mich davon lösen kann oder damit umgehen soll.

    Kennt jemand so eine Lage und kann mir Tipps geben?

    Worin soll denn die Erpressung bestehen? Mit Schülerinnen hat man eh nur begrenzte Zeit zu tun. Wenn die einen dich nicht wollen und eventuell ihren Wunsch nicht durchgesetzt bekommen, unterrichtest du andere. Der Job geht weiter.

  • Ich finde es sehr hilfreich, dass wir als FK Korrektur- und Bewertungsmaßstäbe festgelegt haben und auch in der Sek 1 immer die gleiche Klassenarbeit in einer Jahrgangsstufe schreiben. Eine/r macht einen Entwurf, die anderen kommentieren, der Entwurf wird ggf. geändert und beim nächsten mal ist jemand anderes dran.

    Falls in meinerKlasse dauerhaft die Ergebnissen von denen der anderen Klassen abweichen würden, würde ich herausfinden wollen, warum das so ist und was ich (oder die SuS :) dagegen tun kann.

    Was heißt warum das so ist? Ich unterrichte im Nebenfach oft mehrere Klassen eines Jahrgangs parallel und es ist einfach so, dass es leistungsstärkere und -schwächere Klassen gibt und natürlich weichen die Ergebnisse dann bei den gleichen Leistungsmessungen auch voneinander ab, das ist doch ganz normal. Ich sehe das Problem nicht.

  • Am Seminar in den 90er Jahren habe ich noch gelernt, dass der Durchschnitt in der Regel zwischen 3,1 und 3,5 liegt (in Klasse 5 und 6 noch etwas besser). 2,3 gäbe bei uns Nachfrage (zu leichte Klassenarbeit, gezielt auf die Aufgaben trainiert), 2,7 ging bei den jüngsten gerade durch. Bei Noten besser als 3 muss ja ein gewisser Anteil an Transferleistungen gezeigt werden (also erhöhter Anforderungsbereich). Und das kann bei euch mehr als die Hälfte? (Auch die Schnitte meiner Kollegen sind fast immer in diesem Bereich.)


    Ich erlebe, dass fachfremd Unterrichtende, Quereinsteiger und Seiteneinsteiger manchmal zu einfache Klassenarbeiten erstellen. Ist das bei euch verbreitet?


    In welchem Bundesland unterichtest du, dass Noten so verschenkt werden? Gibt es bei euch noch die verpflichtende Grundschulempfehlung, so dass wirklich nur welche mit gymnasialer Empfehlung in der Klasse sind? Bei uns sind in Klasse 7 noch einige mit nichtgymnasialer Empfehlung anwesend (nach Klasse 8 normalerweise nicht mehr, die Grundschulempfeehlung stimmt fast immer, auch wenn Eltern es nicht glauben wollen).


    Du hast leider kein Bundesland und Fach angegeben. Das ist aber für die Einschätzung wichtig.


    Vielleicht hat sich auch nur ein Elternteil bei der SL beklagt, weil ihr "genialer" Nachwuchs keine 1 erhalten hat? Das habe ich auch einmal erlebt, wurde aber von meiner SL nicht unterstützt (zum Gegenteil, in der nächsten GLK wurde ohne meinen Namen mir deutlich recht gegeben).

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

  • Kannst du offen legen, was die Schüler tun müssen, um bessere Noten zu bekommen? Entsprechendes kommunizieren, da es dann an den Schülern liegt, ob sie diesen Extraschritt mehr gehen können/wollen oder nicht. Es kann nicht jeder Schüler eine 1 bekommen. Davon abgesehen, dass auch nicht jeder Schüler auf dem Gymnasium beschult werden muss.

  • Was heißt warum das so ist? Ich unterrichte im Nebenfach oft mehrere Klassen eines Jahrgangs parallel und es ist einfach so, dass es leistungsstärkere und -schwächere Klassen gibt und natürlich weichen die Ergebnisse dann bei den gleichen Leistungsmessungen auch voneinander ab, das ist doch ganz normal. Ich sehe das Problem nicht.

    Wenn das normal ist, würde ich auch nicht nachforschen.

    Aber wenn eine von 6 Klassen immer schlechter/besser ist als die anderen im Jahrgang, kann es dafür viele Ursachen geben. Manche kann man abstellen.

    Es könnte alles so einfach sein - ist es aber nicht.

  • Hier wird mir ein bisschen zu viel hineininterpretiert und die SL gleich als "seltsam" abgestempelt, was der Originalpost meines Erachtens gar nicht hergibt.

    1. Die SL hat zum Gespräch gebeten, weil sich eine Klasse an sie gewandt hat. Falls sich eine Klasse bei mir beschwert, dann frage ich oft auch die Kollegin/den Kollegen, was da los ist. Ein Gespräch mit der SL ist nicht immer sofort eine Disziplinierungsmaßnahme ("gleich einbestellt"), sondern dient erstmal nur dem Informationsaustausch.


    2. Eine Kollegin oder ein Kollege hat die Klasse nicht ein zweites Mal bekommen. Das kann sehr viele verschiedene Gründe haben. Einen Grund hat die Threaderstellerin hineininterpretiert, aber dies wurde (zumindest gibt das der Post nicht her) nicht so von Seiten der Schulleitung kommuniziert.


    3. Irgendein Schüler macht einen dummen Spruch und schon gehen die Alarmglocken bzgl einer großen Verschwörung an.


    Aus meiner Erfahrung ist das ganze Szenario nicht ganz plausibel.

  • Ich hatte letztes Jahr ein Gespräch mit meinem Chef wegen einer Klasse, der meine Noten nicht gut genug waren. Zusammengefasst: Die Kinder sind nicht mehr motiviert weil die Noten zu schlecht sind. Das hat mich schon schockiert, denn die Durchschnitte waren ganz normal, so wie ich das für eine 7. Klasse kenne (zwischen 2,3 und 2,7) und im Unterricht konnte ich mich auch nicht über mangelnde Beteiligung oder Motivation beschweren. Sogar eher im Gegenteil und mündlich waren die Kinder auch fast alle (noch) besser.

    Komischer Chef, mir fiele es aber ziemlich einfach, in einem solchen Gespräch transparent zu machen, warum ein Leistungsbild in der Klasse so aussieht, wie von mir eingeschätzt.

    Ich habe versucht gegenzusteuern aber die Klasse trotz meines Wunsches nicht noch wie üblich ein zweites Jahr bekommen.

    Nur als kurzer Gedanke: das kann auch vielfältige andere Gründe haben, die zu zwingenden Änderungen der Unterrichtsverteilung führen können (Zu- und Abgänge von Kollegen, blockierte Stundenlagen durch zu viele Zeitwünsche usw.) und muss überhaupt nichts mit dem Gespräch zu tun haben.


    Es scheint nun so, dass sich dies an der Schule herumgesprochen hat, denn der Schüler einer anderen Klasse sagte mir neulich wörtlich "Wenn Sie uns keine guten Noten geben, bekommen wir einen neuen Lehrer."

    Das sollte einem als gestandene Lehrkraft nicht mehr als ein müdes Lächeln und ein Schulterzucken abringen können. Mit Sicherheit führt ein solcher unbedachter Satz eines Schülers nicht zu einer Veränderung der Maßstäbe.

  • Die SL hat zum Gespräch gebeten, weil sich eine Klasse an sie gewandt hat. Falls sich eine Klasse bei mir beschwert, dann frage ich oft auch die Kollegin/den Kollegen, was da los ist. Ein Gespräch mit der SL ist nicht immer sofort eine Disziplinierungsmaßnahme ("gleich einbestellt"), sondern dient erstmal nur dem Informationsaustausch.

    Also, ganz ehrlich: Unsere SL würde grinsen, wenn sich SuS wegen solch angeblich "schlechter Noten" an sie wenden würde. Die würde ihnen dann noch kurz erläutern, dass die genannten Durchschnitte definitiv nicht "schlecht" sind und hätte besseres zu tun, als dann noch ein Gespräch mit der betreffenden Lehrkraft zu führen (egal ob als "Disziplinierungsmaßnahme" oder "Informationsaustausch"). Unter "einbestellen" verstehe ich übrigens nicht unbedingt etwas Negatives, sondern "einen Termin ausmachen" (und das ist bei meiner SL meist notwendig, wenn es um Gespräche jeglicher Art geht).

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Tja, so unterscheiden sich die Zugänge.
    Meiner Erfahrung nach sind Beschwerden über schlechte Noten meist nur ein Symptom für andere Kommunikationsprobleme zwischen Klasse und Lehrkraft, die man dann übrigens auch wieder ausräumen kann. Und wenn es nur ist, dass (einige aus der/die) Klasse der Hafer sticht.

    So ein Gespräch sieht dann in der Regel so aus:
    "Frau XY, die Klasse 7 irgendwas war bei mir und hat sich über ein Klassenarbeitsergebnis beschwert. Ist da irgendwas besonderes vorgefallen?"
    "Nein, wundert mich. Der Schnitt war gar nicht so schlecht aus meiner Sicht."
    "Ok, danke. Wollte Sie nur informieren, dass die bei mir waren. Vielleicht ergibt sich ja ein Gespräch mit der Klasse. Einen schönen Tag noch!"

  • Die Kinder sind nicht mehr motiviert weil die Noten zu schlecht sind.

    Hat das die Schulleitung gesagt?


    Ich finde so etwas unmöglich. Ich hatte auch schon solche Situationen und kann insbesondere jetzt, Jahre später, nur den Kopf darüber schütteln. Ich hatte mal eine 5. Klasse in Englisch, die eine dermaßen schlechte Arbeitshaltung hatte (Vokabeln wurden grundsätzlich nicht gelernt), dass die Schnitte anfangs echt schlecht waren (viel schlechter als die von dir genannten - später sind sie mir viel päd. Einwirken und Trainieren besser geworden). Da hatte ich eine Schülerin, der ich wegen mehrfachen Abgucken (trotz Verwarnungen) die Klassenarbeit abnehmen musste - deren Eltern haben dann bei der Schulleitung behauptet, ich habe was gegen ihre Tochter und habe das Abgucken frei erfunden, außerdem sei ich sowieso völlig untauglich als Lehrerin, das sehe man ja an meinen Schnitten. Die damalige Schulleitung meinte zu mir: Wir können doch den SuS nicht versprechen, dass sie sich bei uns wohlfühlen und dann solche Schnitte haben! Implizit hat sie also auch von mir verlangt, die Noten zu schönen, nehme ich an (hab ich aber nie gemacht). Damals war ich ziemlich perplex, heute würde ich ganz anders reagieren. Zum Glück ist meine jetzige Schulleitung aber nicht so!

  • Lehrerin2007 : Bei solchen Reaktionen wie die, die du beschreibst, frage ich mich, ob diesen Eltern bzw. der Schulleitung bewusst ist, dass wir aktuell ein großes Problem mit Noteninflation haben, die Abischnitte tendenziell zu gut sind und die Abiquote zu hoch ist, und wir gerade eher bemüht sind, durch realistische und kriterienorientierte Notenvergabe diese Tendenz zu korrigieren, statt noch stärker weiterzufeuern.

  • Vielen lieben Dank,

    es war eine Klasse 7 in Englisch, und Bundesland Baden-Württemberg. Wir haben eine sehr besondere Situation hier. Ländlicher Raum, geringe Übergangsquote und wir kämpfen um jeden Schüler. Ich wurde auch gewarnt, dass die Eltern deutlich Einfluss haben. Die Beschwerde ging auch von den Eltern aus, tatsächlich hat mir zuerst noch eine Mutter angekündigt, dass ich die Klasse nicht mehr bekomme.

    Fakt ist zudem: Ich hatte meine Anforderungen schon zuvor gesenkt, würde ich dieselben Arbeiten schreiben wie am Anfang meiner Laufbahn wäre das Ergebnis ein ganz Anderes. Auch wir sprechen uns ab und schreiben teilweise die gleichen Klassenarbeiten. Ich musste aber feststellen, dass die Kollegin vor mir milder korrigiert hat. Für falsch geschriebene Formen gab es da volle Punktzahl und Ähnliches. Das machen andere Kollegen (angeblich) nicht so, aber wer weiß...

    Bei dieser Klasse habe ich in einem Fall sogar genau angekündigt, dass ein Satz, den ich x mal im Unterricht verbessert habe (What does... mean?) im Test drankommt. Und das mehrfach vor dem Test angekündigt. Ein Drittel der Klasse hatte den Satz trotzdem falsch.

    Dann angekündigt, dass er im nächsten Test genau so noch einmal drankommt. Immer noch ein Viertel falsch. Und dann sich beschweren, dass die Noten nicht gut genug sind.

    Vielleicht ist wirklich ein Versetzungsantrag das Sinnvollste.

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